Ein ungewöhnliches Date
Sie beide hatten im Zuge der Hochzeit so viel gegessen, dass sie tatsächlich einstimmig beschlossen hatten, gemeinsam joggen zu gehen. Somit hatten sie sich bei Einbruch der Dunkelheit im Park getroffen und waren zusammen losgelaufen, um sich ein paar der Kalorien wieder abzutrainieren.
Es war ein sternenklarer, aber dafür auch kalter Abend, als Kari im Park ankam, wo T.K. schon an einer Bank auf sie wartete, die Hände in den Taschen seiner Shorts vergraben, die ihm nur bis zu den Knien reichten.
„Ist dir nicht kalt?“, begrüßte Kari ihn und rieb sich fröstelnd die Arme. „Ich friere schon, wenn ich dich nur ansehe.“
„Du sollst mich ja jetzt auch nicht ansehen“, erwiderte er grinsend.
Sie liefen los in eine unbestimmte Richtung und achteten darauf, nicht zu schnell zu joggen. Kari ging nur äußerst selten laufen. Es war einfach nicht ihre Sportart. Zu langweilig, doch heute irgendwie genau das Richtige. Vielleicht konnte sie ihren Kopf ein wenig freibekommen, doch das würde ohne T.K. definitiv besser klappen.
„Und? Wie fandest du die Hochzeit?“, fragte sie nach einer Weile.
„Echt gut. Die Stimmung war super“, antwortete er.
„Ja, fand ich auch. Alles ist so gut verlaufen. Mimi hat sich ganz umsonst Sorgen gemacht“, erwiderte Kari.
Sie plauderten eine Weile ungezwungen über die Hochzeit und über die Vorbereitungen, die Kari miterlebt hatte. Währenddessen joggten sie kreuz und quer durch den Park, bogen unsystematisch irgendwo ab und liefen einige Wege doppelt. Doch das bekam keiner von ihnen so wirklich mit.
Nach einer Weile fror Kari nicht mehr, sondern begann zu schwitzen. Das Laufen brachte sie mehr aus der Puste, als sie erwartet hatte. Zudem waren ihre Füße noch ein wenig angeschlagen vom gestrigen Tag. Sie hatte sich an jeder Ferse eine Blase gelaufen und außerdem schmerzten ihre Ballen von der unnatürlichen Fußhaltung. Die Turnschuhe, die sie gerade trug, waren um so vieles bequemer als die High Heels.
„Können wir bitte eine Pause machen?“, japste Kari nach etwa einer halben Stunde. Mittlerweile war sie völlig außer Atem und musste dringend Luft schnappen.
„Oh, klar“, antwortete T.K. und verlangsamte sein Tempo, sodass sie nun weitergingen. „Ich dachte, ihr Tänzer seid ein bisschen mehr gewohnt.“
Er grinste sie herausfordernd an.
„Ach, halt die Klappe“, murrte Kari.
Zwar keuchte T.K. ein wenig, wirkte ansonsten aber noch topfit. Aber als Basketballer benötigte er ja auch besonders viel Ausdauer.
Sie gingen zu einer Bank und ließen sich darauf fallen.
„Das ist echt das seltsamste Date, das ich jemals hatte“, stellte Kari fest, zog die Beine an den Oberkörper und lehnte sich zurück.
„Ist es denn eins?“, fragte T.K.
„Was?“ Verwirrt sah sie ihn an.
„Ist es denn ein Date?“
Ertappt weitete Kari die Augen. „Ich... keine Ahnung. Ich dachte es.“
Er schnaubte belustigt. „Echt romantisch. Verschwitzt nachts auf einer Bank im Park neben den Mülleimern.“
„Es ist, was wir daraus machen“, antwortete Kari schulterzuckend und sah ihn unsicher lächelnd an. „Man könnte auch sagen, wir sitzen im Sternenlicht nach einer gemeinsamen Aktivität auf einer Bank im Park.“
„Wie poetisch“, erwiderte T.K. sarkastisch.
Sie kicherte und lehnte den Kopf gegen seine Schulter. Der Stoff seines dunkelgrauen Kapuzenpullis fühlte sich angenehm weich an ihrer Schläfe an und sein Duft stieg ihr in die Nase. Von Schweiß war da jedoch keine Spur. Es war einfach nur der typische T.K.-Duft, den sie den ganzen Tag schnuppern könnte. Vielleicht sollte sie ihm bei Gelegenheit ein T-Shirt klauen.
Eine Weile saßen sie schweigend in dieser Position auf der Bank und lauschten einfach in die Nacht hinein. In einem Gebüsch raschelte ein Tier, in irgendeinem Baum schrie ein Kauz, im Himmel ertönte dumpf das Geräusch eines über sie hinweg gleitenden Flugzeugs. Kari hatte die Augen geschlossen und atmete tief ein und aus. Inzwischen hatte sie sich wieder ein wenig erholt.
Sie spürte, wie T.K. eine Hand auf ihr Knie legte und von dort aus langsam über ihren Oberschenkel strich, bis er ihre Hand erreichte, die in ihrem Schoß lag. Er verschränkte seine Finger mit ihren.
Er seufzte leise. „Was machen wir hier eigentlich?“
„Wir sitzen auf einer Bank?“, antwortete Kari, ohne die Augen zu öffnen.
„Nein, ich meine, was haben wir? Was wird das mit uns, wenn es fertig ist?“, fragte er leise.
Kari öffnete nun doch die Augen, vermied es aber, ihn anzusehen. Stattdessen starrte sie in die Dunkelheit und überlegte, was sie antworten sollte, wo sie es doch selbst nicht wusste. Sie wollte so ein Gespräch nicht führen, obwohl sie einsah, dass es wohl früher oder später nötig war.
„Keine Ahnung“, murmelte sie.
„Kari“, sagte er, sodass sie sich aufsetzte und ihn fragend ansah. „Ich bin ziemlich... ich meine, du bist... also... boah.“ Er schloss die Augen und fuhr sich leicht über sich selbst lachend durch die Haare. Kari runzelte nur unsicher die Stirn.
„Das ist irgendwie schwieriger als ich dachte“, stellte T.K. schief lächelnd fest. Dann löste er seine Hand von ihrer und vergrub die Finger beider Hände in den Stoff ihrer Jacke. Somit zog er sie an sich und küsste sie fordernd. Es war, als würde sie durch seinen Geschmack auch seine Stimmung schmecken. Sie spürte die Ungeduld und die Leidenschaft, die ihn offenbar ergriffen hatten. Sie fuhr mit den Fingern durch sein Haar und zog ihn somit noch ein wenig näher an sich.
Ihr wurde ganz heiß und ein wildes Prickeln erfasste ihren gesamten Körper. Schon wieder brachte er sie um den Verstand und dabei saßen sie nur verschwitzt auf einer Parkband und küssten sich. Wie sollte das werden, falls sie tatsächlich irgendwann einmal weitergingen?
Atemlos lösten sie sich so weit voneinander, dass sie sich ansehen konnten. Kari strich sich eine Strähne aus der Stirn, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte und beobachtete T.K. Seine Augen waren glasig, sein Mund leicht geöffnet und Haarsträhnen klebten an seiner Stirn.
Sie war über sich selbst erschrocken, als sie bemerkte, dass sie ihn am liebsten sofort wieder an sich reißen würde. Er hatte sie ganz kribbelig gemacht. Wie gern wäre sie jetzt mit ihm allein in einem Zimmer...
Sie zuckte zusammen. Was hatte sie da gerade gedacht? Sie waren doch noch nicht einmal offiziell ein Paar.
Fragend sah er sie an.
„Mir wird langsam kalt“, murmelte Kari, machte sich von ihm los und stand auf. „Und ich brauche dringend eine Dusche.“
„Jap, ich auch“, stimmte er ihr zu und stand ebenfalls auf.
Gemeinsam joggten sie den Weg zurück zu der Bank, an der sie sich getroffen hatten.
„Vielleicht sollten wir das regelmäßig machen“, meinte Kari, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war. „Ich meine, wenn jemand mitkommt, kann ich mich eher dazu aufraffen.“
„Ja, können wir gern machen“, erwiderte er.
Für einen Moment standen sie sich schweigend gegenüber, bis T.K. schließlich seufzte und sich am Kopf kratzte.
„Okay, bist du sicher, dass du allein nach Hause kommst?“, fragte er und musterte sie zweifelnd.
Kari hob eine Augenbraue. „Ich bin siebzehn. Ich denke, ich finde mein Zuhause allein.“
„Naja, was, wenn dich jemand überfällt? Wegrennen kannst du nicht, du bist ja jetzt schon außer Atem.“
„Idiot“, murmelte sie und boxte ihm gegen den Oberarm. „Außerdem überfällt mich keiner, so, wie ich gerade aussehe.“
„Wenn derjenige auf der Suche nach etwas Süßem ist, schon“, antwortete T.K. schulterzuckend.
Sie legte den Kopf schief. „Takeru Takaishi, wenn du so weitermachst, war das unser letztes Joggingdate.“
Er grinste. „Entschuldige.“
Sie warf ihm nur einen mahnenden Blick zu.
„Na dann, bis morgen“, verabschiedete er sich von ihr, beugte sich zu ihr hinab und küsste sie. „Und schreib mir, wenn du zu Hause bist.
„Das ist mein Spruch“, beschwerte sich Kari, lächelte aber.
„Ihr wart zusammen joggen? Bei einem Date? Ist das dein Ernst?“ Ungläubig starrte Nana sie an, als sie am Montag zusammen zur Mittagspause in der Mensa saßen. „Ich hatte gestern auch ein Date mit Ken, aber joggen waren wir nicht. Wir haben anderen Sport gemacht.“ Sie zwinkerte verschwörerisch und Kari versuchte, ihr Kopfkino auszuschalten.
„Ah, hör auf“, erwiderte sie und hielt sich demonstrativ die Ohren zu.
„Schon gut.“ Nana winkte ab. „Also vielleicht ist Takeru ja doch schwul. Ich meine, wer geht denn schon joggen bei einem Date?“
„Menschen, die sich gemeinsam sportlich betätigen wollen vielleicht?“, murrte Kari.
„Das wäre gar nicht so schlecht. Dann könnten wir ihn mit Davis verkuppeln und er und Ken können wieder ganz normale Freunde sein“, redete Nana weiter, ohne auf Karis Einwurf einzugehen.
„Für mich wäre das schlecht“, erwiderte Kari verletzt darüber, wie locker Nana diese Sache sah. Anscheinend waren Kari und T.K. aus ihrer Sicht nicht wirklich dazu bestimmt, eine Beziehung einzugehen.
„Aber du streitest doch sowieso immer ab, dass du was von ihm willst“, meinte Nana und musterte sie neugierig.
Kari seufzte und schob sich eine Tomate in den Mund. Während sie kaute und schluckte, überlegte sie, was sie darauf antworten sollte.
„Ich glaube, ich hab' mich in ihn verliebt“, räumte sie schließlich ein. Es war das erste Mal, dass sie diesen Gedanken laut aussprach. Es war sogar das erste Mal, dass sie sich diese Tatsache selbst eingestand, aber allmählich war es nicht mehr zu leugnen.
„Das dachte ich mir“, erwiderte Nana unbeeindruckt. „Und ich bin mir sicher, dass es ihm mit dir genauso geht.“
Kari sah sie schief an. „Hast du nicht eben noch geglaubt, er wäre vielleicht schwul?“
„Das hab' ich doch nur so gesagt, damit du endlich mal zugibst, dass du verliebt bist“, antwortete sie und stupste Kari an. „Aber joggen bei einem Date finde ich trotzdem komisch.“
„Naja wir sind ja außerdem noch Freunde. Und Freunde machen doch Sport zusammen. Also wo ist das Problem?“, entgegnete Kari trotzig.
Nana schüttelte nur den Kopf. „Wie war eigentlich die Hochzeit?“
„Hat Ken dir noch nichts erzählt?“
„Doch, aber ich will ja wissen, wie du sie fandest.“
Kari lächelte beim Gedanken an die zurückliegende Hochzeit. „Sehr schön. Alles hat gut geklappt und ich glaube, Tai und Mimi waren sehr glücklich. Und die Gäste waren auch alle zufrieden.“
„Das ist super. Wie kamst du mit deinen Schuhen zurecht?“, fragte Nana.
Kari machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich habe sie irgendwann ausgezogen und bin barfuß herumgelaufen. War zu anstrengend.
Nana lachte. „Hätte ich mir denken können. Und was hat Takeru zu deinem Outfit gesagt?“
„Er... fand mich umwerfend“, nuschelte Kari und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden.
„Uuuuuhhhh“, machte Nana und grinste übertrieben. „Na wenn das mal kein Kompliment ist.“
„Ach, er sah viel besser aus. Du hättest ihn mal sehen sollen“, erwiderte Kari.
„Männer im Anzug sehen doch immer gut aus. Aber sei nicht so bescheiden. Ich bin sicher, du sahst toll aus.“
„Keine Ahnung. Ich bin mal auf die Fotos gespannt.“
„Schön, dich mal wieder zu sehen, T.K.“, begrüßte Yuuko T.K., ohne Kari zu beachten, obwohl sie beide gleichzeitig die Wohnung betreten hatten. „Möchtest du etwas essen? Ich habe gerade Ingwerplätzchen gebacken.“
„Ja, gern“, erwiderte T.K. höflich.
Kari warf ihm einen entsetzten Blick zu. Was tat er da? Er wusste doch, dass man Yuukos Kreationen besser nur von weitem bewundern sollte. Oder eher verachten.
Yuuko machte ein Gesicht, als hätte man ihr soeben einen Tag mit Martha Stewart angeboten und eilte zu ihren Ingwerplätzchen, die noch auf einem Blech ruhten und darauf warteten, verspeist zu werden. „Setz dich. Möchtest du ein Glas Milch zum Essen?“
„Ja, bitte.“
„Okay. Kari, gib ihm ein Glas Milch“, wandte Yuuko sich nun an Kari.
„Oh, ich dachte schon, du hättest noch nicht bemerkt, dass ich auch da bin“, erwiderte Kari bissig.
„Ich bin ja nicht blind. Aber du sagst sowieso immer 'nein', wenn ich dir etwas zu essen anbiete“, antwortete Yuuko schnippisch und holte einen Teller aus einem der Hängeschränke hervor.
Warum nur?, fragte Kari sich im Stillen und machte sich daran, Gläser für sich und T.K. zu holen, um diese mit Milch zu füllen.
T.K. hatte sich an den Esstisch gesetzt und bekam nun von Yuuko einen Teller mit zwei großen braunen Ingwerplätzchen darauf vor die Nase gestellt. Sich selbst hatte sie auch einen vorbereitet und nahm T.K. gegenüber Platz, während Kari sich neben ihn setzte.
„Also, guten Appetit“, sagte Yuuko fröhlich, griff nach einem ihrer Plätzchen und biss herzhaft hinein. Kari beobachtete unterdessen T.K., der ebenfalls einen Bissen nahm, und nippte an ihrer Milch. Die erschien ihr wesentlich vertrauenerweckender.
Den Kaugeräuschen, die T.K. und Yuuko machten, war zu entnehmen, dass die Plätzchen viel zu hart waren. Es klang, als würden sie Steine kauen.
„Vielleicht waren sie zwei Minuten zu lang im Ofen“, räumte Yuuko etwas beschämt ein.
„Oder zwei Stunden“, warf Kari ein.
„Du sei still. Du probierst ja nicht einmal“, zischte Yuuko und sah sie scharf an. „Schmecken sie dir, T.K.?“
„Ja, sie sind wirklich... besonders“, erwiderte T.K. zögerlich und bot Kari sein Plätzchen an. Unter Yuukos erwartungsvollem Blick nahm Kari nach einigen Sekunden schließlich widerwillig das Plätzchen entgegen und biss ein kleines Stück ab. Es war tatsächlich viel zu hart und schmeckte, als hätte jemand altes Brot, zu viel Ingwer und eine Prise Erde in einen Topf geworfen und auf ein Wunder gehofft.
Kari verzog das Gesicht und gab T.K. das Plätzchen zurück. Damit konnte er schön allein fertig werden. Immerhin war er so dumm gewesen, Yuukos Angebot anzunehmen, obwohl er es besser wusste.
„Du übertreibst“, murmelte Yuuko mit einem genervten Blick auf Kari und aß munter ihr Gebäck, doch Kari glaubte, dass sie nur so tat, als würde es ihr schmecken. „Also, habt ihr zwei irgendwas für die Schule zu tun?“
„Ja, wir müssen ein Plakat zum Thema 'Sicherheit auf Facebook' machen“, antwortete Kari, da T.K. gerade damit beschäftigt war, einen Bissen herunterzuwürgen.
„Oh, das klingt interessant. Ich hoffe, ihr lernt was dabei. Was müsst ihr machen?“ Interessiert hob Yuuko die Augenbrauen.
„Naja, im Grunde genommen sollen wir schauen, wie einfach es ist, auf Facebook an die falschen Leute zu geraten. Perverse und so. Wir haben uns überlegt, wir erstellen ein Fake-Profil und gucken, was passiert“, erklärte Kari.
„Verstehe.“ Yuuko nickte. „Bis wann müsst ihr fertig sein?“
„Mitte Oktober müssen wir das Plakat vorstellen“, antwortete Kari.
„Da habt ihr ja noch ein bisschen Zeit. Aber das ist wirklich ein spannendes Thema. Sagt mir dann, was ihr herausgefunden habt.“ Yuuko stand auf, räumte ihren Teller in die Spülmaschine und schnappte sich ihre Jacke. „Ich muss noch einkaufen gehen und danach treffe ich mich mit einer Freundin. Bin zum Abendessen wieder da. Macht keinen Blödsinn.“ Sie zwinkerte verschwörerisch und rauschte aus der Wohnung.
„Macht keinen Blödsinn“, wiederholte Kari ihre Worte spöttisch. „Was denkt sie, was wir machen? Die Wohnung auseinandernehmen? Oh mein Gott, du hast das nicht ernsthaft aufgegessen?!“
T.K. sah sie hilflos an. „Was hätte ich denn machen sollen?“
„Ablehnen?“
„Im Gegensatz zu dir bin ich aber höflich“, entgegnete er.
„Im Gegensatz zu dir will ich mir nicht den Magen verderben“, antwortete Kari.
„So schlimm war's gar nicht. War eigentlich ganz okay.“
Sie sahen sich an, dann mussten sie beide lachen.
„Lass uns endlich mit diesem Plakat anfangen“, sagte T.K. dann.
Sie räumten ihr Geschirr weg und setzten sich dann an den Computer in Karis Zimmer, um das falsche Profil zu erstellen. Kari klickte auf den Link zur Erstellung eines neuen Profils. Voller Tatendrang starrte sie die auszufüllenden Kästchen an.
„Okay, was ist der naivste Name, der dir einfällt?“, fragte sie an T.K. gewandt.
„Hikari Yagami?“, antwortete er ohne zu zögern.
Kari drehte sich zu ihm um und starrte ihn entgeistert an, sodass er lachte.
„War doch nur ein Scherz“, lenkte er ein und stützte den Kopf auf der Hand ab.
„Witzig.“
„Wie wäre es mit... Momoko?“, schlug er nun ernsthaft vor.
„Nein, Momoko ist ein schöner Name. Der hört sich nicht naiv an“, antwortete Kari und schüttelte den Kopf.
„Na gut. Dann vielleicht Eri?“
„Das klingt nach einer alten Oma.“
T.K. seufzte. „Schlag du doch was vor.“
„Wie wäre es mit Hitomi?“, sagte Kari.
T.K. runzelte die Stirn. „In der Parallelklasse ist eine und die ist alles andere als unschuldig.“
Verwundert sah Kari ihn an. „Woher weißt du das?“
„Hörensagen. Was hältst du von Sakura?“, lenkte er das Thema wieder auf ihr eigentliches Vorhaben, doch Karis Interesse war geweckt. Sie wusste, dass es eine Hitomi in der Parallelklasse gab, aber sie kannte sie nicht.
„Was ist mit Hitomi?“, fragte sie, ohne auf seinen Vorschlag einzugehen.
„Nichts“, antwortete er einsilbig und lehnte sich zurück. „Also heißt unser naives Mädchen jetzt Sakura oder nicht?“
Kari tippte den Namen Sakura ein, sah dann jedoch T.K. wieder an. „Hast du mit Hitomi gesprochen?“
Er verdrehte die Augen. „Okay, wir brauchen einen Nachnamen. Fällt dir einer ein?“
„Du hattest was mit ihr, oder?“
Überrascht riss er die Augen auf. „Was? Nein! Wie kommst du darauf?“
„Weil du nicht darüber sprechen willst, woher du weißt, wie sie ist.“
Er seufzte erneut. „Irgendwann im April oder Mai war ich mal mit ein paar Jungs vom Basketball unterwegs und da war sie auch dabei. Sie hat ein paar eindeutige Anspielungen mir gegenüber gemacht, aber ich bin nicht darauf eingegangen. Irgendwann war sie dann mit einem von den Jungs eine Weile auf dem Klo und der hat hinterher damit geprahlt.“
„Oh, echt?“ Kari hob überrascht die Augenbrauen. „Mit wem?“
„Können wir jetzt weitermachen?“ Er drängte Kari ein wenig zur Seite und tippte einen Nachnamen ein, doch Kari achtete nicht darauf, sondern musterte ihn nur interessiert. Er war nun sehr dicht neben ihr, ihre Arme berührten sich. Er betrachtete scheinbar konzentriert den Computerbildschirm.
„Mit wem?“, wiederholte Kari ihre Frage, ohne den Blick von ihm abzuwenden.
„Mit Sakura, unserem naiven Pädophilenopfer“, antwortete er trocken und erwiderte ihren Blick. Ihre Gesichter waren sich so nah, dass sie die feinen Härchen auf seiner Haut erkennen konnte und ein paar einzelne Sommersprossen auf seiner Nase. Ihr Blick fiel auf seine Augen, dann auf seine Lippen.
„Nein, ich meine...“ Bevor sie ihren Satz beenden konnte, hatte er ihre Lippen mit seinen verschlossen und sie in einen Kuss verwickelt. Seine Hand fuhr in ihr Haar, in ihren Nacken und zog sie ein wenig mehr an sich. Der Kuss wurde intensiver, Kari schlang die Arme um seinen Hals, doch plötzlich löste T.K. sich von ihr und schob sie ein klein wenig von sich.
„Lass uns erst das hier fertig machen, okay?“, fragte er leise und deutete auf den Computer. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.
Ein wenig enttäuscht nickte Kari, doch er hatte Hitomi und auch alles andere aus ihrem Kopf verbannt mit seinem Kuss.
„Also, was ist ein passender Nachname für eine naive Sakura?“, fragte T.K. und betrachtete nachdenklich den Bildschirm.
„Ähm“, Kari musste sich erst einmal wieder kurz sammeln, „Sakurada?“
T.K. hob eine Augenbraue und sah sie an. „Sakura Sakurada?“
Kari kicherte. „Wäre doch witzig.“
„Total.“
„Spaßbremse. Dann eben Miyoshi“, schlug Kari vor.
T.K. zuckte mit den Schultern und tippte den Namen ein. „Fällt dir ein naives Geburtsdatum ein?“
„Wie kann ein Datum denn naiv sein?“, fragte Kari verwirrt.
„Keine Ahnung. Vielleicht gibt es einen Tag, der zu einem naiven Mädchen passt“, erwiderte T.K.
„Der vierzehnte Februar. Valentinstag“, fiel Kari plötzlich ein. „Wenn das kein naiver Tag ist, dann weiß ich auch nicht.“
„Guter Vorschlag.“ Er wählte das Datum aus. „Und wie alt soll sie sein?“
„Jung genug, um Pädophile anzulocken. Vielleicht zwölf?“
„Okay, also Geburtsjahr siebenundneunzig“, murmelte T.K. vor sich hin und suchte das Jahr aus der Liste heraus. „E-Mail-Adresse?“
„Oh, wir brauchen wirklich eine, damit wir das Profil bestätigen können“, sagte Kari.
Sie erstellten schnell eine E-Mail-Adresse mit dem Namen pinkypie97@anet.ne.jp und fügten diese in das vorgesehene Kästchen ein.
„Okay. Wohnt in Tokio, geht zur Schule, ist Single“, murmelte T.K., während er alle Daten auf dem Profil ergänzte. Er schickte die Anmeldung ab, bestätigte das Profil und machte sich an die Suche nach einem geeigneten Anzeigebild. „Was für ein Foto wollen wir nehmen?“
„Keine Ahnung. Bei Google Bilder von zwölfjährigen Mädchen raussuchen?“, schlug Kari ratlos vor.
T.K. runzelte skeptisch die Stirn. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre.“
„Aber wo sollen wir jetzt eine Zwölfjährige herkriegen, die sich dazu bereit erklärt, ihre Fotos für ein falsches Profil zur Verfügung zu stellen, mit dem wir Perverse anlocken wollen?“
„Keine Ahnung“, gab er zu, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Nachdenklich starrte er den Bildschirm an.
„Vielleicht nehmen wir einfach ein Foto von einem Stofftier oder so“, überlegte er.
„Machen das die Zwölfjährigen heutzutage noch so?“, fragte Kari argwöhnisch und hob eine Augenbraue. „Ich hätte eher vermutet, sie posten ein Foto ihrer Unterwäsche.“
T.K. schnaubte verächtlich. „Ja, ist vielleicht realistischer.“ Dann grinste er Kari an. „Dann müssen wir wohl deine Unterwäsche fotografieren.“
Kari riss die Augen auf und lief knallrot an. „Spinnst du? Kommt nicht in Frage!“
Er lachte. „War ja auch nur ein Witz. Ich bin allgemein gegen Unterwäsche als Profilbild.“
„Aber was wollen wir sonst nehmen? Was interessiert denn zwölfjährige Mädchen?“, fragte Kari weiter und versuchte, die Röte aus ihrem Gesicht wieder zu vertreiben.
„Du bist das Mädchen von uns beiden“, erinnerte er sie überflüssigerweise.
„Vielleicht Schminksachen? Herzen? Boybands?“, zählte Kari auf und benutzte dabei ihre Finger zur Veranschaulichung. „Landschaftsfotos? Klamotten? Tattoos?“
„Herzen finde ich gut“, meinte T.K. „Und irgendwelche Initialen darin. S plus irgendwas.“
„Für die beste Freundin“, ergänzte Kari. „Das ist gut.“ Sie kramte aus einer Schublade ein Blatt Papier und Filzstifte hervor und machte sich daran, ein großes Herz zu zeichnen.
„Zeichne noch Flügel dran“, sagte T.K., der sie amüsiert beobachtete.
Kari kicherte und ergänzte Flügel. Dann schrieb sie den Buchstaben S und ein Pluszeichen hinein. „Und mit welchem Buchstaben soll die beste Freundin beginnen?“
„Ach, keine Ahnung. Nimm einfach irgendeinen.“
Kari entschied sich für ein A. Sie fotografierte das Bild, kopierte es auf ihren Computer und bearbeitete es ein wenig, so wie sie schon einige Fotos auf Facebook gesehen hatte. Dann stellte sie das Foto als Profilbild ein und fügte die Beschreibung „für meine BFF <3 <3 <3!!!!!“ hinzu.
„Du bist gut.“ T.K. nickte anerkennend. Er hatte einen Arm über die Lehne ihres Stuhls gelegt und sich leicht nach vorn gebeugt. „Man könnte fast meinen, man hätte tatsächlich eine Zwölfjährige vor sich.“
Kari lächelte nur amüsiert und machte sich daran, einen ersten Post auf die Pinnwand von Sakura Miyoshi zu schreiben. Sie tippte „hallo, ich bin noch ganz neu hier, addet mich einfach, wenn ihr mich kennenlernen wollt :))))) <3“ und speicherte es, sodass es auf der Pinnwand erschien. Dann wandte sie sich mit fragendem Blick an T.K.
„Super“, meinte dieser nur, stand auf und streckte sich. „Wenn darauf keine Perversen anspringen, dann weiß ich auch nicht.“
„Ja. So lasse ich das jetzt einfach. Mal sehen, was passiert“, beschloss Kari und schaltete den Computer ab.
„Bin gespannt“, erwiderte T.K. gähnend und ließ sich der Länge nach auf Karis Bett fallen.
„So siehst du aus“, antwortete Kari sarkastisch und stand ebenfalls auf. Etwas unsicher ging sie ebenfalls zu ihrem Bett. „Können wir jetzt endlich was anderes machen?“
T.K. sah zu ihr hinauf. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und musterte sie leicht lächelnd. „Was du willst.“
Einige Sekunden stand Kari unschlüssig vor ihrem Bett und starrte ihn an, dann gab sie sich einen Ruck. Langsam kletterte sie über ihn und setzte sich rittlings auf seine Hüften. Dabei musste sie aufpassen, dass ihr Rock nicht zu sehr verrutschte, denn sie trugen beide noch immer ihre Schuluniformen.
Er sagte nichts, sondern sah ihr nur in die Augen, als sie sich nach vorn beugte und die Hände links und rechts neben seinem Kopf abstützte.
„Alles, was ich will?“, fragte sie leise.
Er schluckte und nickte kurz.
„Dann gehe ich mir jetzt was zu essen machen“, verkündete Kari und setzte sich grinsend wieder auf.
„Hä?“ Verwirrt und ein wenig enttäuscht sah T.K. sie an.
Kari kicherte und beugte sich wieder nach vorn. „War nur ein Scherz.“
Dann schloss sie die Augen und küsste ihn. Natürlich erwiderte er ihren Kuss und verbannte damit alle anderen Gedanken aus Karis Kopf. Es gab nur noch sie und ihn auf dem Bett in ihrem Zimmer. In einer Wohnung, die sie noch bis zum Abend für sich allein hatten.
Kari spürte ein nervöses Kribbeln in ihrem Inneren, das sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete und nun selbst ihre Hände und Füße betraf. Ihre Finger zitterten, als sie sie in den Stoff des Kopfkissens krallte, um ein wenig mehr Halt zu bekommen. Sie hatte nämlich das Gefühl, sie könnte gleich vor lauter Herzrasen in Ohnmacht fallen.
Sie spürte T.K.s Hand an ihrem Gesicht, wie sie sanft über ihre Wange strich und anschließend durch ihre Haare fuhr. Seine andere Hand strich über ihren Arm hinauf zu ihrer Schulter und drückte sie ein wenig zu sich herunter.
Kari löste sich von seinen Lippen, küsste seine Mundwinkel und seine Wange, bevor sie ein klein wenig Abstand zwischen sich brachte und ihn ansah. Er öffnete die Augen und erwiderte ihren Blick. Einige Sekunden sahen sie sich in die Augen, dann küsste Kari erneut seine Lippen, widmete sich anschließend aber zu ihrer eigenen Überraschung seinem Hals. An dieser Stelle war sein Duft noch intensiver und sie sog ihn tief ein, während sie eine unsichtbare Spur entlang zum Schlüsselbein küsste.
Ihre Finger machten sich zitternd an den oberen Knöpfen seines Hemds zu schaffen. Gleichzeitig spürte sie seine Hände ihre Oberschenkel hinauf unter ihren Rock gleiten. Sie fühlten sich warm an und hinterließen ein Prickeln auf ihrer Haut. Kurz darauf waren sie jedoch verschwunden und nestelten nun am Saum ihres Rocks herum, um diesen herunterzuziehen.
Kari fühlte es. Sie wollte mehr. Sie wollte weitergehen. Sie wollte mit ihm schlafen.
Doch gerade, als sie von ihm herunterkletterte, um den störenden Rock ausziehen zu können, ließ die Türklingel sie zusammenzucken und sich daran erinnern, wo sie sich befand.