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Durchgeknallte Traumsequenzen

(was mein Hirn alles so fabriziert?)
von

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Anderer Traum 3 (Königliches Blut - 2. Version) - Teil 1

Ich, Olivia Jelen, 20 Jahre alt, lebe immer noch bei meinen Eltern mit meinem Bruder in Niederösterreich und mache in Wien meine Lehre zur Bürokauffrau. Ich bin erst im 2. Lehrjahr, weil ich so lange nach einer Lehrstelle suchen musste. Nichts desto trotz bin ich sehr einsam, weil ich sehr schüchtern bin.
 

Ich konnte noch keine Freundschaften schließen. Und immerzu träume ich von meinem Traumprinzen, nach dem ich mich so sehr sehne. Ich sehne mich nach Nähe und Wärme. Nicht zuletzt nach Liebe. Außerdem will ich irgendwann auch mein erstes Mal haben. Doch, bisher habe ich meinen Traumprinzen leider noch nicht gefunden. Vielleicht brauche ich dazu ja auch noch viele, viele Jahre. Dennoch fühle ich mich einfach nur einsam. Niemand, der mich mag, oder meine Gesellschaft zu schätzen wüsste.
 

Heute ist Sonntagvormittag, also noch Wochenende, und mein Vater hat beschlossen, dass wir heute die Jelen-Oma zum Mittagessen besuchen werden. Das ist meines Vaters Mutter. Und ich freue mich riesig, dass wir sie besuchen fahren, weil sie einfach meine Lieblingsoma ist.
 

Mir fällt heute allerdings auf, dass sich mein Vater anders verhält. Irgendwas liegt da im Busch. Wenn ich doch nur wüsste, was mit ihm los ist. Selbst meine Mutter wirkt beunruhigt. Was hat ihnen meine Oma nur erzählt?
 

Als wir bei meiner Oma ankommen, werden wir freudig begrüßt und ich bekomme mein Küsschen von meiner Oma. Auch mein Bruder bekommt ein Küsschen. Sofort geht meine Oma zurück in die Küche und kocht fertig. Ich helfe ihr bei den letzten Dingen, die noch zu tun sind. Danach wird das Essen auch schon angerichtet.
 

Während dem Essen fällt mir auf, dass meine Eltern mit meiner Oma Blickkontakte herstellen, die immer wieder zu mir abschweifen. Hier liegt eindeutig etwas im Busch. Und irritierender Weise scheint diese Sache mit mir zu tun zu haben. Denn bisher ist kein solcher Blick auf meinen Bruder gefallen. Also, was ist hier los?
 

Nach dem Essen spricht mich meine Oma dann auch schon unerwartet an:
 

„Olivia, ich hätte da etwas mit dir zu besprechen.“
 

Verwundert sehe ich sie an und antworte fragend:
 

„Ok? … Was gibt´s denn?“
 

„Komm bitte mit, ins Kabinett. Ich möchte das gerne unter vier Augen mit dir besprechen.“
 

Ich nicke und folge ihr ins Kabinett. Dort setzen wir uns auf die Couch, als meine Oma auch schon meint:
 

„Es gibt da etwas, was ich vor euch Kindern verheimlichen musste, weil eure Eltern euch nicht in diese Sache hineinziehen wollten.“
 

Ich blicke sie erstaunt an. Was könnte sie nur meinen?
 

„Ich bin die Königin dieses Landes. Und du, als Erstgeborene, bist auserkoren, meine Nachfolge als Thronfolgerin anzutreten.“
 

Überrascht glotze ich sie mit offenstehendem Mund an.
 

„Ja, du bist eine geborene Prinzessin. Doch deine Eltern wollten, dass du die Möglichkeit hast, normal aufzuwachsen. … Nun ist allerdings die Zeit gekommen, dass ich zurücktrete, weil ich nun doch schon ein gewisses Alter aufweise und den Thron auch nicht länger alleine hüten kann. … Dein Opa war nämlich der König an meiner Seite, bevor er gestorben ist. … Es ist nun an dir, meinen Thron zu übernehmen, aber …“
 

Ich runzle meine Stirn und ahne bereits, was gleich folgen wird.
 

„… Du musst eine Königin sein, um den Thron besteigen zu können, was heißt, dass du verheiratet sein musst. … Deshalb werde ich für dich eine Hochzeit arrangieren, die bereits nächsten Monat stattfinden wird.“
 

„Was? … Du willst mein Leben zerstören? … Das kannst du nicht machen. Ich bin doch noch viel zu jung, um zu heiraten. Ich hatte ja auch noch nicht mal einen Freund.“
 

„Tut mir leid, Olivia, aber daran lässt sich nicht rütteln. Du bist dazu verpflichtet, dem Protokoll Folge zu leisten. … Ich werde bis nächstes Wochenende einen Prinzen für dich suchen, mit dem du verlobt werden sollst. … Und die Hochzeit wird stattfinden, ob du nun willst oder nicht. Denn ich habe das Alter erreicht, zudem ich meinen Thron weitergeben muss. Und daran führt nichts vorbei. … Oder willst du riskieren, dass ein anderes Königreich in unser Land einfällt und uns alle versklavt?“
 

Jetzt starre ich sie geschockt an. Das wären die Konsequenzen, wenn ich mich weigern würde? Wie schrecklich.

Nachdenklich kaue ich an meiner Unterlippe. Dann erkläre ich ihr:
 

„Also schön. Sobald du einen Prinzen gefunden hast, werde ich ihn mir mal ansehen. … Aber, ich entscheide, welchen Prinz ich heiraten werde.“
 

„Mal sehen. … Das kommt ganz darauf an, wie viele freie Prinzen ich ausfindig machen kann.“
 

Gedankenverloren erhebe ich mich von der Couch und verlasse das Kabinett. Mein Blick fällt auf meine Eltern. Sie haben also gewusst, dass ich heute mein bisheriges Leben aufgeben muss. Sie wussten, dass mir ein wildfremder Prinz aufs Aug´ gedrückt wird, den ich heiraten soll. Mein Leben ist vorbei, bevor es überhaupt richtig angefangen hat. Ich breche in Tränen aus.
 

Meine Mutter kommt auf mich zu und versucht mich zu trösten:
 

„Tut mir leid, dass es so kommen musste. … Aber das ist doch nicht der Weltuntergang.“
 

„Mein Leben wird zerstört und das ist kein Weltuntergang? … Ich muss jemand Wildfremden heiraten. Mein Leben ist zu Ende.“
 

„Jetzt übertreibst du aber. … Mit dem Prinzen an deiner Seite fängt doch dein Leben erst richtig an.“
 

Verwundert blinzle ich meine Tränen weg. Mit dem Prinzen fängt mein Leben erst an? Was soll ich mit dem denn anfangen? Zugegeben, es wäre nicht mein Untergang. Aber ich könnte meine Träume nicht mehr ausleben. Ich will doch was von der Welt sehen. Mich ganz oft verlieben und erfahren, wie man eine Beziehung führt, bzw. wie es sich anfühlt, in einer glücklichen Beziehung zu sein.
 

Jetzt kommt auch meine Oma wieder dazu und meint:
 

„Weißt du was? … Wenn du den Prinzen erst kennenlernen willst, ehe du dich entscheidest, dann werde ich dich dazu verpflichten, ihn mindestens 10 Mal zu treffen. … Mit jedem Einzelnen dir zur Verfügung stehenden Prinzen. … Bedenke allerdings, dass ich nur noch drei Monate Zeit habe. Bis dahin muss die Thronfolgerin ihr Amt als neue Königin zieren.“
 

„Nur drei Monate?“ schniefe ich, während ich mir die Tränen aus dem Gesicht wische.
 

Nach reiflicher Überlegung ist das eigentlich das Beste, was mir die Oma anbieten kann.
 

„Also, gut, einverstanden. 10 Treffen mit jedem Prinzen, der zur Wahl steht. So werde ich bestimmt herausfinden können, welcher am besten zu mir passt.“
 

„Gut, dann machen wir das so. … Dennoch muss ich dich darauf aufmerksam machen, dass noch sehr viel vorbereitet werden muss. Es lässt sich also nicht vermeiden, dass die Hochzeit allerspätestens bis Ende nächsten Monats stattfindet.“
 

„Ich habe also nur eineinhalb Monate zur Verfügung, um mich zu entscheiden. … Ich denke, diese Zeit wird reichen, je nachdem, wie viele Prinzen du auftreiben kannst. … Dann werde ich mir die Zeit eben gut einteilen müssen.“
 

„Gutes, Mädchen.“ tätschelt sie mir den Kopf und ich schnaube.
 

Ich bin schließlich kein kleines Kind mehr. Außerdem werde ich schon bald verheiratet. Und, das nicht gerade freiwillig. Wie es scheint, habe ich aber gar keine Wahl. Mein Leben wird durch einen Prinzen entschieden.
 

***
 

Schon drei Tage später erhalte ich einen Anruf von meiner Oma, dass sie nur einen Prinzen ausfindig machen konnte. Sie würde es sehr bedauern, aber sie hätte sonst niemanden mehr in meiner Altersklasse gefunden. Jetzt kann ich nur hoffen, dass mir dieser Prinz auch zusagt und meinen Vorstellungen entspricht, als Partner für den Rest meines Lebens. Ich will nicht.
 

Noch am selben Tag schickt mir meine Oma eine Schneiderin herbei, die von mir die Maße nehmen soll. Scheinbar, um mir Prinzessinnenkleider zu schneidern. Na, ich bin gespannt, wie ich in so einem Kleid aussehe.
 

***
 

Bereits am darauffolgenden Wochenende, wieder an einem Sonntagvormittag, fahren wir wiederholt zu meiner Oma.
 

Doch diesmal ist es eher für die Vorbereitung, den Prinzen kennenzulernen, den meine Oma für mich ausgesucht hat.
 

Sie legt mir Prinzessinnenkleidung und Schuhe bereit, mit einer Prinzessinnenkrone für meinen Kopf, als ich sie erstaunt betrachte. Trägt sie doch tatsächlich eine Königinnentracht. Noch dazu erklärt sie mir, dass sie mir das Verhalten einer Prinzessin im Schnellverfahren beibringen will. Das geht doch niemals gut. Ich mag zwar als eine Prinzessin geboren sein, doch bin ich einfach keine.
 

Nachdem ich mich in das Kleid gesteckt, die Schuhe angezogen, die Krone am Kopf trage und das vorgeführte Verhalten nachzuahmen versuche, scheint meine Oma schon am Verzweifeln.
 

„Es ist doch nicht so schwer, einen Hofknicks hinzubekommen. … Die Knie beugen, Beine dabei leicht überkreuzt und den Oberkörper nach vorne richten, während du dein Gegenüber nicht aus den Augen lässt und deinen Kopf ganz leicht zur Seite neigst. … Jetzt noch einmal.“
 

Ich tue, wie mir gesagt wurde und verliere, wie schon etliche Male davor, mein Gleichgewicht und stürze.
 

„Ich kann das einfach nicht.“ jammere ich.
 

Sie seufzt frustriert und meint, nach einem Blick auf die Uhr:
 

„Wir haben ohnehin keine Zeit mehr. Wir werden um Punkt 14 Uhr auf meinem Schloss erwartet.“
 

„Aber es ist doch erst 12.30 Uhr. Und aufs Mittagessen musste ich auch schon verzichten. … Und warum durfte mein Bruder mit meiner Mama und mit meinem Papa zu meiner Cousine fahren, während ich hier den Prinzessinnenkram machen muss?“
 

„Weil du dann den Prinzen kennenlernen wirst und deine restliche Familie überflüssig ist.“ wird mir erklärt.
 

Ich grummle. Das fängt ja schon gut an.
 

„Zudem ist deine restliche Familie nicht unbedingt vorzeigetauglich, weshalb das ausschließlich ich übernehmen werde.“ fügt sie noch an.
 

„Soll das heißen, sie würden dich blamieren?“
 

„Ja, das wäre der Fall.“
 

Entsetzt starre ich sie mit offenem Mund an. Das ist ja die Höhe. Was denkt sich meine Oma nur? Na, die kann was erleben.
 

Dann treibt sie mich auch schon an, dass ich ihre Wohnung verlasse.
 

Draußen erblicke ich aber überraschender Weise eine weiße Limousine stehen, dessen Chauffeur die Türe aufhält. Meine Oma hält schnurstracks auf die Limousine zu, als ich dann auch schon höre:
 

„Schön, Sie wiederzusehen, Ihre Majestät.“
 

Dann steigt meine Oma stolz und hocherhobenen Hauptes in die Limousine. Doch da winkt sie mir auch schon:
 

„Olivia, komm endlich und steig´ ein. … Wir wollen doch nicht zu spät kommen.“
 

Ich schnaube und meine, auf die Limousine zu stapfend:
 

„Wenn´s denn sein muss.“
 

Ich platziere mich neben sie und verschränke eingeschnappt meine Arme. Pf. Ich hasse mein Prinzessinnendasein schon jetzt.
 

~~~
 

Als wir gegen 13.45 Uhr auf das Anwesen des Königsschlosses die Auffahrt hinauffahren, bin ich überwältigt über die Schönheit des riesigen Vorgartens, versuche mir meine Begeisterung aber nicht ansehen zu lassen.
 

Ganze fünf Minuten fahren wir die Auffahrt entlang, bis wir das Königsschloss auch endlich erreichen. Der Chauffeur öffnet wieder die Tür und wir entsteigen der weißen Limousine.
 

„Komm gleich weiter.“ fordert mich meine Oma auf und ich folge ihr widerwillig ins Schloss.
 

Staunend blicke ich mich um, während wir die Eingangshalle verlassen.
 

„Hier sind meine Gemächer.“ zeigt mir meine Oma ein riesiges Zimmer.
 

Ich beobachte sie, wie sie an eine Kommode geht, und eine Krone hervorkramt. Sie setzt sie sich auf den Kopf, als es plötzlich gegen die offenstehende Tür klopft.
 

„Ja?“ erkundigt sich meine Oma.
 

„König Roland und sein Sohn sind soeben eingetroffen. … Ich habe sie zum Wintergarten gebracht, wie Sie wünschten.“
 

„Sehr schön.“ befindet sie und richtet sich dann an mich, „Komm mit, Olivia. Es wird Zeit, dass du dich dem Prinzen stellst. … Und versuche den Hofknicks zumindest vor dem König hinzubekommen. Beim Prinz musst du, Gott, sei Dank, keine Reverenz halten.“
 

„Was meinst du damit schon wieder?“ frage ich sie genervt.
 

„Der Hofknicks ist eine Reverenz. Damit zollst du ihm deinen Respekt und zeigst ihm deine Wertschätzung. … Und da er extra weit angereist ist, aus einem anderen Land, um dich kennenzulernen, ist das doch das Mindeste.“
 

„Ach, so. … Schon klar.“ seufze ich.
 

„Und vor allem, … Blamiere mich nicht vor dem König.“ ermahnt mich meine Oma.
 

Ich verdrehe meine Augen und meine:
 

„Werd´ ich schon nicht machen.“
 

„Na, dann folge mir.“ führt mich meine Oma wieder aus ihren Gemächern, einige Gänge entlang.
 

Als wir uns dem Wintergarten zu nähern scheinen, erblicke ich allerdings nur einen älteren Herrn, in königlichen Gewändern.
 

Meine Oma gibt mir einen seitlichen Schubs und flüstert mir zu:
 

„Das ist König Roland. Sobald du zwei Meter vor ihm bist, mach´ den Hofknicks.“
 

Ich tue, wir mir geheißen und halte mich konkret an die zwei Meter Abstand, ehe ich meine Knie beuge, leicht überkreuze, meinen Oberkörper nach vorne richte und ihn keine Sekunde aus den Augen verliere, während ich meinen Kopf leicht zur Seite neige. Zum Glück kann der König unter dem langen Kleid nicht sehen, wie meine Knie zittern, vor Anstrengung. Dann richte ich mich wieder auf und der König lächelt mich freundlich an.
 

„Ihr müsst Prinzessin Olivia sein.
 

Ehe ich auch nur darauf antworten kann, kommt mir meine Oma zuvor:
 

„Ja, das ist sie. … Ich bin hocherfreut, dass Ihr einer Verlobung zwischen Eurem Sohn und meiner Enkelin zugestimmt habt.“
 

„Nun, … mein Sohn hat bereits ein Alter, wo er eigentlich längst verheiratet sein sollte. Doch er hatte seine eigenen Vorstellungen vom Leben und sich deshalb bis jetzt davor erfolgreich gedrückt. Jetzt kann er sich aber nicht länger davor drücken, da er der Einzige noch unverheiratete Prinz ist. Und ich bin überaus glücklich darüber, ihn nun der Hände ihrer liebreizenden Enkelin zu überlassen.“ schmunzelt der König.
 

Ich lächle verlegen und unsicher. Und irgendwie krieg´ ich auch leichte Panik. Jetzt geht´s um meine Zukunft. Was für ein Prinz wird mich wohl erwarten?
 

„Olivia, hinter der Tür dürfte der Prinz auf dich warten. So geh´ doch endlich rein und lass´ ihn nicht länger warten.“ versucht mich meine Oma anzutreiben.
 

Unsicher blicke ich meiner Oma ins Gesicht und dann auch in das von König Roland. Ihn als Schwiegervater zu bekommen, wäre ja nicht so schlimm. Er wirkt wirklich sehr nett. Trotzdem hab´ ich einen Bammel. Da drin wartet schließlich ein waschechter Prinz auf mich und ich habe keine Ahnung, was mich erwarten wird.
 

„Ach, Prinzessin.“ hält mich der König auf, gerade, als ich an die Türklinke greifen wollte.
 

Ob er mitbekommen hat, dass meine Hände zittern? Unsicher blicke ich zu ihm zurück.
 

„Ich sollte Euch vielleicht vorwarnen. Mein Sohn ist etwas eigen, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht. Soll heißen, er hat keine Ahnung. … Und er könnte auch böser wirken, als er eigentlich ist. … Wenn Ihr es schafft, Euch ihm zu beweisen, wird er für Euch vielleicht etwas zugänglicher. … Und nun will ich Euch nicht länger davon abhalten, meinen Sohn kennenzulernen.“ lächelt er mich verständnisvoll an.
 

Sollten mich seine Worte irgendwie aufbauen? Denn genau das Gegenteil ist der Fall. Jetzt hab´ ich noch mehr Schiss, als vorher. Ich will hier weg.
 

Doch, ehe ich noch irgendwelche anderen Gedankengänge ausführen kann, greift meine Oma zur Türklinke und schubst mich dahinter, als vor meiner Nase auch wieder die Tür verschlossen wird. Jetzt schleudere ich ihr Blitze, durch das Türfenster, zu, das die Tür ausschließlich im oberen Bereich aufweist. Auch der König tritt nun ans Fenster und ich weiche unwillkürlich zurück.
 

Plötzlich wird mir bewusst, dass der Prinz nicht fern sein kann und drehe panisch der Tür den Rücken zu, um nach dem Prinzen Ausschau zu halten.
 

Dann erblicke ich den Prinzen. Er sitzt an einer kurzen Mauer und scheint Däumchen zu drehen. Langsamen Schrittes trete ich unbewusst näher, weil ich ihn nicht gut, aus dieser Ferne, erkennen kann. Und umso näher ich komme, offenbaren sich mir vier runde kurze Steinmauern, die einen weißen Pavillon mit etwa zwei Metern Abstand umzäunen, wo auf jeder Geraden eine Öffnung freigelassen wurde. Und mit Abstand von den Mauern befinden sich etliche Blumenbeete und -sträucher. Die Umgebung hat auch etwas Romantisches an sich.
 

Als ich nur noch wenige Meter von ihm entfernt bin, hebt er allerdings den Kopf und meine Augen weiten sich. Oh, mein Gott, nur er nicht. Nicht er. Nicht Seto Kaiba. Mein schlimmster Alptraum hat sich soeben erfüllt. Ich will hier weg. Und zwar schnellstens.
 

Ich lege den Rückwärtsgang ein. Warum er? Warum ausgerechnet er? Der, in den ich heimlich schon eine ganze Weile verliebt bin. Er kann mir die Illusionen von sich nehmen. Er kann mir mein Herz brechen. Er kann mich zerstören.
 

Mit einem Ruck drehe ich mich um und nehme meine Beine in die Hand, um wieder zur Tür zu eilen, bei der ich reingekommen bin. Verzweifelt rüttle ich an der Tür und schreie:
 

„Lasst mich raus. Ich will hier weg.“, während sich bereits Tränen in meinen Augen sammeln.
 

Meine Oma kann nicht gewusst haben, dass ich ihn liebe. Und dennoch … Warum tut sie mir das nur an?
 

Verzweifelt versuche ich durch das Türfenster zu sehen, doch niemand ist mehr zu sehen. Verzweifelt rüttle ich weiter an der Tür. Hat sie mich allen Ernstes mit ihm hier eingeschlossen? Das darf ja nicht wahr sein.
 

Plötzlich erschrecke ich, als eine Hand neben mir an die Tür knallt.
 

„Dass jemand vor mir wegrennt, habe ich noch nie erlebt. Bisweilen war es immer das Gegenteil.“ höre ich seine verdammt angenehme und männliche Stimme.
 

Verdammt, ich sitze in der Falle. Panisch drehe ich mich um und drücke mich mit dem Rücken an die Tür. Mit schnellen Blicken sehe ich mich um, ob es vielleicht noch einen anderen Ausweg gibt. Ok. Links und rechts sehe ich noch Türen. Links führt raus in den Garten und Rechts in das Innere des Schlosses. Ich muss beide zumindest versuchen.
 

Ich ducke mich unter seinem Arm hinweg und renne, was das Zeug hält auf die Gartentür zu und rüttle abermals verzweifelt daran. Verdammt.
 

Schon führt mich mein Weg zur zweiten Tür und wieder rüttle ich erfolglos daran. Verzweifelt lasse ich mich vor der Tür auf den Boden sinken. Ich bin mit ihm eingeschlossen. Ich fasse es nicht.
 

„Wir sind hier eingeschlossen? Sehe ich das richtig?“ scheint nun auch ihm die Erkenntnis zu kommen, dessen Stimme nicht weit von mir entfernt klingt.
 

Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Meine Oma muss gewusst haben, dass ich vor ihm davonrennen würde. Dann kommt mir auch schon die Erleuchtung. Meine Mutter hat es ihr verraten. Das heißt auch, sie wusste, wer der Prinz ist, mit dem ich verlobt werden soll. Meine Oma hat nur mir nichts gesagt. Aber was soll ich jetzt nur tun?
 

Seufzend erhebe ich mich wieder in den Stand und straffe meine Schultern. Dann muss ich mich ihm wohl stellen. Denn, wie es aussieht, kann ich nicht vor ihm fliehen, weil wir hier eingeschlossen sind. Dummerweise hat mir meine Oma aber nicht gesagt, wie lange ich mich bei ihm aufhalten muss. Eine Katastrophe. Aber nicht mehr zu ändern. Da muss ich jetzt durch. Ich atme tief durch und drehe mich zu ihm um, wie ich vermute.
 

Wenigstens ist er mir nicht wieder auf die Pelle gerückt. Er hat einen Sicherheitsabstand von fünf Metern eingehalten, damit ich nicht wieder vor ihm wegrenne. Ich lasse meinen Blick schweifen, als er beim Pavillon stoppt. Meine Beine bewegen sich von ganz alleine und nähern sich dem Pavillon. Ich hab´ schließlich noch nie einen aus nächster Nähe gesehen. Und die Rosenranken, die sich darum schlingen, sehen einfach nur schön aus.
 

Mit meinen Schritten umkreise ich den Pavillon, um ihn von allen Seiten zu bewundern. Schon macht sich meine Fantasie ans Werk.
 

Seto und ich im Pavillon vor einem Altar stehend, wie wir getraut werden. Ich, im weißen Brautkleid, und er, in einem schwarzen Anzug.
 

Schnell schüttle ich meinen Kopf.
 

Seto und ich unter einem blumenüberwucherten Torbogen. Ich, im weißen Brautkleid, und Seto, in einem schwarzen Anzug.
 

Wieder schüttle ich meinen Kopf. Wieso kommen mir solche Fantasien? Nur, weil ich jetzt weiß, dass ich Seto werde heiraten müssen? Na, wirklich schöne Aussichten. Jetzt hat mein gesichtsloser Traumprinz plötzlich das Gesicht von Seto Kaiba erhalten. Wie ätzend. Kann es mich noch schlimmer treffen?
 

Seufzend betrete ich, von Seto in meinem Tun beobachtet, den Pavillon, erblicke mittig einen Ziertisch mit zwei Stühlen gegenüber, und lasse mich auf einen der Stühle plumpsen. Es bringt ja doch nichts, zu versuchen, vor ihm davonzulaufen. Im Anschluss dieses Treffens wird vermutlich ohnehin unsere Verlobung besiegelt. Und Ende dieses Monats werde ich ihn heiraten müssen. Aber zumindest bleiben mir ja noch zehn Treffen mit ihm, um mich an den Gedanken zu gewöhnen.
 

Im Augenwinkel bemerke ich, wie Seto vorsichtige Schritte auf mich zumacht und den Pavillon ebenfalls betritt. Als fürchte er, dass ich wieder Reißaus nehmen könnte, vor ihm. Nur zögerlich kommt er dem Ziertisch immer näher und setzt sich auf den zweiten Stuhl, mir gegenüber. Ich seufze ergeben und lasse mich in den Stuhl sinken, während ich meine Arme verschränke.
 

„Du bist Prinzessin Olivia, wie ich annehme?“ spricht er mich unvorhergesehen an.
 

Ich zucke leicht zusammen, sehe ihn vorsichtig an und nicke leicht. Wieso weiß er das? Ihm wurde es gesagt, nur mir nicht? Wie ungerecht.
 

„Und du weißt, wer ich bin.“ stellt er fest.
 

Wieder nicke ich, obwohl eine Antwort meinerseits überflüssig ist.
 

„Und dir wurde nicht gesagt, auf wen du treffen wirst, nehme ich an.“
 

Wieder nicke ich nur.
 

„Und da wir sichtlich eingeschlossen sind, vermute ich, deine Großmutter wusste, du würdest vor mir wegrennen wollen, was auch erklären würde, warum sie dir nichts gesagt hat.“
 

„Wahrscheinlich.“ antworte ich ihm so schüchtern leise, dass er mich unmöglich verstanden haben kann.
 

Aber ich traue mich nun mal nicht, lauter zu sprechen. Außerdem fühle ich mich unwohl, ihm ausgeliefert zu sein.
 

„Du bist wohl von der schüchternen Sorte, was? … Na, das kann ja heiter werden.“ sagt er Letzteres eher zu sich selbst.
 

Was soll das denn heißen? Stelle ich für ihn jetzt etwa ein Problem dar? Na, wirklich toll. Ich geh´ ihm jetzt schon auf den Senkel. Das war´s mit der Verlobung und dem Thron meiner Oma. Ich kann ja schließlich nichts dafür, dass ich so schüchtern bin. Warum bin ich zuhause eigentlich nicht schüchtern, oder meiner Oma gegenüber. Ich seufze frustriert auf.
 

Als ich ein Klacken an einer Tür, die ins Innere des Schlosses führt, vernehme, blicke ich hoffnungsvoll auf, doch es ist nur ein Butler, der uns mit einem Servierwagen etwas zu bringen scheint.
 

Der Butler kommt mit dem Servierwagen zu uns an den Tisch und richtet uns Kaffee, fertigen Tee und Kuchen an. Danach tritt er den Rückweg an und verschließt anschließend wieder die Tür. Mist, wieder kein Entkommen möglich.
 

Dann beobachte ich Seto, wie er sich, sichtlich genervt, Kaffee in eine Tasse leert und pur einen Schluck trinkt. Zögerlich fällt mein Blick auf den Tisch. Seufzend gieße ich mir Tee in eine Tasse und schnuppere daran. Mhmmm, Pfefferminz. Ich liebe Pfefferminztee. Ich werfe mir noch zwei Löffel Zucker dazu und verrühre den Tee. Und das Rühren klingt in meinen Ohren so laut, dass es mir unangenehm ist.
 

„Könntest du das bitte unterlassen?!“ schnauzt mich da auch schon Seto an und ich zucke zusammen.
 

Ich lasse den Löffel fallen und ziehe meine Hände zurück. Noch nie im Leben habe ich mir so sehr gewünscht, woanders zu sein, als jetzt. Ich will diesen ganzen Mist doch gar nicht. Warum muss ich hier sein? Meine Augen beginnen zu brennen. Ich will hier weg.
 

Ich lege meine Arme um mich und blicke sehnsüchtig zur Tür, wo ich hereingekommen bin. Wie lange muss ich noch seine Gesellschaft ertragen?
 

Mir kommen die Worte von König Roland wieder in den Sinn. Ich soll mich ihm beweisen? Aber, wie? Ich bin doch viel zu schüchtern für alles. Ich schließe meine Augen, um meine Tränen zurückzukämpfen. Automatisch beginne ich in die Umgebung zu lauschen. Es ist so ruhig. Aber, halt. Ich höre Musik. Wo kommt die Musik so plötzlich her? War sie vorher auch schon zu hören?
 

Unwillkürlich erhebe ich mich vom Stuhl und sehe mich um, wo ich glaube, die Musik gehört zu haben. Ich folge dem Klang, indem ich immer wieder Mal meine Augen schließe und mich daran orientiere, wo sie lauter hörbar wird. Irgendwann finde ich mich an einer Wand wieder und lausche gegen die Wand.
 

Unerwartet höre ich die Stimmen von meiner Oma und König Roland.
 

„Seid Ihr sicher, dass es so klug war, die beiden einzuschließen?“ höre ich König Roland fragen.
 

„Es musste sein. Meine Enkelin ist leicht zu durchschauen. Es war abzusehen, dass sie zu fliehen versuchen würde, sobald sie weiß, wer ihr Verlobter sein soll.“
 

„Warum habt Ihr mir verschwiegen, dass Eure Enkelin von schüchterner Sorte ist? Seto ist nicht zimperlich, was das weibliche Geschlecht angeht. Er wird sie einschüchtern und verschrecken, weil er sein bisheriges Leben nicht aufgeben will.“
 

„Das mag sein. Aber die Zwei passen perfekt zusammen. … Ihr habt doch selbst die Liste der Eigenschaften und Lieblingsbeschäftigungen gesehen, die ihre Mutter für mich ausgefüllt hat. Außerdem verfliegt ihre Schüchternheit, sobald sie mit ihm vertrauter wird.“
 

„Ich wage zu bezweifeln, dass Seto das zulässt, wenn ihm ihre Enkelin nicht zusagt. Und ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich mit ihrem Königshaus Verbindungen schließen will.“
 

Unwillkürlich suche ich Seto mit meinem Blick, als ich erschrecke, weil er neben mir ebenfalls an der Wand lauscht. Kann es sein, dass er mich irgendwie verfolgt? Ich verdrehe meine Augen und lege mein Ohr wieder an.
 

Ich höre König Roland lachen.
 

„Ihr glaubt allen Ernstes, dass Ihre Enkelin Seto Angst einjagen könnte?“
 

„Habt Ihr noch nie das Sprichwort gehört, ‚stille Wasser sind tief‘? … Und ich kann Euch versichern, das Gewässer, aus dem meine Enkelin gemacht ist, ist sehr tief. Sie wird Eurem Sohn schon noch zeigen, aus was für Holz sie geschnitzt ist. Seid mir versichert.“
 

„Dann freue ich mich darauf, zu sehen, wie sich das zwischen den beiden entwickeln wird.“
 

Plötzlich verstummen die Stimmen. Sie scheinen den Raum verlassen zu haben.
 

Ärgerlich darüber entferne ich mich wieder von der Wand und blicke wieder zu Seto, der sich nun ebenfalls von der Wand entfernt hat. Mit gerunzelter Stirn betrachtet er mich. Ich schnaube und stampfe wieder zurück zum Pavillon, um mich wieder auf den Stuhl zu pflanzen, auf dem ich schon zuvor gehockt habe. Verärgert über meine Oma, überschlage ich meine Beine und verschränke meine Arme. Ich bin sauer. Sie hat mich übers Ohr gehauen und glaubt auch noch, alles über mich besser zu wissen. Und meine Mutter hat da auch noch mitgemischt. Wem kann ich überhaupt noch vertrauen?
 

„Ich hätte nicht gedacht, dass deine Großmutter so durchtrieben ist.“ ertönt da Seto´s Stimme.
 

„Hm?“ blicke ich auf, da ich nachdenklich meinen Kopf gesenkt hatte, als er sich eben wieder zu mir gesellt, an den Tisch.
 

Er schenkt sich noch eine Tasse Kaffee ein und erinnert mich:
 

„Dein Tee wird kalt.“
 

Ich werfe einen Blick auf meinen Tee und erinnere mich wieder daran, dass es ihn genervt hat, als ich mit dem Löffel gerührt habe. Also wende ich meinen Blick wieder ab, zur Seite. Die Lust auf Tee ist mir gehörig vergangen. Da verdurste ich lieber.
 

„Willst du deinen Tee nicht mehr?“ scheint er verwundert.
 

Doch ich schüttle nur meinen Kopf, ohne ihn anzusehen.
 

Plötzlich vernehme ich Rührgeräusche und blicke doch noch auf, als ich feststelle, dass er meinen Tee rührt. Dann darf ich ihn auch noch, mit großen Augen, dabei beobachten, wie er einen kleinen Schluck probiert.
 

„Pfefferminz? Schmeckt gar nicht so übel.“
 

Entsetzt springe ich halb auf und reiße ihm die Tasse aus der Hand. Sichtlich belustigt darüber, beobachtet er mich dabei, wie ich die Tasse in meinen Händen betrachte. Dann drehe ich sie um 180 Grad, um nicht an derselben Stelle, wie er, zu trinken und mache einen Schluck. Ich fasse es nicht. Wir haben aus derselben Tasse getrunken.
 

Schüchtern blicke ich wieder zu ihm auf, während sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen stiehlt. Jetzt hat er mich doch dazu gebracht, den Tee zu trinken. Nun, … vielleicht ist er doch kein so übler Kerl. Aber, nur vielleicht.
 

Unerwarteter Weise hören wir wieder Türklacken, nur diesmal sind es meine Oma und König Roland, die zur Tür hereinkommen, durch die auch ich gekommen bin.
 

„Seto, es wird Zeit für uns, zu gehen.“ ertönt König Roland´s Stimme.
 

Seto erhebt sich, trinkt in einem Schluck die Tasse leer, stellt sie auf den Tisch zurück und salutiert mir im Gehen. Ich kann ihm nur belustigt nachschnauben und schüttle meinen Kopf. Im Nachhinein tut es mir fast leid, dass die Zeit mit ihm nur so kurz war. Es war zuletzt doch ganz angenehm mit ihm.
 

Seufzend blicke ich ihm nach und versuche mir vorzustellen, mit ihm verheiratet zu sein. Doch muss ich den Kopf schütteln, weil ich ihn nicht einzuschätzen weiß.
 

„Und, wie war´s?“ erkundigt sich meine Oma bei mir, als sie bei mir ankommt.
 

Mir kommen ihre Worte, die ich gelauscht habe, wieder in den Sinn. Sie hat eigentlich eine Lektion verdient. Ich werde mir wohl etwas ausdenken müssen.
 

„Hm, kann ich noch nicht so sagen. Wir haben kaum etwas miteinander gesprochen und gerade mal gemeinsam etwas getrunken.“
 

„Vielleicht wird es morgen ja besser. Ich habe nämlich entschieden, dass ihr euch bis zu eurer Hochzeit täglich trefft, damit ihr vertrauter miteinander werdet.“
 

„Was? Ich soll ihn ganze neunzehn Mal noch treffen?“, bin ich entsetzt, „Das überlebe ich nicht.“ flehe ich um Erbarmen.
 

„Ich habe gesprochen und es wird eingehalten.“ bestimmt meine Oma.
 

Na, das kann ja noch lustig werden.
 

„Außerdem habe ich mir überlegt, dass du bereits in den nächsten Tagen hier einziehen kannst, um dich schon mal mit dem Schloss vertraut zu machen. … Und sobald du dich eingewöhnt hast, werde ich ausziehen.“ teilt mir meine Oma unvorbereitet mit.
 

„Und wer sagt mir dann, wie ich unser Land regieren soll?“ will ich wissen.
 

„Lass´ das ruhig Prinz Seto´s Sorge sein. Er wird dich, mit der Zeit, schon darüber in Kenntnis setzen.“ antwortet sie mir und ich blinzle irritiert.
 

Hallo? Er hat vorher nur eine Firma geführt. Woher soll er wissen, wie man ein Königreich regiert? Jetzt schlägt sie aber wirklich über die Strenge. Das braucht wirklich eine Lektionserteilung.
 

***
 

Tags darauf werde ich um 11 Uhr direkt mit der weisen Limousine zu meiner Oma gebracht, die dann zusteigt, und wir dann weiter zum Königsschloss meiner Oma fahren.
 

Die ganze Nacht und heute Vormittag habe ich mir überlegt, was für eine Lektion ich ihr erteilen könnte. Mir wollte nichts Gescheites einfallen.
 

Außerdem bin ich gespannt darauf, wie Seto und ich uns heute verstehen. Gestern gegen Schluss fand ich ihn nämlich gar nicht mehr so übel.
 

~~~
 

Wir sind da. Unsicher und nervös steige ich aus der Limousine und folge meiner Oma ins Innere des Königsschlosses. Es ist wiederholt 13.50 Uhr.
 

„Ehe unsere Gäste eintreffen, würde ich dir gerne deine Gemächer zeigen, in denen du deine zukünftige Zeit zubringen wirst, bis du heiratest.“
 

Neugierig folge ich ihr. Sie scheint sich ja wirklich gut vorbereitet zu haben, um mich dazu zu bewegen, Seto Kaiba zu heiraten. Ich will aber selbst herausfinden, ob er zu mir passt, oder nicht. Ich will mich nämlich selbst dazu entscheiden, ihn zu heiraten, damit es sich nicht wie eine arrangierte Hochzeit anfühlt.
 

Nachdem sie mir endlich meine Gemächer gezeigt hat, kommt dann auch schon der Butler und verkündet:
 

„König Roland ist soeben mit seinem Sohn eingetroffen.“
 

Ich werde unruhig und nervös. Und mir kommt in den Sinn, dass ich König Roland vielleicht wissen lassen sollte, dass wir sie belauscht haben und ich über das Gesprochene nicht sehr begeistert war.
 

„Na, komm Olivia. Prinz Seto wartet schon auf dich.“
 

Verunsichert, wie unser Aufeinandertreffen diesmal ausfällt, schlurfe ich hinter ihr her.
 

Als wir dann endlich die Tür zum Wintergarten erreichen, steht wiederholt König Roland davor. Wie auch am Vortag verbeuge ich mich mit einem Hofknicks und lege ich meine Hand an mein Herz, um ihn zu informieren, während ich seine Aufmerksamkeit auf mir habe, und lege selbige Hand an mein Ohr, ehe ich auf ihn und meine Oma deute. Seine Augen weiten sich überrascht. Doch, ehe sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln verziehen können, wird sein Gesichtsausdruck ernst, deutet mir mit seinen Fingern einen Kreis für die Umgebung im Wintergarten, dann greift er sich ans Ohr und deutet auf mich und die Tür für Seto und mich. Meine Augen werden groß.
 

Meine Oma belauscht uns? Das ist zu viel. Jetzt reicht es mir mit ihr. Das geht eindeutig zu weit.
 

Ich deute ihm ein Rechteck für Zettel und tue so, als würde ich schreiben, für einen Kugelschreiber. Doch der König öffnet seine Hände, um zu verdeutlichen, dass er beides nicht bei sich trägt.
 

„Jetzt lass´ dir doch nicht so viel Zeit. Prinz Seto wartet auf dich.“ ist sie sichtlich ungeduldig, weshalb ich mich endlich wiederaufrichte.
 

„Du hast nicht zufällig Blatt und Stift zur Hand?“ frage ich sie zusammenhanglos.
 

„Wozu brauchst du das denn? Jetzt geh´ endlich rein, zum Prinz. Er wartet schließlich auf dich.“
 

Flehend blicke ich noch einmal zum König zurück. Verdammt, ich kann Seto nicht warnen.
 

Schon werde ich durch die Tür geschubst und die Tür hinter mir abermals verschlossen. Mist, verdammter. Aber, wenn hier wirklich Wanzen angebracht sind, müssten sie doch irgendwie auffindbar sein. Stutzig blicke ich mich um. So, auf die Schnelle werde ich leider keine finden können. Hm. Vielleicht könnten wir ja auch den Raum wechseln. Mir kommt da auch schon eine geniale Idee, für eine Lektion für meine Oma. Wir nehmen Reißaus aus diesem verwanzten Raum.
 

Normalen Schrittes, damit es nicht zu auffällig klingt, trete ich an die Gartentür. Ich versuche sie leise zu öffnen, doch sie ist schon wieder oder immer noch verschlossen. Ich halte dann mal Ausschau nach Seto. Er beobachtet mich irritiert. Ich hoffe, er schweigt weiterhin.
 

Ich tippe mir ans Kinn und überlege, wie wir hier rauskommen könnten, während ich die Gartentür anblicke. Und mir kommt in den Sinn, dass, wenn wir nicht mehr belauscht werden, meine Oma nicht mehr bestimmen kann, wann wir uns trennen. Ich glaube nämlich nicht, dass König Roland gestern schon unbedingt gehen wollte. Ich vermute da schon eher, dass es meine Oma beunruhigt hat, weil wir uns nicht unterhalten haben. Ob sie uns schon gestern belauscht hat? Und scheinbar hat sie gestern auch König Roland davon in Kenntnis gesetzt und vielleicht sogar mithören lassen. Ob er auch Seto davon erzählt hat?
 

Wie auch immer. Die Gartentür ist wohl die einzige Möglichkeit nach draußen zu gelangen. Ich blicke zu Seto zurück und frage mich, ob er sie wohl mit einem Tritt aufkriegen würde?
 

Als sein Blick genau in meine Augen trifft, senke ich den Blick und lege ein kleines Lächeln auf meine Lippen, ehe ich auf ihn deute. Anschließend deute ich ihm einen Tritt gegen die Gartentür an, doch zuvor stoppe ich ihn noch mit meiner Handfläche, lege meine Hand an meine Ohren und deute umschweifend auf unsere Umgebung, um ihm zu verdeutlichen, dass wir belauscht werden.
 

Er hat scheinbar begriffen, denn seine Augen weiten sich. So viel dazu, dass Seto Bescheid wusste.
 

Er nickt mir zu und winkt mir, zur Seite zu gehen, während er auf mich zukommt. Ich trete ein ganzes Stück zurück, um Seto für einen Anlauf Platz zu machen. Seto läuft an, springt, tritt mit beiden Füßen gleichzeitig zu, als er sich auch schon geschickt aufstützt, um sich nicht auf dem Boden zu verletzen. Die Tür springt auf. Schnell melde ich mich zu Wort, während ich mir etwas einfallen lasse:
 

„Wieso habt Ihr das gemacht? Ihr habt Euch jetzt bestimmt die Schulter ausgerenkt.“
 

Er erwidert mir nüchtern klingend, während seine Mundwinkel zucken:
 

„Die war schon ausgerenkt, als ich hier ankam. Ich habe sie mir nur wieder eingerenkt.“
 

Ich muss mir die Hand vor den Mund halten, weil ich mir ein Kichern verkneifen muss, es aber nicht schaffe. Seine Antwort war einfach nur genial.
 

Schon deute ich ihm mit dem Kopf, von hier abzuhauen. Er nickt und folgt mir nach draußen. Wow. Hier ist es wirklich schön. Warum hat sich meine Oma bisher nur zurückgehalten, mir das alles zu zeigen?
 

Überwältigt blicke ich zu Seto, der mir gemächlich nachfolgt. Klar, er ist Reichtum gewohnt und kann sich über den Anblick nicht erfreuen, weil er schon den Blick für das Schöne verloren hat. Vielleicht wird es aber Zeit, dass er wieder zu sehen beginnt. Nur, wie stelle ich das am Geschicktesten an?
 

Ich gehe nicht davon aus, dass wir die nächste Zeit wieder hier aus dem Wintergarten rauskommen werden. Wieso sperrt uns meine Oma überhaupt ein? Nur, weil wir unwillig sind, uns miteinander zu verheiraten? Das muss ja nicht so bleiben. Zumindest bin ich neugierig geworden, wie Seto so ist.
 

„Darf ich dich fragen, warum wir jetzt eigentlich aus dem Wintergarten ausgebrochen sind?“ will Seto wissen.
 

Ah, mein Stichwort. Ich sammle mir meinen Mut zusammen, damit ich ihm meine Idee erläutern kann.
 

„Ich finde es einfach gemein von ihr, dass sie mich so hinterhältig hinterrücks umgeht. Und sie scheint auch ihre Neugier nicht zügeln zu können und hört uns ab. Deshalb wollte ich ihr auch eine Lektion zuteilwerden lassen. … Außerdem, warum sollte ich mich, von ihr, mit dir im Wintergarten einsperren lassen, wenn es so viele schöne Orte und Plätze gibt, wo man seine Zeit zubringen kann?“ gebe ich leise und schüchtern von mir.
 

Seine Mundwinkel zucken, während ich vor ihm rückwärts hergehe.
 

„Deine Großmutter hat wirklich einen Schaden.“ schüttelt er jetzt den Kopf.
 

„Oder eine zügellose Neugier, wie das zwischen uns läuft, damit sie sich unbemerkt einmischen kann.“ schlage ich ihm vor.
 

Ich senke meinen Kopf und schlendere jetzt neben ihm her, während wir irgendeinem Weg folgen.
 

Wir merken gar nicht, wie die Zeit vergeht, als es dunkel und kühler wird.
 

Als ich zu frösteln beginne, zieht er sich irritierender Weise seine Anzugsjacke aus und hängt sie mir um. Noch dazu legt er seinen Arm um meine Schultern, um mich zu wärmen. Verwundert blicke ich zu ihm auf, ins Gesicht, als er auch schon meint:
 

„Wir sollten zurück. Es ist schon spät.“
 

Ich nicke nur, während mir auffällt, dass er wohl ein richtiger Gentleman ist. Seufzend schmiege ich mich an seine Seite und umschlinge zögerlich seine Taille mit meinem linken Arm. Sofort wirft er einen verwunderten Blick zu mir herab, da ich ihm gerade bis unter seine Schultern reiche. Ich blicke zu ihm auf und ein verlegenes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, während ich den Blick an seine Brust senke, die aber nicht wirklich meine Aufmerksamkeit bekommt.
 

Ob er wohl schon sehr viele Frauen so eng bei sich hatte? Ob er überhaupt noch Jungfrau ist? Aber vielleicht hatte er ja auch schon mehrere geheime Affären. Sollte ich mir darüber überhaupt Gedanken machen, wenn wir doch eigentlich gar nicht gewillt sind, die Hochzeit miteinander einzugehen? Eigentlich. Wieso habe ich jetzt das Wörtchen ‚eigentlich‘ gedacht? Habe ich meine Meinung etwa schon geändert? Ziehe ich es etwa doch in Betracht?
 

Würde er mich überhaupt auf Händen tragen, mit meinem Gewicht? Ist er mein Traumprinz, von dem ich immer schon geträumt habe? Das werde ich wohl abwarten müssen. Achtzehn Treffen stehen ja noch aus. Und wir wissen noch immer so viel von uns, wie am Anfang. Nämlich gar nichts. Außer dem, was über ihn in den Zeitungen steht. Aber darauf gebe ich keinen Cent.
 

Als wir aus der Ferne schon das Königsschloss sehen können, sind auch kaum meine Oma und König Roland unter der Beleuchtung an den Stufen zum Eingang zu übersehen, die scheinbar besorgt, nach uns Ausschau gehalten haben. Allerdings bemerke ich sofort, dass sich König Rolands Lippen zu einem Lächeln verziehen, nachdem er uns quasi Arm in Arm erblickt hat.
 

Auch, als wir vor ihnen zum Stehen kommen, nimmt Seto seinen Arm nicht zurück.
 

„Olivia. Um Himmels Willen, wo wart ihr? Ich hab´ mir Sorgen gemacht. Euch hätte, weiß Gott, was passieren können.“ kriege ich auch sofort von meiner Oma zu hören.
 

Ich verdrehe seufzend meine Augen. Meiner Oma scheint irgendwie entgangen zu sein, dass ich kein kleines Mädchen mehr bin. Ich bin schließlich schon 20 Jahre alt und kann selbst auf mich aufpassen. Außerdem hatte ich ja auch noch Seto an meiner Seite. Also wäre mir oder uns schon nichts passiert. Sie übertreibt ganz schön.
 

Plötzlich erhebt Seto das Wort an sie:
 

„Meint Ihr nicht, Eure Majestät, dass ihr maßlos übertreibt? … Ihre Enkelin ist schließlich in einem Alter, wo sie bereits auf sich selbst aufpassen kann. Zudem war ich stets an ihrer Seite.“
 

Meine Oma glotzt ihn mit großen Augen an und wagt es scheinbar nicht, etwas zu erwidern.
 

„Wo wart ihr denn?“ erkundigt sich jetzt König Roland bei uns, sichtlich interessiert.
 

Zu meiner Verwunderung verziehen sich Seto´s Lippen beinah zu einem richtigen Lächeln, ehe er seinem Vater antwortet:
 

„Wir waren hier in der Gegend spazieren und haben wohl die Zeit vergessen.“
 

„Dann verabschiede dich jetzt von Prinzessin Olivia. Wir werden schließlich zuhause erwartet.“
 

Erst jetzt löst er sich von mir und nimmt meine Hände in seine, die er kurz drückt, ehe er sich von mir abwendet. Bedauernd blicke ich ihm nach, als ich bemerke, dass ich noch immer seine Jacke um die Schultern trage.
 

„Warte, Seto.“
 

Verwundert dreht er sich um, da er gerade auf die geöffnete Limousinentür, der schwarzen Limousine seiner Majestät König Roland, zuschreiten wollte.
 

„Deine Jacke.“ wird meine Stimme leiser, weil ich irgendwie nicht will, dass er mich verlässt, oder er mir seine Jacke wieder wegnimmt, weil ich dann nichts mehr von ihm habe.
 

Unwillkürlich hebt er lächelnd die Hand, als seine Lippen verlässt:
 

„Behalt´ sie vorerst und pass´ gut darauf auf. Ich werde sie mir morgen zurückholen.“
 

Glücklich über seine Worte, kuschle ich mich etwas mehr in seine Jacke, was Seto und König Roland zum Schmunzeln veranlasst, ehe sie sich doch noch in die Limousine begeben.
 

Als die Limousine losfährt, winke ich ihm noch nach und seufze anschließend. Verdammt, jetzt habe ich doch meine Liebe zu ihm, auf ihn übertragen. Er sollte es aber nicht erfahren, ehe er den Anfang macht, eines Liebesgeständnisses. Auch, wenn ich darauf ewig warten kann. Ich liebe ihn. Ein Dilemma.
 

Auch meine Oma seufzt nun, ehe sie meint:
 

„Da du erst so spät mit Prinz Seto zurückgekommen bist, hat sich mein Chauffeur dummerweise bereits zurückgezogen. Das heißt, du wirst heute Nacht hierbleiben müssen. Es wäre daher ratsam, wenn du deine Eltern anrufst, und sie darüber unterrichtest.“
 

„Ok, Oma.“ drehe ich mich verträumt zum Eingang des Schlosses und steige die Stufen empor.
 

Im Flur kommt mir sogar bereits der Butler mit dem Telefon entgegen. Deshalb rufe ich schnell meine Eltern an und schwärme ihnen von Seto vor. Meine Mutter allerdings holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn schließlich habe ich keine Garantie, ob Seto Kaiba jemals meine Liebe erwidern wird. Und diese Aussage meiner Mutter stürzt mich beinah in eine Krise.
 

Anschließend marschiere ich schnurstracks in meine Gemächer, die mir meine Oma heute gezeigt hat und werfe mich aufs Bett. Kurz darauf entschließe ich mich, dass ich mir das Kleid ausziehen sollte und schlüpfe in ein Nachthemd, das ich im Kleiderschrank gefunden habe. Seine Jacke hänge ich an eine Stuhllehne, damit ihr nichts passiert.
 

Schon wenig später kuschle ich mich unter die Decke und schließe meine Augen, während abermals Seto vor meinen inneren Augen auftaucht. Ich werde wohl nie mehr von ihm loskommen. Jetzt ist es bewiesen. Er hat mir total den Kopf verdreht, mit seiner Art. Hoffentlich hat er sich nicht nur verstellt, um mir anschließend das Herz zu brechen. Oh, ich hoffe es so sehr.
 

***
 

Als ich am nächsten Tag erwache, springe ich regelrecht aus dem Bett und suche das Badezimmer auf, das sich rein zufällig in meinen Gemächern befindet. Scheinbar hat jedes Zimmer ein eigenes Badezimmer. Um mich für Seto hübsch zu machen, schmeiße ich mich unter die Dusche und creme mich mit Duschgel ordentlich ein und wasche meine Haare mit Haarshampoo zwei Mal durch.
 

Nach dem Duschen trockne ich mich ab und putze noch meine Zähne. Erst dann verlasse ich das Bad und gehe an den Kleiderschrank. Meine Oma hat mir nämlich gesagt, dass sie bereits mehrere Kleider für mich besorgt hätte, die ich mir anziehen kann. Und der Kleiderschrank ist riesig und bietet somit auch eine riesige Auswahl an Kleider für mich.
 

Ich wähle ein hellblaues Kleid. Gestern trug ich ein Sonnengelbes. Dazupassende Schuhe habe ich auch schnell gefunden. Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell ich mich daran gewöhnt habe, mich in Kleider zu werfen. Allerdings vermisse ich es schon, mir eine Jeanshose anzuziehen.
 

Fertig angezogen, verlasse ich meine Gemächer und stöbere durch das Königsschloss, um mich umzusehen. Da laufe ich auch dem Butler über dem Weg, der mir auch gleich zeigt, wo ich das Frühstück zu mir nehmen kann. Meine Oma ist auch schon da.
 

„Guten Morgen, Oma.“ begrüße ich sie.
 

„Guten Morgen, Olivia. … Ich hoffe, du hast die Nacht gut überstanden?“
 

„War in Ordnung.“ antworte ich ihr.
 

„Und könntest du dir vorstellen, hier in diesem Schloss zu leben?“
 

„Hm, … weiß noch nicht. Ist wohl Gewöhnungssache.“
 

„Das, mit Bestimmtheit. … Aber, so schlimm ist das gar nicht. … Du hast viel Personal, das stets alles für dich besorgt und macht, sodass du selbst keinen Finger mehr krumm machen musst.“
 

Ich verdrehe lächelnd meine Augen, während ich meine:
 

„Also, genau mein Ding. … Meintest du nicht ohnehin, dass ich schon bald hier einziehen soll?“
 

„Schon, … aber ich habe mich mit König Roland unterhalten und er meinte, dass es sinnvoll wäre, auch seinen Sohn bereits hier einzugewöhnen. So könnt ihr auch sehen, ob ein Zusammenleben zwischen euch funktioniert.“
 

„Wann soll das denn geschehen? Und werden wir uns dann ein Bett teilen müssen?“ will ich wissen, mit leichter Überforderung.
 

„König Roland und ich sind zu dem Schluss gekommen, dass fünf Tage bis zu eurer Hochzeit angemessen wären, damit ihr euch aneinander und das Zusammenleben gewöhnen könnt. … Was das Bett teilen angeht, so steht es euch frei, ob ihr das tun wollt. Bedenke jedoch, dass ihr ab eurer Hochzeitsnacht auf jeden Fall das Bett teilen werdet. … Und ich sollte dir auch noch erwähnen, dass du ihn bis zur Hochzeit 24 Stunden nicht zu sehen bekommen wirst. Das ist eine langbewährte Tradition, die du fortführen sollst. Das bringt nämlich Glück in der Ehe, heißt es.“
 

Ok. Das müsste schaffbar sein. 24 Stunden sind nicht die Welt. Und in der Hochzeitsnacht, werde ich mit ihm mein erstes Mal haben.
 

Plötzlich kommen mir wieder König Rolands Worte vom ersten Tag in den Sinn und werde stutzig. Seto´s Verhalten hat gestern eigentlich gar keinen Sinn gemacht. Was habe ich denn eigentlich gemacht, dass er mich scheinbar akzeptiert? Mein Gott, er hat gestern seinen Arm um mich gelegt, nachdem er mir seine Jacke überlassen hat. Aber, König Roland meinte doch, ich müsste mich Seto erst beweisen. Also, was habe ich getan, um das zu bewerkstelligen? Vielleicht frage ich das Seto, wenn wir schon länger verheiratet sind.
 

Nach dem Frühstück sehe ich mir den Garten an und entdecke dort ein Gelände, wo man Tennis, Tischtennis, Badminton, Volleyball und Fußball spielen kann. Weiter hinten kann ich sogar einen Golfplatz entdecken. Also Freizeitangebote gibt es hier zu Hauf. Hm, vielleicht kann ich Seto ja dazu bekommen, dass er mit mir Tischtennis spielt? Das habe ich schon eine Weile nicht mehr gespielt und hätte gute Lust dazu. Mich würde nämlich interessieren, ob ich es schaffen würde, Seto zu schlagen.
 

Nach dem Mittagessen bringe ich Seto´s Jacke in den Flur, damit er sie nicht vergessen kann und putze mir anschließend noch die Zähne. Danach kann ich nur ungeduldig die Zeit absitzen, bis Seto endlich kommt.
 

~~~
 

Endlich geht es auf 14 Uhr zu und ich kann es kaum erwarten, dass Seto endlich kommt. Ich warte sogar beim Eingang an der obersten Stufe auf ihn.
 

Dann sehe ich auch endlich die schwarze Limousine die lange Auffahrt rauffahren. Als sie dann endlich vor den Stufen anhält, steigt Seto zuerst aus und seine Miene ist mehr als düster. Ich kann sogar förmlich die Gewitterwolken über seinem Haupt wahrnehmen. Seto läuft auch stur an mir vorbei, als hätte er mich gar nicht wahrgenommen.
 

Als König Roland die Stufen hochkommt, bleibt er bei mir stehen und erklärt mir:
 

„Bitte verzeih´ ihm sein Verhalten. Aber, in seiner Firma gab´ es unvorhergesehene Probleme.“, hebt seine Hand mit einem zerfetzten Papierstück in meine Augenhöhe, „Bitte versuch´ ihn aufzumuntern und auf andere Gedanken zu bringen. Und nimm´ es ihm bitte nicht übel.“
 

„Was ist das?“ erkundige ich mich bei König Roland.
 

„Dieses Schriftstück ist ein unverzichtbares Dokument, das er übermorgen benötigen würde. Ein Praktikant in seiner Firma hat es wohl geschafft, es aus Versehen in die Akten zu mischen, die vernichtet werden sollten. Er konnte es nur knapp vor der Vernichtung retten. Aber, es ist nun zu nichts mehr zu gebrauchen. Zudem ist seine Sekretärin auch noch krank geworden und fällt wohl die nächsten Tage aus. Und er wird nicht die Zeit haben, sich darum auch noch zu kümmern.“
 

„Darf ich mir das Dokument mal ansehen, Euer Majestät?“
 

Er drückt es mir in die Hände und ich sehe es mir durch. Ich füge die zerfetzten Teile auch zusammen und kontrolliere, ob ich das Abschreiben könnte. Wie es aussieht, scheint alles noch gut leserlich.
 

„Darf ich es behalten? Vielleicht kann ich Seto eine Freude machen, wenn er morgen wiederkommt. “ erkundige ich mich.
 

„Tut Euch keinen Zwang an, Prinzessin Olivia.“ lächelt er mich an.
 

Dankbar führe ich nachträglich meinen Hofknicks aus und begleite den König ins Innere des Schlosses.
 

Richtung Flur zum Wintergarten verabschiedet sich König Roland von mir und ich wundere mich, weil diesmal meine Oma nicht hier ist. Dabei kommt mir in den Sinn, dass sich König Roland hier wohl auch schon wie Zuhause fühlt, weil er sich hier frei herumbewegt.
 

Kopfschüttelnd eile ich in meine Gemächer und lege das Schriftstück auf das Nachtkästchen, damit ich es nicht vergesse. Anschließend eile ich zurück in den Flur zum Wintergarten und gehe an die Tür. Ich öffne sie, um einen Blick hineinzuwerfen, ob Seto auch wirklich hier ist. Er sitzt aber, wie bereits die letzten zwei Tage, wiederholt auf der kurzen Mauer, um auf mich zu warten, und verbreitet miese Laune.
 

Traurig gehe ich langsamen Schrittes auf ihn zu, weil mir klar wird, dass er mich wohl wirklich nicht bemerkt hat. Und mir will auch beim besten Willen nicht einfallen, wie ich ihn wieder aufheitern soll. Ich kann ihn nicht einschätzen und weiß viel zu wenig von ihm. Was soll ich nur tun? Wie kann ich ihm helfen? Meine Augen beginnen zu brennen, weil ich mir so hilflos vorkomme.
 

Ich trete auf ihn zu und lasse mich zu seinen Füßen sinken. Meine Arme lege ich über seinen Knien ab, wobei ich meinen Kopf auf meine Arme ablege und meinen Blick zu ihm nach oben richte, mit tränenverschleierter Sicht. So erlange ich auch seine Aufmerksamkeit.
 

Er wirkt regelrecht bestürzt darüber, Tränen in meinen Augen zu sehen. Er rutscht von der Mauer zu mir herab und zieht mich an sich, umschlingt mich mit seinen Armen. Ich erwidere seine Umarmung nur zögerlich und locker, während ich mich etwas an ihn schmiege. Ich schließe meine Augen und lasse meinen Tränen stumm ihren Lauf. Da ihm unsere Sitzposition aber unangenehm zu sein scheint, zieht er mich mit sich die kurze Mauer hoch und ich komme so auf seinem Schoß zum Sitzen, wobei meine Beine links und rechts von seinen, auf der kurzen Mauer, zum Liegen kommen.
 

Nach einer Weile streicht er mir über den Kopf und greift mich an meinen Oberarmen, um mich dazu zu bringen, ihm in die Augen zu sehen. Verwundert beobachte ich ihn dabei, wie er mit gerunzelter Stirn mein Gesicht ergreift und mit seinen Daumen zärtlich über meine Augen streicht, um mir die Tränen daraus zu wischen. Danach streichelt er mir auch noch über die Wangen, um die Tränenspuren aus meinem Gesicht zu entfernen. Anschließend blickt er mir in die Augen und ich stelle fest, dass sich seine Gewitterwolken verzogen haben. Auch seine Stirn glättet sich wieder und er sieht mir einfach nur tief in die Augen.
 

Erstmals stelle ich fest, wie eindrucksvolle wunderschöne blaue Augen er hat. Er ist überhaupt ein sehr gutaussehender junger Mann. Meines Wissens trennen uns fünf Jahre voneinander. Aber dieser Altersunterschied ist auf jeden Fall annehmbar. Schade finde ich eigentlich nur, dass er keine Anstalten macht, mich küssen zu wollen. Bin ich ihm vielleicht zu jung? Oder sieht er in mir vielleicht nur eine kleinere Schwester? Oder nimmt er Rücksicht auf meine Schüchternheit, wegen meiner extremen Hemmschwelle, um mich nicht zu überfordern? Was es auch ist, ich hätte nichts dagegen, von ihm geküsst zu werden. Aber, vielleicht ist er sich meinetwegen auch noch nicht sicher? Denn seine Gesten und auch sein ganzes Verhalten deuten eigentlich darauf hin, dass er mich mag. Vielleicht ist das auch nur mein Wunschdenken, weil ich ihn liebe?
 

„Was steht heute auf deinem Plan?“ fragt er mich leise zusammenhanglos.
 

Ich lege meinen Kopf schief und lächle leicht. Kann es sein, dass er mit mir was unternehmen will?
 

„Da wir nicht mehr eingesperrt sind, was wir wohl deinem Vater verdanken dürften, dachte ich mir, etwas sportliche Betätigung zur Abwechslung, wäre keine schlechte Idee. … Ich hab´ im Garten nämlich ein ideales Gelände dafür gefunden.“ antworte ich ihm ebenso leise, als wollte ich die Stimmung zwischen uns nicht zerstören.
 

„Hast du da an etwas Bestimmtes gedacht?“ erkundigt er sich, weiterhin leise.
 

Ich nicke, ehe ich leise anfüge:
 

„Tischtennis. … Das kann ich nämlich recht gut, weil mein Papa einen Tischtennistisch im Keller stehen hat, den mein Bruder und ich öfter mal nutzen.“
 

„Mein Vater hat mir auch anvertraut, dass es hier im Schloss einen Raum geben soll, wo sich ein Billardtisch verbirgt.“ verrät er mir, wobei er mir vermutlich eher einen Wink geben wollte, wonach ihm der Sinn steht.
 

„Echt? Wusste ich gar nicht. … Meine Oma hat es grundsätzlich versäumt, mich mit dem Schloss hier vertraut zu machen.“ gestehe ich ihm.
 

„Du wohnst gar nicht hier?“ scheint er überrascht.
 

Ich schüttle meinen Kopf und erkläre ihm:
 

„Ich wohne bei meinen Eltern. Nur, meine Oma scheint hier von Zeit zu Zeit ihr Zelt aufzuschlagen. Denn sie hat noch eine Wohnung in Laa an der Thaya.“
 

„Und wo wohnst du, wenn ich fragen darf?“
 

„In Niederösterreich.“
 

„Uh, auch nicht gerade in der Nähe.“ stellt er fest.
 

Da ich immer noch auf seinem Schoß sitze, schmiege ich mich an seine linke Seite, wobei ich meinen Kopf an seine Schulter lehne und nicke. Ich mag es, ihm ganz nah zu sein und genieße es, solange er es zulässt.
 

„Vielleicht schreibe ich dir ja mal die Adresse auf, falls du mich mal direkt von dort abholen willst.“ flüstere ich, da mir sein Ohr in naher Reichweite ist.
 

„Vielleicht komme ich ja wirklich auf diese Idee.“, räumt er mir ein, „Aber, wurde dir schon zugetragen, dass wir fünf Tage vor unserer Hochzeit bereits hier zusammenziehen sollen?“
 

Wieder nicke ich und teile ihm mit:
 

„Hat mir meine Oma heute zum Frühstück mitgeteilt.“
 

„Und was hältst du davon?“
 

„Ich weiß nicht. … Im Moment geht mir alles viel zu schnell. … Erst, die Hiobsbotschaft, dass ich eine Prinzessin bin, dann die nächste, dass ich heiraten soll. … Mein ganzes Leben steht momentan Kopf. … Ich musste ja sogar meine Lehre abbrechen.“
 

„Was soll ich da erst sagen. … Ich muss meine Firma aufgeben, weil es als König genug zu tun geben wird.“
 

„Was wird dann aus ihr?“ frage ich ihn bestürzt.
 

„Mein kleiner Bruder wird sie dann weiterführen. Nur, er hat nicht die Erfahrung, mit einer Firma diesen Ausmaßes klarzukommen. Ich muss ihn erst in alles einweisen und ihm erklären, was er alles zu tun und auf was er zu achten hat. Das ist eine Menge Arbeit. Und noch dazu wurde mir heute ein sehr wichtiges Dokument zerstört, das ich übermorgen hätte weiterreichen sollen. … Ich seh´s schon kommen. Meine Firma geht unter, noch, bevor ich sie meinem Bruder überlassen konnte, wegen unfähigem Praktikant. … Das Dokument sollte an fünf Personen adressiert werden und dieser Trottel steckt es in den Aktenvernichter.“
 

Ich seufze mitfühlend. Vielleicht kann ich ihm ja wirklich damit helfen, wenn ich ihm das Dokument neu schreibe.
 

Deshalb hake ich nach:
 

„Er sollte es kopieren?“
 

„Und Adressaufkleber anfertigen und auf jedem Dokument anbringen, da es keine Datei davon gibt. Es wurde mir, so wie es war, zugesandt. … Eigentlich wollte ich, dass es meine Sekretärin abtippt und die Adressen einfügt, aber die hatte ja die Muße, sich heute krank zu melden. Deshalb meine Idee, mit den Adressaufklebern. … Außerdem könnte es sein, dass ich es noch an weitere Adressen verschicken muss, wenn ich dazu aufgefordert werde, weshalb ich es auch am liebsten als Datei auf meinem Rechner gehabt hätte.“
 

Ich nicke verstehend. Es könnte ein Problem für mich darstellen, da ich die Adressen nicht kenne, an die es weitergesandt werden soll. Wenn ich ihm aber die Datei überlasse, auf einem USB-Stick, sollte ihm eigentlich auch schon geholfen sein. Gut, dann werde ich das eben so machen, damit er nicht mehr schlecht gelaunt sein muss und nicht alles den Bach runtergeht.
 

„Denk´ jetzt nicht mehr daran. Morgen bereits wird sich dein Problem in Wohlgefallen auflösen.“, verspreche ich ihm und schlage ihm vor, „Lass´ uns etwas spielen und Spaß haben.“
 

Mit diesen Worten klettere ich von seinem Schoß, nehme seine Hände und ziehe ihn mit mir mit. Seine, mit Verwirrung, große Augen, die er macht, bringen mich zum Lächeln, ehe ich ihn den Kiesweg entlang aus dem Wintergarten ins Innere des Schlosses führe und hinaus in den Garten, wo ich den Tischtennistisch gesehen habe.
 

Aus einem Schuppen, den ich in der Nähe erblicke, holen wir Tischtennisschläger und mehrere Bälle heraus. Schon machen wir uns an einer Partie Tischtennis, bei der ich ihm erst erklären muss, wie man machen muss, während ich ihm erwähne:
 

„Umso wärmer ich werde, umso mehr Patzer mache ich.“
 

Diese Aussage bringt ihn zum Schmunzeln und er versucht meine Bälle zu treffen, die ich stets eindrehe. Und sein Blick ist immer köstlich, wenn der Ball während des Flugs einen Abbieger macht. Das bringt mich zum Kichern.
 

Nach einer Weile sehe ich dann den Butler zu uns aufschließen, mit einem Servierwagen.
 

Als Seto ihn bei uns ankommen sieht, fragt er, mit einem Blick zum dahinschmelzen:
 

„Pause?“
 

Er kann wohl nicht ohne Kaffee auskommen, wie?
 

„Ok.“ stimme ich ihm zu, als er auch schon auf den Servierwagen zutritt, sich eine Tasse nimmt und sich Kaffee einschenkt, während der Butler sich wieder zurückzieht, ohne den Servierwagen.
 

Eilig legt sich Seto die Tasse an die Lippen und schließt genießend seine Augen. Und irgendwie beneide ich den Kaffee in dieser Tasse. Denn ich frage mich, ob er mich jemals so genießen kann.
 

Er trinkt seinen Kaffee mit so einer Hingabe, dass es richtig schmerzt. Wird er mich jemals mit so einer Hingabe lieben können? Ich habe nämlich im Moment gerade den Eindruck, als wäre ich Luft für ihn und der Kaffee alles, was er zum Leben braucht.
 

Wenn ich so darüber nachdenke, wird Seto mich überhaupt jemals wirklich lieben können? Ich mein, er zeigt mir ja, dass er ein ganz lieber Kerl ist. Und er duldet mich auch in seiner Nähe, weil er sich vermutlich bereits damit abgefunden hat, mit mir verheiratet zu werden. Weil er mich vielleicht gar nicht so furchtbar empfindet. Aber, wie sieht es mit Gefühlen aus?
 

Ich liebe ihn ja bereits länger. Nur hätte ich nicht vermutet, dass ich wirklich meine Liebe zu ihm, auf ihn übertragen kann. Und er hat auch meine Illusionen von ihm noch nicht zerstört. Aber, was ist nicht, kann ja noch werden. Ich sollte ihn wirklich mit Vorsicht genießen. Denn er könnte mir jederzeit das Herz brechen.
 

Meines Wissens soll er viele weibliche Fans haben, die ihn unbedingt als Freund haben wollen. Und nun soll er mit mir verheiratet werden. Sieht er das vielleicht als seine Chance, endlich von seinen Fans in Ruhe gelassen zu werden? Ich hege da eher meine Zweifel. Da vermute ich eher, dass ich ihr neues Angriffsziel werden werde. Da kann ich mich noch auf so einiges gefasst machen, wenn ich erst mal mit ihm verheiratet bin.
 

Während ich ihn weiter beobachte, wie er seine Tasse Kaffee genießt, scheint er nichts um sich weiter wahrzunehmen. Und ich bin enttäuscht deswegen. Das beweist mir nur, dass ich ihm nicht halb so wichtig zu sein scheine, wie eine dämliche Tasse Kaffee. Vielleicht habe ich in seine Gesten doch zu viel hineininterpretiert. Er wollte vielleicht nur nett sein.
 

Traurig lege ich den Schläger ab und trete nun selbst an den Servierwagen heran. Ich gieße mir nur ein Glas Mineralwasser ein und trinke daraus einen großen Schluck, während ich es nicht länger ertrage, ihn anzusehen. Ich lasse meinen Blick über den Garten schweifen, um mich abzulenken. Denn es verletzt mich doch, zu wissen, dass ich nur ein unwichtiger Faktor in seinem Leben bin. Und vielleicht auch immer sein werde. Vielleicht wird er mich auch niemals lieben können. Das sollte ich mir wohl stets vor Augen führen. Das ist es auch, was meine Mutter gestern, während des Telefongesprächs, gemeint hat. Ich muss auf dem Teppich bleiben. Gestern war ich nämlich schon dabei, abzuheben.
 

~~~ Erzähler-Sicht ~~~
 

Da Olivia aber nicht zu ihm blickt, bemerkt sie auch nicht, dass er ihr seine volle Aufmerksamkeit schenkt, seit sie in sein Blickfeld getreten ist. Außerdem hat er sehr wohl den verletzten Blick bemerkt und sich darüber gewundert, wie sie dazu kommt, auf eine Tasse Kaffee eifersüchtig zu sein. Denn er konnte ihre Blicke die ganze Zeit auf sich spüren.
 

~~~ Meine Sicht ~~~
 

Ich seufze und versuche mir meinen Schmerz nicht anmerken zu lassen, als ich ihm leise vorschlage:
 

„Wenn du willst, können wir dann den Raum suchen gehen, in dem sich der Billardtisch befinden soll.“, während ich ihn doch wieder anblicke.
 

Sein Blick wirkt eigenartig auf mich gerichtet, ehe er seinen Kopf schüttelt und mir antwortet:
 

„Das ist eine tolle Idee.“
 

Jetzt funkeln seine Augen begeistert. Ich lächle ihn leicht an und nicke, dass wir das dann machen werden. Jedoch trinkt er seinen Kaffee jetzt mit nur einem Schluck leer und meint:
 

„Wir können schon.“
 

Irritiert runzle ich meine Stirn. Also, irgendwie kann ich seine Prioritäten nicht ganz einschätzen. Erst zieht er den Kaffee mir vor, dann ist Billardspielen plötzlich wichtiger, als sein Kaffee. Also, ich versteh´s nicht.
 

Seufzend mache ich noch einen Schluck aus meinem Glas mit Mineralwasser und stelle das Glas wieder ab. Dann winke ich ihm schon, mir zurück ins Schloss zu folgen.
 

Drinnen angekommen blicke ich in jeden Raum, den ich finden kann, gefolgt von Seto. Glücklicher Weise laufen wir dem Butler über den Weg und ich frage ihn auch sogleich:
 

„Wo finden wir den Raum mit dem Billardtisch?“
 

Der Butler lächelt und deutet uns, ihm zu folgen.
 

So führt er uns noch weitere Gänge weiter, immer tiefer ins Schloss hinein, bis er eine Tür öffnet. Dahinter befindet sich mittig im Raum ein wunderschöner, nagelneu aussehender Billardtisch. Daneben ein Ständer mit vier Queues und daneben liegt ein Set mit Kugeln und mehreren Radierern.
 

Sichtlich begeistert, zieht mich nun Seto in den Raum, während der Butler sich wieder zurückzieht.
 

„Weißt du, wie man spielt?“ will Seto von mir wissen.
 

„Ja.“ antworte ich knapp.
 

Und ich hab´ da so eine Vermutung, dass er das auch weiß. Sonst wäre er nicht so besessen, das spielen zu wollen. Aber, wenn ich ehrlich bin, war ich auch schon länger nicht mehr mit meinem Bruder in einer Billardhalle, um zu spielen.
 

Während Seto bereits die Kugeln aufbaut, gehe ich an den Ständer und entnehme mir einen Queue. Mit dem Radierer reibe ich etwas die Spitze ein und dann warte ich, bis sich Seto eines Queues bedient. Auch er reibt die Spitze mit dem Radierer ein und erkundigt sich anschließend:
 

„Wer macht den Anstoß?“
 

Ich zucke nur mit den Schultern. Macht keinen Unterschied, ob er den Anstoß macht, oder ich den Anstoß vermassle.
 

„Mach´ du den Anstoß.“ fordert er mich auf.
 

Gequält seufze ich auf, lege die weiße Kugel um und nehme sie ins Visier. Ich stoße an, und wie zu erwarten, vermassle ich den Anstoß. Er war viel zu leicht, sodass sich die Kugeln nur wenig auseinander bewegt haben. Ich bin im Billardspielen einfach noch zu unsicher, eben, weil ich nicht weiß, wie fest ich es mir zutrauen kann, zuzustoßen.
 

Als ich vorsichtig zu ihm blicke, ist seine Stirn gerunzelt. Ob er gemerkt hat, dass ich unsicher spiele?
 

Ohne ein Wort darüber zu verlieren, geht er jetzt an den Billardtisch und mischt die Kugeln etwas auf. Dabei versenkt er zwei unterschiedliche Farben. Somit hat er die Wahl, welche Farbe er anschießen will.
 

„Ich nehm´ die Halben.“ entscheidet er.
 

Somit schießt er nur mehr die Halben an. Und, um mir scheinbar zu beweisen, wie gut er das nicht kann, räumt er schon mal alleine den Tisch ab.
 

Als nur noch die Schwarze übrig ist, setze ich mich seufzend auf die seitliche Couch, die im Raum steht. Da kann er ja gleich ganz alleine spielen. Wozu braucht er da einen Mitspieler? Vielleicht hat er mich ja auch nur dazu gebraucht, um diesen Raum zu finden. Und nur zusehen, ist ja so ätzend und langweilig. Ob ich mich hinlegen und von ihm aufwecken lassen sollte, wenn er keine Lust mehr dazu hat?
 

Wieder bin ich enttäuscht und den Tränen nahe. Billard ist das einzige Spiel bei dem man leer ausgeht, wenn man nicht zum Zug kommt. Wie soll man da überhaupt eine Chance haben? Ein vermasselter Schuss und es ist aus. Er scheint ja auch ein Profi zu sein. Mit so jemandem kann ich nicht spielen. Er wäre der Letzte, der für jemanden schlechter spielt, als er ist. Und irgendwie lässt mich das total mies fühlen. Denn das zeigt mir nur, dass ich nicht mit ihm mithalten kann.
 

Gerade der Anstoß scheint am Wichtigsten zu sein, und ausgerechnet den, beherrsche ich nicht. Als sich eine Träne aus meinen Augen löst, wische ich sie schnell aus meinem Gesicht und versuche mich wieder zu fassen.
 

~~~ Erzähler-Sicht ~~~
 

Dabei entgeht Olivia völlig, weil sie nicht zu ihm blickt, dass sie die ganze Zeit seine Aufmerksamkeit auf ihr liegen hat, seit sie sich auf die Couch zurückgezogen hat, und er genauso lange das Spielen eingestellt hat. Denn die schwarze Kugel wartet immer noch darauf eingelocht zu werden. Deshalb tut er jetzt auch etwas, was er niemals tun würde. Er schießt die schwarze Kugel an, und versenkt die weiße Kugel gleich mit.
 

~~~ Meine Sicht ~~~
 

„Mist.“ höre ich ihn fluchen.
 

Irritiert werde ich hellhörig.
 

„Die weiße Kugel ist der Schwarzen gefolgt. … Ich schätze, du bist wieder dran.“
 

Verwundert erhebe ich mich von der Couch, während er die weiße und die schwarze Kugel wieder aus dem Loch holt und auf dem Tisch platziert. Ich überblicke den Tisch und frage ihn leise:
 

„In welches Loch musst du schießen?“, weil ich das nicht mitbekommen habe.
 

„Ähm, hier.“ zeigt er auf das Loch rechts oben.
 

Ich nicke nur. Wieder lasse ich meinen Blick über die Kugeln schweifen. Hm, mit viel Glück schaffe ich es vielleicht eine oder zwei Kugeln zu versenken. Dann ist das Spiel für mich ohnehin gelaufen.
 

Ich atme tief durch und visiere die leicht einzulochende volle Kugel zuerst an. Schuss, Treffer und versenkt. Eine etwas komplizierter liegende Kugel muss ich über die Bande spielen. Ich muss nur den Winkel genau berechnen, was gar nicht so leicht ist. Wenn ich die Kugel aber geschickt treffe, könnte ich ihm die schwarze Kugel aus der Schussbahn bringen. Wenn ich die aber blöd treffe und dabei versenke, verliere ich automatisch. Lieber kein zu großes Risiko eingehen. Schuss, Treffer meiner und Treffer der Schwarzen. Panisch beobachte ich die schwarze Kugel, wo sie hinrollt. Dabei wollte ich sie doch gar nicht treffen.
 

Die Schwarze prallt zweimal auf der Bande sehr knapp an dem ersten Loch ab und kommt zum Liegen. Erleichtert halte ich jetzt Ausschau nach der Kugel, die ich eigentlich angeschossen hatte. Also, am Tisch scheint sie sich nicht mehr zu befinden. Ich runzle meine Stirn. Verdutzt blicke ich zu Seto.
 

„Spiel weiter. Du bist immer noch dran.“ lässt er mich wissen.
 

Also irgendetwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu. Erst vermasselt er einen Schuss, den er vermutlich hundert Prozentig, wie ich vorher die ganze Zeit beobachten durfte, ohne Probleme hätte schaffen müssen, und jetzt verschwindet eine Kugel aus unerfindlichen Gründen in einem Loch, die dort gar nicht hätte reinfallen können, weil sich ihre Schussbahn verändert hat, auf Grund des Zusammentreffens mit der schwarzen Kugel. Aber, gut. Dann spiele ich eben weiter.
 

Ich überblicke den Tisch und wähle eine Kugel, die ich als die Leichteste zum Anschießen einstufe und visiere sie an. Zu meinem Verdruss liegt mir schon wieder die Schwarze in der Schussbahn. Ich wechsle die Kugel und überlege die Schussbahn, ehe ich die Kugel anvisiere. Ich gehe das Risiko ein und schieße. Die Kugel prallt an der Bande ab, trifft einer meiner anderen Kugeln und beide knallen an die Bande, bis sie in der Mitte stoppen. Mist, meine eigene Kugel hat mich sabotiert. Beleidigt blicke ich Seto auffordernd an. Der schmunzelt jedoch nur.
 

Nun überblickt er mal die Lage der Kugeln und scheint zu überlegen, während ich ihm Platz mache. Dann beugt er sich auch schon über den Tisch und visiert die schwarze Kugel mit der Weißen an. Wenn er die Schwarze jetzt nicht versenkt, muss ich annehmen, dass er sich zurückhält oder sogar für mich schummelt. Aber, das würde er doch niemals tun, oder? Nicht für mich. Ich mein, dafür bin ich doch viel zu unwichtig für ihn. Außerdem kennt er mich auch erst seit 3 Tagen. Und in dieser Zeit haben wir auch nicht wirklich viel miteinander geredet. Also kann von kennen auch nicht wirklich die Rede sein.
 

Als er endlich anstößt, beobachte ich genau, wohin die Schwarze rollt. Sie prallt gegen eine meiner, die sich in ein Loch versenkt, dann erwischt die Schwarze noch eine meiner Kugeln, die auf ein Loch zurollt und nur mit dem letzten Schwung ins Loch plumpst. Die Schwarze dreht über die Bande noch eine weitere Runde, wo sie noch zwei weitere Kugeln von meinen anstößt und sie auffordert, in ein Loch zu plumpsen. Ehe die schwarze Kugel stoppt, schupst sie mir die letzte meiner Kugeln auch noch direkt vor ein Loch. Das hatte er also geplant? Also hat er doch für mich geschummelt?
 

Als er sich zu mir umdreht, hat er einen verlegenen Blick drauf und ein ertapptes schiefes Lächeln auf den Lippen. Scheinbar konnte er sich nicht zurückhalten, meine Kugeln zu versenken, nur, damit ich nicht länger traurig bin. Dankbar falle ich ihm um den Hals und kann mein Glück gar nicht fassen. Er lässt den Queue ungeachtet fallen und schließt seine Arme um mich.
 

In dem Moment höre ich die Stimme des Butlers:
 

„Hier, Ihre Majestäten.“
 

Wir drehen uns zur Tür und erblicken sowohl meine Oma, als auch seinen Vater. König Roland hat ein erfreutes Lächeln auf den Lippen und meine Oma ein selbstzufriedenes, weil sie uns in den Armen erwischt haben.
 

„Es wird Zeit, zu gehen, Seto.“ teilt uns König Roland mit.
 

Ich blicke betrübt zu ihm auf und treffe auf selben Blick.
 

„Wenn es recht ist, begleite ich euch noch nach draußen.“
 

Der König nickt lächelnd und ich winke meiner Oma, dass ich sie nicht dabeihaben will. König Roland und Seto nehmen das belustigt auf.
 

So begleite ich die beiden alleine nach draußen, wobei ich auf dem Flur Seto´s Jacke vom Haken nehme und ihm sogleich zurückreiche.
 

„Danke.“ bedankt er sich und ich bekomme sogar ein Küsschen auf die Wange von ihm, was meine Wangen zum Brennen bringt.
 

Als wir dann draußen sind, fordert König Roland Seto auf:
 

„Steig´ doch schon mal in die Limousine. Ich möchte mit der Prinzessin noch kurz ein Wörtchen wechseln.“
 

„Ok, Vater.“ seufzt er frustriert und tut, wie ihm geheißen.
 

Danach tritt der König auf mich zu und hält mir etwas entgegen, während er mir erklärt:
 

„Wenn ich richtig vermute, was Ihr gedenkt, für meinen Sohn zu tun, werdet ihr das hier wahrscheinlich benötigen. … Mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass Ihr eine Bürolehre gemacht habt, die Ihr wegen des Umstandes der kommenden Hochzeit abbrechen musstet.“
 

Ich nicke und nehme die Zettel in seiner Hand an mich. Als ich darauf blicke, erkenne ich Adressen auf jedem Einzelnen darauf. Und es sind genau fünf Zettel, mit je einer Anschrift.
 

„Danke, Eure Majestät.“ bedanke ich mich bei ihm, mit einer leichten Verbeugung mit meinem Kopf.
 

Und mein Plan sitzt. Ich werde ihm die fünf Exemplare mit den verschiedenen Adressen ausdrucken. Und einen USB-Stick mit dem abgeschriebenen Dokument gebe ich ihm auch mit. Dann sollten seine Probleme gelöst sein.
 

Somit verabschiedet er sich und ich winke der anfahrenden Limousine nach. Danach eile ich auch schon zurück in meine Gemächer und hole mir das zerfetzte Dokument. Und gerade, als ich mich bei meiner Oma verabschieden will, kommt der Butler, um ihr mitzuteilen, dass die Limousine soeben eingetroffen ist.
 

Deshalb verabschiede ich sie sogleich und eile zur Limousine, um mich nach Hause fahren zu lassen.
 

~~~
 

Zuhause angekommen, esse ich zu Abend und danach beginne ich bereits damit, das Dokument abzuschreiben. Da ich damit aber bis zum Schlafengehen nicht fertigwerde, beschließe ich, es am nächsten Tag fertigzuschreiben.
 

***
 

Gleich nach dem Aufstehen, mache ich mich daran, das Dokument fertigzuschreiben. Anschließend suche ich noch die richtige Schriftart, um es so authentisch wie möglich zu machen. Danach wähle ich einen USB-Stick, den ich noch nie verwendet habe und speichere die Datei darauf ab. Dann beginne ich auch schon die Adressen einzufügen und die Dokumente auszudrucken. Sobald ich alle fünf Dokumente zusammengeheftet habe, bemerke ich, dass ich diese unmöglich so mit mir herumtragen kann. Eine Mappe, oder so, muss her.
 

Also ziehe ich mich an und gehe schnell eine Mappe besorgen, damit den Dokumenten nichts passieren kann. Als ich wieder heimkomme, gebe ich die Dokumente und den USB-Stick in die Mappe und halte sie mir, wie einen Schatz an die Brust. Hoffentlich weiß Seto die Arbeit zu schätzen, die ich mir seinetwegen angetan habe. Und damit Seto weiß, dass sein Vater die Hände im Spiel hatte, habe ich auch seine Notizzettel in die Mappe gelegt.
 

Da kommt mir aber die Idee, ihm auch meine Adresse beizulegen, falls er mich wirklich mal von hier abholen will. Ich nehme einen Notizzettel und notiere meine Adresse darauf, mit meinem Namen.
 

Diesen schiebe ich ihm ebenfalls in die Mappe. Zufrieden mit mir und meiner Arbeit warte ich so ungeduldig, bis ich von Oma´s Limousine abgeholt werde.
 

~~~
 

Kurz vor 14 Uhr, ich habe mich noch umgezogen, ehe ich Seto empfangen wollte, warte ich wieder vor dem Eingang auf die schwarze Limousine. Die Mappe habe ich derweil im Flur auf eine Kommode gelegt, damit ich nicht vergesse, sie Seto vor dem Gehen zu überreichen. Ich hoffe wirklich, dass er sich darüber freuen wird.
 

Als die Limousine endlich kommt, steigt Seto wieder als Erstes aus und diesmal ist sein Blick sofort auf mich gerichtet. Er kommt die Stufen hoch zu mir und nimmt meine beiden Hände in seine.
 

„Weißt du schon, was wir heute machen?“ erkundigt er sich sofort bei mir, noch, bevor ich überhaupt seinen Vater begrüßen konnte.
 

„Also eigentlich, … gehen mir meine Ideen schon allmählich aus.“
 

„Ich muss dir ohnehin mitteilen, dass ich heute wohl nicht so viel Zeit zur Verfügung habe. Da ich ohne die wichtigen Dokumente auskommen muss, geht´s in der Firma gerade drunter und drüber.“
 

Sollte ich sie ihm vielleicht doch jetzt schon überreichen?
 

„Komm mit.“ fordere ich Seto auf und ziehe ihn mit mir mit, in den Flur zu der Kommode.
 

Ich nehme die Mappe und halte sie ihm entgegen, mit den Worten:
 

„Hier. Für dich.“
 

Verdutzt blickt er mir ins Gesicht und dann auf die Mappe, ehe er danach greift. Vorsichtig öffnet er sie und holt den Packen Papier heraus. Natürlich erkennt er das Dokumentenschriftstück sofort vom Text her. Er blättert es durch, während sich seine Augen immer mehr weiten. Dann blickt er auf die Anschrift und zieht Exemplar für Exemplar hoch. Als dann in der Mappe ein Klimpern zu vernehmen ist, greift er noch einmal hinein und holt den USB-Stick heraus. Er ist sichtlich sprachlos. Er scheint beim Herausnehmen des USB-Sticks aber auch die Zettel gespürt zu haben, denn er langt jetzt noch einmal hinein und holt alle Zettel heraus. Er dürfte auch die Handschrift seines Vaters erkennen.
 

Unerwartet tritt König Roland hinter Seto, da dieser nun endlich zu uns aufgeschlossen zu haben scheint und legt seine Hand an Seto´s linke Schulter.
 

Als Seto wieder zu mir blickt, glänzen seine Augen verdächtig und weiß sichtlich nicht, was er sagen soll.
 

„Das … hast du … für mich gemacht?“ fragt er dann doch stockend nach.
 

Ich nicke, mit einem kleinen Lächeln, weil ich nicht sicher bin, was in ihm vorgeht.
 

Er räumt wieder alles in die Mappe zurück und drückt sie seinem Vater in die Hand. Plötzlich wird mein Gesicht festgehalten und ich spüre weiche Lippen an meinen. Ich bin aber viel zu perplex, um zu reagieren. Doch so schnell seine Lippen auch auf meinen zu spüren waren, so schnell sind sie auch wieder weg.
 

„Entschuldige, ich wollte dich nicht überfallen. Aber ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass du das für mich gemacht hast. Das heißt, meine Firma kann weiterhin bestehen.“
 

~~~ Erzähler-Sicht ~~~
 

Und in diesem Moment wird Seto auch klar, sobald er mit Olivia verheiratet ist, kann er immer mit ihrer Unterstützung rechnen.
 

~~~ Meine Sicht ~~~
 

„Weißt du was?“
 

„Hm, nein?“
 

„Was hältst du davon, wenn wir den Jahrmarkt hier in der Stadt besuchen? Heute Abend findet dort auch ein Feuerwerk statt.“
 

„Klingt gut.“ erwidere ich ihm nachdenklich.
 

Hat er nicht eben noch gemeint, er hätte nicht viel Zeit? Hat sich das etwa erledigt, weil ich ihm die fertigen Dokumente ausgehändigt habe? Soll ich nachhaken?
 

Doch schon kommt mir Seto zuvor:
 

„Stimmt was nicht? Das hat eben nicht sehr begeistert geklungen.“
 

„Was? … Oh, nein, nein. Ich geh´ wirklich gern mit dir dorthin. … Es ist nur, weil du vorhin meintest, du hättest nicht so viel Zeit.“ erkläre ich mich ihm.
 

Schon wirkt er erleichtert und erwidert mir:
 

„Da du mir sämtliche Sorgen genommen hast, will ich dir den ganzen Nachmittag und den Abend mit mir schenken. … Können wir gehen?“
 

Ich nicke begeistert, schnappe mir noch eine Weste, schon brechen wir auf.
 

~~~
 

Am Jahrmarkt angekommen, sehen wir uns alles an. Seto nutzt auch die Gelegenheit bei Ständen, etwas für mich zu gewinnen, was nicht gerade wenig ist. Er vermittelt mir so auch das Gefühl, seine Angebetete zu sein, was mich einfach nur glücklich macht.
 

Als es dann auf den Abend zugeht und das Feuerwerk beginnt, hat er für uns einen recht guten Platz gefunden, wo wir mehr für uns alleine sind. Wir sitzen auf einer Decke auf der Wiese eines Hügels und blicken aneinandergekuschelt hinauf in den Himmel. Doch irgendwann wird mir der Blick auf Seto viel interessanter. Sein Antlitz überwältigt mich, in der Mischung der Farben, die den Nachthimmel erhellen.
 

Er ist so wunderschön und wundervoll. Und in seiner Gegenwart komme ich mir so klein vor. Er ist der geborene Prinz, so wie er da neben mir sitzt. Die Schönheit und Perfektion in Person. Wie ein Halbgott. Und ich? Ich bin nicht halb so schön, wie er. Kann mit ihm in keinster Weise mithalten. Er hängt mich meilenweit ab. Und doch scheint es mir, als wollte er mich mitziehen. Was seine gestrige Aktion bewiesen hat. Er muss mich beobachtet haben. Tut er das eigentlich immer, wenn ich nicht hinsehe?
 

Nachdenklich blicke ich wieder in den hellleuchtenden Nachthimmel. Wenn er doch nur wüsste, wie gern ich ihn küssen würde. Der Kuss, den er mir heute verpasst hat, war für mich viel zu überraschend. Ich konnte ihn nicht einmal erwidern, weil er zu schnell wieder zu Ende war. Aber, seine Lippen haben sich toll angefühlt.
 

Unbewusst streiche ich mit meinen Fingern kurz über meine Lippen. Sie haben sogar gekribbelt, als er sie mit seinen berührt hat. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, während ich daran denke. Hoffentlich war das nicht das letzte Mal, dass ich die Möglichkeit bekomme, seine Lippen zu spüren. Nächstes Mal muss ich besser darauf vorbereitet sein. Andererseits will ich nicht zu aufdringlich wirken. Ich werde wohl abwarten müssen, ob er überhaupt gewillt ist, mich wirklich zu küssen. Heute war es auch mehr aus einem Reflex heraus.
 

Lautlos seufzend senke ich meinen Blick. Ja, ich liebe ihn. Und genau deshalb darf ich auch nicht davon ausgehen, dass er auch mich liebt. Er ist schließlich beliebt und wird von jeder Frau geliebt. Diejenige, die seine Liebe erhält, kann sich wirklich glücklich schätzen. Aber ich zweifle daran, dass ich diese Frau sein werde. Ich bin ihm wahrscheinlich zu jung, als, dass er sich je vorstellen könnte, mich zu küssen, oder gar mit mir zu schlafen. Zeitweise habe ich auch das Gefühl, dass er mich nur wie eine kleine Schwester sieht, die man liebt, aber eben diese Dinge nicht mit ihr teilt. Da war der heutige Kuss schon beinahe eine Ausnahme. Und ich bezweifle, dass ich ihn je richtig küssen werde dürfen. Also kann ich mich eigentlich schon glücklich schätzen, dass er mir seine Nähe schenkt. Denn ich bezweifle, dass er jeden so nah an sich heranlässt.
 

Ich spüre, wie er meinen linken Oberarm auf- und abreibt, als befürchte er, ich könnte frieren. Aber, nein. In seiner Gegenwart ist mir warm, weil er es vermag, mich von innen zu wärmen. Weil ich mich bei ihm einfach wohlfühle.
 

Ich drehe meinen Kopf zu ihm und seine wunderschönen blauen Augen sehen mich an. Ich schmiege meinen Kopf an seine Schulter, als er mir unerwartet eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn hinter das linke Ohr streicht. Doch er zieht seine rechte Hand nicht ein, sondern streicht über meine Wange hinunter über meinen Hals, während ich den Blickkontakt zu ihm aufrechthalte.
 

Unwillkürlich beugt er sich zu mir herab, ich komme ihm das letzte Stück entgegen, und legt vorsichtig, fast zögerlich seine Lippen auf meine. Ich schließe meine Augen und erwidere den Druck seiner Lippen. Es ist überwältigend, seine Lippen an meinen zu spüren. Erneut vernehme ich das Kribbeln an meinen Lippen.
 

Zaghaft beginnt er seine Lippen an meinen zu bewegen. Ich versuche seine Bewegungen nachzuvollziehen und zu erwidern. Schon kurz darauf spüre ich seine Zunge an meinen Lippen. Ich öffne ihm meinen Mund und lasse ihn ein, komme ihm mit meiner Zunge bereits entgegen. Langsam lege ich meinen linken Arm über seine rechte Schulter, während er seinen Oberkörper mehr zu mir richtet. Ich drücke ihn allmählich näher an mich, während unser Kuss an Leidenschaft gewinnt. Allmählich drückt er mich zurück in die Wiese. Ich lasse ihn gewähren, dass er mich zum Liegen bringt und er über mich gebeugt ist.
 

Ich spüre, dass er mich an sich drückt, genauso, wie ich ihn an mich drücke. Als er den Kuss löst, sieht er mich abermals mit einem merkwürdigen Blick an, während wir uns ankeuchen. Doch schon im nächsten Moment fällt er wieder über meine Lippen her. Und ich kann beim besten Willen nicht genug von ihm bekommen, was ich ihm auch zeige, als er sich abermals löst, um Luft zu schnappen und ich seinen Kopf wieder zur mir herabziehe, um wieder über seine herzufallen. So knutschen wir eine ganze Weile miteinander rum und vergessen vollkommen die Zeit.
 

~~ Fortsetzung folgt ~~



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