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Warme Berliner

Jaschas turbulentes Jahr
von

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April 2013

1. April - Hell und dunkel
 

Aprilscherze sind eigentlich eine kindische Angelegenheit, aber da man seine infantile Seite bewahren soll, habe ich mich heute für eine ziemlich bescheuerte Tat entschlossen. Und zwar möchte ich, der absolute Anti, was soziale Netzwerke angeht, meinem Kumpel einen Streich spielen. Einen ziemlich fiesen, aber er hat es sich verdient für all die Gemeinheiten, die er sich stets leistet. Anmalen während des Schlafens ist nur eine Grausamkeit, die in seinem Hirn reift und letztendlich ausgelebt wird.

Nun bin ich mal am Zug, denn der letzte Eddingbart ist nicht sonderlich lang her. Schnell ist ein Fakeprofil in einer großen Community angelegt, freilich mit Bild einer nett ausschauenden Dame, der ich lediglich ein paar Worte in den Mund legen werde. Ein paar nette, liebreizende Worte, die einen jeden Mann um den Finger wickeln können. Und wenn der liebe Tim dann darauf angesprungen ist, löse ich das Ganze gnadenlos auf und genieße das erhebende Gefühl der ausgeübten Rache.
 

Tja, wo Licht, da Schatten. Wo hell, da dunkel.

Meine sadistische Ader pulsiert freudig, als ich auf den 'Profil erstellen'-Button klicke, nachdem ich die Seite mit dem Goldlöckchenfotos meines Alter Egos gefüttert habe.

Tim wird sich freuen über die Schnitte, ganz sicher.

Aber nicht für lange...
 

2. April - Glückszahl
 

Ehrlich gesagt war ich nicht sicher, ob Tim so viel Knete im Kopf hat, damit er wahrhaftig auf das schöne Gesicht meiner Dame hereinfällt. Aber anscheinend hat er sogar bunte Murmeln in der Birne und die Knete dient nur dazu, dass das ganze Zeug beim Laufen nicht so klappert.

Für mich ist die ganze Situation oberlustig, ich lache mir einen Ast, wann immer Tim eine schwanzgesteuerte Nachricht sendet.

Über Nacht habe ich allerhand über die perversen Abgründe des Jungen erfahren, die mich höchst traumatisiert haben. Welcher normale Mensch lässt sich schon zu einem Trunkenheitsfick hinreißen, der sogar Schwulitäten beinhaltet? Entweder hatte Tim wirklich schon mal was mit Männern oder er kokettiert nur damit, weil er glaubt, die Ladies würde das beeindrucken. Die Lady, die meinen Namen trägt, nämlich Jascha - nicht lachen, meine Eltern sind eben behindert - zeigt sich jedenfalls geflashed.
 

Ich: "Echt? Das ist ja voll sexy! Grins, grins."

Denke aber: Würg.

Er: "Ja! Sogar 69 hab ich probiert. Ist geil..."

Ich wieder: "Die 69 ist meine Glückszahl!"

Kotztropfen fallen auf meine Tastatur.

Auch wenn ich finde, dass diese mathematische Gleichung mit einer Frau reizend wäre, die Vorstellung eines Schwänze lutschenden Tims ist zu viel für mein Gemüt.
 

3. April -Abenteuer
 

Auch wenn der erste April längst vorbei ist und ich mein fieses Spielchen auflösen sollte, so kann ich mich nicht zusammenreißen. Die Dinge, die Tim von sich preisgibt, sind zu interessant und wahrhaftig besser als jeder Horrorfilm. Mittlerweile trudelten sogar ein paar Nacktbilder ein, die ich mir brav speicherte, falls ich mal einen Erpressungsgegenstand benötige.

Ich hoffe, dass mein Laptop niemals in unbefugte Hände gerät.
 

Tim ist nicht unbedingt der Dorfschönste, das muss ich zugeben, und mein Schwanz ist auch länger als seiner.

Aufgrund dieser wahrhaft unästhetischen pornografischen Aufnahmen beschließe ich, mich etwas abzulenken. Wenn ich schon einen Account auf dieser verkackten Seite besitze, muss ich diesen nutzen. Außerdem kann ich nicht leugnen, dass in mir ein Stalker schlummert.

Ein Singlestalker, der seit Monaten kein Gemüse mehr gestochen hat, wenn ihr wisst, was ich meine. Pflaumen sind zwar Obst, aber gesundes Zeug werfe ich gern mal in eine Schublade.

Ich beschließe also, mir nach Feierabend ein paar Profile anzuschauen, am besten von Mädels aus Berlin, denn so lang ist mein Schwanz dann doch wieder nicht, dass er nach Rio de Janeiro reicht.

Ich brauche ein Abenteuer vor meiner Haustür. Bitte nicht wortwörtlich nehmen, Freiluftficken ist zwar nice, aber gesellschaftlich inakzeptabel.
 

4. April - Alptraum
 

Als KFZ-Mechatroniker hat man kaum Zeit für private Spielereien. Die Betreuung des liebesbedürftigen Tim hält mich zusätzlich von der Suche nach einem Mädchen für mich ab. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel rhetorisches Geschick es verlangt, das Senden eines Nacktbildes von meiner Seite zu umgehen. Selbst wenn ich Tim ein Foto von mir ohne Antlitz zukommen ließe - der Betrug würde durch Fehlen schlagender Argumente auffallen, was er nicht soll. Ich möchte mein Opfer noch ein wenig foltern. Und zwar so lange, bis es mir wieder Spaß macht, einsam in mein Taschentuch zu wichsen.
 

Heute Abend ist Mister Liebestoll, dem ich bei unserem nächsten Treffen bestimmt nicht in die Augen schauen kann, ohne an die Pimmelfotos zu denken und ihm deswegen auf die Schuhe zu kotzen, glücklicherweise abwesend.

Dies realisiere ich zufrieden, denn diese Gelegenheit nutze ich für meine Partnersuche. So wie ich durch die regionale Liste scrolle, die Schnitten abchecke und meinen Lieblingssong von Die Antwoord höre, entdecke ich ein auffälliges Madamchen.

Mit einem Klick gelange ich auf ihr Profil und erkenne, dass sie zwar hübsch aussieht, ihr übertriebenes Make Up allerdings ein Alptraum ist.

Und dann diese angemalten Augenbrauen, die absolut nicht gesund sein können.

Schnell weg.
 

5. April - Schlüsse ziehen
 

Kreisch.

Ohne Mist, es ist mir ein inneres Kreischen, als ich mich am nächsten Abend einlogge, nichts Böses ahnend und eine Nachricht vorfinde, mit der ich nicht gerechnet habe. Nein, mich erwartet kein Schmuddelfoto von Tim - wäre auch sinnlos, ich kenne seinen nackten Körper mittlerweile aus jeder Perspektive und glaube, mich im Endstadium des Augenkrebses zu befinden.

Generell ist die Post nicht von Tim verfasst, sondern von einer gewissen Sweet Malicious.

Erneut kreisch.

Der Augenbrauenschreck!

Da mich das 'Hi' mit den kindischen Katzenöhrchen allerdings neugierig macht, klicke ich vorsichtig auf darauf, wirklich ganz vorsichtig. Man weiß nie, ob die Augenbrauen bissig sind.
 

Sie so: "Ich hab gesehen, du warst auf meinem Profil. Smiley, smiley, smiley."

Ich hasse Smileys. Wenn Symbole, dann umgedrehte Kreuze, wie das auf meine Wange tätowierte. Aber keine Angst, es ist ganz klein. Es kommt nicht immer auf die Größe an.

Sie weiter: "Ich mag dein Profilbild. Grins. Und Die Antwoord find ich cool."

Oho!

Abgesehen davon, dass mein Profilbild wahrhaftig ansehnlich ist, da ich naturgegeben ein ansehnlicher Kerl bin, so bin ich erstaunt über die musikalischen Präferenzen der Braut.

Ich schlussfolgere, dass man selbst unter gruseliger Kriegsbemalung mitunter einen ordentlichen Geschmack finden kann.

Und antworte.
 

6. April - Unfall
 

"...und dann hab ich ihr ein Nacktfoto geschickt."

Dümmliches Kichern dringt aus Tims Kehle, während ich den Gedanken an seine Erektion nicht überwinden kann. Es ist natürlich ein Bedürfnis meines Kumpels, mir bei einem samstagabendlichen Zusammensitzen mit Freund Alkohol alles über seine Internetbekanntschaft zu berichten.

Ist schließlich eine tolle Blondine; sieht klasse aus und hat meinen Charakter - was möchte man mehr?

Doch da sogar ich Mitleid verspüre und mir das vergebliche Schwärmen des Würstchens nahe geht, beschließe ich, die Sache aufzulösen. Das Wichsen bereitet mir seit Sweetie sowieso wieder Vergnügen, also muss ich Tim nicht malträtieren.
 

"Deine Melissa gibts gar nicht, denn ich bin sie...kapisch? Ich bin deine Schnalle."

Tim rafft nichts, guckt wie ein Auto.

"W-was?", entweicht es ihm nach einer Denkpause. "Du...bist eigentlich 'n Weib?“

"Nein", lenke ich ein. Wie kann der annehmen, dass ich unter meinen Klamotten heimlich weiblich bin? "Ich hab dich verarscht, man."

Wieder vergeht eine Zeit des Schweigens. Dann erhebt sich Tim samt bitterbösem Blick.

"Dann...hast du meine Nacktbilder bekommen?"

Oh, herzlichen Glückwunsch!

"Das gibt nen Unfall, das schwör ich."

Was denn für einen Unfall, frage ich mich.

So einen Unfall wie einen nackten Tim gibts eh nicht noch mal auf dieser Welt.
 

7. April - Ich liebe dich
 

Tim liebt mich nicht mehr. Das ist schade, aber nicht zu ändern. Tatsächlich ist es mir egal, ob er nun eingeschnappt ist und sich zusätzlich dafür schämt, dass ich seinen Schwanz begutachten konnte. Musste. Wie auch immer.

Aber es gibt da ja jemand anderen, der wirklich immer süßer wird. Besser gesagt, sie wird immer süßer. Sweeties Nachrichten sind jedes Mal so voller mädchenhaftem Charme, dass ich beschließe, mir die Augenbrauen der Dame nicht einfach mehr anzuschauen. Die restliche Bemalung um die Augen ist mir auch ein wenig zu viel, aber so lange ich nicht so rumlaufen muss, kann ich damit leben.

Und während des Verkehrs ist man sowieso mit anderen Dingen beschäftigt als mit dem Gesicht der Frau. Nur nicht, wenn man ein Bukkake-Spielchen spielt, aber das weiten wir an dieser Stelle besser nicht aus, denn Sweetie ist viel zu sweet, um ihr ins Gesicht spritzen zu wollen.
 

Wir chatten bereits den gesamten Sonntagabend und die halbe Nacht. Ich erfahre, dass das Fräulein im Moment single ist - sehr schön, sehr reizvoll - und als es dann schon sehr spät ist, verrät sie mir sogar von ihrer geheimen Vorliebe für Analsex.

Ganz knapp schlittern wir am Dirty Talk vorbei, denn als ich das A-Wort schwarz auf weiß auf meinem Monitor lesen kann, muss ich das Gespräch leider abbrechen, um mich mit meinem Penis darüber auszutauschen.

Er findet das nämlich auch voll gut und bejubelt es mit einer Standing Ovation.
 

Als ich dann fertig bin und sich mein Penis aufgrund des berührenden Auftrittes schnäuzen muss - ich bin so nett und reiche ihm ein Taschentuch - blinkt der Nachrichtenalert wieder auf.

Ich klicke gespannt drauf.

"Hehe, ich glaub, ich liebe dich voll. Du bist goldig. Herzchen."

Aww.
 

Drei Uhr Nachts hat denselben kruden Effekt wie zwei Flaschen Bier, glaube ich mittlerweile.
 

8. April - Konsequenzen
 

Heute ist nicht mein Tag.

Chefchen hat mich rundgemacht und als ich dachte, zu Hause könne ich abschalten und den Blödsinn hinter mir lassen, bewies sich dies als nicht berechtigt.

Im Internet ist nämlich die Hölle los! Und ich bin nicht unschuldig an den Begebenheiten. Das mit Tim mutiert immer mehr zu einem Rachebattle und mittlerweile hält er den Ball in der Hand, den er mir mit Wucht in die Fresse knallt.

Bäm.

Auf seinem Profil prangt ein pikantes Foto, auf dem mein Antlitz abgebildet ist. Mein mit Eddingbart verziertes Gesicht, das mich aussehen lässt wie einen schwulen Franzosen. Man kennt ja diese so modernen Moustaches, die absolut hässlich aussehen - aber genauso einen trage ich auf diesem Bild, während ich selig pennend meine Trunkenheit auskuriere.

Ist das Sabber, der aus meinem Mundwinkel rinnt?

Egal.

Das einzige, was zählt, ist, dass mich die ganze Welt so schick betrachten kann und die Tatsache, dass Tim mich in dieser Situation fotografierte.

Ich schreibe ihm:

"Wenn du dieses Bild nicht augenblicklich löschst, dann bastel ich Plakate, die ich überall mit der Aufschrift 'Tim ist ein Hinterlader!' aufhängen werde. Du stehst doch eh auf mein blödes Bartbild, gibs zu! Tschüss, der Wolf im Goldlöckchenpelz."
 

9. April - Über den Schatten springen
 

Tim hat sich nicht gerührt. Bestimmt lacht er sich ins Fäustchen, weil ich bald schon als Monsieur Moustache weltbekannt sein werde. Das wiederum wäre gut, denn Berühmtheiten sind stinkreich. Wenn mein lieber Kumpel mir zur Million verhilft, dann wird er sich selbst auch verschandeln. Hässlich ist derzeit sowieso in.

Ehrlich gesagt bilden sich in meinem Kopf aber andere Fragen.

Wie ihr wisst, schreibe ich mit Sweetie, was wirklich Spaß macht, sogar meinem Schwanz. Heute aber reagierte sie merkwürdig. Ich erzählte, dass ich KFZ-Mechatroniker bin, was sie cool fand; als ich dann aber mit einem selbstbewussten 'Ich bin eben ein cooler Typ' antwortete, sendete sie mir nur ein Fragezeichen.

Was bitteschön ist daran nicht zu verstehen? Findet sie mich nicht cool oder was? Nein, so geht das nicht weiter. Ich muss über meinen Schatten springen und das Unvermeidliche ansprechen.

Auch wenn ich noch immer Angst vor ihren Augenbrauen habe und weiß, dass in natura alles noch eine Ecke gruseliger erscheint.

"Lass uns treffen", tippe ich mutig.

Zum Glück hält sie mich nicht lange hin, sondern schickt mir prompt ihre Zusage. Wir einigen uns auf den kommenden Freitagabend in einem mir unbekannten Club.
 

Hoffentlich ist sie keine Massenmörderin oder ihre Augenbrauen toxisch.
 

10. April - Sucht
 

Wie hält man seine Mutter davon ab, dich umzubringen? Ehrlich gesagt ist dies eine gute Frage. Die Frau wollte nämlich tatsächlich meinen Laptop ausleihen, auf dem bekanntlich die Nacktbilder von Tim ruhen. Keine Ahnung, warum diese noch nicht auf irgendeiner Pornoseite zu sehen sind, aber ich möchte mich gern vom Niveau meines Kumpels distanzieren.

Mama jedenfalls darf den Laptop nicht in die Finger kriegen. Andernfalls müsste ich nach Rio de Janeiro auswandern, mir einen neuen Namen und eine neue Identität zulegen, denn ein Leben als Homosexueller ist untragbar für mich. Es ist nicht so, dass ich Schwule hasse, aber ich finde, sie umgibt eine unheimliche Aura. Man muss nur an diesen Harald Glööckler denken. Mit dem möchte ich nicht in einer Liga spielen, niemals. Wenn du vor ihm Auto fährst und seine Luxuskarre hinter dir her rollen siehst, musst du aufpassen, dass er dir nicht hinten reinfährt. Schwul sein ist bestimmt so etwas wie eine böse Sucht. Man kann gar nicht anders als auf Rückseiten zu zielen.

Ich sollte Tim dazu ausfragen, der angelt doch ab und an am anderen Ufer.

Wie auch immer, mir ist jetzt schlecht. Und meinen Laptop werde ich den ganzen Abend samt Nacht fest umklammern.
 

11. April - Allergie
 

Ich glaube, ich bin allergisch auf Sweeties Augenbrauen. Immer, wenn ich ihr Bild betrachte, beschleicht mich ein kleiner Bauchschmerz. Zugegeben, sie sieht anders aus als andere Frauen. Auf dem Profilbild sieht man ein Stück von ihrem Hals und ich meine einen ziemlich ausgeprägten Kehlkopf zu erkennen. Dieser sorgt für ein ziemlich mulmiges Gefühl in meiner Magengegend. Sollte ich das Treffen nicht besser absagen? Nein, dazu war ich viel zu neugierig und außerdem schreibt die Dame gerade wieder so süße Sachen, die einen Mann zwar nicht unbedingt gelungen beschreiben, aber darüber lässt sich hinwegsehen.

Nicht so über Tims Verhalten. Am Alex hängt ein großes Plakat, auf dem steht: "Tim Schultze ist ein Hinterlader! Ruf ihn an, dann belädt er auch dich!" Anbei natürlich seine Handynummer. Vom Nacktfoto habe ich einmal mehr abgesehen, denn dieses wäre einem öffentlichen Ärgernis gleichzusetzen. Kinder könnten sofort erblinden, wenn sie diesen schrumpeligen Wiener zu Gesicht bekämen.
 

Ehrlich gesagt bin ich ganz froh darüber, dass Sweetie keine Schmuddelfotos von mir verlangt. Das liegt aber wahrscheinlich nur daran, dass sie meinen nackten Körper lieber live inspizieren möchte.

Morgen.

Und ich habe meinen Schwanz gefragt, er hätte wiedermal Bock darauf, sich vor fremden Augen in voller Pracht zu präsentieren.
 

12. April - Gefühlskalt
 

Es ist Freitag und ich bibbere. Keine Ahnung, was mich zu solch einem femininen Verhalten getrieben hat. Vielleicht Tim. Oder Harald Glööckler. Oder doch die Augenbrauen.
 

21.00 Uhr sagt das Zeiteisen. Ich stehe vor dem Club. Ja, das da hinten, das ist Sweetie, dieses überschminkte Gesicht ist unverkennbar. Irgendwie wirkt sie groß und schlaksig, und sie wird immer größer, desto weiter sie sich mir nähert.

"Hey, Sweetie", grüße ich lässig.

Sweetie aber reagiert nicht, sondern stolziert an mir vorbei; und sie ist riesengroß, fast so groß wie ich, und ich bin 1,87 m!

Aber so gefühlskalt wie sie bin nicht mal ich, und ich bin ein Mann! Ich würde nie meine Verabredung ignorieren! Deswegen werfe ich mich ihr in den Weg. Und ja, sie ist wirklich anders als andere Frauen...
 

"Ich bins, Blackbird!"

"Hä?"

"Na Blackbird!"

Schweigen.

Ich muss sagen, ich finde ihr 'Hä?' ziemlich bariton.

"Sag mal, bist du'n Transvestit?"

"WAS?"

"Ich dachte, ich treff mich mit einem Mädchen!", erklärt Sweetie mit unglaublich tiefer Stimme. "Willst du mich verarschen?"

Nun fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich habe die ganze Zeit von meinem Fakeprofil samt Goldilockbild mit Sweetie gechattet und es einfach nicht gerafft!

Erdboden, öffne dich.
 

13. April - Nur mit dir
 

Jascha, du bist weder eine Kleidchen tragende Transe noch ein Vollidiot. Jascha, du bist ein kompletter Volltrottel! Dass ich von mir selbst in der zweiten Person rede, macht das Ganze nicht besser.

Die Sache ist mir oberpeinlich. Aber müsste sich Sweetie nicht auch schämen für ihre Maskulinität? Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sweetie in Wahrheit die Transe von uns beiden ist. Sie ist riesig, besitzt eine tiefe Stimme und hat, soweit ich dies in den wenigen Sekunden unserer Gegenüberstellung festmachen konnte, weder Brüste noch einen ausgeprägten Frauenknackarsch.

Himmel, an was für Verrückte gerate ich immer? Bin ich selbst so schräg, dass ich solche Typen magisch anziehe? Und als wäre die Situation noch nicht schlimm genug, erreicht mich eine Nachricht von Sweetie.
 

"Hi", begrüßt sie mich. Er. Sie. Whatever. Ich weiß gar nichts mehr. Und ich will es auch gar nicht so genau wissen.

"Ist blöd gelaufen gestern. War scheiße von dir, mit dem Fakeprofil."

Danke, weiß ich selbst.

Sie weiter: "Aber du bist ganz schnuckelig, und du hast Glück, dass ich pansexuell bin. Ich würd mich gern nochmal nur mit dir treffen."

Ich raffe nichts, sage aber ja.
 

War Pan nicht dieser Peter, der immer Kind sein will?
 

14. April - Jahrestag
 

Komische Situation. Komische Welt.

Wir sitzen bei Starbucks und rühren in unseren Tassen. Ich schiele skeptisch zu meinem Date.

Wie lange ist es her, dass ich mich mit jemandem in einer anderen Absicht getroffen habe als zum Saufen? Dies ist sozusagen der Jahrestag meiner Einsamkeit. Der 14. April. Der Tag, an dem ein unidentifizierbares Wesen neben mir sitzt, das wohl auf Peter Pan steht und dessen Augenbrauen bei längerer Betrachtung gar nicht mehr so unheimlich sind.
 

"Wie heißt du eigentlich? Blackbird ist ja kein Name."

Sagt's und lutscht genüsslich ihren Löffel ab.

"Als wenn Sweet Malicious einer wäre", erwidere ich.

"Hast wohl schlechten Sex gehabt, dass du so mürrisch bist."

Ja nee is klar, ich hab ihr schon beim Chatten in Ansätzen mitgeteilt, dass bei mir seit längerer Zeit im Bett nix los ist.

Aber ich will es mir nicht ganz verscherzen.
 

"Jascha."

"Ach so?", schießt sie da los und klingt ganz aufgeregt, klimpert mit den verlängerten Wimpern. "Wie Inu Yasha!"

Kein Kommentar.

"Und wie heißt du?", stelle ich die Gegenfrage.

"Vicii."

"Echt, wie aus Vicky und die starken Männer?"

"Wenn dann Vicii und die schwulen Männer", gibt sie ungerührt von sich und trinkt weiter an ihrem Kaffee.

Aha.

WTF?
 

15. April - Kampf austragen
 

Ich habe nachgefragt. Vicii ist wirklich ein Junge. Ein achtzehnjähriger, kleiner Pisser, der die Menschen mit seinem Erscheinungsbild verwirrt.

Ihr glaubt nicht, wie befremdlich die Sache für mich ist, denn es ist ja nicht so, dass ich Vicii hässlich finde; sogar als Junge ist er schön, ehrlich gesagt ist es regelrecht erstaunlich, wie feminin ein Junge aussehen kann. Aber der Gruselfaktor ist größer als jemals zuvor. Immer, wenn ich Vicii betrachte, kommt mir in den Sinn, dass er in seiner Hose einen Penis versteckt, genau wie ich. Einen Penis, mit dem er wahrscheinlich schon Ärsche penetrierte! Ich habe mich nämlich belesen und erfahren, dass Pansexualität nichts mit Peter Pan zu tun hat und eher Parallelen zu einem Flöte spielenden Ziegengott birgt. Denn Pansexuelle spielen Flöte. Die sind an Männern interessiert, wie Vicii durchschimmern lassen hat.

Vicii und die schwulen Männer.

Schön und gut, aber Inu Yasha ist nicht unter der Regenbogenflagge geboren.
 

So weit, so gut.

Scheiße.

Ich trage gerade einen inneren Kampf aus.

Vicii ist hübsch, aber er ist ein Junge! Ein verdammter Typ! Eine gruselige Transe! Eine Shemale mit Schwanz!

Am besten, ich vergesse Vicii und zelebriere weiterhin meine Einsamkeit. Sonst ende ich tatsächlich noch als schwuler Franzose.
 

16. April - In den letzten Zügen
 

"Lass mich, du Arsch!"

Was war das? Verfolgen mich jetzt schon die Geister, die ich rief? Oder ist das der wütende Tim, der sich nach meiner Ignoranz sehnt? Aber ich bin doch gar kein Arsch. Ich besitze natürlich einen, aber ein Arsch allein wäre nicht lebensfähig, da ihm essenzielle Organe fehlen. Ein Anus ist auch nicht zu allen Schandtaten bereit.
 

Ich drehe mich um. Sehe zwei Personen. Eine sich Windende, die andere hält sie fest.

Vicii!

Eigentlich wollte ich ihm nie mehr begegnen, aber er benötigt Hilfe. Ich stürze mich auf die Szene, zeige dem Glatzkopf, wo es langgeht. Zum Glück ergreift dieser bald die Flucht.
 

"Mein Held!"

Vicii sieht zerzaust aus, gar nicht mehr wie geleckt.

"Ach", winke ich ab. "Passiert dir das öfter?"

"In den letzten Zügen ist es immer ganz schlimm", erklärt er und ich frage mich, wo der Knopf ist, mit dem man ein verwirrtes Gehirn wieder auf die richtige Spur bringen kann. Vicii ist scheiße hübsch. Sogar so ramponiert. "Aber ich muss ja nach Hause kommen. Ohne U-Bahn gehts nicht."

"Wann hast du Feierabend?"

"17.00 Uhr."

"Wo arbeitest du?"

"Maxart."

"Dann können wir ja immer zusammen nach Hause fahren."
 

Hab ich das gerade wirklich vorgeschlagen?
 

17. April - Traumfänger
 

Ich bin ein Dobermann. Ein Wachhund. Ein Bodyguard. Und ja, es macht mich stolz, neben Vicii zu sitzen und den blöd glotzenden Typen einen Grund zu geben, das Weite zu suchen. Mich wundert es nur, dass sie auf den ersten Blick erkennen, dass Vicii Schwanzträger ist. Wahrscheinlich besitzen sie eine Art Radar, der ausschlägt, wenn sie Jungs in Frauenkleidern erblicken.
 

"Eigentlich hättest du mir gleich sagen können, dass du ein Kerl bist. Ich meine, ich steh nicht auf Typen und dachte, du bist 'n Weib."

"Tja, Augen auf. Aber schade, dass du nur auf Mädchen abfährst, denn ich dachte, ich hätt nen süßen Kerl getroffen. Einen aus meinen Träumen, der in meinem Traumfänger stecken geblieben ist, und den ich nur noch aus dem Netz befreien musste."
 

Ich sag ja, der hat einen an der Waffel. Was labert der eigentlich? Ist der 'ne schwarze Witwe oder wieso fängt er sich Männer mit einem Netz?

Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass er niemanden abkriegt und auf solch rabiate Taten ausweichen muss. Ich grusele mich zwar immer noch vor ihm, allerdings schaffe ich es, mir ab und an vorzustellen, er wäre ein Mädchen. Keine Shemale, sondern ein Vollblutfrauchen.

Das wäre schön.
 

18. April - Bücherregal
 

"Bist du das?"

Mail von Vicii. Samt einem Link zu Tims Profil, auf dem noch immer das hässliche Bartbild zu bewundern ist.

"Ja, das bin ich." Man sollte zu seinen Taten stehen, nur habe ich keine Ahnung, wie Viciilein genau dieses Bild aus den Abermillionen der im Internet zu bestaunenden ausfindig machen konnte. Ich muss mal ein Wörtchen mit Tim sprechen. Wenn das so weitergeht, muss ich mir nämlich eine Marktkauftüte über den Schädel ziehen, sollte ich das Haus mal wieder verlassen wollen. Oder ich verkleide mich als Bücherregal. Fragt mich bitte nicht, wie ich auf diese Idee komme. Und nein, ich habe nichts geraucht. Es ist einfach nur so, dass sehr viele Menschen Bücher lieben und ich dann vielleicht auch wieder gesellschaftlich akzeptiert werden würde, sollte ich gratis Lesestoff anbieten.
 

"Das sieht süß aus."

Was, das Bild? Süß? Nee. Ich bin darauf sturzbetrunken und sabbere wie ein Hängebauchschwein, der Eddingbart ist noch das kleinste Übel.

Aber süß? Vicii hat nicht nur einen an der Waffel, sondern leidet genau wie ich an Augenkrebs. Vielleicht kennt er Tims Nacktbilder. Von mir hat er sie allerdings nicht.

"Freu mich schon auf U-Bahn morgen mit dir. Komischer Smiley."

Ja, ich mich auch.

Irgendwie.
 

19. April - Ziele erreichen
 

"Herzlichen Glückwunsch, Arsch, du hast dein Ziel erreicht!"

Wie oft noch; ich habe zwar einen Arsch, aber ich bin keiner. Tim scheint dies aber egal zu sein, denn er steht puterrot vor mir und sieht aus, als würde er mich am liebsten in der Luft zerreißen. Und das zum Freitag, da vergeht einem ja jegliche Freude auf das Wochenende.

"Bei mir rufen nur noch kranke Typen an, die mich in Windeln sehen wollen!"

Oh. Aha. Bitte keine weiteren Details.

"Du nimmst sofort die Plakate ab, sonst steck ich deiner neuen Tussi, dass du schwul bist und ihr nur was vorspielst."

Woher weiß er von Vicii? Stalker!

"Hahaha."

"Was lachst du?"

"Nur so."

Ach wie gut, dass Tim nicht weiß, dass ich auf seine Rache scheiß. Na ja, blöd wäre es schon, wenn Vicii denken würde, ich wäre doch an seinen Geschlechtsteilen interessiert, denn dann wäre ich am Arsch. Besser gesagt, Vicii wäre an meinem Arsch. Ich rede zurzeit häufig über Hinterteile.
 

Den Nachmittag und Abend verbringe ich damit, die Plakate abzuhängen, Tim hilft mir dabei. Das Bartbild soll dafür gelöscht werden.

Da bin ich mal gespannt. Sonst geh ich morgen zu Marktkauf und stülpe mir diese Papiertüte über den Kopf.
 

20. April - Videospiel
 

Das Bartbild ist tatsächlich verschwunden. Tim ist ein Mann seiner Worte. Vielleicht sollte ich aufhören, ihn zu mobben. Schließlich schmeckt ein einsam getrunkenes Bier nicht sonderlich. Moo und Flori vertragen nichts, aber es macht Spaß, sie unter dem Tisch liegen zu sehen. Ich glaube, ich helfe Tim nächstes Mal, den Betrunkenen einen Bart zu malen. Jeder sollte in den Genuss kommen, für einen Tag ein schwuler Franzose zu sein.

Apropos 'schwul' und 'Tim ist ein Mann seiner Worte' - er hat das Gerücht wahrhaftig verbreitet, wie ich später erfahre. Auf seinem Profil steht, ich sei homosexuell. Anbei ein Bild, das mich betrunken knutschend mit Moo zeigt. Scheiße, wann ist das entstanden?

Ich sollte nicht aufhören, Tim zu mobben. Ein einsam getrunkenes Bier ist doch ganz lecker.
 

Schade, dass das Leben kein Videospiel ist. Dann könnte ich nämlich gechillt noch einmal in Level eins beginnen. Ich würde nicht noch einmal Tim verarschen, und ich wäre ein glücklicherer Mensch, wenn ich seine Nacktheit nie zu Gesicht bekommen hätte. Vicii würde ich ebenfalls aus dem Weg gehen.
 

Jetzt ist es eine Frage der Zeit, bis Vicii den Eintrag auf Tims Profil sieht und mir freudestrahlend von seiner Entdeckung berichtet.

Marktkauftüte, wo bist du?
 

21. April - Sich wundern
 

"Du bist doch schwul?! Das wundert mich jetzt aber..."

War ja klar. Vicii hat natürlich nichts Besseres zu tun, als das Profil meines Kumpels zu besuchen. Hat er denn keine anderen Hobbys außer Schminken und sich die Haare zu glätten?

"Bin ich nicht. Tim ist einfach nur blöd. Reines Wunschdenken von seiner Seite. Der ist nämlich am anderen Ufer angesiedelt."

"Ach so? Ist er hübsch?"

Was antwortet Jascha, der Vollidiot?

"Nicht so hübsch wie ich."

Und was sagt Vicii dazu?

"Das ist ja klar, du bist einer der leckersten Typen, der mir je untergekommen ist."

Egal, ob der dieses Kompliment Machende schwul ist, männlich oder weiblich, über diese Worte freut sich wahrscheinlich jedes Männerherz. Und Vicii wäre ja auch ziemlich lecker, wenn er denn unten etwas weniger vorzuweisen hätte.
 

"Ich kann dir Nacktbilder von meinem Kumpel schicken", schlage ich vor; ich fühle mich verpflichtet, den Beweis zu erbringen, dass Tim nicht hübsch ist.

"Echt? Ich kenn keinen einzigen Heten, der Nacktbilder von nem anderen Kerl besitzt."

Mir doch egal, dann kennst du eben jetzt einen.

Die Bilder sind schnell gesendet und Vicii schickt mir nach einer Weile nur einen Smiley.

Dieser sieht aus, als würde er kotzen.

Wundert mich nicht.
 

22. April - Geschwindigkeit
 

In der U-Bahn während unserer Heimfahrt. Vicii plötzlich nach einer Weile des Schweigens:

"Ich würde gern ein Nacktbild von dir haben."

Uns gegenüber sitzt ein älteres Ehepaar, welches ganz entgeistert glotzt. Als ob die sich noch nie gegenseitig nackt gesehen hätten. Gut, in Ordnung, das möchte ich mir nicht im Detail vorstellen. Und ganz ehrlich, diese Frau ist sicher kein Segen für das Augenlicht, wenn sie keine Kleidung trägt.
 

"Woah, na das geht mir aber ziemlich schnell. Wie lange kennen wir uns jetzt?"

Vicii rollt mit den Augen. "Ist das wichtig? Deinen Kumpel - Tim, Tom oder wie auch immer - kenne ich gar nicht, und den hab ich auch nackt gesehen."

Touché.

"Aber ich bin nicht schwul", werfe ich ein, denke, das ist ein Argument. Doch nix da.

"Ist doch deinem Bild egal, von wem es angeguckt wird."

"Aber meinem Körper nicht."

Viciis Blick wird immer komischer. Irgendwie so nach der Marke Schlafzimmer.

"Weil du bei der Vorstellung, wie ich dich nackt sehe, hart wirst, stimmts?"

Vielleicht. Wie auch immer. Zurzeit macht mich sowieso alles hart. Nämlich das, was mich nicht umbringt. Das macht mich härter.

"Mh."
 

Der legt ein Tempo vor. Ich fühle mich überfordert.

Ist Zwangsverschwulung strafbar?
 

23. April - Heilung
 

"Boah, was willst du denn?"

"Bitte, Tim, vergiss jetzt mal den ganzen Scheiß. Ich hab mal ne Frage." Ja, die habe ich, aber ich traue sie mir erst zu stellen, nachdem ich mir eine Flasche Bier gegeben habe. Also, den Inhalt der Flasche. Flaschen in diversen Körperöffnungen sind nicht sonderlich förderlich für die Gesundheit.

Tim am anderen Ende der Leitung murrt, schweigt, murrt dann wieder. Irgendwie bereue ich, dass ich das Medium Telefon für dieses Gespräch ausgewählt habe. Aber im Prinzip ist mir gerade alles egal. Ich stelle einfach meine zusammenhanglose, kleine Frage und lege dann auf. Tim soll sich gefälligst freuen, dass ich ihn mir in der Rolle des Doktor Sommers vorstellen könnte. Denn ich weiß ja, dass er Fachmann in gewissen Bereichen der Sexualität ist.
 

"Kann man Schwulsein eigentlich heilen?"

Ein Grunzen ertönt, fast wie das eines Schweinchens. Macht er sich über mich lustig?

"Wieso? Willste mich wieder gerade rücken, oder was?"

"Was? Nee."

"Oder denkste, du hast ne schwule Ader in dir wegen dem Kuss mit Moo?"

"Nee! Sag mal, bitte. Ist wichtig."

Schweigen.

Dann Tim wieder: "Kann man Idiotie heilen?"

"Keine Ahnung. Weiß nicht. Vielleicht?"

"Nein! Tschüss."
 

Mh. Was will er mir damit nur sagen?
 

24. April - Preis gewinnen
 

Wir warten auf die U-Bahn. Wie jeden Tag. Doch eine Sache ist anders. Während wir stumm Däumchen drehen, stöckelt ein Weibsbild über den Bahnsteig. Ich glotze. Kurze Hosen, lange Beine; der Frühling naht anscheinend. Und High Heels. Entweder sie schwitzt bereits an diesen lauen Tagen oder sie möchte Männer wie mich aufreizen. Erfreut sich still daran. Exhibitionistenweibchen.
 

"Die is scharf. Könnte für den Hintern glatt einen Preis gewinnen", urteile ich. Ehrlich gesagt habe ich gar keine zustimmende Antwort von Vicii erwartet, obwohl der doch auch an Frauen Gefallen finden kann, wie er mal meinte. Goldilock hat er schließlich auch seine intimen Analsexgeheimnisse anvertraut.

"Mh. Sieht mir sehr ähnlich“, meint Vicii.

Prüfend gucke ich an Vicii auf und ab. Kurzer Rock, fast bauchfreies Top, freizügige Schuhe.

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

"Mir wird warm, Jascha."

"Wieso?"

"Deine heißen Blicke, die unter meinen Rock kriechen, wirken wie eine Heizung auf mich."

"Echt?"

"Ja."

Abstreiten bringt eh nichts. Manche Gefühle kann man eben nicht verstecken.
 

"Wo bleibt eigentlich mein Nacktbild, eure Geilheit?"

Für eine Sekunde überlege ich ernsthaft, ob ich Vicii-Boy nicht den Gefallen tun soll. Denn nicht nur die Frau von eben besitzt eine exhibitionistische Veranlagung.
 

25. April - Einsame Insel
 

Ich bin noch immer die schwule Sau des Internets. Aber ich scheiß darauf. Benutze diese ganze Plattform als geistige Toilette wie jeder. Tim kann mich mal an der Sacknaht lecken. Nicht wörtlich. Aber gern im übertragenen Sinne. Lieber bin ich allein wie Robinson Crusoe auf seiner einsamen Insel. Doch der hatte ja noch diesen Wochentagmenschen. Wie ich Vicii. Vicii ist schon klasse.

Jedoch nicht, wenn er nach einem Bild von mir schnorrt. Die Gedanken an Viciis Penis tauchen nämlich trotz Sympathie und der umwerfenden Schönheit des Typen immer wieder auf und bereiten mir merkwürdige Träume. Keine Albträume, sondern...ihr wisst schon. Die Frage an Doktor Sommer ein paar Tage zuvor hätte ich ohnehin niemals gestellt, wenn ich mich nicht in einer solch misslichen Lage befände. Ich spüre regelrecht, wie ich an den Beinen vom Hetenufer weggezerrt werde und mich mehr und mehr der Gegenseite nähere. Irgendwie ist das schlimm. So befremdlich. Und das nur, weil Vicii meinen Schwanz verwirrt.
 

"Hast du Skype oder so?"

Ja, Vicii, habe ich.

"Dann können wir ja mal skypen."

Klingt jedenfalls besser als Chatroulette. Chatroulette ist räudig. Ich habs probiert. Lauter Tims und hässliche Ehefrauen.

Also wenn ich nicht masochistisch veranlagt bin, weiß ich auch nicht.
 

26. April - Lautsprecher
 

Heute ist Kumpeltag. Vicii ist lebensmüde. Denn er möchte sich involvieren. Wahrscheinlich sieht er sich selbst als einer meiner Kumpels an, oder sogar als noch etwas Größeres, Intimeres. Ich weiß es nicht. Wir haben darüber nicht mehr geredet.

Da ich keinen Bock habe, es mir auch noch mit ihm zu verscherzen, lade ich ihn ein. Widerwillig.
 

Die anderen warten bereits. Johlen, als sie mich sehen. Bezaubernd. Sogar Tim scheint unseren Clinch vergessen zu haben. Liegt vielleicht an seiner Trunkenheit.

Alle gucken auf Vicii. Bevor der was sagen kann, stelle ich ihn vor. Raunen. Ich hoffe, dass niemand merkt, welche Chromosomenkombination das bezaubernde Wesen an meiner Seite besitzt. Ich sehe schwarz, denn selbst die bescheuertsten Schlägertypen erkennen, was Vicii zwischen den Beinen hat. Mittels Röntgenblick oder so. Whatever.
 

Ich ziehe Vicii an die Seite. Er guckt mich fragend an.

"Am besten, du sprichst heute nicht so laut. Die sollen nicht raffen, dass du ein Junge bist. Sonst bin ich nämlich das Gespött, verstehste?"

Vicii versteht gar nichts, glaube ich. Viel mehr reißt er sein großes Mundwerk auf und empört sich.

"Ich bin aber ein Lautsprecher!", pampt er, während ich mental die Hände über dem Kopf zusammenschlage.

Und ich bin ein Mikrofon.
 

27. April - Gemälde
 

Die Gerüchteküche brodelt nicht. Jedenfalls sind keine neuen Gegenargumente aufgetaucht, die meine Sexualität in Frage stellen.

Und ich hoffe so sehr, dass es Satan gestern Nacht nicht geschafft hat, mich komplett an das andere Ufer zu verfrachten. Denn ich streichle gerade nicht nur den Kater in meinen Gliedern, sondern leide auch noch an einem fiesen Blackout. Wäre allerdings etwas Untragbares vorgefallen, hätte Tim sicher seine Kamera gezückt. Wenn er nicht gerade zu betrunken dafür war.

Vicii scheint es besser als mir zu gehen. Er sitzt sicher schon seit Stunden am Rechner und beschäftigt sich mit seinem Fotobearbeitungsprogramm. Irgendwann am Nachmittag trudelt nämlich eine Nachricht von ihm ein. Eine Bildnachricht. Als ich das bemerke, bekomme ich arge Blähungen und furze die ganze Bude voll vor Aufregung. Wir haben so häufig über Nacktbilder gesprochen, dass ich vom Äußersten ausgehe. Gut so, denn ansonsten wäre ich wahrscheinlich vom Stuhl gepurzelt und hätte mir eingekackt.
 

Ich habe Tränen in den Augen. Und mein Schwanz reckt sich in die Höhe, damit er auch auf den Bildschirm sehen kann. Bestimmt weint er auch schon vor Freude, denn mir ist so, als spürte ich da unten etwas Nasses.

Vicii, du Götterkind, du Beautyqueen, du schwanzverwirrendes Ding - dieses Foto ist viel zu schön, um ein Foto zu sein. Es sieht aus wie gemalt, denn es ist professionell gemacht. In Schwarzweiß konvertiert. Man sieht nicht viel von Viciis nacktem Körper, denn er steht seitlich zur Kamera und bedeckt seine Vorderseite mit einem Seidentuch. Aber man sieht seinen Hintern.

Dieser bereitet mir ein ganz komisches Gefühl in der Magengegend. Es kribbelt. Ich glaube, ich muss mich mal mit meinem Penis unterhalten.

Na, klein Jascha, auf einer Skala von 'schlaff' bis 'spritz', wie würdest du es bewerten?

Nach ein paar Minuten weiß ich, dass er sich für 'spritz' entschieden hat.
 

28. April - Fremde Welten
 

"Wenn du willst, schick ich dir das Bild jetzt."

Dieses Angebot ist einzig und allein meinem Schwanz zuzuschreiben. Dieser ist nämlich seit langer Zeit mal wieder aus einem Winterschlaf erwacht, der wahrscheinlich jede Eiszeit überdauert hätte. Nur wegen Vicii. Vicii bringt jegliches Eis zu schmelzen mit seiner Hotness. Und wenn ich geflissentlich ausblende, dass er nen Schwanz und Eier hat, kann ich meine unkontrollierbare Gier sogar genießen. Denn meine Hosenschlange hat kein Gehirn. Köpfchen zwar schon, aber sollten Eicheln wahrhaftig denken können, habe ich ein bedeutendes Ereignis der Weltgeschichte verpasst.
 

Freilich, mir gefällt die Bildsache nicht wirklich, aber irgendwie muss ich mich ja bei Vicii revanchieren. Zum Eis einladen wird ihm nicht genügen. Ach, was laber ich. Der Kerl möchte mich am liebsten komplett in fremde Welten überführen. In eine Welt, in der das Rektum eines Mannes gefeiert wird wie die heilige Kuh in Indien.
 

Antwort Viciis, live und exklusiv nur hier:

"Ach, weißt du, vergiss das Bild. Ich komm und guck mir das live an."

Und damit meint er auf keinen Fall nur das Foto. Ja, okay, ich kann ja verstehen, dass in Echt alles noch eine Ecke schöner aussieht, unter anderem mein Schwanz, aber trotzdem.

Der spinnt doch.
 

29. April - Ich habe Angst
 

Vicii hat sich für morgen angekündigt. Er meint, er hätte nach der Arbeit Zeit.

Ich habe Angst. Ja, ich bin ein Schisser geworden, denn ich spüre, dass es um die Wurst geht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich darf niemals vergessen, dass Vicii ein Kerl ist. Und Kerle lassen sich nicht ewig hinhalten. Hätte ich Vicii gleich klar gemacht, dass er keine Chance hat, wäre ich nicht in dieser misslichen Lage. Aber ich Arschloch musste ihm ja noch die Schönheit seines Bildes bestätigen. Alles auf meinen Schwanz zu schieben bringt auch nichts. Vicii ist eben schön und weiß bestimmt, dass er nur lang genug an meinen Beinen zerren muss, bis ich mich nicht mehr am Hetenufer festklammern kann. Wenn er einen kurzen Rock trägt, spüre ich regelrecht, wie es an meinen Beinen reißt. Und das ist alles andere als witzig.
 

Ich habe Schiss. Nicht nur vor Vicii und vor mir selbst, sondern auch vor der Welt. Denn sollte dieser Teufel es schaffen, mich einzulullen, werden es meine Kumpels mitbekommen. Irgendwann merken sie, dass mit meiner Flamme etwas faul ist.
 

Mal sehen, ob das Bestattungsinstitut noch offen ist. Irgendeine billige Holzkiste werden sie für meine vor Scham gestorbenen Überreste wohl haben.
 

30. April - Joghurt
 

Vicii sitzt wahrhaftig neben mir. Und das nicht wie jeden Tag in einem öffentlichen Verkehrsmittel, sondern auf meinem privaten Bettchen. Irgendwie hatte ich mir gewünscht, vor seinem Besuch noch schnell zu platzen oder anderweitig zu verunglücken, aber erstens bin ich für Methode eins nicht dick genug und zweitens verkniff ich mir diese Gedanken schnell, denn ich bin ja kein Mädchen. Ich bin ein Mann und keine Memme. Punkt.

Bis jetzt ist mein Gast auch noch recht zahm. Die Worte 'nackt', 'Bild' oder beide in Kombination plus 'live' sind noch nicht gefallen. Schön. Aber was nicht ist, kann ja noch werden...

Ehrlich gesagt haben wir uns gar nicht viel zu sagen. Wir chillen einfach nur samt meiner Lieblingsmusik, die aus den Boxen dröhnt und meine Mutter nebenan sicher schon Amok laufen lässt. Im Wohnzimmer ist so was aber legitim, finde ich. Sollen doch endlich ihre hässlichen russischen Vasen dran glauben.
 

"Haste schon mal nen Gayporn geguckt?"

"Was?"

Die Musik ist zu laut, nicht der Schock zu tief.

"Gayporn?"

"Nö."

Das Thema ist mir aber alles andere als sympathisch und bei näherer Überlegung kompatibel mit Nacktbild live.

"Was ist das da eigentlich?", will Vicii nun wissen und deutet auf mein dunkelblaues Kopfkissen. Leider bleibt meine Freude darüber aus, dass er sich von dem schlüpfrigen Gespräch abbringen lassen hat. Denn ich gerate nun in Erklärungsnot. Auf besagtem Kissen prangt nämlich stolz ein weißer Fleck und ich weiß aus Erfahrung, dass ehrlich nicht immer am längsten währt.

"Ist Joghurt", sage ich deswegen. Vicii sieht aber nicht so aus, als würde er mir das abnehmen.

Tja, Pech. Für mich.

Zum Glück habe ich noch heute Morgen komplett schlaftrunken sein Nacktbild versteckt. Denn dort ist auch so ein Fleck drauf und es wäre extrem unglaubwürdig, wenn ich behaupte, dass ich den Bildervicii mit Joghurt füttern wollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2013-04-14T14:19:34+00:00 14.04.2013 16:19
Hello :)! Ich muss sagen, ich bin recht angetan von deinen warmen Berlinern. Eigentlich wollte ich einen ausführlichen Kommentar schreiben, aber nun muss ich erstmal ins zweite Kapitel reinlesen, fürchte ich. In die Zukunft also, denn heute ist ja erst der 14. April 2013 und Jascha hat schon Mai xD

Also, hier meine Lieblings-Sätze:

Ehrlich gesagt war ich nicht sicher, ob Tim so viel Knete im Kopf hat, damit er wahrhaftig auf das schöne Gesicht meiner Dame hereinfällt. Aber anscheinend hat er sogar bunte Murmeln in der Birne und die Knete dient nur dazu, dass das ganze Zeug beim Laufen nicht so klappert.
Wunderbares Bild, die Murmeln und die Knete und das Klappern beim Laufen XD

Bin ich selbst so schräg, dass ich solche Typen magisch anziehe?
Hier musste ich glucksen. Und ich dachte: Ja, Jascha^^.

War Pan nicht dieser Peter, der immer Kind sein will?
Und hier musste ich richtig lachen xDDD! Supergut – „dieser Peter“ :DDD

Okay, den meine restlichen Gedanken schreibe ich dir später. Jetzt muss ich zum nächsten Kapitel :)

Lung
Von:  Khaosprinzessin
2013-03-25T23:18:21+00:00 26.03.2013 00:18
serpaaaaaaaaaaaaaaaaaaa *umknuddel* mich gibt es noch^^

ach was freu ich mich, wieder was von dir zu lesen! ich liebe deinen stil einfach! der is so richtig tollig sarkastisch erfrischend xD ich finds super! hab nen paar mal echt nen lachflash bekommen und nen blöden blick meines katers, was mir einfällt um diese uhrzeit zu gackern. der könig will schließlich schlafen.
aber zurück zur geschichte: ich. will. MEHR!!! unbedingt! ganz dringend! die is göttlich!

morgen les ich prinz mephisto, jetzt muss ich erstma ins bettchen^^

*knicks*
K.haosprinzessin (beast)
Antwort von:  Anemia
26.03.2013 09:00
Wuuuhuuuhuuu...da ist aber jemand stürmisch! xD
Lass deinen Kater einfach mitlachen. Fragt sich nur, ob er lesen kann. ;)

Ja, Nachschub ist schon in Arbeit, der Mai ist bald fertig und dann kann man ihn hier lesen. :D

Schön, dass du die Story magst. :)

lg Serpa


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