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Rauschen

von

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Reden

Das Essen war wirklich lecker, das musste Seth zugeben. So gut hatte er schon lange nicht mehr gegessen, was vor allem seinem Geldbeutel und seiner Unlust zu verdanken war. Er hatte Jamie reden lassen, der von den Dingen erzählte, die in der Schule passiert waren. Auch Leslie erzählte. Davon, das die Kaninchen sich im Garten wohlfühlten und sie eine kleine Katze aufgenommen hatte. Manchmal versuchten sie Seth mit einzubeziehen, aber er winkte meistens nur ab. Sie hatten mehr Dinge zu erzählen. Mehr positives.

Nach dem Essen brachte Leslie Jamie auf ihr Zimmer, während Seth zur Bar ging. Dort hatten sie sich verabredet, auch wenn er nicht sagen konnte, warum sie mit ihm reden wollte, denn noch immer meinte er erkennen zu können, was sie von ihm hielt. Trotzdem blieb er und stellte sich dem, was auch immer auf ihn wartete. Sehr schlimm könnte es doch sicher nicht werden. Sie war nett. Sie war hier, um Jamie endlich aus dem Mist zu holen, der sich sicher sonst mehr und mehr um den Kleinen sammeln würde.

„Hi“, wurde er aus seinen Gedanken gerissen und zuckte sogar ein wenig zusammen. Das ihn jemand so schnell ansprechen würde, hatte er nicht vermutet. Schon gar nicht, das es Leslie sein würde. Die war doch eben erst losgegangen... Oder wie lange saß er hier bereits?

Sie setzte sich ihm gegenüber und bestellte sich einen alkoholfreien Cocktail. Seth trank Cola, da er ihre Rechnung nicht noch weiter in die Höhe treiben wollte.

„Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?“, wollte sie wissen, als sie ein wenig mit dem Strohhalm ihres Getränkes gespielt hatte. Da Seth nichts von sich aus erzählte, musste sie ja nachfragen.

„Eh...“ Seth musste überlegen. Wie genau war das gewesen? „Ich kam eines Nachts von einer Party zurück. Jamie saß draußen, auf der Treppe vor dem Haus, und weinte sich die Augen aus. Ich weiß nicht mehr weswegen, aber … ich konnte ihn ja schlecht da sitzen lassen.“

Leslie nickte und trank einige winzige Schlücke, während sie Seth weiter ansah. Sie wartete darauf, ob noch mehr gesagt werden würden und dachte beinahe schon, da würde nichts mehr kommen, als Seth doch noch etwas einfiel.

„Genau, es war, weil seine Mutter ihn rausgeworfen hatte. Ich meine, Jamie hatte Hausaufgaben gemacht und dabei irgendwo seine Bücher liegen gelassen... War jedenfalls irgendetwas dummes.“

Aber genau so kannte Leslie ihre Schwester – zumindest dann, wenn sie betrunken war. Den eigenen Sohn raus werfen. Da spürte sie schon wieder, wie sie Tanya am liebsten die Meinung sagen würde. Dabei wusste sie, wie es enden würde: Genauso wie jedes Mal davor auch! Aber Leslie zwang sich dazu jetzt nicht wegen ihrer Schwester schlechte Laune zu bekommen. Das würde sie die nächsten Tage sicher noch oft genug haben. Um dem jetzt noch entgegen zu wirken, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Seth, der sie ansah, als wartete er auf eine ganze bestimmte Frage. Er wusste also, dass es kommen würde, aber noch blieb er davon verschont.

„Und dann hast du ihn einfach bei dir wohnen lassen?

„Zuerst nicht. Er kam nur nach der Schule vorbei. Hat seine Hausaufgaben gemacht, gelernt... vielleicht auch einfach nur die Ruhe genossen, keine Ahnung. Irgendwann haben wir dann Karten gespielt oder Yatzy oder... was er halt so an Spielen dabei hatte. Jedes Mal, wenn er bei mir war, blieb er ein wenig länger und vor ein paar Tagen, nach einem ziemlich lauten Streit mit seinen Eltern, kam er mit einer Tasche, mitten in der Nacht, zu mir.“

Die Reisetasche, die inzwischen oben im Zimmer stand. Das war ganz praktisch gewesen. So mussten weder sie noch Jamie sich dem Stress des Packens unter dem geblubber von Betrunkenen antun. Das war sicher das einzig positive daran, das sie sich vorstellen konnte. Bei der Wahl seiner Bleibe war Jamie jedoch recht naiv gewesen, wie Leslie fand. Aber das dachte sie vielleicht nur, weil sie Angst um ihn hatte.

„Ich denke, ich muss dir danken, das du dich um ihn gekümmert hast. Das ist nicht selbstverständlich.“

Seth nickte und zuckte dann mit den Schultern. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Bei ihm bedankt hatte sich schon so lange niemand mehr. Aber auch wenn es ehrlich klang, hing der Satz unangenehm zwischen ihnen. Als würde da noch ein Stück fehlen und der Teil würde ihm sicher nicht gefallen. Er wartete ja noch immer auf die eine Frage. Die nach seiner Vergangenheit, nach seiner Sucht. Die kamen alle - irgendwann. Das Leslie diese noch nicht gestellt hatte verwunderte ihn fast schon, immerhin sah man ihr an, das sie es wissen wollte. Darum war er auch nicht verwundert, als sie dann tatsächlich endlich ihrer Neugierde freien lauf ließ.

„Seit wann?“, fragte sie ein wenig zaghaft.

„Seit wann, was?“, stellte er sich ein wenig dümmer, als er war.

„Seit wann nimmst du … was auch immer – Jamie hat mir davon erzählt.“

„Lange... sehr lange... schon viel zu lange...“, antwortete er leise.

„Zu lange? Warum hast du dann nicht aufgehört? Wenn du selbst sagst, das es schon zu lange so ist?“

Da lachte Seth leise, jedoch weder ehrlich noch fröhlich. „Das ist nicht so einfach“, gestand er ein. „Es gibt die Tage, an denen will ich es gar nicht und dann die, an denen weiß ich, das ich es nicht kann.“ Danach zuckte er wieder mit den Schultern und schaute auf sein halb leere Glas.

Leslie überlegte eine Weile, bis sie zu einem Schluss gekommen war.

„Seth, du scheinst ein netter Kerl zu sein und, wie schon gesagt, bin ich dir dankbar dafür, das du dich um Jamie gekümmert hast, aber ...“, sie seufzte leise, „Wenn Jamie dann bei mir ist werd ich alles dafür tun, damit er keinen Kontakt mehr mit dir haben wird. Sein Vater war schon abhängig und ich möchte wirklich nicht, dass er ihn oder dich als Vorbild nimmt und eines Tages auch damit anfängt!“

Seth nickte nur langsam. Ja, so hatte er sich ihre Reaktion schon fast vorgestellt und eigentlich hatte er auch gar nichts dagegen einzuwenden. Immerhin war er dann endlich wieder alleine und konnte tun und lassen was er wollte.

„Das ist vermutlich besser“, gestand er ein und spürte doch, wie es ihm zu schaffen machte. Er hatte sich so an Jamie gewöhnt und sogar beinahe so etwas wie einen geregelten Tagesablauf gehabt.

Er würde den Kleinen wirklich vermissen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Shunya
2013-12-08T15:00:57+00:00 08.12.2013 16:00
Hm, ich finde es schade, dass Leslie die beiden Jungs auseinander reißen will. Ich habe das Gefühl, dass Jamies Anwesenheit Seth gut tut und dass er ihm möglicherweise vielleicht über seine Sucht weg helfen könnte, wenn Seth immerhin schon mal beinahe einen normalen Tagesablauf hatte.
Ich hoffe, die beiden sehen sich trotzdem irgendwann wieder. Wäre wirklich schade drum. O.o
Von:  RhapsodosGenesis
2013-10-11T16:02:16+00:00 11.10.2013 18:02
Das ist wirklich traurig :(
Wo Seth doch bei Jamie diesen Willen aufbringen konnte ... Wenn er jetzt wirklich geht - wird er dann wieder rueckfaellig? Sinkt er dann wieder soweit runter? Wie wird Jamie darauf reagieren?
Ich hoffe, es passiert da noch was! >.<
Muss weiterlesen!


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