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[Seto & Joey | Puppyshipping]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen.

Wie wird aus einem spontanen, ursprünglich als kurz geplantem Projekt ein unerwartet großes? - wie auch immer. Ihr könnt es hier ja verfolgen. ;-D

Das dritte Kapitel hat mich viele Nerven gekostet. Bei keinem anderen bisher habe ich so oft überarbeitet, umgearbeitet, angefangen, aufgehört, wieder angefangen. Letztlich liegt die Seitenzahl bei 34 DinA4 Seiten. Anzahl steigend. Daher der Entschluss - entgegen meines ursprünglichen Willens - dieses Kapitel aufzuteilen. Hier also der erste Teil.

Viel Spaß beim Lesen.
Das Finale wird langsam greifbar.

Grüße,
Jaelaki Komplett anzeigen

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Wenn die Vergangenheit Vergangenheit bleiben sollte TEIL I

Kapitel 3
 


 

Ein beklemmendes Gefühl packte ihn, wenn er an ihn dachte. Ein dunkles, schmerzhaftes Pochen legte sich auf seine Brust. Er ignorierte es, doch er wusste, seine blauen Augen würden ihn trotzdem verfolgen, auch wenn er seine eigenen stur schloss. Denn das war bereits seit ihrer letzten Begegnung so.
 


 

-
 

[Gegenwart]
 

Er starrte diese Nummer an. Missmutig verzog er das Gesicht, ließ sich auf sein Bett fallen und seufzte.
 

Wie dumm war er eigentlich? Sogar nach so vielen Jahren noch?
 

Er hörte sein Blut in den Ohren rauschen. Seine Hände zitterten leicht, seine Finger waren schwer und taub. Joey Wheelers Gedanken rasten, Kopf wie leer gefegt. Blackout. Dann wählte er die Nummer.
 

Sehr dumm. Wirklich.
 

Er schloss konzentriert die Augen. Es war so ein Moment, in dem er sich besonders bewusst darüber war, dass es ein entscheidender Augenblick war. Eine Kreuzung, an der man eine bestimmte Richtung einschlagen musste und damit vielen anderen den Rücken zukehrte. Ärgerlich verzog er seinen Mund, als er bemerkte, dass seine Finger immer noch zitterten. Das Handy presste er an seine Ohrmuschel und hielt den Atem an, lauschte. Der Herzschlag dröhnte in seinen Ohren.
 

Er war sich nicht sicher, jetzt die richtige Richtung genommen zu haben. Im Gegenteil. Schon wieder. Es klingelte. Der Ton war tief und lang.
 

„Der Teilnehmer ist momentan leider nicht zu erreichen. Sie können ihm aber –“
 

Joey unterbrach mit flauem Gefühl im Magen den erfolglosen Anruf und schüttelte müde seinen Kopf. Resigniert senkte er seine Schultern, legte das Handy zur Seite und lehnte sich selbst zurück an seinen Bettkopf. Erleichterung durchflutete seine Gliedmaßen, ebbte ab und verwandelte sich in ruhelose Leere. Die Arme hinter dem Nacken verschränkt, sah er aus dem Fenster, in den winterlich, klaren, dunkelblauen Himmel hinaus.
 

Was machte er hier überhaupt? Warum hatte er überhaupt noch immer seine verdammte Handynummer?
 

Umständlich setzte er sich in seinem Bett auf, kratzte sich überlegend am Hinterkopf und seufzte, ehe er endlich aufstand, seinen Schlüsselbund schnappte, die Jacke überzog, sich den Rucksack über eine Schulter warf und schnaubte. Seine Freunde warteten auf ihn und Seto Kaiba konnte ihn mal. Er sollte ihn endlich vergessen. Endgültig. Trotz allem. Deswegen.
 

-
 

Seto Kaiba saß derweil in seinem sehr bequemen schwarzen Ledersessel, am Kopf eines Tisches, um den herum exzellente Mitarbeiter die neuesten Marketing-Ideen und Entwicklungen der Kaiba Corporation besprachen. Es war recht wichtig, jedoch auch recht langweilig. Eine Idee, die ihn wirklich interessierte und begeisterte, war ihm in diesem Gespräch bisher nicht präsentiert worden und langsam verlor er die Geduld. Als er plötzlich ein Vibrieren in seiner Hosentasche spürte, stutzte er unwillkürlich. Nur Mokuba rief ihn auf diesem Handy an, unter seiner Privatnummer, aber der wusste, dass er momentan in dieser Besprechung feststeckte. Es musste also ein Notfall sein. Mit einem taktierenden Blick in die Runde, stand er kurzerhand auf. Verwirrung starrte ihm mit einem Male in großen, bebrillten Augen entgegen. „Diskutieren Sie einfach weiter“, wies er nur an, nickte knapp und ging.
 

~
 

Fast 13 Jahre zuvor.
 

Mit elegantem Anzug schritt er über den roten Teppich der Gala. Es war so ein Wohltätigkeits-Dings. Blitzlicht. Reporter. Sicherlich funkelten seine blauen Augen gefährlich, doch das konnte ich über den Bildschirm des Fernsehers nicht erkennen. Es war Freitag und ich starrte auf die Mattscheibe, stopfte mir übellaunig Chips rein und verabscheute mich selbst.
 

Irrsinnigerweise hatte ich Tristans Einladung, einen trinken zu gehen, abgelehnt. Offiziell, weil ich arbeiten musste. Inoffiziell – ich wagte es kaum zu denken – weil ich die abscheulich lächerliche Hoffnung hatte, dass ein gewisser unterkühlter Geldsack, nach dem ganzen Brimbamborium Zeit für mich hätte. Mit Zeit für mich meinte ich natürlich Zeit, um mit mir zu schlafen. Hauptsächlich. Dahinter lag jedoch ein brodelndes Gefühl. Etwas, das ich nicht mit körperlichen Bedürfnissen erklären konnte. Irgendwie. Es war verwirrend, aber seit Kaibas hirnrissiger Aktion war es – eigentlich wusste ich nicht, was es war. Denn wir hatten es nicht mehr erwähnt, angedeutet oder gar angesprochen. Nicht einmal ich. Es war, als läge sich eine Starre über meine Stimmbänder, wenn ich nur daran dachte, es anzusprechen. Eine heiße Welle, eiskalt, die mir dann plötzlich die Luft aus dem Brustkorb quetschte. Also verschwiegen wir es. Was sollte es auch? Wir trieben es miteinander. Wir hatten uns – irgendwie – geküsst. Na, und? Es war – unbedeutend.

Nichts. Alles. Nichts.
 

Beinahe zornig griff ich wieder in die Chipstüte. Kaiba war ein Arsch. Und ich dachte trotzdem an ihn. Das machte mich zu einem noch dümmeren Idioten als er immer so höhnisch von sich gab. Oder? Dieser arrogante – Arsch.
 

Es war warm draußen, so ein herrlicher Sommerabend, den ich lieber vor dem Fernseher verbrachte, weil meine Hormone ein verdammter Scheißhaufen waren.
 

Seit einiger Zeit wohnte ich in diesem Einzimmerappartement, das ich mir mühsam erarbeitete. In manchen Monaten war die Salami auf meinen Brötchen Luxus, doch ich kämpfte um jeden Cent und damit um meine Selbstständigkeit. Irgendwie hatte ich es aus diesem Loch geschafft, ich wollte nicht wieder hineinfallen, bei dem Gedanken lief mir ein panischer Schauer über den Rücken. Wenn es in mir brodelte oder ich keine Kraft mehr hatte für den verdammten Mist, konnte ich mich auf meine Freunde stützen. Dann war es fast wie früher, wir spielten manchmal die Wochenenden durch, kauerten zusammen vor der Konsole oder dem Fernseher, schauten Filme die ganze Nacht durch oder zockten, bis uns die Augen zufielen. Oder wir trafen uns an heißen Sommertagen am See, an kalten Wintertagen, zum Schlittschuhlaufen und zur Schneeballschlacht.
 

Wir waren verdammt kindisch für unser Alter, nicht? Jedenfalls: Ich liebte es. Thea half mir bei dem Bürokratie-Kack, den sie mir mühsam erklärte, und zusammen mit Yugi unterstütze sie mich bei dem ganzen schulischen Hürden, die ich nehmen musste, um irgendwann mehr zu sein, als Pizza-Lieferant und Zeitungsausträger.
 

Es war eine verdammt harte Zeit, aber ich fühlte mich in den klitzekleinen Momenten dazwischen so unbeschwert und frei wie ich mich zum letzten Mal als Kind gefühlt hatte. Es hatte sich seitdem viel in meinem Leben geändert, doch ich genoss, dass ich es endlich selbst in die Hand nehmen konnte, obwohl ich in einigen Nächten nicht schlafen konnte vor lauter Gedanken und Unsicherheit, wie sich alles entwickeln würde.
 

In manchen Nächten hingegen konnte ich nicht schlafen, weil mich diese blauen, gefährlich funkelnden Augen verfolgten, in anderen, weil mich der dazugehörende Körper davon abhielt. Oder beides.
 

Ein Vibrieren riss mich aus dem Schlaf, ich schreckte hoch und realisierte, dass ich eingenickt war, dann griff ich verpeilt nach meinem Handy und schaute mit verschlafenen Blick darauf.
 

„Heute Nacht, 1 Uhr“, stand nur da auf dem Display.

Automatisch schritt ich ins Bad, warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und verschwand unter die Dusche. Mein Haar lag mir noch in feuchten Strähnen im Nacken, als ich nach meiner Jacke griff und aus dem Apartment verschwand.
 

Ich war wirklich dumm. Dieser Arsch.
 

~
 

Ich packte wieder einmal meine Sachen zusammen und wollte ohne ein weiteres Wort verschwinden. Als ich spürte, wie er sich hinter mir aufsetzte und mich schweigend ansah. Ich versuchte es zu ignorieren, doch da blieb so ein ungutes Gefühl. Das Gefühl, dass seit Kaibas Aktion etwas aufgewühlt worden war, das vorher irgendwo verschüttet gelauert hatte, aber jetzt. Jetzt lauerte es mit hässlichen, weiten, gefährlichen Augen. Schwebte irgendwie über uns. Bereit sich auf uns zu stürzen, sollten wir es zu sehr reizen.
 

„Warum tust du's immer noch – so?“, fragte ich leise, zog mich unbeirrt weiter an. Das Bett war noch zerwühlt. Genauso wie mein Haar. Ich war müde. „Was?“, fragte er zurück. Und ich hätte schwören können, dass er gerade die Augen verdrehte. „Mit mir schlafen.“ Ein verqueres Déjà-vu?
 

Ich schwieg. Mein Herz klopfte. Ich versuchte gefasst zu wirken.

„Warum tust du es?“, fragte er vage, meine Augen stur auf ihn gerichtet, das Funkeln in ihnen sprühte. „Warum nicht?“, erwiderte ich mit gefährlich leiser Stimme. Das Blau seiner Augen mit tiefdunklen Sprenkeln durchwebt. Schon wieder eine Frage. Eigentlich standen nur noch Fragen zwischen uns. Ich zuckte nichts- und allessagend die Schultern und verschwand dann wortlos aus dem Hotelzimmer.
 

~
 

Wenn ich ihn auf dem Bildschirm sah oder in der Zeitung und von Reportern umkämpft, dann stach etwas mit zögerlicher Grausamkeit in meinen Magen. Ein Gefühl, das meine Gliedmaßen schwer und taub und träge anfühlen ließ und in meinem Kopf eine kräfteraubende Leere ausbreitete. Ich wusste nicht, warum und überhaupt verdrängte ich es. Alles, was mit Seto Kaiba zu tun hatte. Irgendwie.
 

Nur dann, wenn er wie jetzt dort am Fenster stand, in die Nacht hinausstarrend, an seiner glimmenden Zigarette zog und den Qualm hinaus blies, sein Haar noch ganz chaotisch, nur mit einem Shirt und Boxershorts bekleidet, als wäre es so ganz normal, dass er da stand, so und ich, ich hier lag und überhaupt. Dann fühlte ich mich ihm so vertraut nahe. So gefährlich nahe. Ich schloss die Augen und tat für die wenigen Momente so, als wäre es tatsächlich ganz normal. Als wären wir ganz normal. Und das zwischen uns. Was auch immer das war.
 

So rieselte die Zeit zwischen uns. Langsam verging ein Jahr. Voller ungestellter Fragen, lauernder Gefühlen, Streitereien und sturem Schweigen.
 

~
 

Wir lagen schweigend nebeneinander. Plötzlich vibrierte sein Smartphone, zerbrach die vertrauensselige Atmosphäre mit einem Schlag. Kaibas Stirn runzelte sich ärgerlich, in seinen Augen bebte etwas mit jeder Zeile, die er auf dem Bildschirm las und um seinen Mund breitete sich Anspannung aus. Indikatoren für unterdrückte Wut, die er gewöhnlich hinter seiner Maske aus ignoranter Arroganz verbarg.
 

„Gott, du guckst so böse, da könnt man ja Angst bekommen, dass du einen gleich abstichst“, witzelte ich wie nebenbei mit verschlafenen Blick, die Decke bis zur Schulter gezogen. „Wieso abstechen“, fragte er nach einer Weile trocken, „wie willst du die konkrete Methode rein an der Mimik festmachen? Ich könnte mein Opfer auch erschießen. Das wäre doch effizienter.“
 

„Na“, erwiderte ich abwinkend, spielte das Spiel mit, „nicht bei der unterdrückten Wut. Da willst du das Opfer leiden seh'n und ihm eiskalt in die Augen gucken. Und nicht mit 'nem Knall alles erledigen. Und überhaupt alles 'ne Sache der Erfahrung, Kaiba. Ich kenn' dich halt.“ Er musterte mich einen Augenblick lang, dann wandte er seinen undefinierbaren Blick ab.
 

Ich grinste, versuchte das aufkeimende Lachen in meiner Brust zu unterdrücken.

„Mann, das hört sich so krank an.“

„Was? Das mit dem Abstechen und Erschießen oder dass du mich angeblich kennst?“
 

Ich überlegte unerwartet lang.

„Öhm. Irgendwie beides, oder?“
 

Ein überwältigendes Gefühl durchflutete meinen Körper, als Seto Kaiba dezent amüsiert lächelte.
 

~
 

Niemals gab es eine langweilige Routine zwischen uns. Hatte ich das Gefühl, wir agierten vertraut, zerstörte irgendetwas dieses Gefühl mit brachialer Gewalt. Zufall?
 

Mit Seto Kaiba gab es keine Langeweile, keine Routine. Es gab nur diesen Schein, das in falsche Sicherheit wiegende Gefühl. Seto Kaiba war kein liebevoller Liebhaber. Seto Kaiba war ein egozentrischer Egoist. Seine Taten, seine Pläne, seine Anrufe. Alles konzentrierte sich auf sein eigenes Bedürfnis, das er radikal verfolgte. Sein Erfolg, seine Effizienz, seine Worte.
 

„Beeil dich“, raunte er ungeduldig und obwohl er sich konzentrierte, konnte er das unterdrückte Stöhnen nicht gänzlich überspielen. Es gab mir eine gewisse Genugtuung. „Was?“, fragte ich dennoch und hielt unwillkürlich über seinen Schoß gebeugt inne. Er drängte mich unwirsch mit seinen Händen, weiterzumachen. „Ich habe noch ein wichtiges Meeting und –“
 

Meine Lippen zu einer dünnen Linie zusammenpressend, stemmte ich mich hoch, stieß mich vom Bett und sammelte zornig meine Sachen zusammen. Wortlos beobachtete er mich, ich fühlte seinen prickelnden Blick, sicherlich massierte er sich gerade die Nasenwurzel. Das tat er immer, wenn er genervt war. Aber es interessierte mich einen Scheiß in diesem Moment. Und überhaupt.
 

„Du kannst mich mal“, schleuderte ich ihm entgegen, nackt und sicherlich weniger beeindruckend, als ich es doch still erhoffte. „Penner“, rutschte mir noch wütend über die Lippen, woraufhin er mir ein trockenes „Aber ein reicher“ entgegnete. Meine mühsam kontrollierte Wut sammelte sich in meinem Magen wie eine Säure, die mir die Lungen vergiftete.
 

„Arschloch“, wetterte ich vor mich her, während ich in meine Boxershorts stieg, meinen Pullover über zog. Danach verschwand ich ohne ihm noch einen einzigen Blick zu zuwerfen.
 

Seto Kaiba war kein gefühlvoller Liebhaber. Seto Kaiba war ein egozentrischer Egoist. Seine Taten, seine Pläne, seine Anrufe. Alles konzentrierte sich auf sein eigenes Bedürfnis. Sein Erfolg, seine Effizienz, seine Worte.
 

Nur ich hatte keine Lust und keine Kraft mich allein seinem Bedürfnis hinzugeben. Ich war nicht so dumm zu glauben, dass er mich wirklich – jedenfalls. Ein Joey Wheeler ließ sich nicht so ausbeuten, unterbuttern, fertig machen. Ich hatte mein eigenes Leben. Und meine Würde. Und – dieses Gefühl.
 

~
 

Die nächsten Tage ignorierten wir uns. Und da war es wieder. Dieses Gefühl.
 

Es war mir doch bewusst, dass Seto Kaiba ein Arsch war. Ich hatte mich auf ihn als arroganten, egozentrischen Egoist eingelassen. Er hatte mir nichts vorgespielt, mich nicht hintergangen, mich nicht angelogen.
 

Ich wusste nicht, was ich von ihm erwartete.

Aber ich fühlte mich elend. Hundsmiserabel.
 

Bei dem Gedanken lachte ich trocken auf. Das hätte Kaiba gefallen.
 

~
 

Mein Leben hatte seine Routine wieder. Es war seltsam, aber vielleicht gut. Vielleicht auch nicht. Vielleicht machte es keinen Unterschied.
 

Irgendwann brummte mein Handy, ich saß gerade auf meinem Bett, zockte, sah nebenbei drauf. Und erstarrte. Neue Nachricht von Seto Kaiba stand auf dem Display.
 

„Wenn du dich wieder gefangen hast. Es ist meine Privatnummer. SK“
 

Es folgte eine Handynummer, die ich anstarrte, dann flog mein Blick hinaus zum Fenster, dem dämmernden Horizont, den federleichten Wolken am Abendhimmel. Zunächst spürte ich wieder diese brennende Wut, den Zorn, den ich schwer kontrollieren konnte, der mich überfiel bei diesen Worten, als wäre ich derjenige, der wie immer Mist verbockt hatte und sich nun unangemessen benahm.
 

Vielleicht – das kam mir aber erst nach ein paar Stunden – war es auch eine verquere Art der Entschuldigung. So kaiba-mäßig. Zumindest jedoch war es ein Zugeständnis.
 

Oder?
 

Hatte er nicht die ganze Zeit ein Extra-Handy für unsere Korrespondenz benutzt, das nur er benutzte, um mich zu kontaktieren, aber unter dem er nicht erreichbar war? Und jetzt? Seine Privatnummer? In jeder anderen Situation hätte ich mich unwillkürlich geehrt gefühlt – nicht, dass ich es jemals zugegeben hätte.
 

Aber zunächst badete ich noch ein wenig in diesem feurigen Zorn, nahm ich mir vor. Einige Tage. Oder Wochen. Er meldete sich nicht mehr. Und ich fühlte mich im Recht. Dieser Arsch.
 

~
 

In der Schule ignorierten wir uns. Es gab keine heißen Wortduelle, keine gepfefferten Kommentare, keine gefährlich funkelnden Blicke.
 

Es war beinahe langweilig. Beinahe.
 

~
 

Die Hitze flackerte über dem Boden, die Sonne brannte hinab. Es war kein Wind in Bewegung, die Luft stand still. Es war einfach nicht anderswo als am See auszuhalten und deswegen lagen wir auch genau dort unter einem knorrigen Baum im Schatten.
 

„Yeah!“, rief ich johlend und stieg noch mit kurzen Jeans ins kühle Nass, Thea schrie spitz auf, als ich plötzlich wieder vor ihr stand und sie gekonnt über die Schulter warf.

„Das wagst du nicht, Joey Wheeler!“, rief sie herrisch, aber der verzweifelte Unterton ließ mich frech grinsen. Thea war mir in vielen Dingen überlegen: Sie war ein Organisationstalent, ein Sprachgenie, konnte super guten Schokokuchen backen und sich selbst mühelos motivieren, wenn eine Klausur bevorstand, während ich mich bis zum letzten Moment mit dem Gedanken, lernen zu müssen, quälte. Aber rein körperlich war sie mir unterlegen und das demonstrierte ich ihr sehr gerne, wenn wir am See waren.
 

Mit einem lauten Platsch und einem grellen Schrei landete sie im Wasser und fauchte mir entgegen. Ich lachte, während Yugi mit roten Wangen versuchte, Thea zu beruhigen. Es war herrlich chaotisch.
 

Plötzlich schnappte mich jemand von hinten und zog mich ins Wasser.

„Hey! Warte, Tris!“, rief ich überrumpelt, stolperte über irgend so eine glitschige Wasserpflanze und fiel ins flache Wasser. Tristan lachte über meine Tollpatschigkeit. „Ich wollte dich eigentlich tunken, aber das war auch ganz nett“, meinte er mit einem aufziehenden Grinsen auf den Lippen. „Pff“, schnaubte ich, „als ob du das wirklich – “ Mir gefror mein Gesichtsausdruck.
 

„Verdammt“, schimpfte ich plötzlich vor mich her. Tristan runzelte verständnislos die Stirn, ehe ich „Mein Handy!“ murmelte und es aus der aufgeweichten Jeanstasche zog. „Oh“, erwiderte Tris plötzlich beklemmt. Natürlich funktionierte es nicht mehr, was generell nicht so unglaublich schlimm gewesen wäre. Wenn mein Handy nicht doch eine wichtige Information gespeichert gehabt hätte.
 

~
 

„Guten Tag bei dem elektronischen Servicesystem der Kaiba Corporation. Wenn Sie generelle Fragen bezüglich eines Produkts haben, wählen Sie die Eins. Haben Sie technische Fragen bezüglich eines Produkts, wählen Sie die Zwei. Bei Kritik bezüglich eines Produktes wählen Sie bitte die Drei. Bei Kritik bezüglich eines Mitarbeiters, wählen Sie die Vier. Bei Fragen zu der aktuellen DuelDisc, wählen Sie bitte die Fünf. Zur Vorbestellung von aktuellen Spielen, wählen Sie die Sechs. Bei sonstigen Anliegen, wählen Sie die Sieben. Vielen Dank.“
 

Ich starrte ungläubig und verwirrt mein Telefon an, runzelte die Stirn und zuckte die Schulter. Ich schwankte zwischen Kritik bezüglich eines Mitarbeiters (war der Chef letztlich nicht auch nur ein Mitarbeiter?) und sonstigen Anliegen (bei Seto Kaiba passte in der Regel nichts in vorgefertigte Schubladen). Kritik jedenfalls war bei Seto Kaiba meiner Meinung nach grundsätzlich angebracht, deswegen drückte ich überzeugt die Nummer Vier.
 

„Guten Tag. Sie sind verbunden mit dem Mitarbeiterservice der Kaiba Corporation. Sie haben Kritik bezüglich eines Mitarbeiters zu melden. Kennen Sie seinen Namen?“, fragte eine Frauenstimme einstudiert. Vielleicht war es auch nur ein Roboter. Zuzutrauen wäre es Kaiba wohl. Der hatte ja ohnehin nicht viel für andere Menschen übrig.

„Ähm. Hallo“, erwiderte ich wie erschlagen, „ich müsste kurz mit Seto Kaiba sprechen. Können Sie – “ Verwirrt starrte ich schon wieder mein Telefon an. Der Anruf war unterbrochen worden. Starrköpfig wählte ich die Nummer erneut.
 

„Guten Tag bei dem elektronischen Servicesystem der Kaiba Corporation. Wenn Sie generelle Fragen bezüglich eines Produkts haben, wählen Sie die Eins. Haben Sie technische Fragen bezüglich eines Produkts, wählen Sie die Zwei. Bei Kritik bezüglich eines Produktes wählen Sie bitte die Drei. Bei Kritik bezüglich eines Mitarbeiters, wählen Sie die Vier. Bei Fragen zu der aktuellen DuelDisc, wählen Sie bitte die Fünf. Zur Vorbestellung von aktuellen Spielen, wählen Sie die Sechs. Bei sonstigen Anliegen, wählen Sie die Sieben. Vielen Dank.“
 

Ich wählte die Nummer Vier. So etwas ließ ich nicht einfach durchgehen.
 

„Guten Tag. Sie sind verbunden mit dem Mitarbeiterservice der Kaiba Corporation. Sie haben Kritik bezüglich eines Mitarbeiters zu melden. Kennen Sie seinen Namen?“

Wieder ein Roboter?

„Hallo“, meinte ich, „ja, und zwar Seto Kaiba.“

„Seto Kaiba?“, fragte eine junge Männerstimme irritiert, „Sie meinen den Seto Kaiba?“
 

„Ganz genau. Könnten Sie mich bitte mit ihm verbinden?“, fragte ich resolut. „Dazu bin ich leider nicht befugt“, erwiderte der junge Mitarbeiter des arroganten Geldsacks höflich, aber auch eine Spur verwirrt. „Wer ist dann dazu befugt?“, fragte ich genervt. „Das Obere Sekretariat.“ Ich seufzte. „Dann verbinden Sie mich doch mit denen“, schlug ich vor, „bitte.“ „Dazu bin ich leider nicht befugt“, erwiderte er beinahe verlegen. „Wer ist dann dazu befugt?“, fragte ich ungläubig. „Das Untere Sekretariat“, antwortete er strebsam. „Dann verbinden Sie mich halt mit denen.“ Langsam wurde ich ungeduldig. „Dazu bräuchten Sie allerdings einen Termin.“ „Ich brauche einen Termin, um mich mit dem Sekretariat verbinden zu lassen?“, fragte ich und langsam kroch mir Ärger durch die Adern. „Ja, dem Unteren Sekretariat. Das Obere erreicht man nur durch einen Termin, den das Untere Sekretariat einem gegeben hat.“
 

Allmählich war ich verwirrt. „Okay, wie bekomme ich einen Termin?“, fragte ich. „Das müssten Sie im Servicecenter erfragen. Das wäre die Nummer Sieben. Wir sind nur für die Mitarbeiter zuständig, nicht für Termine.“ Also war der Chef doch nicht nur ein Mitarbeiter, ging es mir unsinnigerweise durch den Kopf.

„Okay, vielen Dank“, meinte ich verärgert. „Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag, Sir.“ „Äh, danke. Ebenso.“ Der Anruf wurde beendet. Arroganter Arsch, dachte ich, während ich an den Seto Kaiba dachte. Einen Termin, um einen Termin für einen Termin zu bekommen. Der hat sie doch nicht alle.
 

Weniger motiviert, aber nicht weniger stur, wählte ich schon wieder eine gewisse Nummer.
 

„Guten Tag. Sie sind verbunden mit dem Servicecenter der Kaiba Corporation. Was kann ich für Sie tun?“ „Äh. Hallo“, murmelte ich allmählich sauer, „ich möchte bitte mit Seto Kaiba sprechen.“ Es war eine ganze Zeit lang mucksmäuschenstill auf der anderen Seite der Leitung. „Wie lautet Ihr Name, Sir?“, fragte sie korrekt, beinahe roboterhaft. „Ähm. Joey. Joey Wheeler“, erwiderte ich. „Warten Sie bitte einen Moment, Sir.“ Ich hasste solche Gespräche, ich hasste diese überhöfliche Etiquette und ich hasste diese düdelnde Telefonschleifenmusik.
 

„Wie ich sehe, haben Sie doch keinen Termin. Wollen Sie ein Termin vereinbaren?“, wurde plötzlich das einschläfernde Gedüdel von ihrer klaren Stimme durchbrochen. Ich atmete tief durch. „Nein, das hatte ich auch nicht gesagt, ich wollte nur kurz Seto Kaiba sprechen, weil – “ „Leider ist er momentan sehr beschäftigt, wenn Sie keinen Termin haben, müssen Sie einen vereinbaren.“ „Ich möchte keinen Termin, ich wollte ihm nur schnell – “
 

„Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag“, schloss die Dame und ich sah sie vor mir mit diesem ekligen, offensichtlich künstlichen Lächeln. „Moment!“, rief ich empört. „Was muss ich machen, um einen Termin zu kriegen?“, fragte ich resigniert. Sie hielt inne. „Was ist ihr Anliegen?“, fragte sie zurück. „Ich möchte kurz mit Seto Kaiba sprechen“, erwiderte ich knapp. „Über was wollen Sie sprechen?“, fuhr sie fort. „Ist das wichtig?“, fragte ich langsam aber sicher ungeduldig. „Ja.“ Ich seufzte. „Ich wollte ihm sagen, dass ich seine Handynummer verloren habe, weil mein Handy ins Wasser gefallen ist und jetzt nicht mehr funktioniert“, erklärte ich genervt.

„Seine Handynummer?“, fragte sie und mich wunderte ihre offensichtliche Überraschung, die schon fast an einen Schockzustand erinnerte. „Einen Moment, bitte.“
 

„Nicht schon wieder dieses Gedüdel, verdammt nochmal! Alter, das hält doch kein normaler Mensch aus, was denkt sich dieser Geldsack eigentlich? Dieses Servicecenter ist alles andere als Service“, brummelte ich ärgerlich vor mich her.

„Um dich zu beschweren, musst du einfach die Vier wählen beim elektronischen Servicesystem der Kaiba Corporation“, warf plötzlich eine seidige Stimme zwischen meine Ungeduld, meinen Ärger und meine Verwirrung.

„Wer – Kaiba?!“, fragte ich wie vom Donner gerührt.
 

„Überraschung“, erwiderte er trocken, „wie lange warst du denn in der Telefonschleife, dass du so sehr anfängst mit deinem Schwänzchen zu wedeln, wenn du mich hörst, Hündchen?“ Ich ballte unwillkürlich meine Hände zu Fäusten. „Weder wedel ich hier rum, noch bin ich ein Hündchen“, keifte ich verärgert, „und ein Schwänzchen habe ich erst recht nicht.“ „Nun, das stimmt. So klein ist er nicht.“ Ich stockte. „Was?“
 

Es war offensichtlich, dass er plötzlich grinste, so leicht, so herablassend, wie er es nun mal immer tat. „Was wolltest du so dringend, dass du meine Belegschaft von wirklicher Kundenarbeit abhältst?“, fragte er plötzlich in geschäftsmäßigem Ton.

„Ich – “
 

Verlegen zögerte ich. Machte ich mich gerade zum Affen? Vielleicht war es dem Seto Kaiba auch verdammt egal, ob ich ihn erreichen konnte oder nicht. Vielleicht war es ihm sogar ganz recht, wenn dem nicht so war.

„Ich hab' deine Handynummer verloren.“
 

Er schwieg und ich konnte es nicht deuten, so etwas machte mich verrückt.

„Aber nur, weil ich aus Versehen mit meinem Handy baden bin. Mein Handy war halt in meiner Jeanstasche.“ Ich stockte. Das hörte sich blöd an, verdammt dumm. Ich klopfte mir mit meiner Faust an den Kopf. „Nicht, dass das so geplant war. Aber eigentlich ist das nicht mal meine Schuld, sondern Tristans. Er hat mich ins Wasser gezogen.“
 

Oh Gott. Jetzt hörte sich das sogar für mich nach Kindergarten an. Und schwul. Ich war nicht schwul. Ich war nur – was war ich eigentlich? Krank? Kaibafixiert? Schloss das eine nicht das andere irgendwie mit ein? Aber mit Tristan? Mich schüttelte es unangenehm und ich schloss kurz die Augen. Was machte ich hier eigentlich?
 

„Naja, blöd gelaufen. Dann will ich dich nicht weiter aufhalten. Oder deine Roboter. Oder wen auch immer“, witzelte ich witzloserweise.
 

Er schwieg immer noch.

„Na, dann. Bis – ähm – dann.“

Er schwieg weiter.

Ich legte auf.
 

Danach starrte ich ungläubig mein Telefon an. Wie dumm war ich eigentlich? Was war da eben gewesen?
 

~
 

„Und du hast deswegen bei der Kaiba Corporation angerufen?“

Zum wiederholten Male nickte ich resigniert. „Ja, verdammt“, knurrte ich.

„Und Seto Kaiba höchstpersönlich hat dir geantwortet?“

„Zum tausendsten Mal. Ja, nachdem ich mit der Hälfte seiner Sklaven telefoniert hatte.“
 

Tristan stieß ein fast mädchenhaftes Kichern aus. Ich selbst empfand das alles weniger lustig. „Das heißt, du hast dich vor der halben Kaiba Corporation zum Affen gemacht“, schlussfolgerte Tristan herzlos und ich zog meine Augen zu Schlitzen.

„Ich hab gerade wirklich keinen Plan, warum ich dir das Ganze erzähl. Ah, doch. Eigentlich bist du nämlich dran Schuld! Du hast mein verdammtes Handy absaufen lassen!“

Tristan hatte wenigstens den Anstand schuldbewusst dreinzuschauen.
 

„Man, das tut mir doch auch echt leid. Ich kauf dir ein neues. Wirklich.“

„Darum geht’s nicht, Tris.“

„Ja, schon klar. Aber ich habe das Handy auf dem Gewissen, deswegen – “

„Nein, hör mir zu. Es geht mir verdammt nochmal nicht um das dumme Handy“, ereiferte ich mich schließlich und schaute meinem besten Freund stur in die Augen.

„Aber – “, versuchte er einzulenken, ehe ich beinahe nur flüstern konnte: „Es geht mir wirklich um die verdammte Handynummer von dem Geldsack.“
 

Tristans Augen weiteten sich einen Moment lang. Irgendetwas schien in seinem Kopf klick zu machen, jedenfalls erwiderte er meinen Blick plötzlich mit einem erstaunten-ungläubigen Ausdruck, den ich nicht so recht einzuordnen wusste.
 

~
 

Verschlafen öffnete ich die Tür und schaute desinteressiert in den Briefkasten. Normalerweise hießen Briefe gleich Rechnungen und das hieß weniger Schlaf und mehr Arbeit. Deswegen war ich froh, wenn ich keine Post bekam. An diesem Morgen machte mich jedoch ein kleines Paketchen stutzig.
 

Als ich dann zwischen der ganzen Werbung noch einen blütenweißen Brief entdeckte, grummelte es erst einmal entsprechend in meinem Bauch. Verdammt, dachte ich und zog ihn missmutig heraus, stutzte jedoch sofort als ich das Icon der Kaiba Corporation sah. Mit dem Fuß stieß ich die Tür wieder hinter mir zu, warf die Werbung in den Müll, riss ungeduldig den Brief auf und entfaltete das Papier.
 

Nur einige Zahlen standen darauf und ein einziger Satz ohne Unterschrift:

„Nicht hiermit baden gehen, Hündchen.“
 

Trotzig äffte ich diese Worte nach, sah ihn vor mir mit herablassend gehobenen Augenbrauen, ehe ich plötzlich realisierte, was ich da vermutlich in den Händen hielt.

„Was zur Hölle?“, entfuhr es mir beinahe erschüttert, wandte mich überfordert um, mein Blick fiel auf das unscheinbare Paketchen und ich stürzte mich mit zitternden Händen darauf.
 

Mich schüttelte ein lautes Lachen, als ich es endlich in den Händen hielt, um mich herum die dünnen Fetzen des Kartons, in dem es verschickt worden war. Kein Wort, kein Absender, keine Unterschrift. Dennoch konnte ich seine herausfordernd funkelnden blauen Augen bildlich vor mir sehen.
 

Es war ein Badezusatz.
 

~
 

In der Schule ignorierten wir uns. Es gab keine heißen Wortduelle, keine gepfefferten Kommentare, keine gefährlich funkelnden Blicke.
 

Es war beinahe langweilig. Beinahe.
 

Am Wochenende trafen wir uns. Es war wie immer. Und doch – nicht. Ich spürte es ganz deutlich. Etwas war passiert. Oder nicht?
 

Unauffällig musterte ich ihn von der Seite. Mit dem Rücken saß er gegen die Bettlehne an der Wand, die Decke locker bis zum Bauch, in seinen Fingern hielt er sein Smartphone. Feine Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, das von dem künstlichen Licht des Bildschirms erhellt wurde. Seine Augen sprühten vor unterdrücktem Zorn, funkelten eisig. Mit einem Schnauben drückte er plötzlich auf eine Taste seines Smartphones, massierte seine Nasenwurzel.
 

Oder war es nur sein üblicher Stress in der Kaiba Corporation, der sein Leben auffraß und immer so ein Pochen in seinem Kopf hinterließ?
 

„Öhm“, begann ich höchst eloquent, mental schlug ich mir vor die Stirn, egal, „alles okay, Kaiba?“ „Angesichts der Tatsache, dass wir es die letzten eineinhalb Stunden ohne Hemmungen miteinander getan haben, ist das höchst lächerlich.“

Ich blickte ihn verständnislos an.

„Äh, ?“
 

Er schnaubte, unablässig konzentriert und mit bohrendem Blick auf den Bildschirm starrend.
 

„Seto“, sagte er lediglich, „nenn' mich Seto, wenn du nackt neben mir liegst, Wheeler.“ Meine Augen weiteten sich einen Augenblick lang, dann prustete ich los. Mit gefährlich blitzenden Augen warf er mir einen Blick zu. Er hasste es, wenn ich lachte und er nicht exakt wusste, warum. Nicht, dass ich es deswegen weniger häufig oder weniger gerne tat.
 

Ich grinste ihn fast dümmlich an, streckte ihm meine Hand entgegen.

„Joey“, meinte ich unverschämt grinsend. Ich sah seinen Mundwinkel zucken.
 

~
 

Es klingelte. Das Pausenende kam natürlich viel zu früh. Wie immer.

„Hey, Tris!“, rief ich, stürmte durch die Tür und warf ihm mit einer schnellen Bewegung den Ball zu, Tristan grinste, fing ohne ein Zögern, trippelte ein, zwei Schritte im Klassensaal, einige unserer Mitschüler beäugten uns beim Eintreten in den Raum, andere ignorierten uns schlicht, die meisten waren es eh einfach bereits gewohnt. Tristan deutete einen Pass an Yugi an, der plötzlich verschreckt dreinschaute mit seinen großen, unschuldigen Augen. Ich grinste, nahm Tristan den Ball ab und balancierte ihn einige Augenblicke lang auf meinem Finger.
 

„Sollte dieser Ball auch nur in die Nähe meiner Person oder meines Eigentums kommen, werde ich dich verklagen, Köter“, erklang eine unbarmherzige Stimme hinter mir, ich drehte mich gelassen um, blickte ihm in die Augen, spürte den musternden Blick von Tristans Seite, doch ich winkte einfach nur ab.
 

„Ballspiel ist – wie dein überfordertes Gehirn wahrscheinlich wieder vergessen hat – im Schulgebäude verboten. Du riskierst wieder einmal Nachsitzen“, fügte er ungeachtet dessen missbilligend hinzu, stellte seinen schweren Aktenkoffer auf dem Schultisch ab, zog sich den schwarzen Mantel von den Schultern und seine Nase kräuselte sich fast unmerklich, doch ich sah es, vielleicht, weil mir seine Mimik so ätzend vertraut war.

„Und warum“, meinte ich gedehnt, machte einige Schritte auf ihn zu, während ich sprach, „sorgst du dich so um Folg'n für mich? Kann dir doch egal sein, Kaiba.“
 

Ich funkelte ihn mit meinen Augen an, spürte die lebhafte Hitze in mir empor kriechen, das Kribbeln, wenn er mir so gegenüberstand, seinen sonst so ignoranten Blick auf mich richtete, nur auf mich und mich direkt ansah. Es fühlte sich dann an, als wären wir zwei Menschen, die etwas gemeinsam hatten – mehr als nur zwei Menschen, die ab und zu das Bett teilten. Es fühlte sich an, als wären wir ebenbürtig. Zwei Jugendliche, die sich verbal attackierten. Zwei Jugendliche, die nur das waren. Zwei Jugendliche. Nicht Seto Kaiba, der reicher und mächtiger war, als alle Menschen zusammen in diesem verdammten Gebäude, womöglich der ganzen verdammten Stadt. Und nicht ich, Joey Wheeler, der – nun ja, weder reich noch mächtig war. Dafür aber eine umso größere Klappe besaß.
 

Tristan hielt neben mir den Atem an, Yugis Blick wanderte besorgt von Seto zu mir, ich wusste es einfach, obwohl ich es nicht sah. Denn ich selbst hielt Setos Blick ununterbrochen stand, ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Es herrschte eine plötzliche Stille, als läge auf jeder anwesenden Person die Angst, den Zorn des großen, tollen, mächtigen Seto Kaibas auf sich zu ziehen – außer mir eben. Der lehnte sich auch sogleich vor, sein Atem strich meine Wangen, mein Ohr, als er mir mit unverschämt tiefer Stimme zuflüsterte, so dass nur ich es verstand: „Anders als du annimmst, sind mir die Folgen für dich tatsächlich absolut gleichgültig, Wheeler. Die Folgen für mich hingegen – es ist immerhin Freitag.“
 

Meine Augen kniffen sich zusammen.
 

„Ja, und?“, zischte ich achselzuckend zurück, nur an ihn gerichtet, so leise, dass nur er es verstehen konnte, „du arbeitest doch sowieso bis spät in die Nacht! Und sowieso bin ich heut mit meinen Freunden unterwegs. Ein bisschen Abwechslung. Das solltest du auch mal probier'n.“ Er schnaubte, verächtlich zog er seine Augen zusammen, sein Gesicht war mir noch immer so nah, dass ich den azurblauen Kreis um seine Iris und die dunkelblauen Sprenkel darin deutlich erkennen konnte, seinen warmen Atem sanft im Gesicht spürte.
 

„Manche Menschen tragen mehr Verantwortung, als ihre persönliche Abwechslung und Freunde, die wie lästige Mistfliegen um sie herumsirren“, erwiderte er kalt, lehnte sich dann ruppig zurück, zog seinen Laptop aus dem Aktenkoffer und heftete seinen Blick auf den Bildschirm. Ich zuckte die Schultern, wandte mich mit roten, heißen Wangen von ihm ab. Der Zorn brodelte in meinem Bauch.
 

Tristan legte sofort seinen Arm um meine Schulter als ich mich verkniffen von Kaiba entfernte und fragte flüsternd mit überraschend aufmerksamem und besorgtem Blick: „Joey – du, was – also was läuft da zwischen dir und Kaiba?“
 

Erst da spürte ich plötzlich diese ganzen heimlich-offensichtlichen Blicke meiner Klassenkameraden auf mir, wurde mir der anderen im Raum vollends bewusst. Ich starrte grimmig zurück, antwortete ein leises, aber zorniges „Nichts, was soll sein?“, während ich barsch seinen Arm von meiner Schulter zog, doch Tristan seufzte nur, ehe er mit den Achseln zuckend erwiderte: „Das sah ja fast aus wie – naja. Mächtig Stress eben.“
 

Seinen Blick dabei sollte ich nie vergessen. Ebenso wenig dieses Gefühl von Lähmung, das sich augenblicklich in meinem Bauch ausbreitete, wie ein Gift, das einem die Bewegungsfreiheit raubte oder den klaren Gedankenfluss – oder nachvollziehbare Gefühle.
 

„Du spinnst doch“, antwortete ich, doch es klang irgendwie hohl in meinen Ohren. Seto Kaiba ignorierte mich konsequent für den Rest des Tages. Ich ihn natürlich auch – fast.
 

~
 

Mit zielstrebigen Bewegungen drückte ich die Knöpfe des Controllers, schwenkte ihn und donnerte mit meinem virtuellen Sportwagen um die Ecke.
 

„Ha!“, rief ich triumphierend, als ich über die Ziellinie raste, riss meine Hände hoch, sprang vom Sofa und jubelte provozierend. Tristan grummelte, drückte sich zurück in die Lehne des Sofas und verdrehte seine Augen.
 

„Du bist'n megaschlechter Verlierer“, neckte ich ihn genüsslich, doch er zuckte nur die Schultern, schüttelte langsam den Kopf. „Im Gegenteil. Du bist einfach nur ein megablöder Gewinner“, erwiderte er trocken und mein Grinsen verbreiterte sich, ich griff nach meinem Glas Cola auf dem Wohnzimmertisch in Tristans gemütlicher, weihnachtlich dekorierter Wohnung, stopfte mir ein paar Schoko-Plätzchen in den Mund und spülte mit der Cola nach. Erst als ich mich zurücklehnte, spürte ich plötzlich den nachdenklichen Blick von Tristans Seite.
 

„Joey“, begann er langsam und ich verdrehte bereits die Augen. Es war dieser Ton. Der Ton, den er anschlug, wenn er nicht wusste, wie er etwas Unangenehmes ansprechen sollte, etwas Ernstes. Gewöhnlich endeten diese Gespräche mit: „Ich hoffe, du weißt, ich bin immer für dich da, Kumpel.“
 

„Jaaah?“, erwiderte ich gedehnt. „Du musst es natürlich nicht sagen. Aber“, druckste er herum und ich seufzte leise, „in letzter Zeit. Nein, eigentlich grundsätzlich. Mit – Kaiba. Was läuft da? Du benimmst dich seltsam, wenn er da ist.“ Ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu und dieses Mal war er es, der seine Augen verdrehte. „Ich mein: noch mehr als sonst“, spezifizierte er trocken, was mir trotz allem ein breites Grinsen entlockte.
 

„Mensch, Tristan“, stöhnte ich dann angenervt, weil er seinen strengen, aufmerksamen Blick nicht abwenden wollte, ich nahm einen Schluck von meiner Cola, zuckte die Schultern, „es ist nichts. Wir schlaf'n nur ab und zu miteinander.“

Was?!“, rief er mit weit aufgerissenen Augen, seine Arme starr vor seinen Körper in die Höhe gerissen, sein Mund öffnete sich und schloss sich, als suchte er Worte, die sich einfach nicht verbalisieren wollten. Ich lachte laut los und er musterte mich mit einem irritierten Blick.
 

„Das war'n Scherz, Kumpel“, meinte ich schnaubend, „du spinnst echt, Tris.“ Mein Magen verkrampfte sich trotz meiner gelassenen Fassade, ich zuckte betont mit den Schultern. „Was soll'n schon sein? Er ist ein Arsch.“ Tristan grinste, aber sein Grinsen wirkte irgendwie schwach. Erleichterung durchzog meinen Magen, als er seinen Blick endlich von mir abwandte und unsere virtuellen Rennautos für eine neue Runde bereitstanden, die Motoren laut aufheulten. Der Controller brummte in meinen Händen.
 

„Joey – du weißt. Also falls doch was ist. Ich hoffe, du weißt, ich bin immer für dich da, Kumpel“, meinte er leise, aber deutlich. Ich atmete tief ein und nickte, meinen Blick stur auf den Fernseher gerichtet.
 

~
 

Genau eine Woche später – nicht, dass es mir aufgefallen wäre – saß ich bereits zehn Minuten mit geschlossenen Augen und hinter dem Kopf verschränkter Arme in meinem Bett. Mürrisch dachte ich über Tristans doofe Ausrede nach. Genervt über Yugis gutmütige Aushilfe im Laden seines Großvaters. Der Abend war hin.
 

Eigentlich wollten wir zusammen etwas unternehmen. So wie fast jeden Freitag – wie früher eben, vor der Oberstufe. Yugi jedoch hatte abgesagt. Sein Großvater bräuchte Hilfe bei der Inventur. Und Tristan lag mit einer Erkältung im Bett – das hatte ihn früher auch nicht abgehalten. Gott, wir wurden vielleicht tatsächlich langsam alt. Stellten Verantwortung und rationale Entscheidungen über Spiel und Spaß. Ich verdrehte genervt die Augen, als mein Handy mit vibrierendem Alarm plötzlich eine neue SMS ankündigte.
 

„In einer Stunde. SK“
 

Ich seufzte, zog mürrisch meine Augen zusammen. Meine Laune war auf dem Boden. Da kam mir ein SK gerade recht mit seinem herablassenden Befehlston, der sogar durch die virtuellen Buchstaben meines Handys tönte. Ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes keine Lust – auf nichts. Fast nichts.
 

„Ich kann heut nicht“, tippte ich knapp, hielt kurz inne, ehe ich mit ironischem Lächeln weitertippte, „außer du gehst mit mir ins Allegro.“
 

Es kam keine Antwort. Nicht, dass ich wirklich eine erwartet hätte – vielleicht ein bisschen, dieses Bisschen, was niemand jemals zugeben würde. Schulterzuckend putzte ich mir die Zähne, zog mir meinen Pullover über den Kopf, stieg in mein Schlafshirt.
 

Ich lag bereits seit über einer halben Stunde im Bett, als mich das penetrante Vibrieren meines Handys aus diesem dämmrigen Zustand riss und ich völlig verpeilt den unterdrückten Anrufer entgegen nahm.
 

„Was'n? Ich schlaf“, murmelte ich undeutlich.

„Wheeler, ich gebe dir zehn Minuten. Ich warte unten im Halteverbot und sicherlich wäre ich in diesem heruntergekommenen Stadtteil bereits aus meinem Wagen gezogen und vergewaltigt worden, hätte ich nicht die Zentralverriegelung betätigt. Also keine Minute länger.“
 

Ich starrte mein Handy an, dann die Decke, die bleich vom schwachen Licht des Bildschirms angeleuchtet wurde, dann wieder mein Handy.
 

„Was?“, fragte ich verständnislos.

„Neun Minuten“, antwortete er lediglich und legte einfach auf.
 

Mit dem Gefühl in einer absolut surrealen, verdammt unlogischen Dimension erwacht zu sein, saß ich plötzlich kerzengerade in meinem Bett. Das Gespräch drang nur stückchenweise in meinen Verstand.
 

Was zur Hölle?!
 

Mit einem Sprung stand ich vor dem Fenster, mein Blick weitete sich einen Moment lang, als ich einen viel zu teuren, viel zu sauberen, viel zu unpassenden Wagen dort stehen sah. Der gehörte hier sicherlich niemandem.
 

Natürlich hatte ich die Entscheidung, ich konnte mich dazu entschließen oder es ablehnen. Jedenfalls redete ich es mir ein, als ich mit meiner Jacke unter dem Arm hastig die Stufen der Holztreppe hinunterdonnerte, über das Altpapier stieg und die schwere, mit Graffiti verschmierte Eingangstür aufriss.
 

Ich klopfte gegen die getönte Fensterscheibe des Wagens, sah mich flüchtig um und öffnete dann die Autotür.
 

„Du bist vier Minuten zu spät“, begrüßte er mich oberlehrerhaft. „Sonst macht es dir doch auch nichts, wenn ich später komm'“, erwiderte ich platt. Er verdrehte seine Augen, ich schnallte mich an, während er bereits den Blinker setzte und rasant losfuhr.
 

Ich versuchte mich unauffällig in dem Wagen umzusehen. Es war ja nicht so, dass ich ihn darum beneidete – ich war nur neugierig. Naja. Zum größten Teil.
 

„Also. Um das jetzt mal klarzustellen“, meinte ich mit gerunzelter Stirn, draußen zogen Lichter der Stadt vorbei, schäbige Häuser wichen frisch renovierten Wohnungen, vor uns fuhr einer mit irritierenden Schlenkern „warum bist du'n eigentlich hier. Und – warum ich, hä?“
 

Seto trat auf die Bremse, zischte etwas von „inkompetenten Sonntagsfahrern“ und gab dann wieder Gas, um zu überholen. Er fuhr nicht aggressiv, aber zielstrebig. Ich fühlte mich wohl auf dem Beifahrersitz, aber es juckte mir unter den Fingern einmal so ein PS-starkes Luxusauto unter den eigenen Füßen zu spüren.
 

„Wenn ich das nur wüsste“, erwiderte er ironisch, undeutlich, aber deutlich genug. Ich brauchte ein paar Augenblicke, um zu begreifen, dass das die Antwort auf meine Frage gewesen war.
 

„Computer. Ab hier die schnellste Route zu der zuletzt eingegebenen Adresse“, sprach Seto plötzlich ganz klar und eine erstaunlich sympathische, weibliche Stimme antwortete: „Gerne, Herr Kaiba. Die Route wird Ihnen jetzt angezeigt. Möchten Sie auch die Vertonung nutzen?“
 

„Nein“, erwiderte er schroff, wie er eben war und ich schnaubte missbilligend.

„Was?“, fragte er ohne mir einen Blick zu schenken.
 

„Sei doch nicht so unhöflich zu ihr!“

Sie ist ein Computer“, erwiderte er, als wäre es ohnehin schon eine Gnade, dass er mir auf so etwas überhaupt geantwortet hatte. War es vielleicht auch. „Klar, bei Menschen machst du ja auch einen Unterschied und bist total höflich“, meinte ich ironisch. Ein herablassendes Lächeln zog an seinen Mundwinkeln. „Den mache ich tatsächlich.“
 

Ich warf ihm einen Blick zu, aus dem Skepsis sprach.

„Manchen Menschen billige ich eine Antwort zu, anderen nicht“, spezifizierte er nach einigen Momenten. Ich hob unwillkürlich meine Augenbrauen.
 

„Wow. Ich fühle mich total geehrt“, erwiderte ich und ließ es vor Ironie triefen. Etwas in seinen Augen funkelte. Eine Welle aus Wärme kribbelte durch meinen Körper.
 

~
 

Es war warm und stickig. Zu viele Menschen drängten sich auf zu wenig Raum. Die Musik dröhnte in meinen Ohren. Künstliches, knallbuntes Licht ließ die Szenen fremdartig erscheinen.
 

Wir standen an der Bar, halb der Tanzfläche zugedreht mit je einem undefinierbaren Getränk in der Hand. Der Bass trommelte durch meinen Körper. Es war seltsam. Seltsam bizarr mit Kaiba hier zu stehen. Seltsam vertraut.
 

„Kaiba, warum –“

Er runzelte die Stirn und ich wollte ihn bereits barsch anfahren, was ihm schon wieder nicht passte, als ich kapierte, dass er mich nicht hörte, meine Worte nicht verstehen konnte. Mit einem Brummeln im Magen beugte ich mich also vor. Das Licht reflektierte sich in seinem sonst brünettem Haar. Grün, gelb, rot, blau. Es war faszinierend.

Vielleicht sollte ich als nächstes einfach nur eine Cola bestellen.
 

„Kaiba, warum bist du'n jetzt eigentlich hier?“

Ich hatte das Gefühl, es in sein Ohr zu brüllen, während sich doch jeder Ton dumpf anhörte.
 

„Du hattest mir geschrieben“, erwiderte er schlicht. Ich dachte nach. Meine Gedanken waren seltsam leicht, einfach. Als wäre die Welt plötzlich ganz simpel zu verstehen. Ich zuckte die Schulter, erinnerte mich nur vage.
 

„Okay“, meinte ich zu Kaiba, ich würde es als geschäftsmäßig bezeichnen, Kaiba wahrscheinlich als planlos, „was tun wir hier also?“

„Da das – so schwer es mir auch fällt zuzugeben – dein Spezialgebiet ist, dein – sagen wir einmal – Revier“ – natürlich verzogen sich seine Lippen zu einem Grinsen aus Provokation bei dem Wort – „darfst du mir das gerne nochmals erklären. Letztes Mal hast du gemeint, dass man hier drin tanzt.“ Obwohl er irgendwie leicht – ich traute mich beinahe nicht, das Wort in Bezug auf Kaiba zu denken – lallte, war seine Wortwahl spitz und sein Ton ironisch. Ich schaute ihn finster an, aber das Gefühl in meinem Magen, das Gefühl in meinem Kopf – ich nahm ihn ohne einen weiteren Gedanken an der Hand, ließ mein Getränk achtlos stehen, er stellte seines ab, blickte mich mit diesem undefinierbaren Blick an, als hätte er alle angreifenden, niederschmetternden, provokanten, sarkastischen Kommentare plötzlich vergessen. Als sähe ich ihm in die Augen ohne, dass diese Mauer sie durchdrang. Nur er. Und ich. Ich fühlte mich ihm näher als zu jedem Augenblick, in dem wir miteinander geschlafen hatten. Ich fühlte mich ihm näher als jemals zuvor.
 

„Wenn du das doch noch weißt“, meinte ich, die Worte schienen mir leicht und doch verschwommen, schwebten in meinem Kopf, rollten dann von meiner Zunge, „dann tanz doch mit mir.“
 

Ich spürte die Hitze in meinem Körper, auf meinem Körper. Das bunte, tanzende Licht. Meine Haut war wie elektrisiert, jedes Mal, wenn er mich berührte, durchzog ein feines Kribbeln meine Glieder, überzog meine Haut. Er war schön. Nicht nur körperlich attraktiv, sondern schön. Er besaß eine Eleganz, eine Ausstrahlung, die alle anderen überstrahlte. Er war auch kaputt. Verletzt. Er schien etwas zu verbergen, aber das war für mich okay.
 

Ich wusste, dass manche Dinge zu tief saßen, zu schmerzhaft waren, um sie vor anderen auszubreiten – oder noch schlimmer – vor einem selbst. Ich konnte das akzeptieren. Ich akzeptierte, dass der große, reiche, mächtige Seto Kaiba auch nur ein Mensch war, der in seiner Vergangenheit verletzt worden war – wer auch immer das getan hatte, wie auch immer es geschehen war. Das rhythmische Licht wog uns in andere Sphären. Eine Realität, in der Vergangenheit zu etwas Unbedeutendem verwischte, Zukunft in ihrer Ungreifbarkeit in Ferne rückte. Eine Realität, in der nur die Gegenwart zählte, dieser Moment. Mit all seinen Wahrheiten und Gefühlen. Eine kribbelnde Hitze. Es gab keine Luft. Aber das war unwichtig.
 

Die Musik hallte in mir wider, ich spürte den Bass, ich spürte seine Hitze, seine Berührungen. Seinen Blick. Ich beugte mich – er lehnte sich vor, ich folgte seiner Bewegung – oder er meiner – ich – er – wir. Dann spürte ich seine Lippen auf den meinigen. Etwas explodierte in mir. Ich wollte, dass die Vergangenheit unbedeutend blieb und die Zukunft in weiter Ferne. Ich wollte nur diesen Moment spüren. Nur ihn und Seto Kaiba.
 


 

[Fortsetzung folgt in Wenn die Vergangenheit Vergangenheit bleiben sollte TEIL II ...]



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  jyorie
2014-05-02T12:12:35+00:00 02.05.2014 14:12
Hey ´・ᴗ・`

bei dem Anfang vom Kapitel, war ich mir mit der Zeitschiene
nicht ganz sicher. Der Anruf von Joey an Seto in der Besprechung
war in der Jetzt-Zeit und danach das ist dann wieder Flash-Back.

Das ist wirklich ein Problem, mit diesen Affären, das Joey
da anspricht, wie versteckt man die Zeit und wie vertuscht man
es, das man lieber etwas anderes machen will, als mit den
Freunden auf Achse zu gehen?!

Die Sache mit Setos privat-Nummer war süß. Wie er sie als
Entschuldigung bekommen hat, wie er sie nach dem Badeunfall
versucht hat in der Telefon-Firmen-Warteschleife wieder zu bekommen.
Und dann schließlich das Paket, von dem ich dachte, Seto ist so
gnädig und spendiert Joey ein Handy. Bei dem Badezusatz musste
ich ja schmunzeln.

Und Joey scheint Seto auch nicht einerlei zu sein, wenn er ihn
sogar zum Tanzen ausführt, obwohl es eigentlich für Joey nur
eine kleine Herausforderung war, und Joey sicher war, das Seto
nicht darauf eingeht, wenn er so profuziert wird, aber es hat mich
dann auch überrascht, wie Seto for der Tür stand.

CuCu Jyorie

Von: abgemeldet
2014-01-05T16:09:11+00:00 05.01.2014 17:09
Wow, echt geniale FF. Es ist eigentlich kein neues Thema, aber du beschreibst es auf deine ganz eigene Art: dein Stil ist angenehm zu lesen und was mir persönlich am Besten gefällt: du schreibst sehr realistisch. So ein Kerl wie Kaiba braucht vermutlich Zeit, um jemand anderen an sich ran zu lassen. Und die hast du genial beschrieben. Sehr schön gemacht.
Dass er wirklich mit Joey tanzen würde und ihn auch noch in der Öffentlichkeit küssen würde, hätte ich nie gedacht. Dass er sich in die Disco schleppen lassen würde, war vorauszusehen, aber ich dachte eher, er würde im VIP - Bereich hocken und das Ganze missmutig beobachten.
Ich bin sehr gespannt, wie dieser Abend ausgeht. Bitte schreib schnell weiter.
Könntest du mich informieren, wenn es weiter geht?
*wink* Pan
Antwort von:  Jaelaki
06.01.2014 23:15
Hallöchen!

Danke für dein Lob! @_@
Das freut mich natürlich! ^^

Diese Disco war eher ein kleinerer Laden. Ich finde zu Joey passt eher etwas Alternatives, Vertrautes, nicht diese Großstadt-Massenabfertigung. Deswegen gab es in meiner Vorstellung in dieser Disco auch keinen VIP-Bereich. Immerhin stand der Abend eben auch unter Joeys Führung. ;-D

Gerne. ^^
Das nächste Kapitel lese ich bereits Korrektur. Es ist also bald zum Upload bereit. ^.-

Gruß,
Jaelaki
Antwort von: abgemeldet
07.01.2014 18:53
Cool, das freut mich. ^.^
Verstehe. Ich hatte eher gedacht, Seto würde sich sowas wagen, wenn er in der Masse untergeht... aber ein kleines Event würde das natürlich erklären.
Freu mich auf's nächste Kapi.
*wink* Pan
Antwort von:  Jaelaki
07.01.2014 19:16
Hallöchen.

:3

In der Disco geht er sozusagen ja in der Masse unter. Aber selbst, wenn es jemandem aufgefallen wäre ... Emma Watson ist es bspw. sogar passiert, dass jemand auf sie zukam und fragte: Weißt du, dass total wie die Schauspielerin von Hermine Granger aussiehst? --> Menschen sind manchmal verpeilt oder eher: Sie rechnen nicht mit >VIPs< in >normalen Buden<. So habe ich es mir bei der Disco vorgestellt. Vielleicht wird der ein oder andere gedacht haben: Mensch, der sieht Seto Kaiba total ähnlich. Den meisten wird es wohl nicht einmal aufgefallen sein. So sind Menschen. ;-D

Das nächste Kapitel steckt übrigens bereits in der Freischaltung. ;-D

Gruß,
Jaelaki
Antwort von: abgemeldet
08.01.2014 14:52
Das hast du echt gut erklärt.
Das ist ihr echt passiert? Da wird sich der Fan im Nachhinein bestimmt geärgert haben. XDDDDDD
Dann geh ich gleich mal gucken, ob's schon on ist. ^.^
*wink* Pan
Antwort von:  Jaelaki
08.01.2014 14:57
Hallöchen.
Japp, ist es. ;-D Sie hat das mal in einem Interview bei >Ellen< erzählt. Ist ihr in der Uni passiert.
Das neue Kapitel ist bereits online. ^.-

Gruß,
Jaelaki
Antwort von: abgemeldet
08.01.2014 16:10
Ist bereits geschehen. ^.^
*wink* Pan
Von:  Onlyknow3
2013-12-20T17:17:47+00:00 20.12.2013 18:17
Schön das es endlich weiter geht,und dann auch noch mit so vielen Infos aus Joeys und Setos Vergangenheit.Mach weiter so,freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Jaelaki
06.01.2014 23:12
Hallöchen!

Danke für deine liebe Rückmeldung! ^.-

Das nächste Kapitel ist bereits in der Phase des Korrekturlesens. Es dauert also nicht mehr lange! Wie versprochen.;-D

Gruß,
Jaelaki
Antwort von:  Jaelaki
07.01.2014 19:28
Edit: Das Kapitel steckt in der Freischaltung und müsste - hoffentlich - demnächst dann zugänglich sein. ;-D

Gruß,
Jaelaki
Von:  Lunata79
2013-12-20T11:31:55+00:00 20.12.2013 12:31
Ein sehr schönes Kapitel. Da kann ich echt nachvollziehen, dass es schwer war, so umzusetzen. Du hast nämlich wirklich viele einzelne Szenen reingepackt und sie sollen noch nicht mal ein Ende haben.
Da bin ich aber wirklich gespannt, was da noch alles kommt.
Ihre gemeinsame Zeit mit den vielen Tiefs und weniges Hochs, war ja schon mal nicht schlecht.
Ich freu mich auf jeden Fall schon auf den zweiten Teil. Ob es noch besser wird, was gerade zwischen Seto und Joey läuft?

Lg
Lunata79
Antwort von:  Jaelaki
06.01.2014 23:11
Hallöchen!

Nach dem ganzen Weihnachtstrubel und Neujahrfeiern komme ich endlich einmal wieder zum Antworten. xD

Vielen Dank für dein Lob!
Ob es besser wird? - das ist die Frage. Zunächst wird es in jedem Falle komplizierter. Dadurch, dass die beiden sich ja aus den Augen verloren haben, wie aus den Anfangskapiteln bekannt ist ... abwarten. ;-D

Gruß,
Jaelaki


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