Zum Inhalt der Seite

Du bist mir wichtig...

...warum merkst du es nicht?
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wahrheit

„Was soll das? Wer sind Sie überhaupt?“ „Mein Name ist Niwa Daisuke und das ist meine Mutter Emiko.“ Argwöhnisch begutachtete der Richter den Rotschopf. „Und Sie sagen, Sie hätten etwas gefunden?“ „Ja. Wir hätten es Ihnen gerne schon früher gegeben, aber da das nicht möglich war, sind wir heute hier.“ Während der Richter den Umschlag öffnete, ging Daisuke zu dem Älteren und nahm kurz seine Hand. Hiwatari sah gar nicht gut aus. Er war leichenblass und seine Atmung ging unkontrolliert. Bei seiner Berührung entspannte er sich etwas. „Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut.“ „Was ist auf dieser Kassette?“ „Eine Aufnahme von einer Überwachungskamera.“ „Nun, dann beginnen wir damit, die Aufzeichnung einzusehen. Ist die Anklage damit einverstanden?“ Ein Nicken. „Herr Verteidiger?“ Wieder ein Nicken. „Es wird folgendes zu Protokoll gegeben: In Einverständnis mit beiden Seiten wird das Videomaterial gesichtet.“ Ein großer Bildschirm wurde ausgefahren, dann legte der Richter die Kassette ein.

Daisuke hockte sich neben Hiwatari, der mit schreckgeweiteten Augen auf den Fernseher starrte. „Niwa, was ist auf dieser Aufzeichnung?“ „Die Wahrheit.“ „Nein, das kannst du nicht tun. Bitte, zwing mich nicht, es nochmal durchzumachen.“ Sanft griff der Rotschopf nach seinem Gesicht. „Keine Angst, ich beschütze dich. Mach die Augen zu.“ Er hielt seinem Gegenüber die Ohren zu und drückte in an sich. Deutlich hörte er Hiwataris Onkel schreien: „Du hast mir meinen Bruder genommen.“ Wie gebannt hingen die Augen aller auf dem Bildschirm, der gerade zeigte, wie Junji Hiwatari seinem Neffen die Hände um den Hals legte. Ohne es zu merken, spannte Daisuke sich an und hielt den anderen noch fester. Dann kamen die Schreie. Sie waren gedämpft, aber so voller Schmerz und Panik, dass sich dem Rotschopf das Herz abschnürte. Er schloss die Augen, doch die Schreie brannten sich in sein Gedächtnis. Endlich war alles vorbei und der Bildschirm wurde schwarz.

Totenstille lag im Gerichtssaal. Zwar hatte die Kassette auch deutlich gezeigt, dass Hiwatari der Mörder seines Onkels war, doch das war momentan zweitrangig. Nur mühsam fand der Richter seine Stimme wieder. „Sie hatten Recht. Das gibt dem Fall wirklich eine völlig neue Wendung.“ Behutsam löste sich Daisuke von dem Blauhaarigen, der immer noch zitterte. „Ich muss mich nach hinten setzen. Bleib ganz ruhig. Ich bin bei dir.“ Inzwischen hatte der Richter sich wieder gefangen und las aufmerksam das Dokument durch. „Auch dieses Schriftstück kommt zur Verlesung. Sind beide Seiten damit einverstanden?“ Ein simultanes Nicken antwortete. „Es scheint sich um ein ärztliches Untersuchungsergebnis zu handeln. Ich lese vor: Bei Junji Hiwatari, 29, wurde eine krankhafte seelische Störung festgestellt. Die unnatürliche Liebe zu seinem Bruder, die schon fast an Besessenheit grenzt, ist ein ernstzunehmender Faktor, der wohl nie mehr verschwinden wird. In Absprache mit einem Psychologen wird Herrn Hiwatari empfohlen, mindestens dreimal die Woche an Kursen teilzunehmen und regelmäßig Medikamente einzunehmen. Der Umgang mit anderen Personen sollte soweit wie möglich unterbunden werden. Bis zu einer deutlich erkennbaren Besserung ist es ihm untersagt, sich seinem Bruder zu nähern.“

Verwundert fielen die Augen des Richters auf Hiwatari. „Wussten Sie von der Krankheit Ihres Onkels?“ „Nein. Ich wusste nur, dass er meinen Vater immer sehr verehrt hat. Dass es so schlimm ist, war mir nicht bewusst.“

„Verzeihen Sie die Unterbrechung, aber wieso wurde einem psychisch Kranken erlaubt, den Sohn seines Bruders in seine Obhut zu nehmen?“ warf Emiko ein. „Das werden wir noch mal prüfen müssen. Es sieht so aus, als hätte das Opfer seine Krankheit vorsätzlich verschwiegen. Nun gut, für heute habe ich genug. Herr Verteidiger, kümmern Sie Sich darum, dass wir den Arzt ausfindig machen, der das Untersuchungsergebnis verfasst hat. Herr Staatsanwalt, Sie benachrichtigen bitte die Leitung der Jugendbehörde. Was den Angeklagten angeht: Ich erwarte Sie morgen wieder hier.“ Der Blauhaarige nickte nur und stand auf. Sofort lief Daisuke zu ihm. „Alles in Ordnung?“ „Ich schaffe das schon. Du solltest wirklich damit aufhören, immer zuerst an andere zu denken.“ Kurz lächelte er schwach und sofort beschleunigte sich der Herzschlag des Rotschopfs.

„Vielen Dank, dass du mir zur Seite gestanden hast. Ich bin sehr gespannt, was der morgige Tag bringt.“ Damit wurde er aus dem Gerichtssaal geführt. „Komm, Dai-chan. Im Moment können wir nichts für ihn tun.“ ermahnte ihn Emiko sanft und brachte ihn nach Hause. „Kannst du noch etwas bleiben? Ich will gerade nicht allein sein.“ Zusammen ließen sie sich auf der Couch nieder und Emiko schlang ihre Arme um ihn. Sie sagte nichts, hielt ihn nur fest, als würde sie wissen, dass er momentan nicht reden wollte. In ihren Armen wurde er langsam ruhiger, bis er sich von seiner Mutter löste. „Denkst du, sie sperren ihn ein?“ „Das weiß ich nicht. Alles hängt jetzt von dem Urteil ab und bis das kommt, kann es noch etwas dauern.“ „Ich hoffe, wir konnten ihm helfen.“ „Auf jeden Fall. Auch wenn es schwer für Hiwatari war, ist es doch besser, dass die Wahrheit jetzt raus ist.“

„Ich glaube, du hattest Recht.“ meinte Daisuke plötzlich. „Recht? Was meinst du?“ „Ich… ich liebe ihn wirklich.“ „Ach, du Schussel. Das war mir schon lange klar. Und, wirst du es ihm sagen?“ „Das kann ich nicht. Er musste wegen seinem Onkel so viel durchmachen, dass er garantiert niemanden mehr in seine Nähe lassen wird.“ „Du könntest es wenigstens versuchen.“ Müdigkeit stieg in dem Rotschopf auf und er dämmerte weg. „Vielleicht…“ gähnte er und fiel in tiefen Schlaf. Als er wieder wach wurde, fand er sich selbst in eine Decke eingewickelt und hörte, wie seine Mutter in der Küche mit Geschirr klapperte. „Was machst du denn für einen Lärm?“ rief er, noch etwas benebelt. „Willst du ohne Frühstück los?“ gab seine Mutter ohne das geringste Bedauern zurück. „Noch ein Grund, warum ich meine eigene Wohnung habe.“ knurrte er leise und stand auf.

Während der Fahrt stieg seine Aufregung merklich an. Emiko schien das aufzufallen, doch sie hielt sich zurück, bis sie beim Gerichtsgebäude angekommen waren. „Dai-chan, noch ist das Urteil nicht gefallen. Also versuch, dich zu entspannen.“ Sichtlich bemüht, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen, betrat er den Raum, in dem die weitere Verhandlung stattfinden würde und wartete ab. Nur kurze Zeit später schwangen die Türen auf und Hiwatari wurde zur Anklagebank gebracht. Er schien vollkommen ruhig, doch seine zitternden Hände verrieten ihn. Hoffentlich stand er das durch. „Erheben Sie Sich für den Richter.“ Mit undurchdringlicher Miene kam der Mann in den Raum. „Setzen Sie Sich. Der Prozess gegen Satoshi Hiwatari wegen Mordes wird heute fortgesetzt. Also dann, fangen wir an…“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück