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Snow White and the Huntsman - Blacksmith's Legacy

Die Tochter des Hufschmieds
von

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Kapitel 3 ~ Sorgen

But I needed one more touch

Another taste of heavenly rush

And I believe, I believe it

So oh oh oh
 

Ich war zu langsam. Der lange Marsch, der Durst und die Kälte zehrten an meinen Kräften. Der Jäger musste ständig sein Tempo drosseln um zu warten, bis ich wieder zu ihm aufgeschlossen war. Die Dunkelheit machte mir zusätzlich zu schaffen. Eines stand fest. Für solche Gewaltmärsche war ich einfach nicht geschaffen.

Als der Jäger auf einer moosbedeckten freien Fläche im Wald auf mich wartete, sah er das Offensichtliche, was ich versuchte zu verdrängen. Ich war am Ende.

»Wir werden hier rasten«, sagte er und schnallte seine Waffengurte ab, um sie gegen einen Baum zu lehnen.

Ich hatte nicht einmal mehr Kraft zustimmend zu Nicken, sondern ließ mich einfach da wo ich stand auf den Boden fallen. Ein Findling stand in der Nähe. Ich schleppte mich zu ihm, um mich gegen den Stein lehnen zu können. Dann zog ich zitternd die Beine an meinen Körper, schlang die Arme darum und beobachtete, wie der Jäger kleine Äste für ein Feuer zusammensuchte. Ich kam mir schrecklich nutzlos vor, also sammelte ich von da wo ich saß ebenfalls Ästchen zusammen und reichte sie ihm, als er auf seiner Suche an meinem Sitzplatz vorbei kam. Er nahm die kläglichen Zweige milde nickend entgegen und stapelte sie mittig des Plätzchens zu einem kleinen Türmchen.

Ich musste kurz weg genickt sein, denn als ich wieder erwachte, brannte bereits ein beachtliches Feuer. Nasses Holz zischte in den züngelnden Flammen vor sich hin und ich rückte näher, streckte die Hände aus, um meine Kleidung zu trocknen und mich aufzuwärmen. Als ich den Blick hob, sah mich der Jäger lange über das Feuer hinweg an. Ich konnte seinem stechenden Blick nicht stand halten und sah zur Seite, starrte in die Dunkelheit. Doch ich musste vorsichtig sein. Wenn man zu lange in die Finsternis sah, dann konnte man dort alles mögliche erkennen.

»Warum lauert Ihr Spähern im Wald auf?«, fragte er plötzlich und ich begegnete doch wieder seinem Blick.

»Um mein Dorf zu beschützen«, sagte ich schlicht und sah in die Flammen.

Lange war es still. Sogar der Wind war verstummt. Nur irgendwo in der Ferne war eine Eule auf Raubzug.

»Ist das der einzige Grund?«, hakte er schließlich weiter nach und ich fühlte mich ertappt, nestelte nervös an dem Saum meiner Kleidung herum.

»Das ist eine persönliche Angelegenheit.« Ich wollte wirklich nicht darüber sprechen.

Ich sah verstohlen in seine Richtung, sah, dass er verstehend nickte, nach der ledernen Trinkflasche griff und einen Schluck nahm. Der Gedanke an etwas zu Trinken, brachte mich fast um den Verstand. Noch ehe ich diesen Gedanken zu Ende denken konnte, flog die Flasche über das Feuer hinweg in meine Richtung.

»Hier«, sagte der Jäger nur und ich hatte Mühe das Geschoss zu fangen.

Ein scharfer Geruch erfüllte meine Nase, als ich das Gefäß zu meinem Mund führte. Ich nahm trotzdem einen Schluck und musste augenblicklich husten. Scheiße, war das Zeug stark.

Ein leises Lachen drang an mein Ohr und ich warf das Leder so fest ich konnte zurück zu seinem Besitzer. Mit Genugtuung stellte ich fest, dass es hart gegen seine Brust prallte, als er es fangen wollte. Er legte die Flasche zur Seite und sah ebenfalls in die Flammen, versank in alten Erinnerungen.

»Seit ich vom Schlachtfeld zurück bin, trage ich den Gestank des Todes und den Zorn der Verlorenen in mir. Ich verkomme zu meinem wahren Ich. Ein Mensch, der mir niemals wichtig sein wird. Der alte Trunkenbold in mir hat verlernt was es heißt so zu sein.«

Ich schluckte. Glaubte er, nur weil er mir etwas persönliches erzählt hatte, würde es andersherum genauso passieren? Er schien Recht zu behalten, denn meine Lippen bewegten sich plötzlich.

»Sie haben meine Mutter getötet.« Ich nahm einen Ast und stocherte in der Glut herum, sodass Funken aufstoben. »Ich muss sie rächen.«

»Und Euer Vater?«

»Als sie fort war, hat mein Vater mich für ein paar Kupfermünzen an Landstreicher verkauft. Ich war froh, als sein Herz eines Tages einfach aufgehört hat zu schlagen.«

Der Jäger und ich sagten nichts mehr und doch lag etwas in der Luft, was sich nach Bedauern anfühlte. Bedauern über Schicksale, die Besseres verdient hatten.

Ich war in Gedanken. Und schließlich, als ich an meinem neunten Geburtstag angelangt war, dem Tag an dem ich diese Strohpuppe geschenkt bekommen hatte, hielt ich die Stille nicht mehr aus.

»Wie ist Euer Name?«

Es dauerte eine Zeit, bis sich der Jäger rührte. Vermutlich war auch er in der Vergangenheit versunken gewesen.

»Wie ist Eurer?«, überging er meine Frage einfach.

»Wisst Ihr denn gar nicht, dass man eine Frage nicht mit einer Gegenfrage beantwortet? Das gebietet der Anstand.«

»Verzeiht, der ist mir wohl auf den Schlachtfeldern verloren gegangen. Ihr wisst schon. Da, wo das Pferd Eures Vaters in irgendeiner Senke verendet ist und ich trotzdem noch die Zeit hatte, mich um meine Schulden zu sorgen.«

Ich kicherte mädchenhaft und wusste nicht wieso. Das war irgendwie witzig.

»Also?«, fragte ich schließlich. Ich wollte noch immer eine Antwort.

»Man nennt mich Huntsman«, sagte er unter Zuhilfenahme einer nichtssagenden Geste.

Ich rollte mit den Augen. Und ich bin die Schmiedin.

»Ja, aber das ist doch nicht Euer richtiger Name, oder?«

Wieder sah er mich lange an. Dieses Mal sah ich nicht weg. Meine Augen tränten bereits, weil ich versuchte nicht zu blinzeln.

»Eric«, sagte er letzten Endes und griff wieder zum Alkohol.

Irgendwie tat er mir schrecklich leid. Allerdings wusste ich nicht wieso. Ich war diejenige, die soeben zusehen musste, wie ihr Dorf in Flammen aufging.

»Ich bin Sarah«, sagte ich leise und lehnte mich zurück an den Fels, bevor ich die Augen schloss.

Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte zu hören, dass jemand meinen Namen flüsterte, kurz bevor ich einschlief.
 

~
 

Ich erwachte, als der Jäger... als Eric... die letzten schwelenden Reste des Feuers austrat. Meine Wange lag auf weichem Moos und ich gähnte, als ich mich aufrichtete.

»Gut geschlafen?«, fragte er ohne zu mir zu sehen.

»Wie ein Stein«, bestätigte ich und versuchte den Frosch im Hals wegzuräuspern. Nicht einmal schlechte Träume hatten mich geplagt.

»Ich bin gleich wieder da«, sagte der Jäger zu mir und verschwand im Wald. Ich sah ihm kurz nach, lauschte auf die Geräusche der Natur, erblickte die liegengelassene Flasche und fasste einen Entschluss.

Schnell krabbelte ich zu dem Lederschlauch, zog den Korken und schüttete den Inhalt des Gebräus hinter den nächsten Dornenbusch. Dann stopfte ich den Korken wieder drauf und erhob mich gerade rechtzeitig, als Eric sich wieder zeigte. Ich blickte unschuldig drein und sah dabei zu wie er zu mir trat und zahlreiches Ungeziefer in seinen Händen hält.

»Was ist das?«, fragte ich, um davon abzulenken, was ich gerade getan hatte.

»Frühstück«, meinte er und hielt einen Wurm in die Höhe. »Maden, Borkenkäfer. Hunger?«

»Nein, danke«, verzog ich angewidert das Gesicht und wandte mich ab, als er sich eine Made in den Mund steckte.

Er packte mich am Arm, drehte mich zu sich um und entriss mir die Trinkflasche, um sein unappetitliches Mal hinunterzuspülen.

»Danke«, sagte er und entkorkte den Schlauch.

Mir wurde heiß und kalt zugleich, als er den Kopf in den Nacken warf, eine Sekunde verharrte und mich dann ungläubig ansah.

»Was soll das?«

Ich entschloss mich dazu, nicht nach irgendwelchen Ausflüchten zu suchen und sah ihn herausfordernd an.

»Du solltest deine Sorgen nicht in Alkohol ertränken«, sagte ich und konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er mich packte, herumriss und mit dem Rücken unsanft gegen die nächst stehende Buche knallte. Mein Nacken knackte protestierend, aber ich war unfähig darauf zu reagieren, denn Eric presste sich so stark gegen mich, dass nicht einmal ein Pergamentpapier zwischen uns gepasst hätte. Seine Hand lag an meinem Hals, mit der anderen hielt er mein Handgelenk. Ich bewegte meine andere Hand und bemerkte, dass sie hinter meinem Rücken fixiert war. Wie und wann war das denn passiert? Egal. Ich kam zu dem Schluss, dass ich komplett festgenagelt war. Scheiße.

»Was weißt du schon von meinen Sorgen.«

»Ich habe keine Angst vor dir«, stellte ich klar, weil ich nicht so richtig wusste, was er hiermit bezweckte. »Vielleicht meinst du, dass du es nicht wert bist gerettet zu werden. Aber irgendjemand wird es trotzdem auf sich nehmen.«

Sein stechender Blick durchbohrte mich, ein innerer Kampf schien in ihm zu toben, seine Stirn lag in Falten. Mein Herz pochte unnachgiebig gegen meine Brust, als würde es herausspringen wollen. Dann ließ er mich gehen und hob die fallen gelassene Flasche auf.

»Mach doch was du willst«, murmelte er und verschwand erneut im Wald. Ich atmete auf. Das war doch gar nicht so schwer gewesen. Ich hatte Schlimmeres erwartet. Dann hörte ich das Knacken eines Astes und sah auf, als er plötzlich wieder vor mir stand. »Kommst du jetzt oder willst du weiterhin Löcher in die Luft starren? Wir haben noch einen langen Weg vor uns.«

Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich ihm stumm folgte.
 

~
 

Auf einer großen freien Fläche im Wald stand ein Häuschen. Der Duft von Gebackenem wehte zu uns herüber, als wir im Dickicht lauerten und mir das Wasser im Mund zusammenlief. Eine angrenzende kleine Scheune beherbergte offenbar Vieh, Stroh und Holz für den nahenden Winter.

»Hinter dem Haus ist ein Brunnen«, meinte Eric und spielte damit auf unseren zur Neige gehenden Wasservorrat an. Der Gedanke an klares Brunnenwasser ließ mein Herz höher schlagen. Ich hatte es satt, ständig den Tau von vergammelten Blättern zu lutschen. »Sollte uns irgendjemand entdecken, dann lauf.« Ich nickte nur. »Und los.«

Wir huschten aus den Schatten und eilten dem Haus entgegen. Das alles war irgendwie ziemlich aufregend und ich fühlte mich wieder in die Zeit zurückversetzt, als ich mit den anderen Kindern im Dorf Verstecken gespielt hatte. Wir umrundeten das Häuschen in einem gewissen Abstand und als wir am Brunnen angelangt waren, zog Eric vorsichtig an dem Seil, welches den Wassereimer nach oben beförderte. Wie zu erwarten, war ein leises Quietschen zu hören und ich sah mich hastig nach allen Seiten um. Noch war niemand zu sehen. Vielleicht hatten wir Glück und die Besitzer waren gerade unterwegs. Dann sah ich etwas.

»Eric«, flüsterte ich aufgeregt.

»Was gibt’s?«, fragte er ohne vom Brunnenloch aufzusehen.

»Da liegt ein Brotleib auf dem Fensterbrett.« Er war bestimmt noch warm und sollte dort auskühlen. Ich schluckte.

»Dann geh ihn holen«, sagte der Jäger teilnahmslos und hievte den Holzeimer über die Kante des Brunnens hinweg, um den Trinkschlauch zu füllen.

»Das kann ich nicht«, kämpfte ich mit mir selbst. »Das wäre Unrecht.«

Ein bisschen Grundwasser zu nehmen fand ich völlig in Ordnung, aber Lebensmittel? Mein innerer Konflikt bereitete mir echte Bauchschmerzen. Oder war das nur mein knurrender Magen, der sich zu Wort meldete?

»Du kannst ja in fünf Jahren wiederkommen und deine Schulden begleichen«, schlug Eric vor und ich zog eine Schnute. Ach, was soll's...

Eilig schlich ich dem Haus entgegen und grapschte nach dem dunklen Brot, zerrte es von der Fensterbank und huschte wieder zum Brunnen, wo Eric bereits schelmisch grinsend auf mich wartete. Ich wollte mich soeben zu seinem stillen Vorwurf äußern, als hinter mir das Fenster aufging. Oh, scheiße.

Ich drehte mich nicht einmal um, als Schreie laut wurden, sondern rannte einfach los, an Eric vorbei, der sicheren Waldgrenze entgegen. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so schnell gerannt zu sein. Wie eine Ertrinkende klammerte ich mich an dem warmen Brot fest und hörte erst auf zu laufen, als ich glaubte drei Tagesmärsche von der Hütte entfernt zu sein. Keuchend lehnte ich mich gegen einen dürren Baum und wartete bis Eric, der immer wenige Schritte hinter mir war, neben mir zum Stehen kam. Ich wunderte mich, als er sich prustend gegen meinen Baumstamm lehnte und vor Lachen kaum Luft bekam. Noch ehe ich fragen konnte, was ihm fehlte, hatte er sich soweit beruhigt, dass er wieder sprechen konnte.

»Du bist gerannt, als wäre der Leibhaftige hinter dir her. Ich kam ja kaum hinterher.«

»Das findest du also lustig?«, fragte ich gereizt und er nickte, jetzt nur noch leise kichernd. »Jetzt bin ich schon Landstreicher und Dieb. So weit ist es schon gekommen. Das kann nur dein schlechter Einfluss sein, Huntsman.«

»Ich bin ein schlechter Mensch«, stimmte er mir zu, während ich das Brot ungerecht in zwei Hälften brach und ihm das viel kleinere Stück reichte.

»Da, dein Anteil.«

»Sehr großzügig«, nahm er es, immer noch grinsend, entgegen, setzte sich auf einen umgestürzten Baum und knabberte daran herum.

Ich setzte mich neben ihn, ließ die letzten Minuten Revue passieren und erlaubte mir ein leises Glucksen.

»So viel Spaß hatte ich seit Jahren nicht mehr«, gab ich schließlich zu und wir beide drehten gleichzeitig die Köpfe zueinander, sahen uns stumm an und brachen dann in lautes Gelächter aus.
 

~
 

Ich würgte das letzte Stück des Brotes mit einem Schluck aus der Wasserflasche hinunter und spürte die ersten Regentropfen auf meiner Haut, als ich diese Eric zurückgab. Na toll. Ich hatte keine Lust die Nacht im strömenden Regen zu verbringen. Der Jäger schien ähnliche Gedanken zu haben, als er aufstand und sich umsah. Der Wald war hier nicht dicht genug, als dass uns die Baumkronen Schutz bieten konnten. Auf gut Glück eine der seltenen Höhlen zu finden war auch unwahrscheinlich und einen Unterschlupf konnten wir uns aus den kläglichen Gaben des Waldes auch nicht bauen. Und der Regen wurde immer stärker.

»Ich habe eine Idee«, sagte Eric und lief ohne Vorwarnung den Weg zurück, den wir gekommen waren.

Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass ich ihm folgen sollte und sprang hastig auf. Am Waldrand, hinter einem verlassenen Ameisenhügel hockend, holte ich ihn ein.

»Was hast du vor?«, fragte ich und beobachtete ebenfalls das Gut vor uns, von dem wir vorhin so hastig geflohen waren.

»Wenn es dunkel ist, schleichen wir uns in die Scheune.«

Ich war mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee war, aber ich fror schrecklich und der Gedanke mit Kühen das Lager zu teilen, war immer noch besser, als zu erfrieren.

Die Nacht war nicht mehr fern und als es dämmriger wurde, wagten wir uns aus unserem Versteck. Lautlos überquerten wir ungesehen das Feld und huschten durch die kleine Hintertür der Scheune ins Innere. Ein leises Wiehern und Scharren der Hufe begrüßte uns. Ich ging zu dem einsamen Tier und streichelte beruhigend seine Blässe, während Eric die Tür hinter uns schloss.

»Da oben«, sagte er und deutete auf eine Leiter, die zum Heuspeicher führte.

Ich kletterte voran und ließ mich, kaum oben angekommen, in weiches, wohlriechendes Heu fallen. Kaum zu glauben. Das war bequemer als bei mir zuhause.

»Das war eine tolle Idee«, lobte ich und beobachtete, wie Eric es sich im Halbdunkel der Scheune neben mir bequem machte, nachdem er den Blick nach unten mit etwas Heu versperrt hatte.

Erst jetzt bemerkte ich, wie müde ich eigentlich war. Die letzten Tage waren echt hart gewesen. Meine Augen wollten mir nicht mehr gehorchen. Ich schaffte es gerade noch, mich mit Heu zuzudecken, dann war ich eingeschlafen.
 

~
 

Es war bereits hell, als ich erwachte. Ich ließ die Augen geschlossen und lauschte. Ich konnte Vögel zwitschern hören, Vögel und das leise Schnauben des Pferdes unter uns. Das Heu raschelte, als Eric sich bewegte. Ich spürte seinen Blick auf mir, dann berührte er mein Gesicht um mir eine Haarsträhne aus der Stirn zu streichen. Als er die Hand wegzog öffnete ich schlagartig meine Augen und griff danach. Er schien genauso überrascht über die Tatsache, wie ich darüber, dass er so dicht vor mir lag. Und doch führte ich seine Hand zurück zu meinem Gesicht, legte sie auf meine Wange und hielt sie fest. Seine rauen Finger streichelten meine Haut, als mir der Duft von Wind und Wald in die Nasse zog und mich zittern ließ. In mir regte sich etwas, als er erneut mein Haar zur Seite strich und seine Hand meinen Hals hinab wanderte. Blaue Augen musterten mein Gesicht, als schienen sie nach etwas zu suchen. Ich blinzelte und mein Blick blieb an seinen Lippen hängen. Dann öffnete sich das Scheunentor und ich verharrte in Schockstarre. Völlig regungslos hörten wir, wie jemand das Pferd ins Freie führte. Ich wagte kaum zu atmen, als eine Hand am Rand des Speichers auftauchte und blind etwas Heu zusammensuchte. Ich versuchte mit dem Fuß zusätzlich Heu in die Richtung zu schieben und war erleichtert, als die Person hatte was sie wollte und verschwand. Manchmal hatte man echt mehr Glück als Verstand. Ich hatte uns schon, von einer Heugabel durchbohrt, auf dem Misthaufen liegen sehen.

»Zeit zu geh'n«, meinte Eric überstürzt und huschte als Erster die Leiter hinunter.

Ich folgte ihm, stumm und verunsichert.
 

~
 

»Das ist er?«, fragte ich und trat unauffällig etwas näher an Erics Seite. »Sieht ganz schön... düster aus.«

Etwas, was man hätte als Lachen deuten können, stahl sich seinen Weg aus Erics Kehle.

»Deswegen nennt man ihn ja auch den Dunklen Wald.«

Ja, klang logisch.

»Gibt es einen anderen Weg?«, fragte ich vorsichtshalber und hoffte, das mein Zögern nicht falsch verstanden wurde.

»Wir könnten außen herum gehen, aber das würde uns eine Woche kosten. Hast du etwa Angst?«

»Nein«, log ich schnell und stellte mir vor, wie es wohl war zwischen den toten Bäumen des Waldes zu wandern.

»Gut«, sagte mein Begleiter und setzte sich in Richtung des dunklen Waldrandes vor uns in Bewegung. »Denn der Wald zieht seine Kraft aus deiner Schwäche.«

Ich schluckte den Klos in meinem Hals hinunter. Ich hörte schon jetzt die unheimliche Stille, die mir gleich in den Ohren dröhnen würde. Vielleicht sollten wir den Umweg ja doch in Kauf nehmen.

»Tu genau das, was ich tue«, riet Eric und überschritt die Grenze des Waldes.

Kurz darauf war er in der Dunkelheit verschwunden. Ich schluckte erneut und folgte ihm. Für den Umweg war es jetzt zu spät.
 

~ Ende des 3. Kapitels ~



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