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Du bist mir wichtig...

...warum merkst du es nicht?
von

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Dunkelheit

Mit leeren Augen sah er in die Nacht. Im Zimmer war es dunkel und kalt, doch das interessierte ihn nicht. Er hatte alle Gefühle ausgeschaltet. Er empfand keine Freude, keine Trauer, keinen Zorn mehr. Einfach nichts. Sein Leben war sinnlos geworden, eine Aneinanderreihung von Tagen, die immer gleich waren. So auch heute. Erst das Läuten des Telefons riss ihn aus seiner Lethargie. „Hallo?“ „Hallo, Dai-chan. Wie geht es dir?“ „Ach, du bist es, Mutter. Es geht mir gut.“ „Dai-chan… das mit Riku…“ „Lass es.“ „Dieser Unfall… es war nicht deine Schuld. Willst du nicht doch nach Hause kommen?“ „Nein. Diese Wohnung…Riku hat sie so geliebt. Ich könnte nie hier fortgehen.“ „Na schön. Du bist alt genug, das selbst zu entscheiden. Aber Dai-chan…pass auf dich auf.“ „Sicher. Bis bald.“ Er legte auf, setzte sich auf den Boden und blickte sich um. Kahle, leere Wände, ein paar Stühle, ein Tisch und eine Couch. Er hatte nichts verändert, seit er mit Riku hier eingezogen war. Nun war er alleine. Riku war ihm genommen worden und er hatte nichts dagegen tun können. Hätte er sie nur besser beschützt.

Daisuke fuhr sich durch die roten Haare und brachte sie damit noch mehr durcheinander, als sie eh schon waren. Alle, mit denen er hätte reden können, waren fort. Dark, With, Risa… Zwar rief seine Mutter immer wieder an, doch stets kamen dieselben leeren Worte aus ihrem Mund. Als würde es irgendetwas ändern. Nichts konnte ihm seine große Liebe zurückgeben. Irgendwie schon ironisch. Nichts hatte Riku etwas anhaben können, immer hatte sie gelächelt. Und dann hatte das wahre Leben zugeschlagen. Danach war nichts mehr, wie es einmal war. Der einst so lebenslustige Junge war zu einem stillen, zurückgezogenen jungen Mann geworden. Inzwischen war er fast achtzehn, hatte sich aber äußerlich nur wenig verändert. Nicht, dass es ihm aufgefallen wäre. Für ihn war es nicht mehr wichtig, wie er aussah. Als langsam die Sonne aufging, stand er auf und machte sich für die Schule fertig. Bald würde er den Abschluss machen und sich eine Arbeit suchen müssen. Doch das hatte noch Zeit. Langsam machte er sich auf den Weg, ignorierte die Menschen, die ihn ansahen. Stur sah er auf den Boden, bis er vor dem Schulgebäude stand.

Zu seinen alten Freunden hatte er jeden Kontakt abgebrochen. Deshalb verwunderte es ihn nicht, dass niemand ihn begrüßte. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und hörte kaum zu, was gesagt wurde. Daisuke wusste, dass seine Noten immer mehr in den Keller rutschten. Sein Lehrer hatte versucht, mit ihm zu reden. Vergeblich. Also ließen sie ihn in Ruhe, sagten sich, er würde schon wieder normal werden. Was für Schwachköpfe. Endlich klingelte es zur Pause und er machte sich auf den Weg zur Sporthalle. Neugierige Blicke verfolgten ihn, leises Flüstern drang an seine Ohren. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt. Während der Unterricht sich langsam seinem Ende näherte, dachte er an Riku. Der Gedanke an ihr Lächeln begleitete ihn überall hin. Eine wundervolle, schreckliche Erinnerung. Oft schon hatte er mit dem Gedanken gespielt, allem ein Ende zu machen. Doch dazu fehlte ihm der Mut. Regen kam auf, während er sich auf den Weg nach Hause machte. Kurz hielt er an einem Blumenladen und kaufte eine einzelne rote Rose.

Er wollte der Unfallstelle einen Besuch abstatten und für Riku beten. Immer noch fiel es ihm schwer, dorthin zu gehen. Tropfnass kam er an und legte die Rose ab. Regungslos stand er da, vertieft in seine Gedanken. Er bemerkte die Person nicht, die sich ihm näherte. „Niwa?“ Geschockt wirbelte er herum. „Hiwatari-kun. Was tust du denn hier?“ „Ich habe dich hier stehen sehen. Du bist ja klitschnass.“ Im Stillen dachte Daisuke sich, dass der andere nicht viel besser aussah. Sein hellblaues Haar hing triefend um sein Gesicht und auch seine Kleidung hatte schon bessere Tage erlebt. Sie war zerrissen und blutig. Warum war sie blutig? „Bist du verletzt?“ Die dunkelblauen Augen von Hiwatari wurden noch dunkler. „Nein, es ist alles in Ordnung.“ Daisuke kam näher an ihn heran und betrachtete ihn genauer. An einigen Stellen war Hiwataris Haut zu erkennen, die mit unzähligen Blutergüssen versehen war.

„Wer hat dich so zugerichtet?“ „Niemand. Ich bin gefallen.“ Daisuke war klar, dass das gelogen war. „Es ist doch immer dasselbe mit dir. Los, komm mit.“ „Wohin gehen wir?“ „Wirst du schon sehen.“ Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Daisukes Wohnung. „Setz dich da auf den Stuhl, ich werde dir neue Sachen bringen. Und rühr nichts an, verstanden?“ Damit verschwand er in sein Schlafzimmer und kramte achtlos in einer Schublade, wobei er die Hälfte durch das Zimmer warf. Als er gefunden hatte, was er wollte, kehrte er zurück – und erstarrte. Hiwatari hielt ein Bild von Riku in der Hand und musterte es mit leicht trauriger Miene. „Ich habe doch gesagt, du sollst nichts anrühren.“ „Das mit Riku tut mir leid, ehrlich.“ Er stellte das Bild wieder an seinen Platz und legte Daisuke kurz die Hand auf die Schulter. „Das bringt sie mir auch nicht wieder.“ murmelte dieser leise und drückte Hiwatari die Klamotten in die Hand. „Hier, geh dich umziehen und dann verschwinde.“

„Schön, wie du willst.“ Leicht seufzend ging Hiwatari ins Badezimmer. Während Daisuke wartete, musste er an seine Jugendzeit denken. Was er alles erlebt hatte… verrückt. Er wünschte sich diese Zeit zurück. „Willst du für den Rest deines Lebens trauern?“ „Was verstehst du schon?“ gab er gereizt zurück. Ernst sah Hiwatari ihn an. „Ach, vergiss es. Erklär mir lieber, was mit dir passiert ist.“ „Das lässt dir wohl keine Ruhe mehr, wie?“ „Also?“ Lange war es still, bevor der andere wieder etwas sagte. „Ich habe jemanden getötet.“ „Was?“ Daisuke konnte es nicht glauben. Ausgerechnet Hiwatari sollte jemanden getötet haben? Das war nicht möglich. „Als ob du jemanden umbringen könntest.“ „ Meinen Onkel, um genau zu sein.“ Kurz hob er das Shirt, das Daisuke ihm geliehen hatte und entblößte seine helle Haut. Unwillkürlich wich der Rotschopf zurück. „Dein Onkel hat dir das angetan?“ „Ja.“ „Aber warum?“ Hiwatari zuckte mit den Schultern. „Er hat mich gehasst. Laut seinen Worten ist es meine Schuld, dass mein Vater damals gestorben ist.“

„Aber…das war doch ein Unfall.“ Der Blauhaarige lachte freudlos auf. „Das hat er anders gesehen. Und er hat es mich spüren lassen, mehr als einmal.“ Fassungslos sah Daisuke ihn an. „Wann…wann hat das angefangen?“ „Als ich fünfzehn war. Erst waren es nur Anschuldigungen, dann kamen die Schläge.“ erwiderte Hiwatari mit leerer Stimme, als würde er über jemand anderen reden. In der Zeit, die sich die beiden nicht gesehen hatten, hatte er sich wieder zu seinem früheren Selbst entwickelt. Dabei war er damals doch so glücklich gewesen… „Erzähl mir alles.“



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