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Never a Hero

FF VII CC / Timetravel / Rebirth
von

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reciprocration I.

Mit wachsendem Missfallen lauschte Genesis den betont regelmäßigen Atemzügen seines Bettgefährten und lag ganz still. Er war nicht gutgläubig genug, auf die Scharade hereinzufallen, aber verzweifelt genug, um ebenso stur vorzugeben, er schlafe bereits.

Das Laken war zu glatt und zu fremd unter seiner nackten Haut, um Ruhe zu finden und sein Kopf pochte, wie üblich. Ihm war ein bisschen schlecht, die Anstrengung hatte ihn schwach gemacht und – so bizarr das auch sein mochte – seine Ohren taten weh. Es kostete ihn einiges an Willenskraft, ruhig liegen zu bleiben und sich nicht im Sekundentakt wehleidig von einer Seite auf die andere zu wälzen. Er brauchte Tabletten. Dringend. Und er musste hier raus, bevor seine Nase wieder anfing zu bluten oder sonst etwas passierte, das verriet, in welchem Zustand sich sein miserabler Körper befand.

Die euphorische Glückseligkeit des Abends hatte ihn leer und kalt zurückgelassen wie eine Leiche – blutarm und seelenlos.
 

Irgendwie hatte er sich das alles immer anders vorgestellt.
 

***
 

„Kadett Fair wird ein guter SOLDAT werden“, hatte Sephiroth gesagt.

Den Blick stur auf die kahle, glatte Wand gerichtet, erinnerte sich Genesis an die Akte, die zwischen ihnen gelegen hatte. Mitten auf dem Tisch, zwischen Messern, Gabeln und Löffeln, Servietten und Gläsern. Unter dieser einen ominösen Kerze. Fairs Akte. Genesis hatte sie mit der kleinen Dessertgabel angestupst wie etwas Ekelerregendes, das beißen konnte.

Mit einem langen, vorwurfslosen Blick hatte Sephiroth ihn schließlich gezwungen, hineinzusehen. Nicht viel – nur ein paar Formulare, Testergebnisse und ein Bewerbungsfoto.

„Hm“, war alles, was er dazu zu sagen hatte, während er versuchte, das Foto anzuschauen und nicht zu sehen, wie unverschämt hübsch dieser lästige kleine Niemand war. Er hatte ihn nicht angesehen, damals, als er ihn an die Wand geklatscht hatte wie eine Schmeißfliege. Vorweggenommene Rache. Und was sollte überhaupt dieses herausfordernd verführerische Grinsen auf einem Bewerbungsfoto?

„Ich konnte mich davon überzeugen, dass er sehr talentiert ist.“

Und hübsch, dachte Genesis eifersüchtig, sprach es aber nicht aus. Stattdessen sagte er: „Mir würde im Traum nicht einfallen, dein Urteil in Frage zu stellen, o großer General. Aber ich verstehe nicht, was das mit Angeal zu tun hat.“ Dabei verstand er wunderbar.
 

***
 

Was er wirklich nicht verstand, war, weshalb er sich jetzt so unerträglich leer fühlte. Sollte er nicht glücklich sein? Zufrieden? Und wenn nicht, dann wenigstens enttäuscht?

Doch auf den Rausch war nichts als Leere gefolgt.

Um sich selbst ein bisschen zu bestrafen, stellte er sich vor, dass Tseng in seiner Wohnung auf ihn wartete, obwohl er nicht wusste, wie wahrscheinlich das war. Er hatte Tseng gegeben, wofür er gekommen war und hatte keine Ahnung, ob diese wandelnde Totenmaske von einem Menschen danach noch einen Grund sah, zu ihm zurückzukommen. Nach allem, was er wusste, konnte es sein, dass er nun wieder fünf Jahre damit wartete.

Wie dem auch sein mochte: Es änderte nichts an der Tatsache, dass er vor kaum zehn Stunden noch Tsengs Hände auf seinem Körper gespürt und unter seinem athletischen Körper gestöhnt und gewimmert hatte wie ein Mädchen. Er hatte ein verdammtes Loch in sein Kissen gebissen! Er hatte Tseng gebraucht, an diesem verdrängenswerten Morgen, weil er nicht gewusst hatte, was der Abend bringen würde.
 

***
 

„Ich kann ihn verstehen“, hatte Sephiroth gesagt und Genesis hatte mit großer Lust und Befriedigung die Zacken seiner Gabel in das Foto gebohrt; so lange, bis ihm die Akte entzogen wurde. Sephiroth gab vor, seine miese Laune nicht zu bemerken und fuhr unbeirrt fort: „Angeal ist ein guter Lehrer. Natürlich bereitet es ihm Freude, ein Talent zu fördern.“

Manchmal sprach Sephiroth wie ein Buch aus dem letzten Jahrhundert, dachte Genesis und betrachtete ihn erwartungsvoll über den viel zu vollgestellten Tisch hinweg. Das konnte doch nicht alles gewesen sein?

„Ich denke, ich werde mit Lazard sprechen.“ Sephiroth wirkte zuversichtlich und nahm Genesis die Gabel weg, um ihn daran zu hindern aus purer Freude an Zerstörung Löcher anstatt in das Foto nun nicht nur in die Tischdecke, sondern auch in die Holzplatte darunter zu stechen. „Wenn Fair in SOLDAT aufgenommen wird, lässt sich vielleicht ein Arrangement treffen. Sobald Angeal offiziell sein Ausbilder wird, hört das Gerede bestimmt auf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand übersehen kann, wie viel Potential in Fair steckt. Es ist durchaus im Interesse der Firma, das Beste aus ihm herauszuholen. Wenn er stärker geworden ist, würde ich gerne selbst seine Fähigkeiten testen.“

Seufzend schüttelte Genesis den Kopf und fragte sich, was er erwartet hatte.

„Du hast nichts verstanden, oder?“, fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte. Sephiroth sah ihn über den Rand seines Weinglases verständnislos an und eine Welle von Verzweiflung rollte über Genesis hinweg. Er hatte keine Lust, sich näher zu erklären. Er hatte keine Lust, Sephiroth darüber aufzuklären, dass Shinras fleißige Gerüchteköche nicht der Kern des Problems waren und so drückte er sich davor: „Aber wenn du meinst, sprich mit Lazard.“

Die Kerze, die wie ein Fremdkörper zwischen ihnen stand, war schon weit heruntergebrannt. Ein Kellner kam und räumte die leeren Teller ab. Sein Blick klebte an Sephiroth wie ein ausgespucktes Hustenbonbon. Manchmal war es lästig, überall aufzufallen.

Der Wein schmeckte schal. Wahrscheinlich war es ein guter Wein, aber Genesis wusste ihn nicht zu schätzen. Sephiroth saß ihm gegenüber wie ein Gespenst. Sein offenes Haar fiel bis auf den Tisch hinab.

„Wie meinst du das?“, hakte er nach und Genesis versuchte, die korrespondierende Frage in seinem Blick zu ignorieren. „Was habe ich nicht verstanden?“

Genesis schwieg beharrlich. Er dachte daran, dass er am Morgen einen höllisch guten Blow-Job unterbrochen hatte, um Sephiroth die Tür zu öffnen. Du siehst müde aus, hatte er gesagt. Ich habe dich geweckt.

Nein, Genesis hatte keine Lust, ihm zu erklären, wo das Problem wirklich lag. Es war zu demütigend. Und so blieb dem General nichts anderes übrig, als selbst Zwei und Zwei zusammenzuzählen und ihm seine Schlussfolgerung so nüchtern ins Gesicht zu sagen, dass er sich fast an seinem Wein verschluckte: „Du meinst, sie haben Recht. Angeal hat Sexualverkehr mit Kadett Fair.“

Genesis beeilte sich, den Kopf zu schütteln und kicherte blöd, weil die Situation einfach zu komisch war. „Der Junge ist minderjährig“, erwiderte er und fragte sich, ob es an dieser Stelle seltsam wäre, erleichtert aufzuatmen. „Kannst du dir vorstellen, dass Angeal freiwillig irgendeine Regel bricht?“

„Was denn dann?“

Hilflos, aber immer noch kichernd, zuckte Genesis mit den Schultern.

„Er ist verliebt“, entließ er die absurde Wahrheit in den Raum.
 

Eine Weile blieb Sephiroth still und schien nachzudenken. Er nahm das durchlöcherte Bewerbungsfoto in die Hand und betrachtete es. Dann hob er den Kopf und fixierte Genesis mit seinen blassen Augen. Der Makoglanz in seinem Blick war heute kaum zu sehen, aber dafür lag etwas Abwägendes, etwas Lauerndes darin. Und dann verpasste er Genesis, der wirklich davon überzeugt war, es ginge hier noch immer um Angeal und Kadett Fair, den Schock seines Lebens.

„Würdest du mir zeigen, wie es geht?“

„Was?“

„Sex. Würdest du es mir zeigen? Ich will mit dir schlafen.“

Diesmal verschluckte sich Genesis wirklich und musste husten. Wie durch einen Nebel sah er den Tisch, die Weingläser, die Kerze und hatte eine Epiphanie.

„Was?“, wiederholte er trotzdem.

„Du hast mich verstanden.“

Und Genesis begriff mit einem Mal, dass das, was Sephiroth da von ihm wollte, seinen Wünschen entgegen kam. Sein ganzer Körper war wie elektrisiert. Er hätte schwören können, dass er eine Gänsehaut bekam.

Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Sephiroth so etwas sagte? Nicht höher als die, dass ein Meteorit den Planeten in Schutt und Asche legte. Und warum wandte er sich damit ausgerechnet an ihn? Selbst, wenn ihm bewusst war, was er diesen Morgen unterbrochen hatte – er konnte unmöglich wissen, wen Genesis in seinem Bett gehabt hatte.

Es war unbegreiflich, unwahrscheinlich, nicht zu glauben. Und deshalb beeilte sich Genesis, zuzusagen, bevor die Illusion zerbrach.
 

***
 

Und jetzt?
 

Er hatte mit Sephiroth geschlafen, mit Sephiroth. Hatte er davon nicht schon so, so lange geträumt? So unerträglich lange. Es hatte sich angefühlt wie eine Unterrichtsstunde und er glaubte, ein guter Lehrer gewesen zu sein. Der fehlende emotionale Rahmen, die ständigen sachlich-nüchternen Kommentare, die Tatsache, dass seine Träume alle so anders gewesen waren, das alles hatte ihn nicht gestört. Er hatte sich ficken lassen und sich phantastisch dabei gefühlt, weil er der Erste war, weil er ein guter Lehrer war, weil er sich überlegen gefühlt hatte.
 

Aber jetzt?
 

Wenn flüssiges Feuer in seinen Adern gewesen war, war es jetzt zu Eis erstarrt.

Warum hatte er denn ein guter Lehrer sein können? Doch nur, weil er mit Tseng geübt hatte. Und was hatte er sich eigentlich erhofft? War es richtig, was er getan hatte?

Er spürte Sephiroth‘ Atem im Nacken und es störte ihn. Sie berührten sich nicht mehr, aber sie lagen nahe genug beieinander, um ihre Nähe zu fühlen. Genesis war klar, dass er diesen Mann besitzen wollte. Er wollte kein Lehrer sein. Er wollte auch nicht der Erste sein, sondern der Einzige. Aber er wusste nicht, warum. Ebenso unklar war ihm, was Sephiroth sich bei der Sache gedacht hatte. Es war offensichtlich, dass er nicht einschlafen konnte, solange sich Genesis in seinem Bett befand und Genesis wollte nicht aufstehen und gehen, solange er wach war, aus Angst, ihn vor den Kopf zu stoßen. Also lag er still und starrte die Wand an. Wenn er die Augen schloss, sah er das Bild von Kadett Fair vor sich. Sein Grinsen kam ihm höhnisch vor.

Um die Situation erträglicher zu machen, versuchte Genesis, sich vorzustellen, dass es Tseng war, der neben ihm lag. Tseng war ungefährlich. Er wusste, dass er nicht in Tseng verliebt war, dass Tseng ihn nicht enttäuschen konnte. Er wusste auch, dass er vor Tseng nichts verbergen musste, weil der verdammte Bastard ohnehin schon alles über ihn zu wissen schien.

Natürlich gelang es nicht.

Ihm war so klar, dass es Sephiroth war, dem er den Rücken zukehrte, als sähe er ihm ins Gesicht. Der Eindruck seiner nackten, makellosen Haut hatte sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt. Keine einzige Narbe, kein Muttermal, kein Leberfleck, nichts. Ganz anders als Tsengs Haut mit den unsauber verheilten Stich- und Schusswunden. Sephiroth war viel stärker als Tseng und es war Genesis unmöglich zu vergessen, dass er keine Kontrolle über ihn hatte. Sephiroth war viel schöner als Tseng, viel begehrenswerter, aber auch viel unwirklicher. Und Sephiroth hatte ihn nicht ein einziges Mal geküsst.

Ein schmerzhaftes Stechen direkt über den Augenbrauen sagte Genesis, dass er gehen musste. Er konnte nicht zulassen, dass Sephiroth seine Schwäche sah. Noch länger zu warten, wäre ebenso riskant wie sinnlos und so setzte er sich leise auf und kroch zum Fußende des Bettes, um nicht über Sephiroth‘ nackten Körper klettern zu müssen. Seine Kleidung wartete auf einem Sessel, faltenlos und unzerknittert. Wenn er daran dachte, wie lange es damals gedauert hatte, die wild verstreuten Kleidungsstücke in Tsengs Büro wieder einzusammeln, tat es ein bisschen weh. Er versuchte gar nicht erst, den Schmerz auszublenden und schlich aus dem Zimmer wie ein Dieb.

Sephiroth hielt ihn nicht auf, doch als er ein letztes Mal zurückblickte, konnte er seine Augen im Dunkeln schimmern sehen.

Was für eine Katastrophe, gestand sich Genesis im Stillen seine Enttäuschung ein. Gleichzeitig wusste er mit prophetischer Sicherheit, dass er nicht zum letzten Mal in diesem Bett gelegen hatte.

Und ist der Morgen auch ohne Hoffnung, nichts wird meine Rückkehr aufhalten, dachte er, in der Absicht, sich selbst für sein entsetzlich verkorkstes Sexleben zu verspotten. Die vertrauten Worte sanken in seinen müden Geist wie Blei.
 

Als er über die Schwelle seiner eigenen Wohnung trat, sickerte ein feines Rinnsal Blut aus seinem linken Ohr, aber er hatte nicht die Kraft, sich darüber aufzuregen.

Schließlich konnte er nicht krank sein. Das war unmöglich.

Entschlossen, nicht über all das nachzudenken, was in seinem Leben aus dem Ruder lief, schluckte er ein paar Tabletten mehr als üblich und begrüßte erleichtert den trüben Schleier schmerzfreier Bewusstlosigkeit, der sich langsam über ihn senkte. Das letzte, was er sah, war, dass Tseng tatsächlich in seinem Bett lag und nicht schlief und ihn ignorierte.

Genesis kicherte unvergnügt, ließ sich neben ihn fallen und schlief ein.



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