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Ein Leben wie dieses

von

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Frauenprobleme

Dienstag, 16. Januar 2007

 

Der Morgen begann für Matt damit, dass er eine SMS von Nagisa erhalten hatte, in der sie ihm berichtete, dass das Baby in der Nacht zur Welt gekommen war. Es war ein Junge und sie hatte ihn Akeno genannt. Er wog dreieinhalb Kilo und war kerngesund. Matts Hände begannen zu zittern, als er die SMS las. Er würde am Nachmittag nach der Schule ins Krankenhaus gehen, das Baby kennenlernen und eine Speichelprobe nehmen. Zum Glück hatte er Nagisa dazu überreden können, einen privaten Vaterschaftstest durchzuführen. Allerdings hatte er ihr zuvor mit einem gerichtlichen drohen müssen, da sie sich zunächst geweigert hatte, überhaupt einen zu machen und darauf beharrt hatte, dass er der Vater des Kindes war.

Nachdenklich starrte Matt auf die Nachricht auf seinem Handy. Vielleicht war dieser kleine Junge sein Kind. Vielleicht war vor ein paar Stunden sein erstes Kind geboren worden und er war nicht dabei gewesen. Vielleicht hatte er ein Kind mit einem Mädchen, das er nicht einmal leiden konnte.

Er rieb sich die Stirn und seufzte leise. Ihm blieb jetzt nichts anderes mehr übrig, als inständig zu hoffen, dass das Kind nicht von ihm war.

 

_

 

Nervös kaute Mimi auf ihrer Unterlippe herum. Es war soweit. Der Unterricht war vorbei und sie würde nun mit Tai nach Hause gehen und ihn ihren Eltern als ihren Freund vorstellen. Er hatte sich in den letzten Wochen immer wieder darüber beklagt, dass sie vor ihren Eltern nicht zu ihm stand. Und Mimi musste sich eingestehen, dass er Recht hatte. Immerhin liebte sie ihn, sie hatten schon seit über einem Monat eine feste Beziehung. Außerdem hatte sie ein positives Gefühl bei ihm. Er war der Richtige. Er würde sie nicht nach ein paar Monaten mit irgendjemandem betrügen. Er war ein guter Mensch.

„Jetzt sei doch nicht so ängstlich. Du machst mich kirre“, sagte Tai, als sie sich auf dem Weg nach Hause befanden. „Wegen dir denke ich schon, dein Vater schmeißt mich aus dem Fenster.“

„Das ist ja auch gar nicht so unwahrscheinlich“, erwiderte sie todernst.

„Wow, danke. Das macht mir Mut.“

„Deswegen wollte ich es ihm nicht sagen, aber du hörst ja nicht auf mich“, zischte sie feindselig.

„Ich will halt nicht, dass du mich vor deinen Eltern geheim hältst. Meine Eltern wissen doch auch über uns Bescheid“, erklärte er.

„Deine Eltern kann man ja auch nicht mit meinen vergleichen! Und außerdem bin ich eh bald wieder in den USA. Eigentlich lohnt es sich gar nicht, ihnen von uns zu erzählen“, sagte Mimi verzweifelt nach Ausreden suchend.

Tai war stehen geblieben. „Was?“

Verwirrt hielt Mimi ebenfalls an und drehte sich zu ihm um.

„Es lohnt sich nicht? Was meinst du damit?“, fragte er stirnrunzelnd.

„Ich… naja… wir sehen uns ja nicht mehr, wenn ich erst mal wieder weg bin. Ich meine, wie soll das funktionieren?“, murmelte sie.

Einen Augenblick lang starrte er sie sprachlos an. „Soll das heißen, du machst Schluss, wenn du wieder zurückgehst?“

„Nein, aber…“ Sie wusste nicht, wie sie diesen Satz beenden sollte.

„Aber was?“

„Ich weiß einfach nicht, wie das dann weitergehen soll. Das wird doch schwer. Vielleicht schaffen wir es, uns in den Sommerferien zu treffen. Und danach vielleicht in den Weihnachtsferien. Aber… kann denn das auf Dauer gut gehen?“, stammelte sie und kratzte sich am Kopf.

„Sag‘ mal, verarschst du mich gerade?“, platzte Tai heraus.

Mimi schluckte und presste die Lippen aufeinander.

„Wochenlang verbringst du deine Zeit damit, zu versuchen, mich zu überreden, eine Beziehung mit dir anzufangen und jetzt auf einmal willst du dich trennen? Nach dann nicht einmal einem halben Jahr?!“

„Ich will mich doch gar nicht von dir trennen!“, widersprach sie energisch. „Ich sage ja nur, dass es schwierig wird.“

„Und damit, dass du nicht daran glaubst, dass wir das schaffen können. Ich meine, ich könnte versuchen, mich für ein Studium in den USA einzuschreiben, nachdem ich hier den Anfang gemacht habe. Das geht sicher irgendwie. Dann wäre ich in deiner Nähe. Aber daran scheinst du überhaupt nicht zu denken“, sagte Tai ungläubig.

„Ich… also…“ Daran hatte sie tatsächlich aus irgendeinem Grund noch nicht gedacht.

„Scheiße, Mimi, ich weiß gerade nicht, was ich davon halten soll.“

„Tai“, sagte sie kleinlaut, trat einen Schritt auf ihn zu und berührte ihn am Arm, doch er schüttelte unwirsch ihre Hand ab.

„Nein, schon gut. Anscheinend wolltest du mich nur als Zeitvertreib, genau wie es bei dir und Matt war. Ist Matt dir zu langweilig geworden und du bist deswegen auf mich umgeschwenkt?“, fuhr er sie an, sodass sie zurückzuckte.

„Tai!“, rief sie nun wütend und verletzt. „So ist das doch überhaupt nicht!“

„Ach nein? Das habe ich aber gerade ganz anders verstanden. Und weißt du was? Unter diesen Umständen brauchst du deinen Eltern auch nichts von uns erzählen. Lohnt sich wirklich nicht.“ Und dann drehte er sich einfach um und ging.

Fassungslos sah Mimi ihm hinterher, unfähig sich zu bewegen.

 

_

 

Matt klopfte an die Tür des Raumes, den man ihm im Schwesternzimmer genannt hatte, und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Er befand sich in einem Zimmer mit drei Betten, von denen jedoch nur eines belegt war, und zwar von Nagisa. Unsicher sah sie ihn an, als er zögerlich an ihr Bett herantrat. In einem kleinen Babybett neben ihr befand sich Akeno, der gerade friedlich schlief, wahrscheinlich noch erschöpft von den Strapazen seiner Geburt.

„Ähm… hi“, begrüßte Matt sie trocken.

„Hi“, murmelte sie und richtete Akenos Decke, obwohl das nicht nötig war.

„Wie geht’s?“, fragte Matt distanziert und blickte auf den Säugling hinab. Unbewusst suchte er nach Ähnlichkeiten zu sich selbst, doch er war einfach noch zu klein. Zu frisch.

„Ganz gut“, antwortete Nagisa. „Möchtest du ihn mal halten?“

Matt hob eine Augenbraue. „Nein.“ Er würde erst Kontakt zu dem Kleinen suchen, wenn feststand, dass er der Vater war. Vorher wollte er damit nichts zu tun haben.

Nagisa seufzte leise, offenbar enttäuscht.

„Tja, ich werde dann mal einen Arzt holen für die Proben“, verkündete Matt und drehte sich um. In der Anleitung, die man ihm für den Test zugeschickt hatte, stand, dass ein Arzt bei der Entnahme der Proben dabei sein und unterschreiben sollte, dass die Entnahme korrekt abgelaufen war. Matt ging zur Tür und legte die Hand gerade auf die Klinke, als Nagisa ihn aufhielt.

„Warte mal“, sagte sie.

Er hielt inne, drehte sich jedoch nicht um. Erneut hörte er sie seufzen.

„Möchtest du das wirklich tun?“

„Natürlich.“

„Obwohl ich dir schon hundertmal gesagt habe, dass du der Vater bist?“

„Ich gehe da lieber auf Nummer sicher“, erwiderte er tonlos und öffnete die Tür. Er stand schon fast im Gang, als Nagisa ihn erneut zurückrief.

„Matt!“

Ein wenig genervt drehte er sich zu ihr um und sah sie an. „Was denn?“

Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, ihre Finger spielten mit der Bettdecke.

Erwartungsvoll hob er die Augenbrauen. Als sie auch weiterhin nichts sagte, wollte er endlich gehen, doch dann sprach sie.

„Du bist nicht der Vater.“

Matt erstarrte im Türrahmen und sah sie an. Seine Hände begannen zu zittern. Sie machte jedoch keine Anstalten, weiterzusprechen. „Würdest du das bitte genauer erklären?“

„Ich… wir haben nicht miteinander geschlafen“, gestand sie so leise, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen.

Er schloss die Tür wieder, ging zurück zu ihrem Bett und baute sich vor ihr auf. Er hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich höre.“

Sie holte tief Luft. „In dieser Nacht… nun ja, du warst so fertig, dass es nicht ging.“

Er erwiderte nichts, sondern spannte nur seinen Kiefer an. Jene Nacht, an die er keine Erinnerungen mehr hatte.

„Und das ist auch schon alles“, beendete sie ihre Erzählung, als würden sie über das Wetter reden.

„Auch schon alles?“, wiederholte er ungläubig. „Du hast behauptet, du wärst schwanger von mir, obwohl du ganz genau wusstest, dass das nicht stimmt. Was sollte das?“

„Ich habe mir eben gewünscht, dass es von dir wäre“, sagte sie leise.

„Aber es ist nicht von mir, verdammt nochmal!“, rief er wütend. „Also was sollte das?!“

„Mann, ich habe gehofft, wenn ich dir weismachen kann, es wäre deins, würdest du eine Beziehung mit mir anfangen!“, erklärte sie endlich.

Matt klappte der Mund auf. Fassungslos schüttelte er den Kopf. „Ich glaub’s nicht.“

„Ich auch nicht. Ich wünschte, ich hätte dieses blöde Mittel anders dosiert“, nuschelte sie.

„Was? Welches Mittel?“ Er konnte sich schon denken, wovon sie redete. Darüber hatte er ja schon mit Sora gesprochen.

Sie rümpfte die Nase. „Ach, nicht so wichtig. Es ging ja eh alles schief.“

„Nicht so wichtig?!“ Matt war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. „Entweder, du erzählst mir jetzt verdammt nochmal, was genau dein krankes Hirn sich ausgedacht hat, oder wir sehen uns vor Gericht.“

„Es war nur ein leichtes Betäubungsmittel!“, platzte sie dann plötzlich heraus. „Es sollte nicht so wirken.“

„Betäubungsmittel“, wiederholte er tonlos.

„Ich habe es dir heimlich in deinen Drink getan. Aber ich glaube, ich habe zu viel erwischt.“

Für einen kurzen Moment schloss Matt die Augen und ließ sich ihre Erklärung noch einmal durch den Kopf gehen. Dieses Mädel war doch vollkommen irre. Das musste eine psychische Störung sein. Anders ging es doch gar nicht. Ansonsten würde er jeden Glauben an die Menschheit verlieren.

Langsam rieb er sich das Gesicht und versuchte, tief durchzuatmen. Er wollte und konnte jetzt nicht auf sie losgehen. Sie hatte vor wenigen Stunden ein Kind zur Welt gebracht. Ein Kind, das zum Glück nicht seins war.

„Du hast mir heimlich Betäubungsmittel verabreicht, wolltest dann ohne Verhütung mit mir schlafen, um schwanger zu werden in der Hoffnung, dass ich dann eine Beziehung mit dir anfange“, fasste er das Geschehene noch einmal zusammen.

Sie nickte langsam, ohne ihn anzusehen.

„Dann konntest du nicht mit mir schlafen, weil mit mir nichts mehr anzufangen war, hast dir den nächstbesten Typen gekrallt, dich von ihm schwängern lassen und wolltest mir das Kind unterjubeln?“, fragte er.

Sie nickte erneut.

„Oh mein Gott“, murmelte Matt und ging zum Fenster. Es fühlte sich an, als befände er sich in einem Alptraum. Oder einem schlechten Film. „Ich schätze, der Typ weiß noch nichts von seinem Glück?“

„Hab‘ seine Kontaktdaten nicht“, erklärte sie knapp.

Wie hohl konnte ein Mensch sein? Hatte sie wirklich geglaubt, sie würde mit dieser Masche durchkommen? Was ging noch in ihrem kranken Hirn vor?

„Warte mal“, sagte er und drehte sich wieder zu ihr um, „das Video von Mimi und mir auf dem Klo. Warst du das?“

Sie zögerte eine Weile und zuckte dann mit den Schultern, was Matt Antwort genug war.

„Und das mit den ganzen Fotos in der Schule? Kam das auch von dir?“

„Möglich.“

Fassungslos schüttelte er den Kopf. „Du bist vollkommen krank. Total durchgeknallt. Dir ist klar, dass ich dich anzeigen werde?“

Nun sah sie ihn wieder an und wirkte einigermaßen überrascht.

Wieder und wieder schüttelte Matt den Kopf. Er wusste einfach nicht, wie er seinem Entsetzen über dieses geisteskranke Mädchen sonst Ausdruck verleihen sollte. Er wollte keine Sekunde länger mit ihr in einem Raum verbringen und so verließ er das Krankenhaus ohne eine Verabschiedung wieder.

 

_

 

„Wie war eigentlich Kens Geburtstag? Du hast noch gar nichts davon erzählt“, fragte Kari und blickte Yolei neugierig über den Tisch hinweg an. Sie saßen in der Küche der Yagamis und halfen Yuuko dabei, das Abendessen vorzubereiten. Yolei wollte ihnen ein tolles Rezept ihrer Mutter zeigen.

„Oh, es war echt schön“, antwortete Yolei grinsend. „Wir waren mit seinen Eltern essen und haben uns danach mit ein paar seiner Schulfreunde in einer Bar getroffen. War wirklich witzig.“

Kari wollte gerade etwas erwidern, als die Wohnungstür aufflog und Tai wutschnaubend hereingestürmt kam. Ohne jeden Gruß warf er die Tür hinter sich zu und rauschte an ihnen vorbei.

„Was ist denn mit dir los?“, rief Kari ihm hinterher und hob eine Augenbraue. Auch Yolei und Yuuko blickten ihm verwirrt nach.

„Halt die Klappe, Kari!“, rief er nur und riss die Tür zu seinem Zimmer auf.

„Du sollst nicht so mit deiner Schwester reden!“, erwiderte Yuuko verärgert, doch da hatte er seine Zimmertür schon wieder zugeworfen. Verblüfft sahen sich Kari, Yuuko und Yolei in der Küche an.

„Ist irgendwas in der Schule passiert?“, fragte Yuuko und sah zwischen den beiden Mädchen hin und her. Beide zuckten nur mit den Schultern. Kari hatte nichts mitbekommen.

„Vielleicht hat er ja auch nur seine Tage“, meinte Kari gleichgültig und Yolei prustete los.

Zehn Minuten später klingelte es stürmisch an der Tür.

„Kari, gehst du mal?“, bat ihre Mutter sie und Kari stand auf, um die Tür zu öffnen. Davor stand Mimi mit gerunzelter Stirn und besorgtem Blick.

„Ist Tai hier?“, fragte sie und wirkte aufgebracht.

„Ähm… ja, ist eben gekommen“, antwortete Kari verwirrt. Sie spürte die Blicke von Yuuko und Yolei im Nacken.

„Kann ich rein? Ich muss mal mit ihm reden“, bat Mimi.

„Klar“, erwiderte Kari zögerlich und trat einen Schritt zur Seite, doch da kam Tai wieder aus seinem Zimmer gestürmt. Noch bevor Mimi komplett über die Türschwelle getreten war, hatte er Kari beiseite geschoben und versperrte Mimi den Weg.

„Was willst du?“, blaffte er sie an.

„Ich will nur mit dir reden“, sagte sie verzweifelt. „Könnte ich kurz…“

„Nein!“

„Oder kannst du kurz mit raus kommen?“

„Nein, danke!“

„Tai, das war doch gar nicht so gemeint! Bitte lass‘ uns darüber reden“, bettelte sie und sah aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.

„Ich glaube, es wurde alles gesagt“, fauchte er und knallte ihr die Tür vor der Nase zu, bevor er wieder in sein Zimmer stürmte.

„Tai!“, rief Yuuko vorwurfsvoll und lief nun selbst zur Wohnungstür, um sie wieder aufzureißen. Mimi hatte sich bereits zum Gehen umgewandt und drehte sich nun, da die Tür erneut geöffnet wurde, mit hoffnungsvollem Blick wieder um. Doch mit Yuukos Anblick schien ihre Hoffnung wieder zu schwinden.

„Was ist denn los, Mäuschen?“, fragte diese. „Komm‘ doch rein. Wir hören gerne zu.“

„Ich… nein. Vielen Dank. Ist schon okay“, murmelte Mimi verlegen.

„Du kannst es uns wirklich erzählen“, redete Yuuko mit sanfter Stimme weiter.

„Ich glaube, das ist keine gute Idee. Tut mir leid. Ich… ich gehe jetzt lieber“, stammelte sie und wandte sich ab.

Widerwillig schloss Yuuko die Tür wieder und schüttelte den Kopf. „Dieser Junge!“

„Ich schätze, er und Mimi haben Streit“, meinte Yolei spitzfindig und schob ihre Brille ein wenig höher.

„Was du nicht sagst.“ Kari verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich zurück an den Esstisch. Was war nur schon wieder zwischen den beiden passiert?

 

_

 

Tai konnte einfach nicht anders. Er fühlte sich von Mimi belogen und verarscht. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so verletzt gewesen war. Okay, wahrscheinlich, als er realisiert hatte, dass Sora ihn trotz Beziehung nicht liebte. Was war nur los mit den Frauen? Gab es für ihn denn gar keine wahre Liebe? Er hatte gedacht, er hätte mit Mimi endlich jemanden gefunden, mit dem er auch wirklich zusammen bleiben konnte. Eine Fernbeziehung hätte ihm nichts ausgemacht. Das hätten sie schon irgendwie geschafft. Aber Mimi machte nicht den Anschein, als würde sie es überhaupt versuchen wollen. Wie hatte er sich so in ihr täuschen können?

Er griff nach seinem Handy, das auf seinem Schreibtisch lag, und suchte Matts Nummer heraus. Nur männlicher Beistand konnte ihm jetzt helfen.

„Ja?“ Matt klang genervt. Genau, wie Tai sich fühlte.

„Frauen gehen mir dermaßen auf den Sack“, sagte Tai ohne eine Begrüßung. „Hast du mal ein paar Minuten Zeit?“

„Mir auch. Und ja, hab‘ ich. Treffen wir uns am Strand?“

„Klar. Bis gleich.“ Er legte auf, stopfte sein Handy in die Hosentasche und ging aus dem Zimmer.

„Bin nochmal weg“, rief er seiner Mutter und den beiden Mädchen im Vorbeigehen zu.

„Wohin denn?“, fragte Yuuko verdutzt.

„Einfach weg“, brummte Tai, der keine Lust hatte, genauere Auskünfte zu geben. Er hatte auf gar nichts Lust.

 

Eine Stunde später waren sowohl Tai als auch Matt fix und fertig. Gegen das, was Matt da mit Nagisa hinter sich hatte, war Tais Streit mit Mimi ja fast nichts.

„Ich komme nicht über deine Geschichte hinweg“, murmelte Tai kopfschüttelnd und nippte an seiner Bierflasche. „Aber hey, immerhin hast du kein Kind bekommen.“

„Das wäre ja noch die Krönung gewesen“, grummelte Matt und nippte ebenfalls an seinem Bier. „Ich glaube, dann hätte ich mir die Kugel gegeben.“

„Nur über meine Leiche.“ Matts Leben hätte sich wirklich durch die Vaterschaft beachtlich geändert. Nun konnte er diese Sache abhaken und normal weiterleben. „Wirst du sie anzeigen?“

„Ich weiß nicht so genau“, antwortete Matt. „Vielleicht wäre es besser so. Irgendwas stimmt ja in ihrem Kopf nicht. Wer weiß, wozu die noch fähig ist.“

„Ja, ich denke auch, es wäre besser, sie anzuzeigen“, stimmte Tai ihm nachdenklich zu.

„Und ich denke übrigens, dass das zwischen dir und Mimi nur ein Missverständnis ist“, wechselte Matt dann das Thema und sah Tai eindringlich an.

„Das war kein Missverständnis“, widersprach Tai etwas zu energisch und wich seinem Blick aus. „Da gab es doch gar nichts falsch zu verstehen.“

„Ich schätze, sie wollte dich nur testen“, sagte Matt schulterzuckend. „Sichergehen, dass es dir ernst mit euch ist, auch wenn ihr euch nicht jeden Tag sehen könnt.“

„Das weiß sie doch. Ich habe mich vor der ganzen Schule für sie zum Deppen gemacht.“

Matt schien einen Augenblick nachzugrübeln und starrte aufs Meer hinaus. Der Wind spielte mit seinem blonden Haar und ließ es wild flattern. „Vielleicht hat sie ja mal ‘ne miese Erfahrung gemacht und ist deswegen jetzt vorsichtiger. Und bevor sie alles auf dich setzt und sich an dich klammert, will sie sichergehen, dass du sie auch nicht fallen lässt.“

Verdutzt starrte Tai Matt von der Seite an. „Und du bist jetzt der Frauenversteher vom Dienst oder was?“

Sein bester Kumpel lächelte verwegen und fuhr sich durchs Haar. „Du musst nur wissen, wie.“

Tai verdrehte die Augen und verpasste ihm einen Schubs, sodass Matt lachte und sich abstützen musste, um nicht von der Bank zu fallen. Dennoch dachte Tai nun über das nach, was Matt gesagt hatte. Wusste er von Mimis schlechter Erfahrung oder hatte er da wirklich ins Blaue geraten und dabei ins Schwarze getroffen? Wollte sie ihn tatsächlich nur testen?

 

_

 

Es war mitten in der Nacht, als Mimis Handy ertönte und sie erschrocken zusammenzucken ließ. Nicht, dass sie geschlafen hatte – zu aufgewühlt waren ihre Gedanken – doch das plötzliche Durchbrechen der nächtlichen Stille ließ ihr Herz vor Schreck rasen. Mit zitternder Hand griff sie nach ihrem Handy und sah mit zusammengekniffenen Augen auf das grell leuchtende Display. Tai. Der Grund ihrer schlaflosen Nacht.

Zögerlich drückte sie auf die Hörertaste und ging ran. „Ja?“

„Hi ähm… habe ich dich geweckt?“

„Nein.“

„Okay. Gut. Ich steh‘ vor deiner Tür. Lässt du mich rein?“

Verdutzt schwieg Mimi. Er stand vor ihrer Tür? Sie hatte mit allem gerechnet, nur damit nicht. Vor Verwirrung vergaß sie, ihm zu antworten, bevor sie auflegte und leise durch die dunkle Wohnung zur Tür schlich. Als sie sie öffnete, stand Tai unschlüssig davor und sah sie ein wenig überrascht an, als sie öffnete.

„Komm‘ rein“, murmelte sie und ging zurück in ihr Zimmer. Sie hörte, wie er eintrat, die Tür hinter sich schloss, seine Schuhe auszog und ihr in ihr Zimmer folgte. Sie ließ ihn herein und schloss so leise wie möglich die Tür hinter sich. Hoffentlich waren ihre Eltern nicht aufgewacht.

„Ich hasse dich, Tachikawa!“

Als sie sich empört zu ihm umdrehte und etwas erwidern wollte, kam er schon auf sie zu, hob sie an und presste sie gegen die Tür. Seine Lippen legten sich auf ihre und verwickelten sie in einen feurigen Kuss. Unwillkürlich schlang sie ihre Arme um seinen Hals.

„Wie kannst du davon ausgehen“, nuschelte er zwischen seinen Küssen, „dass das mit uns und der Entfernung… nicht funktioniert?“

„Es ist eben nicht… mal eben um die Ecke.“

„Na und? Deswegen muss man… doch nicht gleich alles… aufgeben. Man kann es… ja erst mal versuchen.“ Als er sich so an sie presste, konnte sie deutlich spüren, wie sehr es ihn erregte, was sie hier taten. Und auch sie ließ es nicht kalt. Und doch war das Thema, das sie hier besprachen, zu ernst, um nicht die volle Aufmerksamkeit beider Parteien zu bekommen.

Sie legte die Hände an sein Gesicht und schob ihn ein wenig von sich weg, sodass er sie ansah und wieder herunterließ.

„Ist dann die Enttäuschung nicht noch größer, wenn man es hoffnungsvoll versucht und dann klappt es nicht?“, fragte sie verzweifelt.

„Verdammt Mimi! Ich liebe dich! Ich liebe dich so sehr, dass ich für dich auswandern würde! Was willst du denn mehr? Die Zeit, in der wir so weit voneinander entfernt wohnen, wäre doch gar nicht so lang. Ich habe jetzt ein paar Aufnahmeprüfungen und klar, um gleich in New York anzufangen, ist es zu spät. Aber ich kann bestimmt nach ein oder zwei Semestern die Uni wechseln! Das dürfte doch kein Problem sein! Warum willst du das nach all dem Stress, den wir hatten, nicht?“

Sie konnte es nicht zurückhalten. Ohne, dass sie es wollte, füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie presste die Lippen aufeinander. „Würdest du das echt für mich machen?“

„Wenn es der einzige Weg ist, mit dir zusammen zu bleiben“, antwortete er schulterzuckend.

„Aber… deine Freunde. Deine Familie.“

„Die werden das sicher verstehen. Ich bin ja nicht aus der Welt.“

„Meinst du das wirklich ernst?“

Er runzelte die Stirn. „Natürlich meine ich das ernst, du dummes Ding.“

„Tai“, schluchzte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, bevor sie ihn erneut küsste. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich will einfach nur mit dir zusammen sein.“

Unwirsch schüttelte er den Kopf und erwiderte ihre Küsse. Erneut hob er sie hoch und trug sie zu ihrem Bett.

 

_

 

Erschöpft aber zufrieden seufzend ließ Tai sich in Mimis weiche Kissen sinken und schloss die Augen. Mimi kuschelte sich an ihn und ließ ihre Fingerspitzen über seine Brust gleiten.

„Es stimmt, was alle über Versöhnungssex sagen. Wir sollten uns öfter streiten“, murmelte Tai scherzhaft und kassierte von Mimi einen Klaps gegen die Stirn.

„Wir werden uns schon noch oft genug streiten. Da musst du das nicht noch heraufbeschwören“, grummelte sie vorwurfsvoll.

„Jaja, schon gut“, erwiderte er und gähnte herzhaft.

„Schläfst du jetzt hier?“, fragte sie.

„Ich glaube schon. Meine Schulsachen kann ich einfach morgen Früh holen. Dann stehe ich halt eher auf.“

Mimi schnaubte spöttisch.

„Was denn?“

„Du und eher aufstehen. So siehst du schon aus.“

„Muss ich ja, wenn du mich dazu zwingst, die Nacht unvorbereitet bei dir zu verbringen“, antwortete er gespielt genervt.

„Du bist doch einfach hier aufgetaucht“, entgegnete sie empört.

„Und du hast mich einfach verführt.“

„Habe ich gar nicht.“

„Hast du wohl.“

Sie kicherte. „Ich freue mich, dass du hier schläfst. Dann kann ich dich morgen Früh gleich meinen Eltern vorstellen.“

„Oh ja, tolle Idee. Am besten noch nackt. ‚Guten Morgen, Mutter und Vater. Das ist Tai, mein Freund. Er hat letzte Nacht hier geschlafen.“

„Was?“ Mimi musste lachen. „Ich nenne meine Eltern doch nicht Mutter und Vater.“

„Das ist das Einzige, was dich an dem Szenario stört?“

„Hm“, machte sie nachdenklich. „Ich gebe zu, ich bin ein bisschen aufgeregt. Keine Ahnung, wie sie reagieren werden.“

„Gar nicht. Ich bin weg, bevor sie wach sind, okay?“

Mimi zog eine Schnute und wollte erst protestieren, doch sie wusste, dass es so besser war. „Okay.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, nun ist also die Sache mit Matt und Nagisa geklärt und viele Kapitel kommen jetzt auch gar nicht mehr.
Noch ein bisschen Drama zwischen Tai und Mimi musste sein. ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kaninchensklave
2020-12-16T14:03:45+00:00 16.12.2020 15:03
ein Tolles Kap

Matt sollte Nagis echt anzeigen sie hat sich da einiges geleistet, was nicht gerade positiv ist immerhin
waren es doch nur Körperverletzung mit versuchte Vergewaltigung, Besitz von Betäubungsmitteln, Ruf Mord,
veröffendlichung von Film und Bildmaterail ohne einwilligung der beteiligten
da würde einiges auf sie Strafrechtlich zu kommen was nicht ohne ist

das mit Tai und Mimi wird sich auch noch klären was Ny betrifft, denn zwar gibt es Pläne doch das heisst nicht, das diese auch so umgestzt werden oder sich diese nicht in Luft auflösen, in 6 Monaten kann soviel passieren da muss man nicht schwarzsehen

zumindest hat sich Tai vor der Versönung mit seinem zukünftigen Schwager ausgesprochen, da sie den beiden Jüngeren in ein paar Jahren wohl keine wahl lassen werden und von zwei eltern Paaren, zwei Brüdern und Ihren Freunden zum heiraten verdonnert werden ob sie wollen oder nicht , eine Wildeehe wird man nicht dulden

entweder getrennt wohnen während der Uni oder nur mit Ringen ^^

GVLG
Von:  Tasha88
2020-12-16T12:42:54+00:00 16.12.2020 13:42
Hallo :)

Ab heute ist das Leben wieder komplizierter 🙈
Aber die Zeit nehme ich mir jetzt trotzdem.

Also mimi & Tai. Ich kann Tai wirklich verstehen, dass er jetzt so sauer ist. Wer nicht? Mimi "bringt" ihn quasi zu der Beziehung... Und dann sagt sie, hält eh nicht?
Sie sollte Tai festhalten, denn nicht jeder wechselt das Land für einen Beziehung ;)

Und matt - krasse Sache mit dem Baby... Und eben dem, was Nagisa da getan hat...

Bis dahin ^^


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