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Schnee Engel

von

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In Hogwarts herrschte große Aufregung wegen des Trimagischen Turniers, wegen der Gastschüler und mehr denn je wegen Weihnachten. Hagrid verfrachtete eine größere Anzahl riesiger Weihnachtsbäume in das Schloss als in irgendeinem anderen Jahr und Flitwick gab sich umso mehr Mühe, sie alle zu schmücken. Rote Weihnachtsmützen wippten durch die Korridoren und ausnahmsweise wurden sie einander nicht von den Köpfen gerissen. Man hatte an die Schüler appelliert, im Sinne des Turniers freundschaftlich mit den Gastschülern und einander umzugehen und zur Verblüffung der Lehrerschaft nahmen sie es sich zu Herzen.

Die Schneebälle, die über den Schulhof flogen, triezten keine anderen Schüler, sondern waren Ergebnis harmonischer Spielereien. Man sah Schüler zusammen Koboldstein und Schach spielen, die ansonsten vermutlich nie ein Wort miteinander gewechselt hatten. Woher diese plötzliche Freundlichkeit und Vorbildlichkeit kam, war nicht ganz sicher. Manche Schüler waren einfach mitgerissen von der weihnachtlichen Stimmung, andere machten sich alle Mühe, die internationalen Gäste zu beeindrucken.
 

Cedric war das alles herzlich egal. Er lehnte jede Partie Zaubererschnippschnapp dankend ab und hastete an den rot und golden glitzernden Dekorationen vorbei. Während er sich an den ausladenden Ästen einer Tanne vorbei zwängte, schlang er seinen Schal fest um den Hals und knöpfte seinen Mantel bis oben zu. Seine Mütze hatte er im Schlafsaal vergessen, doch ihm war nicht danach, noch einmal zurückzugehen.
 

Die vielen Begrüßungen seiner Mitschüler flogen ihm aus allen Richtungen entgegen und er erwiderte sie mit einem halbherzigen Lächeln. Natürlich fühlte er sich geehrt von den Beglückwünschungen und der wachsenden Fangemeinde, die hinter ihm stand. Jedoch war er in diesem Moment nicht für flirtende Mädchen und scherzende Jungen bereit. Er wollte nicht hören, wie sehr sie ihn liebten und Harry hassten. Es war ihm egal, dass er die halbe Schule eher zum Ball mitnehmen sollte als Cho. Tatsächlich interessierte nicht einmal sie ihn in diesem Moment.
 

Als er die Eingangstür aufstieß, brachte die eiskalte Winterluft, die ihm ins Gesicht schlug, Erleichterung mit sich. Die schweren Türen schlossen sich und es herrschte Stille. Cedric schloss seine Augen für einen Augenblick. Absolut nichts war zu hören. Der Schnee hatte die Welt erstickt, doch Cedric hatte endlich wieder Luft und Raum zum Atmen. Gemächlich spazierte er durch den Schnee hinaus auf die Ländereien. Unter seinen Stiefeln knirschte und quietschte es wohlig. Sein Atem malte Wolken in die Luft.
 

Trotz der vielen Schichten, die er trug und trotz der schweren Stiefel fühlte er sich befreit und leicht. Ganz alleine war er hier draußen, während die Schülerschaft sich um die Kaminfeuer drängte, in bunter Kleidung, lachend und singend.

Cedric ließ den Blick umher wandern und sog seine Umgebung ein. Schwarz und weiß und gelegentlich grau. Die Einfachheit schien seinen Geist zu entgiften. Es war als sauge die Kälte und Klarheit all die Verwirrung und all die unguten Gefühle aus ihm heraus. Seine Verzweiflung, seine Angst, seine Ungewissheit; sie gliederten sich schwarz wie sie waren zu den schattigen Schlossmauern, zum See, zum Wald. Der Schnee dagegen strahlte, leuchtete ihm von überall entgegen. Es war, als heilte er ihn.
 

Nun, da er sich gelöst hatte von allem, was ihn beunruhigt hatte, war sein Kopf angenehm leer. Nichts worüber er nachdenken müsste, was er abwägen oder bewerten müsste. Er konnte sich beeindrucken lassen und endlich wieder etwas voll und ganz wertschätzen. Einer Sache seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken.
 

Gedankenlos wanderte er weiter und hätte er sich nicht so sehr auf den Schnee konzentriert, wäre ihm vielleicht nie aufgefallen, dass ein schwarzer Fleck die Einheit des weißen Meeres unterbrach. Es störte Cedric dadurch abgelenkt zu werden. Es störte ihn, dass ein Stein oder Tier oder was es war die Reinheit des Schnees beschmutzte. Doch zur gleichen Zeit war er neugierig. Was war es?

Ansonsten war er weit und breit der oder das einzige gewesen, was zwischen den Wogen aus Weiß herausgestochen war. Besonders so weit abseits vom Schloss, wo keine Fußstapfen das Bild zerstörten. Also dirigierte er seine Schritte in die Richtung des schwarzen Flecks in der Landschaft.
 

Je näher er kam, desto weniger schien es wie ein Gegenstand. Gerade als er überlegte, welches Tier es sein könnte und ob es vielleicht gefährlich war, entdeckte er einen blonden Haarschopf. Dort im Schnee, bereits leicht bedeckt mit Flocken, lag ein Mensch.

Von Panik erfasst begann er zu rennen. Er versank tief im Pulverschnee und die Flocken stoben zu allen Seiten, während er sich einen Weg zu dem Mädchen hindurch bahnte, das regungslos am Boden lag.
 

Kurz bevor er sie erreichte, stolperte er und kam neben ihr auf. Bis zu den Ellbogen steckte er im Schnee und keuchte, doch bevor er sie sich genauer ansehen konnte, richtete sie sich plötzlich auf und er stieß einen kurzen Schrei aus.

Ihr Rücken war voller Schnee und ihr hüftlanges Haar war so hellblond, dass die vielen Flocken dort kaum auffielen. Ihren Blick wusste er nicht zuzuordnen. Er könnte Sorge, Interesse oder Aufmerksamkeit ausdrücken, jedoch auf keinen Fall Überraschung, Schmerz oder Angst.
 

“Keine Sorge, du hast sie abgehängt.”, versicherte sie ihm mit heller und ruhiger Stimme. Verwirrt starrte Cedric sie an.

“Was? Ich...” Er schüttelte immer noch außer Atem den Kopf. “Wen habe ich abgehängt?”

“Die Lurgings.”

“Was? Wovon zur Hölle redest du?” Sogleich tat es ihm leid, sie so anzufahren, doch das Mädchen lächelte verständnisvoll.

“Es geht den meisten so. Sie bemerken den Angriff und fliehen instinktiv und bestreiten nachher, von irgendetwas verfolgt zu werden, weil sie sich selbst nicht die Chance gegeben haben, es wirklich wahrzunehmen. Das ist noch ein Mechanismus der Urzeit.”
 

Entspannt stütze sie sich mit den Händen ab und sah in den Himmel. Anstatt ihr zu erklären, wie schwachsinnig das war, richtete er sich nur auf und klopfte den Schnee ab. Bevor er sich jedoch zum Gehen wenden konnte, fragte sie: “Bist du gestresst?”

“Nein.”, erwiderte er sofort.

“Du siehst gestresst aus. Die Lurgings fallen besonders gestresste Leute an.”

“Ich bin aber nicht gestresst.”

“Warum bist du dann nicht bei deinen Bewunderern und Freunden?”

“Warum bist du nicht bei deinen Freunden?”, war seine Gegenfrage. Keinesfalls würde er seine Probleme mit einem fremden Mädchen besprechen, dass an Lurgings glaubte.
 

“Ich habe keine.”, erklärte sie leichtfertig und als sie mit den Schultern zuckte, entdeckte er die Radieschenohrringe. Augenblicklich wusste er, wer sie sein musste. Er hatte bereits von ihr gehört. Die durchgedrehte, lächerliche Luna Lovegood. Allgemein wurde sie als Freak bezeichnet, doch bisher war sie Cedric nie aufgefallen. Mit Sicherheit war sie es und von ihr zu hören, wie genau sie um ihren Status in der Schule wusste, war ihm unangenehm. Cedric mochte nicht alle Menschen, doch er versuchte nett zu allen zu sein.
 

“Ich bin mir sicher, das stimmt nicht.” Diese Erwiderung war so schlecht, dass sie sie gar nicht ernst nahm.

“Oh doch, aber das ist schon okay so. Es ist gut, wenn andere über etwas lachen können. Ausnahmsweise haben sie mal nicht meine Schuhe versteckt. Das war zwar immer sehr witzig, aber meistens habe ich sie doch gebraucht.” Schnell warf er einen Blick auf ihre Füße, die in roten Turnschuhen steckten.

“Ist dir nicht viel zu kalt? Du wirst bestimmt krank. Warum hast du hier überhaupt gelegen?”
 

“Wieder verschließt du deinen Geist vor Tatsachen. Weil ich dünne Schuhe trage, werde ich nicht krank. Eine Erkältung kommt von der Berührung der Blätter eines Grubhers. Das sind sehr kleine Pflanzen, die überall wachsen. Aber ich vermeide sie, deswegen werde ich nicht krank. Ich bin hier draußen, damit ich die anderen nicht beim Koboldstein spielen störe. Sie hätten bestimmt gefragt, ob ich mitspiele, aber nur aus Höflichkeit. Wenn ich nicht da bin, müssen sie mich nicht fragen und können ganz und gar ehrlich sein.” Betreten sah Cedric zu Boden. Was bei Merlins Bart sollte er darauf antworten?

“Du brauchst nichts zu sagen. Es macht mir überhaupt nichts aus.”
 

Für ein paar Augenblicke saßen sie dort und schwiegen. Cedric wusste nicht, ob er gehen sollte oder nicht.

“Wie ist es so, ein Champion zu sein?”, erkundigte sich Luna.

“Gut.”, erwiderte er kurz angebunden.

“Aha und was daran?”

“Alles.”

“Was gehört zu alles?”

“Na, alles eben!”

“Okay. Also, ich kann mir darunter nicht so viel vorstellen, aber vielleicht ist das ja auch Champion intern.” Sie wollte anscheinend nicht locker lassen.

“Man löst schwere Aufgaben und wird dafür bewundert und kann viel Geld gewinnen und alle mögen einen.”
 

“Ich glaube Harry mögen nicht so viele. Das sagen sie zumindest. Ich kenne ihn nicht, deswegen kann ich dazu nichts sagen. Er scheint aber immer ganz nett zu sein.”

Gedankenverloren malte sie die Mondsichel am Himmel nach.

“Sicher ist er nett. Aber er sollte ja eigentlich gar kein Champion sein.” stellte Cedric klar.

“Hm, die meisten sind bestimmt nur neidisch, weil sie es nicht geschafft haben, sich rein zu mogeln. Du kennst ihn also? War er sehr nett zu dir?”

“Warum interessiert dich das?”

“Ich habe mir gedacht, darüber können wir reden.”

“Ja, also, er ist sehr nett zu mir. Ich weiß auch nicht, ob er sich wirklich rein geschummelt hat.”

“Das habe ich mir gedacht. Ich hätte glaube ich Angst gehabt, wenn ich gegen einen Drachen kämpfen müsste. Sogar, wenn ich dafür Geld bekommen würde. So wichtig ist Geld doch auch wieder nicht.”, überlegte sie.

“Natürlich ist es nicht wichtig!”, verteidigte sich Cedric schnell.

“Warum machst du dann mit?”
 

Er verstand nicht, warum sie ihm solche Fragen stellte, dann dachte er jedoch an das, was ihm seine Freunde erzählt hatten. Luna ist nicht ganz dicht. Ob er diese Meinung teilte, wusste er noch nicht sicher. Normal war sie bestimmt nicht, aber konnte das nicht auch interessant sein?

“Vielleicht, weil ich wissen wollte, ob ich es schaffen könnte. Weil ich Teil davon sein wollte, weil ich andere beeindrucken wollte. Ich dachte, ich könnte gewinnen.”

“Das klingt, als wäre es wahr.”

“Also, das ist es auch.”

“Du klingst verwundert.”, stellte sie fest und sah ihn an. Ihre blauen Augen schienen direkt in seinen Kopf zu schauen.

“Ja, das bin ich auch.”
 

Wieder schwiegen sie. Obwohl er vom Trubel des Schlosses und vor allem der Thematik des Turniers und des Balls geflohen war, störte es ihn nicht mit ihr zu sprechen. Sie erschien ihm aufrichtig und ihre Andersartigkeit war erfrischend.

“Also, diese Grubhers, woran erkennt man sie?” Überrascht sah sie zu ihm auf.

“Weißt du, ich glaube, du kannst sie gar nicht erkennen. Ich habe einfach ein Gespür dafür. Manchmal will ich etwas anfassen, oder mich irgendwo hinsetzen und dann denke ich auf einmal, oh, vielleicht lieber nicht. Langsam werden dann alle krank und ich nicht.”

“Oh, achso.” Vielleicht sollten sie sich doch lieber ein anderes Thema suchen. Sie war interessant, aber diese Theorien waren ihm doch etwas zu absurd.

“Mit den Lurgings kann ich dir aber helfen. Beim nächsten Mal, wenn dir danach ist weg zu laufen, bleib noch kurz stehen, damit du sie wirklich wahrnehmen kannst und dann kannst du dich vor ihrem Angriff schützen.” Leise seufzte er.

“Weißt du, Luna, eigentlich bin ich deinetwegen gerannt.”

“Siehst du, schon hast du dir eine Ersatzerklärung gesucht, denn ich habe dich ja nicht angegriffen.”

“Das habe ich ja auch nicht gedacht. Ich dachte, du seist verletzt oder erfroren oder so etwas.”

“Das ist sehr nett von dir. Die meisten sorgen sich nicht um mich. Aber mir ging es ja gut, deswegen war das bestimmt nicht der Grund dafür, dass du gelaufen bist.”
 

Sie fing eine Schneeflocke mit der Hand auf und beinah dachte er, ihre Körpertemperatur sei so niedrig, dass der Schnee auf ihrer Hand nicht schmolz, doch dann verschwand die Flocke und er beruhigte sich. Mit ihr über ihren Glauben zu diskutieren, war sinnlos. Vielleicht würden einige besser mit ihr auskommen, wenn sie vernünftige Argumente einsehen würde. Soweit er jedoch wusste, hatte sie all diese Vorstellungen von ihrem Vater und den ändern konnte man nicht.

“Glaubst du immer noch, dass du gewinnen kannst?”, erkundigte sie sich.

“Wieso sollte ich nicht?”, fragte er verwirrt.

“Du hast gesagt, du dachtest, du könntest gewinnen.” Daraufhin schwieg er.

“Du hast auch Angst.”, diagnostizierte sie. “Es ist nicht alles gut, oder?”

“Eigentlich nicht.”, gestand er. Aufmerksam aber unaufdringlich beobachtete sie ihn. Er hatte die Wahl, ob er weitersprechen wollte, oder nicht.
 

“Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich es geschafft hätte. Ich habe das noch nie jemandem gesagt, bitte, versprich mir, dass du mit niemandem darüber reden wirst.”

“Keine Sorge, mir wird ohnehin nicht zugehört.” Erneut ließ ihn ihr Kommentar etwas stutzen, dann jedoch fuhr er fort. Aus irgendeinem Grund vertraute er ihr.

“Ich weiß gar nicht, ob ich es geschafft hätte. Das mit dem Drachen. Also, wenn ich... wenn ich keine Hilfe gehabt hätte.” Unsicher warf er ihr einen Blick zu, doch sie sah nicht empört aus, sondern weiterhin interessiert.

“Wenn ich völlig unvorbereitet gewesen wäre, hätte ich das mit dem Drachen vielleicht gar nicht hinbekommen. Aber ich wusste ja, dass es Drachen sein würden.”

“Bist du ein Seher”

“Nein, natürlich nicht.”

“Das war auch nur ein Scherz.” Sie zwinkerte und er versuchte zu verstecken, dass er das nicht gemerkt hatte, weil er es überhaupt nicht lustig gefunden hatte. Trotzdem lächelte er.
 

“Harry hat es mir gesagt. Er hat behauptet Fleur und Krum wüssten es auch. Ich weiß nicht woher. Vielleicht habe ich irgendeinen Hinweis übersehen, aber es klang eher so, als hätte es niemand wissen sollen.”

“Wow, Harry ist wirklich gut im Mogeln.”, lobte Luna.

“Nein, ich glaube, er hatte auch Hilfe.”

“Vielleicht wollte er dich auch in die Irre führen und hat dir gesagt, es würden Drachen sein in der Hoffnung, dass du denkst, er will dich in die Irre führen. Dann wärest du davon ausgegangen, dass es auf keinen Fall Drachen werden.” Vorsichtig fing sie weitere Schneeflocken, die nun vereinzelt zu Boden schwebten.

“Luna, das ist eine total abgedrehte Idee.” Sie lachte.

“Natürlich, deswegen ist sie doch so wahrscheinlich.”

“Du hast doch gesagt, du glaubst, dass Harry nett ist.”

“Das war ja auch wieder ein Witz.‘

“Okay.”
 

“Das neue Rätsel, hast du das schon gelöst? Ich habe gehört, das goldene Ei ist ein neues Rätsel?”

“Ja, ich habe es gelöst.” Begeistert klatschte sie in die Hände.

“Bravo! Du bist also doch gut.”

Peinlich berührt schloss er die Augen. “Dabei hatte ich aber auch wieder Hilfe.”

“Von Harry? Vielleicht mag er dich.”, vermutete sie.

“Nicht von Harry.”, grinste er, doch dann wurde er wieder ernst.

“Ich mag lieber nicht sagen, von wem. Es war keiner der Champions. Ich hatte auch nicht darum gebeten! Die Person kam einfach zu mir und hat mir geholfen. Was hätte ich auch machen sollen, nachdem ich die Information hatte.”

“Natürlich das Rätsel nicht lösen und warten, bis Harry dir hilft.” Diesmal verstand er den Witz und er sah, wie sie überrascht aufschaute, als er lachte.
 

“Harry hat mir nur geholfen, damit ich nicht benachteiligt bin.”, sagte er dann.

“Ah stimmt. Deswegen wirst du ihm helfen?”

“Bitte?‘

“Er war nett zu dir und hat dir geholfen. Was, wenn er nachher der einzige ist, der die Lösung des Rätsels nicht hat. Er hat noch nicht so viel gelernt wie ihr, oder?”

“Nein, hat er nicht.”

“Ich glaube, dann ist er benachteiligt.”

“Vielleicht ist es ja auch eine einfache Aufgabe und die Lösung des Rätsels ist schwierig.”

“Ich glaube nicht. Dann würden sich die Zuschauer langweilen. Dir wurde das halbe Gesicht weggebrannt, obwohl du wusstest, was passieren würde.” Hätte jemand anderes diese Dinge zu ihm gesagt, hätte er sich sehr angegriffen gefühlt. Doch Luna sprach noch immer auf unbeschwerte Weise, freundlich und sachlich.

“Du hast vielleicht recht.” Cedric ertappte sich bei dem Gedanken, Harry wirklich zu helfen. Bei genauerer Überlegung würde er sich damit nicht nur für die Sache mit den Drachen revanchieren, sondern auch für das Spiel vor einem Jahr, in dem Harry vom Besen gehauen worden war und Cedric deswegen ein Leichtes gehabt hatte, zu gewinnen.
 

“Ist die Aufgabe denn schwer?”

“Um ehrlich zu sein, würde ich dir das lieber nicht sagen.”

“Oh ja, du hast unbedingt recht.” Nickend stimmte sie zu. “Hirnbolte könnten mich befallen und die Information aus mir heraus kitzeln.”

“Oder Krum.”, gab Cedric zu bedenken. Luna lachte klar.

“Das ist lustig! Aber ich glaube, er ist niemand der gerne kitzelt. Dafür ist er nicht lustig genug. Du bist ziemlich lustig.”

“Danke, Luna.” Es klang eigenartig, wenn sie das so sagte und doch freute er sich über das Kompliment. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr merkte er, warum. In letzter Zeit hatte man mit ihm nur über das Turnier gesprochen. Man hatte ihm Komplimente zu seinem Hund während der ersten Aufgabe gemacht, dazu, dass er ausgewählt wurde oder zu seinem Aussehen. Luna war eines der wenigen Mädchen, die normal mit ihm reden konnten, ohne mit den Wimpern zu klimpern oder ihn anzuhimmeln.

“Du bist wirklich cool.” Wieder lachte sie.

“Das war ernst gemeint.”, beteuerte er.

“Trotzdem ist es lustig.”
 

Sie saßen dort im Schnee und redeten über Belanglosigkeiten, oder über sehr wichtige Angelegenheiten, die nun wie Belanglosigkeiten erschienen. Cedric sprach mit ihr über seine Angst, ohne wirklich an seine Angst zu denken. Sie erzählte, dass sie eine Außenseiterin war, ohne dass sie sich tatsächlich wie eine zu fühlen schien. Das konnte allerdings auch einfach an Luna liegen. Ehe er sich versah, sprachen sie sogar über seine Beziehung.

“Ich gehe mit Cho auf den Ball.”, ließ er sie wissen.

“Oh, seid ihr jetzt zusammen?”

“Nein, aber vielleicht wird das noch. Ich hoffe es.”

“Ich kenne sie ein bisschen. Sie ist okay.”

“Du findest sie nicht nett?”

“Das habe ich nicht gesagt.”, korrigierte sie.

“Ich mag sie ziemlich.”

“Das ist gut, sonst würde sie dich auf dem Ball bestimmt langweilen.”

Er musste lächeln.

“Du würdest einen bestimmt nicht langweilen.”

“Ich weiß nicht. Ich bin keine Tänzerin.”

“Was bist du denn?”

“Hm, das ist eine gute Frage. Anders. Anders als andere und anders als andere denken.”

“Das klingt sehr philosophisch.”
 

“Ich bin ja nicht nur verrückt, ich mache auch sehr schöne Dinge, glaube ich.” Sie zog ihren Zauberstab hinter ihrem Ohr hervor und dirigierte damit den Schnee. Flocken wirbelten durch die Luft und taten sich zu verschiedenen Formationen zusammen. Ein Schneehase jagte einen Schmetterling. Ein Drache spie Schneefeuer. Ein Einhorn galoppierte um sie herum. Eine Katze putzte sich.

Cedric zückte nun seinerseits seinen Zauberstab und begann Schneeflocken zu manipulieren. Er zauberte eine Maus, die um die Katze umher sauste. Sobald Lunas Katze sie zu jagen begann, wurde auch die Maus zu einer Katze. Mit einem Mal fiel die erste Katze in sich zusammen und ein Schneeball traf Cedric an der Schulter. Überrascht sah er Luna an.
 

“Du hast mich angegriffen!” Sie zwinkerte, dann sprang sie auch schon auf und lief ein paar Schritte durch den Schnee, um Distanz zwischen sie und seinen heran schnellenden Schneeball zu bringen, der sie jedoch trotzdem am Bein traf. Ohne zu zögern wirbelte sie herum und schleuderte ihrerseits eine Schneekugel, sodass er sich rasch ducken musste.

Bald bewarfen sie sich mit mehreren Schneebällen gleichzeitig, bis so viel Schnee an ihnen haften blieb, dass sie beinah komplett weiß waren. Mit schnellen Drehbewegungen des Zauberstabes rollte Cedric spaßeshalber eine riesige Kugel zusammen.

“Warte.”, bat Luna ihn und kam herüber. Unterwegs rollte auch sie eine Kugel. Dann hob sie diese an und setzte sie sachte auf seiner ab. Sofort verstand er und gemeinsam formten sie die kleinste Kugel.

Von einem Busch brachen sie Zweige ab und beseitigten Schnee, um Steine vom Boden zu sammeln. Für die Nase wählten sie einen kurzen, dicken Zweig und zu guter letzt spendete Luna ihre Mütze und Cedric seinen Schal.

Mit roten Wangen und Nasen betrachteten sie ihr Werk.

“Mr Digood Lovery!” taufte Luna ihn.

Dann legte Cedric ihr den Arm um die Schulter und sie machten sich auf den Weg zurück ins Schloss. Dort waren viele Lichter bereits erloschen und er vermutete, dass es sehr spät war. Man sollte sie beide besser nicht erwischen.
 

“Danke noch mal, Luna. Es ging mir eigentlich überhaupt nicht gut, als ich raus gegangen bin. Jetzt bin ich wieder ziemlich zuversichtlich.”

“Manchmal kommt es anders, als man erwartet.”, bestätigte sie. “Ich habe auch gedacht, ich würde einfach dort liegen und nichts tun und im Endeffekt habe ich einen Schneemann gebaut.”

Er hielt sie fest im Arm. Dieses Mädchen, das ihm aus der Misere geholfen hatte. Er war sich sicher gewesen, dass die schlechten Gefühle zurückkehren würden, wenn er es tat. Aber Luna hatte ihm Hoffnung gegeben. Er hatte sich mit all dem auseinandersetzen können, ohne zu verzweifeln. Er war ehrlich gewesen. Der Schnee hatte seine Angst nur überschienen, aber sie hatte ihm gezeigt, dass er keine Angst haben brauchte. Sie war stark und er bewunderte sie dafür, wie sie mit den Hänseleien der anderen umging. Etwas ihrer Gelassenheit würde den meisten gut tun. Er selbst würde etwas davon mitnehmen.
 

“Ich hatte viel Spaß.” Luna lächelte und wie immer sah sie verträumt aus. “Gut, dass du gedacht hast, ich wäre verletzt.” Sie war anders, doch mit Sicherheit könnte er sie niemals als Freak bezeichnen.

“Gute Nacht, Luna.” Cedric sah ein letztes Mal auf sie herunter. Auf seinen Schneeengel.

Als sie sich in der Eingangshalle trennten, war er sich sicher, dass er sie bald wieder sehen würde, dass sie noch einmal so viel Spaß haben würden wie an diesem Abend.

Luna jedoch wusste, dass sie nie wieder ein Wort wechseln würden, dass dies einmalig gewesen war. Dennoch würde sie diese Nacht davon träumen, Freunde zu haben. Freunde wie Cedric Diggory.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Natsumi_Ann_
2013-04-18T19:44:40+00:00 18.04.2013 21:44
also ich konnte mir luna und cedric ja immer auch als paar vorstellen,
ka warum ^^

also super lob schon mal dass du auf das "paar" gekommen bist auch wenn es bei dir eher eine freundschaft ist :)

hoffe man hört noch mehr von dir und außergewöhnlichen geschichten :)


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