Dieser Butler ist verführerisch
Der Earl Phantomhive stand auf und nickte schweigend der Tür zu. Die sich auch prompt öffnete und Sebastian betrat den Raum. Hatte er etwa die ganze Zeit da draußen gewartet? Obwohl das die logischste Erklärung gewesen wäre, konnte Sayo das nicht ganz glauben. Dieser Butler hatte einfach etwas an sich, dass ihn unter seiner perfekten Oberfläche irgendwie...einfach anders wirken lies.
Ciel schien das nicht zu interessieren, ganz im Gegenteil: er wäre eher überrascht gewesen, wenn sein treuer Diener nicht aufgetaucht wäre.
"Ihr wünscht?", riss Sebastian sie mit einer Verbeugung aus ihren Gedanken.
"Bring sie wieder in ihr Zimmer. Dort soll sie sich für den Rest des Tages von dem Unfall erholen."
Mehr sagte ihr beider Herr nicht und mit einem einzigen 'sehr wohl' verließ der Butler mit einer Verbeugung wieder den Raum, nachdem er der ehemaligen Adeligen bedeutet hatte, ihm zu folgen. Etwas unsicher stand sie auf, machte einen Knicks so gut es ging und beeilte sich dem Schwarzhaarigen hinterher zu kommen.
Ihr Körper schmerzte zwar noch ziemlich, aber sie konnte sich immerhin ohne Hilfe bewegen.
So trottete sie schweigend dem Mann vor ihr hinterher und nutzte dabei die Gelegenheit ihn zu mustern.
Eigentlich war er ja wie ein gewöhnlicher Butler gekleidet: Schwarze Hose, schwarze Schuhe, schwarzer Frack, darunter ein weißes Hemd und die zum ganzen Outfit dazugehörenden weißen Handschuhe. Doch je länger sie ihn beobachtete, desto mehr viel ihr wieder auf, wie... außergewöhnlich er doch war. Es war einfach seine Aura... so anders. Seine elegante Art sich zu bewegen, seine Ausdrucksweise, sein Verhalten... sein gesamtes Auftreten. So anders. So perfekt. Zu perfekt für einen normalen Menschen, selbst wenn es ein Butler einer hoch angesehenen Adelsfamilie war.
Plötzlich drehte er sich um und sah das Mädchen mit hochgezogenen Augenbrauen an. Fast so, als wüsste er, dass sie ihn beobachtet hatte. Was sie eigentlich nicht mehr wunderte. Bei ihm war ja fast alles möglich.
"Für heute noch dein Zimmer. Du kannst dich gerne ausruhen oder dich aber auch schon ein wenig mit dem Anwesen vertraut machen. Später bringe ich dir deine neuen Kleider."
Sie nickte, doch bevor er noch etwas sagen konnte, hörte man von unten her ein heftiges Krachen und sein Gesicht verfinsterte sich.
"Nachdem ich da unten für Ordnung gesorgt habe... "
Leise vor sich hin murmelnd - wahrscheinlich war es nichts all zu freundliches - verließ er den Raum und ließ Sayo leicht planlos zurück. Zum arbeiten war sie noch nicht fit genug und seine Worte und die ihres Herrn hallten in ihrem Kopf. Sie sollte sich ausruhen... oder konnte sich mal alles anschauen. Was eigentlich gar keine Schlechte Idee war... so sank die Chance sich zu verirren und ihren ersten Arbeitstag in einem völligen Durcheinander enden zu lassen und nebenbei konnte sie vielleicht auch ihre Kollegen kennen lernen.
Mit neuer Motivation machte sie sich auf den Weg, ihr neues Zuhause zu erkunden und spürte die Schmerzen dabei gar nicht mehr. Zu groß war ihre Aufregung.
Neugierig linste sie zur Tür hinaus und stand erstmal vor dem großen Rätsel, in welche Richtung sie gehen könnte. Spontan entschied sie sich für links, bog beim nächsten Gang rechts ab und hielt vor einer großen, schwarzen Tür. Sie lauschte. Es war ziemlich ruhig, so wie ihn der
ganzen Villa, aber hier war die Stille extrem. Anscheinend war niemand hier.
Sie wagte einen Blick in den Raum vor ihr und erkannte, dass es eine Bibliothek war. An den Wänden standen ziemlich hohe Regale aus dunklem Holz, rand voll mit Büchern. Daneben stand eine Couch, die perfekt war, um sich einfach nur hinzulümmeln und zu schmökern.
Sayos Herz schlug höher. Sie liebte Bücher über alles und konnte sich stundenlang in geschriebenen Geschichten vertiefen, den Duft von sowohl frischem, als auch altem Papier
genießen und sich einfach nur entspannen. Besonders Kriminalromane faszinierten sie und sie rätselte bei jeder neuen Story mit, wer der Täter war.
Unschlüssig stand sie vor dem Berg an Literatur und konnte sich nicht entscheiden, was sie lesen sollte. Schließlich wählte sie ein ihr noch unbekanntes Werk und warf sich in die weichen Kissen.
Niemand würde es ihr übel nehmen, wenn sie hier zur Entspannung las, störten würde sie hier ja keinen.
"Es war eine stürmische Nacht im Jahre 1798 als sie ihren ehemaligen Liebhaber tot am Boden liegen sah..."
Sie schreckte hoch und konnte neben sich das Lächeln, nein fast schon Grinsen, Sebastians sehen. Er hatte über ihre Schulter mitgelesen und schien das amüsant zu finden. Oder irrte sie sich da?
"Das Buch klingt ja sehr interessant...", meinte er und sein Lächeln wirkte nun anders... es machte ihr fast schon Angst, zog sie gleichzeitig aber auch an. Sie wurde rot und blickte verlegen zu Boden oder besser gesagt auf das Buch in ihren Händen.
"Was du so alles liest..."
Sein Gesicht kam dem ihrem ziemlich nahe und sie drehte den Kopf weg.
"Äh.. ja, ich ähm... liebe Krimis..."
"Woran liegt das wohl? An der Gewalt? Am lösen des Falls? Oder der Leidenschaft hinter dem begangenen Verbrechen? Was gefällt dir daran so?"
Nun beugte er sich über sie, sodass er sie mit seinen auf dem Polster abgestützten Händen gefangen hielt und kam ihr immer näher.
"I-ich weiß nicht genau... ich schätze einfach mal... alles?"
Er wandte seinen Blick nicht von ihren Augen und sie schaffte es nicht, ihren von den Seinen zu lösen. Sie waren gar nicht braun, wie sie stehts gedacht hatte, sondern rot.
Blutrot und unergründlich. Wenn die Augen eines Menschen wirklich das Fenster zu seiner Seele waren, dann hatte dieser Mann keine.
Eigentlich, fürchtete sie sich, hatte Angst, bei dem Gedanken, den sie gerade hatte und wollte flüchten. Einfach nur weg von hier, weg von ihm. Zugleich hätte sie ihn aber am liebsten gepackt und an sich gerissen, einfach nur ihrem inneren Verlangen nach ihm folgend, aber sie war wie gelähmt. Sie bewegte sich keinen Millimeter und wagte es kaum zu atmen. Einzig die Härchen auf ihren Armen salutierten gehorsam, was ihrem Gegenüber natürlich nicht verborgen blieb.
Sein Lächeln hatte nun etwas animalisches, fast wie bei einem gefährlichen Raubtier an sich und seine Lippen berührten nun fast die ihren.
"Interessant... was für eine Sorte von Mensch du bist...", hauchte er und sie konnte sich kaum zurückhalten. Sie brauchte sich bloß zu bewegen und der schmale, fast nicht existente Raum zwischen ihnen wäre überbrückt. Aber sie konnte es einfach nicht. Ihr Körper gehorchte ihr nicht, so als ob Sebastian die Kontrolle darüber hätte und nicht sie.
Doch bevor sie reagieren konnte, stand er auf und tat so, als ob nichts gewesen wäre:
"Nun... ich habe dir deine neue Kleidung bereits auf dein momentanes Zimmer gebracht. Ruh dich noch aus und... viel Spaß beim lesen."
Damit ließ er sie alleine, wohl wissend, dass sie sich nicht mehr auf das Buch konzentrieren können würde.
Ihr Herz raste. Dieser Teufel von einem Butler hatte ihr den Verstand völlig verdreht, ob beabsichtigt oder nicht. Sie wurde nicht schlau aus ihm und besonders eine Sache verwirrte sie. Hatte er wirklich mit nur einem Blick erkannt, was für eine Person sie war? Und dass sie ihm nicht widerstehen konnte, obwohl sie diesen Mann erst seit wenigen Stunden kannte?