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Gebunden durch Hass

von

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Hetzjagd

„Halt! Sofort stehenbleiben!“, rief eine Stimme durch die Nacht.

Unbeeindruckt lief der junge Mann weiter, bahnte sich seinen Weg durch den Wald. Immer wieder schaute er zurück. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie er es geschafft hatte, in diese Lage zu geraten. Und nicht zum ersten Mal fand er keine Antwort. Kurz stolperte er und konnte sich gerade noch an einem Baumstamm festhalten. Fluchend kam er wieder auf die Beine. Seine Verfolger hatten aufgeholt.

„Noch habt ihr mich nicht“, knurrte er und setzte seinen Weg fort. Äste schlugen ihm ins Gesicht, hinterließen leichte Kratzer auf seiner Haut. Doch es störte ihn nicht. Mit Schaudern dachte er daran, was passieren würde, wenn er geschnappt wurde.

Fahles Mondlicht erleichterte ihm etwas die Sicht. Aber er war nicht dumm. Dieser Vorteil betraf nicht nur ihn. Schwer atmend sah er sich wieder nach seinen Verfolgern um. Nichts war zu sehen, der Wald schien wie ausgestorben. Argwöhnisch musterte er die Umgebung eingehender.

„Wo habt ihr euch versteckt?“, murmelte er halblaut. Nur die Geräusche des Waldes antworteten ihm. Erleichtert atmete er auf, drehte sich um – und erstarrte. Direkt vor ihm stand einer der Männer, die ihn nun schon seit Stunden jagten. In den Händen hielt er einen Schlagstock.

„Schön hiergeblieben. Weiter weglaufen bringt gar nichts.“

„Mir schon“, fauchte er und machte sich kampfbereit.

Der Mann begann zu lachen. „In deinem Zustand willst du kämpfen? Wirklich amüsant.“ Trotz seiner Worte wirkte er verunsichert. „Gib endlich auf, Edward Elric. Aus diesem Wald kommst du sowieso nicht heraus.“

„Nein. Ich habe nichts getan, was es rechtfertigt, mich wie ein wildes Tier zu hetzen.“

„Sag das den Kindern im Waisenhaus“, zischte der Mann zurück. Ed spürte, wie er zusammenzuckte.

„Zum hundertsten Mal, ich war es nicht.“

„Du warst der Einzige, der am Tatort war. Wie erklärst du das? Wahrscheinlich hast du deine verfluchte Magie dazu eingesetzt.“ Mühsam riss Ed sich zusammen.

„Auch das habe ich versucht zu erklären. Erstens nennt man es Alchemie, zweitens kann ich sie nicht mehr einsetzen.“

„Das ändert gar nichts. Deinetwegen sind zwölf Kinder gestorben. Im Kerker wartet bereits ein nettes Plätzchen auf dich.“ Der einstige Alchemist verdrehte die Augen, stürmte dann überraschend vor und schlug dem Mann hart in den Magen. Der war von der Attacke so überrascht, dass er nicht einmal mehr schreien konnte. Lautlos fiel er nach hinten und Ed stieg über den bewusstlosen Körper. Er musste schnell ein sicheres Versteck finden, bevor der Wächter wieder zu sich kam und den halben Wald zusammenschrie.

Aber wo konnte er hin? Zurück ins Dorf? Nein. Die Leute dort würden ihn umbringen, bevor er seine Situation erklären konnte. Also blieb nur der Weg nach vorne. Kurz dachte Ed an seinen Bruder und er musste trotz seiner Lage lächeln. Seit über zwei Jahren hatte er ihn nicht mehr gesehen.

„Du würdest mir glauben, nicht wahr?“, flüsterte er, während er weiter durch den Wald lief. „Auch wenn die ganze Welt gegen mich wäre, hätte ich dich an meiner Seite, Al.“ Die Erinnerung an Alphonse beruhigte ihn etwas. Wie es ihm wohl ging? Bestimmt kostete er seine Zeit als Mensch in vollen Zügen aus. Nach all den Jahren, die er als Rüstung hatte verbringen müssen, war das verständlich. Wie gerne wäre Ed jetzt bei ihm. Doch er hatte noch keine Möglichkeit gefunden, dieser fremden, unwirklichen Welt zu entfliehen.

Wäre er nicht ermordet worden, hätte alles anders kommen können. Ein Knacken riss ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Große, braune Augen sahen ihn an, nervös zitterte das Wesen vor ihm, bevor es kehrtmachte und davonrannte.

„Ein Reh…“, lachte Ed erleichtert und schaute dem Tier nach, bevor er sich selbst wieder auf den Weg machte. Das Metall an seinem Körper blitzte im Mondlicht, was ihn etwas aufregte. So konnte er auch gleich ein Leuchtschild an seiner Brust befestigen. Aber seit seiner Begegnung mit dem Wächter war es wieder still geworden. Offenbar hatte er sie abgehängt. Der frühere Alchemist suchte sich ein ruhiges Plätzchen und ließ sich auf den Boden sinken. Seine Lungen brannten wie Feuer, sein Körper schmerzte und nun bemerkte er auch den Muskelkater, den er sich bei seiner waghalsigen Flucht eingefangen hatte.

Stöhnend rieb er sich sein schmerzendes Bein. Lange würde er nicht mehr durchhalten, das wusste er. Leider gab es keine Alternative. Entweder er schaffte es, zu entkommen, oder der Kerker würde ihn erwarten.

Ed hatte Geschichten darüber gehört, die selbst ihm Angst machten. Keiner war jemals dort hinausgekommen – jedenfalls nicht lebend. Dort gab es nichts, bis auf Finsternis, Kälte und Einsamkeit. Er wollte auf keinen Fall dorthin. Er kämpfte sich hoch und überlegte. Bald würde die Sonne aufgehen, was nicht gerade gut für ihn ausgehen konnte. Einmal mehr verfluchte er sich für seine goldblonden Haare. Doch dafür blieb keine Zeit. So bahnte er sich weiter seinen Weg durch das Unterholz, bis er zu einer kleinen Lichtung kam, auf der ein verlassenes Häuschen stand.

„Endlich habe ich mal etwas Glück.“ Eilig schlüpfte er durch die Tür und sah sich um. Im Inneren war es zugig und dunkel, aber als Versteck würde es ausreichen. Der Drang, etwas zu schlafen, kam in ihm hoch. Gerade wollte er nach einer geeigneten Stelle suchen, als er einen scharfen Schmerz am Hals fühlte. Panisch griff er mit den Fingern nach dem Pfeil, der sich in seine Haut gebohrt hatte.

„Was zum…“, setzte er an, als er spürte, wie seine Glieder schwer wie Blei wurden. Zeitgleich ging die Tür auf und der Wächter, den er bereits getroffen hatte, kam hinein und musterte ihn triumphierend.

„Haben wir dich endlich.“ Undeutlich bemerkte Ed, dass der Schlagstock einem Gewehr gewichen war.

„Betäubungspfeile. Einfach und effektiv“, schnarrte der Mann, bevor er auf ihn zukam und ihn so heftig in den Bauch trat, dass ihm die Luft wegblieb. Kurz darauf kamen weitere Personen, zogen ihn auf die Beine und schleiften ihn mit sich. Immer noch benommen, schaffte Ed es nicht, sich zu wehren.

„Wir bringen ihn zurück ins Dorf. Soll der Richter entscheiden, was mit ihm zu tun ist.“

„Nein“, bellte jemand, der wohl der Anführer war.

„Er wird direkt zu den Kerkern gebracht. Für das, was er getan hat, wird er sowieso eingesperrt. Dafür brauchen wir keinen Richter.“

„Sollte er nicht die Möglichkeit bekommen, sich zu rechtfertigen?“, meinte eine junge Stimme verunsichert. Ein lautes Klatschen folgte.

„Widersprich mir nicht“, knurrte der erste. „Du hast wohl vergessen, wer vor dir steht.“

„Nein, Sir.“

Immer mehr verschwamm die Umgebung vor Eds Augen, mühsam hielt er sich aufrecht.

„Der Junge wird bald zusammenklappen. Los, trag ihn“, befahl der Anführer. Kurz herrschte Stille, dann spürte der einstige Alchemist, wie er vorsichtig hochgehoben wurde. Sanfte, blaue Augen erwiderten seinen Blick. Deutlich war die Rötung seines Gesichtes zu erkennen, wo der Anführer den Jungen geschlagen hatte.

„Ich bin unschuldig…“, wisperte Ed schwach.

„Es tut mir so leid“, erwiderte der andere genauso leise.

„Worauf wartest du? Beweg dich endlich“, schrie der Anführer ihn an. Hastig gehorchte der junge Mann, Angst stand nun in seinem Gesicht. Ed dämmerte weg, die Betäubung wirkte nun vollständig. Er bekam nicht mit, wie er aus dem Wald gebracht wurde. Unverständliche Wortfetzen drangen an seine Ohren. Dann wurde er plötzlich auf den Boden gelegt und geschüttelt. Widerwillig öffnete er die Augen und sah sich dem Anführer der Truppe gegenüber, der ihn aus eisigen Augen musterte. „Edward Elric, du wirst hiermit des Mordes angeklagt. Darauf steht lebenslange Gefangenschaft.“ Er grinste und legte gelbe Zähne frei. „Der Kerker wird dir bestimmt gefallen. Ich gebe dir eine Woche, bevor du lieber freiwillig verhungerst, als noch eine Sekunde in diesem Rattenloch zu bleiben.“

„Aber, Sir“, mischte sich der Junge ein. „Sie sind kein Richter. Sie können ihn nicht anklagen.“

Wieder war ein Schlag zu hören. „Was bildest du dir ein?“, brüllte der Anführer den jungen Mann an. „Ich muss dir wohl Manieren beibringen, rotznasiger Bengel!“ Lange war es still.

„Nein, Sir“, erklang endlich die gepresste Stimme des anderen. Blut lief aus seiner aufgeplatzten Lippe. Dann setzte der Trupp seinen Weg fort, bis sie zu einem großen, farblosen Gebäude kamen. Es folgten lange, verschlungene Gänge, bis hin zu einer verschlossenen Tür.

„Wir bringen einen Gefangenen“, schnarrte der Anführer.

„Bringt ihn in die Zelle hinten links, zu dem anderen Fremden“, erwiderte eine gelangweilte Stimme. Ein Schlüssel quietschte, als eine hölzerne Tür aufgeschlossen wurde. Dahinter war es pechschwarz. Ed wurde grob in die Zelle gestoßen und an die Wand gedrückt. Ein Klicken ertönte, als sich eine eiserne Kette um sein gesundes Handgelenk schloss. Dann folgte ein Lachen und die Tür fiel zu. Ed versuchte schwach, die Kette loszuwerden und erschrak, als er menschliches Fleisch berührte.

Das war wohl sein Mitgefangener. Er schien zu schlafen, jedenfalls hörte der frühere Alchemist nichts. Die Schmerzen in seinem Körper meldeten sich wieder. Während er versuchte, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, dachte er wieder an seinen Bruder. Es war das Einzige, was ihm etwas Hoffnung gab. Müde und ausgelaugt schlief er schließlich auch ein.

Leichter Sonnenschein, der durch die Gitterstäbe fiel, weckte ihn schließlich auf. Das und der Aufseher, der ihm das Essen brachte. Jedenfalls schien es Essen zu sein. Der Aufseher war groß, dumm und hässlich, wie geschaffen für diesen Ort. Er stellte den Teller auf den Boden und ging wieder. Ed hatte keinen Hunger, voller Abscheu sah er auf die undefinierbare Pampe hinunter.

„Etwas Besseres wirst du hier nicht bekommen, also gewöhn dich lieber daran“, erklang eine ihm seltsam vertraute Stimme. Er sah zur Seite und kurz war er sprachlos. Genau erinnerte er sich an diese Person. Violette Augen erwiderten seinen Blick höhnisch.

„Wie kommt jemand wie du hierher, Winzling?“

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, knurrte Ed zurück.

„Stur wie immer“, kicherte der andere und lehnte sich gegen den kalten Stein. Er hatte sich verändert, aber nicht sehr. Immer noch hatte er seine Arroganz behalten.

„Warum muss ich ausgerechnet dich wiedersehen, Envy?“



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