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Sommersonnenwende

Götterfunken
von

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Mittsommer

Mit einem freundlichen, aber professionellen Lächeln schob Allen einer jungen, blonden Frau ihren bestellten Drink über die Theke, während sie ihm zeitgleich einen Geldschein zuschob.

„Danke. Behalten Sie den Rest einfach“, sagte sie über die Musik hinweg und erwiderte kurz sein Lächeln, ehe sie sich zu ihren Freundinnen zurückbewegte.

„Vielen Dank“, meinte er noch schnell, ehe sie außer Hörweite gelangte. Immerhin war das Trinkgeld sehr gut. An diesem Abend würde Allen nicht so viel davon sehen, denn zum einen endete seine Schicht in einer Viertelstunde, wenn seine Ablösung pünktlich war, und zum anderen war kein Wochenende und somit ohnehin weniger los.

Um neben seinem Studium noch ein wenig Geld zu verdienen und sich nicht auf die Unterstützung seiner Mutter festsetzen zu müssen, arbeitete Allen in einer altmodischen Bar, in der nur noch physisches und kein virtuelles Geld angenommen wurde. Heutzutage eine wahrliche Seltenheit, doch ehrlich gesagt, war es Allen wesentlich lieber so. Er war eher ein altmodischer Typ und nutzte virtuelle Räume und Währungen relativ ungern. Zwar war es mittlerweile fast unmöglich um einen Input, ein Implantat im Nacken, das mit dem globalen Netzwerk verbunden war, herumzukommen und für kleinere Studiengänge wie seinen wurden aus Platzgründen lieber virtuelle statt reelle Räume, wie Hidden Virtuality, genutzt, doch wenn er es vermeiden konnte, ließ er seinen Input lieber ausgeschaltet.

„Hey“, ertönte mit einem Mal eine weibliche Stimme neben ihm.

Allen war ganz in Gedanken versunken gewesen, sodass er sie gar nicht bemerkt hatte. Seine Ablösung, Jillian, musste kürzlich angekommen sein und band sich gerade ihre schwarze Schürze um die Hüfte.

„Oh, hey“, erwiderte Allen schließlich. „Heute ist nicht wirklich viel los.“

Sie sah ihn von der Seite her an. „Willst du vielleicht früher raus?“

„Wenn es dir nichts ausmacht? Ich müsste noch ein Exzerpt für morgen fertig schreiben…“

Sie nickte verstehend und verzog das Gesicht. „Ich schieb das auch immer vor mir her.“ Jillian war aus ähnlichen Gründen wie er hier, doch studierte sie Biotechnologie im sechsten Semester und nicht Literaturwissenschaften im zweiten.

Allen bedankte sich bei ihr und ging sich umziehen. Keine fünf Minuten später befand er sich vor der Bar mit seinem Handy in der Hand – wie gesagt, er nutzte seinen Input ungern – um seinem besten Freund Milo eine SMS mit der Frage, wie lange er noch arbeiten müsste, zu schreiben.

Grade fertig geworden. Museumshaltestelle?

Okay. Warte da auf dich, schrieb er daraufhin zurück und setzte sich in Bewegung.

Als er seine Hände tiefer in seine Hosentaschen schob, da es doch ungewöhnlich kühl für Ende Juni war, musste er unwillkürlich daran denken, dass sein Vater um dieselbe Zeit vor sieben Jahren gestorben war. Bei der Erinnerung daran überkamen ihn auch heute noch sowohl Trauer als auch Verwirrung. Sein Vater war an einer Blutvergiftung und schließlich Multiorganversagen gestorben, wie die Ärzte seiner Mutter damals mitgeteilt hatten. Trotz all der technischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts war es den Ärzten nicht gelungen, ihn zu retten. Auch wenn sein Vater gegen Ende im Fieberwahn gewesen war, kam Allen nicht umhin in seinen letzten Worten eine wichtige Nachricht sehen zu wollen. Doch bis heute wusste er nicht, was ihm „Rotstein Alexander drei drei sieben“ sagen sollte.

Nach dem Tod seines Vaters hatte er heftige Alpträume von einem Mann gehabt, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte. Nur seine grünen Augen leuchteten ihm aus der Dunkelheit entgegen und schienen ihn überall zu beobachten.

Müde rieb Allen sich die Augen. Das alles war schon lange her und nachdem sie umgezogen waren, hatten sich auch allmählich die Alpträume gelegt.

Er war so mit seinen Erinnerungen beschäftigt gewesen, dass er erst mitbekam, dass er an der Haltestelle vorbeigelaufen war, als er an der Ampel eine Straße weiter stand. Rasch wandte Allen sich um und ging schnellen Schrittes zu dem geplanten Treffpunkt zurück. Es dauerte nicht lange, da konnte er auch schon Milo ausfindig machen, der sich mit einem Grinsen auf den Lippen auf ihn zubewegte. Ungewollt setzte Allens Herz erst einen Moment aus nur um dann umso schneller weiterzuschlagen.

Hör auf, verdammt!, schalt er sich innerlich und das nicht zum ersten Mal. Du solltest nicht so über ihn denken! Er ist dein bester Freund, sonst nichts!

Milo und Allen kannten sich schon eine halbe Ewigkeit, waren bereits gemeinsam zur Schule gegangen und teilten sich jetzt, da sie beide studierten eine Wohnung. Milo war es auch gewesen, der ihn nach dem Tod seines Vaters gestützt hatte. Doch die Wahrheit war, dass Allen Milo schon sehr lange nicht mehr als einen bloßen Freund betrachtete. Dennoch hatte Allen für sich selber beschlossen, als ihm seine eigene Situation schließlich klar wurde, Milo niemals etwas davon zu sagen. Es würde nur alles kaputt machen, was ihm viel zu viel bedeutete, da er wusste, dass Milo niemals so über ihn, Allen, denken würde. Es war also einfach ‚besser‘ so.

„Hey“, begrüßte ihn Milo und Allen war froh über die paar Momente, die er zuvor hatte, um seinen Gesichtsausdruck wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Wie kommt es, dass du schon fertig bist?“

„Jillian ist früher gekommen und es war nicht wirklich viel los“, entgegnete Allen, als sein Freund nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war.

Es war bereits nach zehn Uhr am Abend und auf den Straßen befanden sich wenig Menschen. An der Haltestelle, an der sie sich befanden, wartete neben ihnen nur noch ein weiterer Mann auf die Bahn. Laut Anzeigetafel sollte diese in zwei Minuten eintreffen.

Während sie sich über dies und das, an für sich alltägliche Nichtigkeiten, unterhielten, fiel Allens Blick auf den mit ihnen wartenden Mann. Er konnte sein Alter nicht recht einschätzen, doch irgendetwas an ihm kam ihm ungemein bekannt vor, doch er konnte nicht mit Sicherheit sagen, was es war…

„… ich hab überhaupt keine Lust, noch diese zwanzig Seiten Text für morgen zu lesen“, meinte Milo voller Unmut und zog so Allens Aufmerksamkeit wieder auf sich.

„Wenigstens musst du nichts mehr schreiben…“, warf er ein.

Milo seufzte. „Hatten wir uns nicht eigentlich im letzten Semester vorgenommen, weniger faul zu sein?!“

„Ja, schon, aber sich etwas vornehmen und es dann auch wirklich tun, sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge“, entgegnete Allen.

„Hättest du das nicht wenigstens irgendwie schön reden können?“, murrte Milo.

„Meine Mutter sagt aber ich soll nicht lügen…“

Er grinste, doch Milos Erwiderung fiel mit der Ankunft der Bahn unter den Tisch. Gemeinsam mit dem anderen Mann bewegten sie sich auf die sich öffnende Tür zu und Milo stieß kurz mit dem Mann zusammen, als er sich zu Allen umdrehte.

„Oh, Entschuldigung“, murmelte er dem Mann entgegen.

Der Mann ließ ihm und dann auch Allen den Vortritt, doch kaum war Milo eingestiegen, blieb er direkt hinter der Tür stehen und versperrte somit auch Allen den Eintritt, der gegen ihn stieß.

„Hey, Milo, was ist los? Warum bleibst du stehen?”, fragte Allen irritiert.

Doch Milo antwortete nicht und bewegte sich keinen Millimeter.

„Milo?“, fragte Allen erneut und drängte sich an seinem Freund vorbei, als bereits das Piepen der Bahn ertönte, das das baldige Schließen der Türen signalisierte.

Doch Milo reagierte noch immer nicht und starrte nur vor sich her, den Mund leicht geöffnet und seine grünbraunen Augen waren geradeaus gerichtet, doch er schien nichts zu sehen und auch nicht wirklich anwesend zu sein. Allen streckte eine Hand nach Milo aus, doch auch als er seinen Freund berührte, reagierte dieser nicht. Und starrte immer noch stur geradeaus. Er fasste ihn fester um die Oberarme herum, unter anderem, um ihn auch von der Tür wegzuziehen, doch kaum hatte er die Hände um seine Arme gelegt, sackte Milo augenblicklich in sich zusammen.

„Milo!“, reif Allen geschockt aus, als er verzweifelt versuchte ihn abzufangen.

Das Piepen der Türen wurde lauter und verstummte schließlich, als sie sich schlossen, während der andere Mann nicht eingestiegen war. Milos Körper lag schlaff in Allens Armen, als er auf dem Boden der Straßenbahn hockte und kurzweilig Hilfe suchend aufsah.

Auf der anderen Seite des Fensters der geschlossenen Tür stand der Mann noch immer. Breit grinsend und mit leuchtend grünen Augen, sah er auf Allen herab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: Futuhiro
2013-07-12T20:11:15+00:00 12.07.2013 22:11
Ach menno, ist das schon wieder zweieinhalb Wochen her, daß die FF on kam? Ich bin so langsam ... =__=

Yoah, toller Einstieg. Ich kenn ja schon die andere Story aus diesem Universum, wo die Leute mit den Inputs rumlaufen, und mag die Idee total. Aber trotzdem ist das hier was ganz eigenständiges bisher. Find ich gut. ^^
Die Charaktere kann ich bisher noch nicht gut genug einschätzen, um sie zu mögen oder nicht zu mögen. Das ist auf nur 3 Seiten natürlich auch schwer. Sie sind auf jeden Fall interessant. Mehr wird sich dann zeigen, denke ich.

Ich nehme wohl mal an, der auffallend ähnliche Titel war Absicht. Ich bin gespannt, wie sich die beiden Storys dann zusammenraufen und eventuell sogar gegenseitig beeinflussen.
Antwort von:  Lianait
10.08.2013 11:45
Ach, mach dir nix drauß, ich bin furchtbar langsam im schreiben und manchmal auch beantworten der Kommentare... >_>

"Sommersonnenwende" ist etwas eigenständiges. Zwar hat Milena einen Cameo-Auftritt, aber sonst sind beide Geschichten gänzlich voneinander unabhängig.
Aber genau wie "Wintersonnenwende" ist SSW nur eine kürzere Vorstellung der Charaktere und ihrer Umstände.

Und ja, die auffallend ähnlichen Titel sind Absicht. :,D Die Titel geben zwar auch den Zeitpunkt der Handlung an, aber soll auch ein bisschen auf den mythologischen Hintergrund hindeuten und den Aberglauben, der mit diesem Tagen in Verbindung stand (beispielsweise das Auftauchen der Wilden Jagd an den Rauhnächten (mal wieder xD) oder die Vorstellung, dass ein junges Mädchen an diesem tag ihren zukünftigen Ehemann zu sehen bekommen kann). Zudem dienen beide Kurzgeschichten als Auftakt zu einer größeren Geschichte mit dem Namen "Beltane", in der dann die Charaktere aus WSW und SSW die Hauptrollen spielen sollen. ;)
Von:  _Myori_
2013-06-25T19:34:24+00:00 25.06.2013 21:34
Hey :)
Ich bin echt positiv überrascht von diesem Angang :D
Das Thema, diese technische Zukunft mit Implantaten, hört sich sehr interessant an und ich bin gespannt, was du so daraus machst.
Das Ende war suuper spannend und unerwartet und mir jucken schon die Finger, endlich auf das nächste Kapitel klicken zu dürfen XD
Du hast mich neugierig gemacht ;)
gglg Myori
Antwort von:  Lianait
26.06.2013 21:40
Vielen Dank für deinen Kommentar~ :3 Der war so überraschend unerwartet, aber hat mich sehr gefreut. :)
Ah, aber ich sollte vielleicht noch ergänzen, dass obwohl das setting futuristisch ist, die Handlung und Thematik sich mit mythologischen und fantastischen Elementen befassen wird.
Aber ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn du weiterhin dabei bleiben würdest. :)
LG, Lianait
Antwort von:  _Myori_
27.06.2013 20:07
*grins* gerade diese kombi hat mich ja neugierig gemacht :)
Antwort von:  Lianait
27.06.2013 21:17
Ah, okay, gut. xD
Ich hatte nur irgednwie das gefühl, vielleicht warnen zu müssen. xD
Von:  Flordelis
2013-06-25T12:04:29+00:00 25.06.2013 14:04
Muahahahahaha!
Ich bin erste! ... Weil ich einfach zu viel Zeit habe. *hmpf*

Endlich mal wieder was von dir lesen. Zur Aufmachung muss ich ja nichts sagen, gefällt mir wieder einmal sehr gut.
Die Altersangabe, die du machst, finde ich immer interessant... ich könnte das nie einschätzen, deswegen tue ich mir bei FF.de immer so schwer. XD

*lol* Der erste Satz hat so was von geheimen Drogengeschäften, in denen beide Parteien sich gleichzeitig einen Koffer zuschieben. XD
... Äh... weitermachen!

Die altmodischen Charas werden meist Hauptcharaktere. :,D
... Das finde ich eigentlich recht interessant, weil es sich wohl darauf zurückführen lässt, dass der Zuschauer, der diese Sachen nicht kennt, sich wohl eher mit dem Helden identifziert, wenn der sich eher auf Tradition besinnt und es den Konflikt verschärfen kann.
"Surrogates" wäre zum Beispiel nicht so spannend wie es ist, wenn der Held für Surrogates gewesen wäre. XD

Die antworten aber schnell auf SMSen. Ich muss immer ewig auf Antworten warten. XD

> Doch bis heute wusste er nicht, was ihm „Rotstein Alexander drei drei sieben“ sagen sollte.
Das war der Name seines Schlittens!
... nein, warte, das war eine andere Geschichte.
Aktuell sehe ich oft, dass Sterbende in ihrem letzten Moment noch eine Botschaft hinterlassen.
In "The Needle" war es am Lächerlichsten. *hust*
Bei dir macht es wenigstens noch Sinn, immerhin hat er sein Herz da noch in seiner Brust.

> Er war so mit seinen Erinnerungen beschäftigt gewesen, dass er erst mitbekam, dass er an der Haltestelle vorbeigelaufen war, als er an der Ampel eine Straße weiter stand.
Ich kenne Verrissautoren, die jetzt etwas Böses gesagt hätten... ich sage nur: Das ist mir auch mal passiert, aber ich war so in meine Musik vertieft. XD

> Ungewollt setzte Allens Herz erst einen Moment aus nur um dann umso schneller weiterzuschlagen.
Spezielle Gedanken. >:D

Owww, armer Allen. ._.
Kieran kann dich verstehen! =D
Kieran: ...

> „Ja, schon, aber sich etwas vornehmen und es dann auch wirklich tun, sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge“
Wo er recht hat, hat er recht. D:
Ihr werdet euch noch ein paarmal vornehmen, nicht mehr so faul zu sein. XDDD

WTF? Dieses Ende!
Die ganze Zeit passiert nichts (was nicht heißen soll, dass ich es langweilig fand) und dann kommt so ein Ende!
Was hat der Mann mit Milo gemacht?
Was wird jetzt aus Milo?
Wird er die 20 Seiten Text noch lesen können?
... Okay, die letzte Frage war seltsam. :,D

Schreib weiter. D:
Antwort von:  Lianait
26.06.2013 21:28
ENS und so~
Und jetzt mach ich mir erst mal meine Pizza. xD


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