Zum Inhalt der Seite

Du bist mir wichtig...

...warum merkst du es nicht?
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Urteil

In Tränen aufgelöst, kauerte Daisuke auf seinem Bett. Immer noch hallten die Worte des Älteren in seinem Kopf. `Du solltest nicht um jemanden wie mich weinen.´ „Wie kann ich dir nur begreiflich machen, wie es in mir aussieht? Warum fällt es dir nicht auf? Warum fragst du nicht nach?“ Zum ersten Mal seit Rikus Unfall hatte er wieder eine Person gefunden, die ihm wichtig war. Aber musste es ausgerechnet Hiwatari sein? Und dann auch noch zu so einem ungünstigen Zeitpunkt. Könnte doch nur jemand diese Gefühle ausschalten, ihn von diesem Durcheinander befreien. Das alles war viel zu weit gegangen. Wenn er genau darüber nachdachte, war es seine eigene Schuld. Hätte er den Blauhaarigen einfach gehen lassen, wäre ihm viel erspart geblieben. „Und dabei dachte ich, ich wäre ein Dieb gewesen. Begreifst du, was du getan hast? Du hast mein Herz gestohlen und weigerst dich, es mir zurückzugeben.“ Er kauerte sich noch mehr zusammen, gleichzeitig unendlich glücklich und todtraurig.

„Bitte, gib es zurück. Ich kann es nicht ertragen, dich zu lieben, wenn du meine Gefühle überhaupt nicht bemerkst, dich immer vor mir zurückziehst.“ Natürlich kam keine Antwort. Nur das Geräusch des Straßenverkehrs, das durch die geöffneten Fenster drang. Etwas wackelig stand er auf und ging ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch kuschelte. Noch sechs Tage, bis das Urteil gesprochen wurde. Vielleicht würde er Hiwatari nie wiedersehen. Allein der Gedanke daran war unerträglich. Vielleicht würde ihn der Fernseher etwas ablenken. Ohne auf die Bilder zu achten, die über den Schirm flimmerten, döste er ein und wurde erst wach, als seine Mutter ihn an der Schulter rüttelte. „Wie kommst du hier rein?“ grummelte er verschlafen. „Du hast mir einen Zweitschlüssel gegeben, hast du das etwa vergessen?“ „Ach, stimmt. Also, es gibt doch sicher einen Grund, warum du hier bist.“ Emiko lächelte breit und packte ihn am Handgelenk. „Es ist so ein schöner Tag, da wollte ich mal wieder etwas Zeit mit dir verbringen, Dai-chan.“

„Und was hast du vor?“ „Lass dich überraschen.“ Nicht gerade begeistert, machte er sich fertig und ließ zu, dass sie ihn aus der Wohnung scheuchte. Ihm war klar, was sie versuchte. Sie wollte ihn auf andere Gedanken bringen und dafür sorgen, dass er etwas frische Luft bekam. Würde zwar nicht viel bringen, aber das musste er ihr ja nicht sagen. Er war mit den Gedanken eh woanders. „Es hat dich wohl ganz schön erwischt.“ „Was?“ „Ach, bitte, du weißt, wovon ich spreche.“ Unweigerlich wurde Daisuke rot, was seine Mutter zum Kichern brachte. „Ich mache mir Sorgen um ihn. Was ist, wenn er im Gefängnis bleiben muss?“ „Du bist viel zu pessimistisch. Noch ist nichts entschieden.“ „Ja, schon gut.“ „Womit hatte er eigentlich die Ohrfeige verdient, die du ihm beim letzten Mal verpasst hast?“ „Er hat etwas gesagt, was mich ziemlich mitgenommen hat.“ „Ja, das kann er gut. Er ist wirklich ein merkwürdiger Kerl, nicht?“ „Er ist nur einsam und verletzt. Wahrscheinlich denkt er, dass sich niemand für ihn interessiert.“ „Solange du ihm nicht sagst, was du für ihn empfindest, wird sich das wohl auch nicht ändern.“ „Nicht schon wieder. Ich sagte doch schon, dass er sich nie jemandem öffnen würde. Mir erst recht nicht.“

„Dich soll einer verstehen. Da hast du dich endlich dazu aufgerafft, dir deine Gefühle für Hiwatari einzugestehen und traust dich nicht, es ihm zu sagen, weil du nicht weißt, wie er reagieren wird.“ „Viele Möglichkeiten gibt es auch nicht. Entweder er lacht mich aus oder er weist mich ab.“ „Hast du auch die dritte Möglichkeit in Betracht gezogen?“ „Welche dritte Möglichkeit?“ „Dass er deine Gefühle versteht, sie sogar erwidert?“ Bei diesen Worten musste der Rotschopf lachen. „Na klar, erwidern. Ausgerechnet Satoshi. Das glaubst du doch wohl selber nicht.“ Es war ein wundervoller Gedanke, aber gleichzeitig so dermaßen absurd. „Eher friert die Hölle zu.“ Emiko antwortete nicht, rollte aber die Augen und seufzte. „Also wirst du es ihm nicht sagen und dich damit weiterhin kaputtmachen. Wirklich eine tolle Idee.“ „Wie nett von dir.“ erwiderte er etwas beleidigt.

„Lass uns zurück. Es wird bald dunkel und ich habe noch etwas zu erledigen.“ Daisuke nickte und sie begleitete ihn nach Hause, wo sie sich verabschiedete. Die nächsten Tage verbrachte er damit, seine Gedanken von dem Blauhaarigen fernzuhalten, was ihm nicht so recht gelingen wollte. War ihm die Zeit erst viel zu langsam vorgekommen, schien sie nun zu rasen und eines Morgens wachte er in dem Wissen auf, dass sich heute alles entscheiden würde. Unruhig lief er durch die Gegend, bis es soweit war, sich anzuziehen und auf den Weg zu machen. Auch seine Mutter schien besorgt, als sie den Verhandlungsraum betraten. Als Hiwatari eintrat, erschrak der Rotschopf. Dunkle Ringe zeichneten sich unter den Augen des Älteren ab und er wirkte recht blass. „Satoshi.“ Kurz blieb der stehen. „Schön, dass du heute hier bist, Niwa. Es könnte das letzte Mal sein. Falls ich wirklich für immer weggesperrt werde, komm mich ab und an besuchen.“ „Ich verspreche es.“

Obwohl Hiwatari ihn nicht ansah, schien er zu lächeln, als er seinen Weg zur Anklagebank fortsetzte. Dann kam der Richter und es wurde mucksmäuschenstill. „Das Gericht ist zu einem Urteil gekommen.“ begann der Richter, Daisuke nahm die Hand seiner Mutter und hielt sie fest. „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte Satoshi Hiwatari wird wegen Totschlags zu zwei Jahren Haft verurteilt, dessen Vollzug zur Bewährung ausgesetzt wird. Des Weiteren wird dem Angeklagten auferlegt, einmal die Woche einen Psychologen aufzusuchen.“ Völlig verdattert setzte der Blauhaarige sich hin. „Eigentlich waren Sie des Mordes angeklagt, doch angesichts der Umstände waren wir gezwungen, den Fall neu aufzunehmen. Inzwischen ist klar, dass Sie die Tat im Affekt begangen haben. Außerdem haben Sie Sich bisher nichts zuschulden kommen lassen. Die Termine beim Psychologen beginnen ab Montag und sollen helfen, Ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.“

Obwohl Daisuke das Urteil genau gehört hatte, dauerte es eine Weile, bis sein Verstand die Nachricht aufnahm. „Er wird nicht eingesperrt.“ wiederholte er wieder und wieder. „Ich habe doch gesagt, du musst abwarten.“ erwiderte seine Mutter und ihr Lächeln war unübersehbar. „In der Zeit der Bewährung dürfen Sie keine Straftat begehen. Ansonsten wird aus der Bewährungsstrafe eine Gefängnisstrafe. Aber ich denke, dass das nicht nötig werden wird. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Die Sitzung ist geschlossen.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück