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Unverhoffte Nachbarn

Wenn Nachbarn interessant werden
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Vorab: Wenn Catherine und Sherlock anfangen zu spielen, empfehle ich diesen Link bereits offen zu haben um ihn abspielen zu können :
http://www.youtube.com/watch?v=qOMQxVtbkik

das hier ist die Version wie ich dachte, das es gespielt wird (man hört das Klavier und die Geige besser, aber das obere ist halt Originalversion und ist wegen etwas anderem passender^^)

http://www.youtube.com/watch?v=za1OSyPchbg Komplett anzeigen

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Rückkehr des besten Freundes

23. Kapitel: Rückkehr des besten Freundes
 


 

„John...machen Sie die Tür auf...bitte, John!“, flehte Catherine, als sie gegen die Tür von 221b klopfte. Bereits seit zehn Minuten stand sie vor der Tür und bettelte um Einlass, doch keinerlei Reaktion war zu vernehmen. Hoffentlich hatte John sich nichts getan. Nicht jetzt, wo Sherlock wieder da war. Mit aller Kraft klopfte sie erneut gegen die Tür, hämmerte beinahe auf sie ein, sodass ihre Hand bereits schmerzhaft pochte. Nach einigen weiteren Versuchen hielt sie inne, umklammerte ihre schmerzende Hand und setzte sich auf die Stufen. Was konnte sie tun? Wie würde sie John erreichen? Es war alles so kurz davor wieder gut zu werden, so kurz davor, dass sie ihr altes Leben wiederbekäme, dass ihre beiden engsten Vertrauten sich wiederfanden und dann sollte es daran scheitern, dass John sich in seiner Welt verkroch? Innerlich flehte sie, dass sie ihn erweichen konnte, dass er bitte endlich aufhörte in Selbstmitleid zu baden.

Müde fuhr sie sich durch das Haar und schloss die Augen. Sie musste noch warten. Vielleicht stand John gerade unter der Dusche und hörte sie einfach nicht. Hoffentlich ertrank er nicht in seinem Selbstmitleid. Leise seufzte sie und begann sich zu überlegen, wie sie vorgehen sollte. Sherlock musste so lange im Hinterhof stehen, dem Regen trotzen, der mittlerweile eingesetzt hatte, und frieren, bis sie es geschafft hatte John aus der Wohnung zu locken, damit er seine Geige holen konnte. Alles hing von ihr ab und dass sie es schaffte zu dem Arzt durchzudringen. Das Glück ihrer Familie lag auf ihren Schultern. Theoretisch klang der Plan gut, aber es erwies sich doch als schwieriger ihn umzusetzen, als sie gedacht hätte.

Nach fünf weiteren Minuten stand sie auf und klopfte erneut gegen die Tür. Dieses Mal vernahm sie das Geräusch einer Bewegung, einen Sessel vermutete sie. John war also da. Sie holte tief Luft und klopfte dieses Mal sachter.

„John...ich weiß, es ist schwer. Aber bitte, lassen Sie uns das gemeinsam durchstehen.“, flüsterte sie leise gegen die Tür, hoffte, dass er es hörte. Die Gefühle übermannten sie, sie fühlte nur zu stark die Distanz, die zwischen ihnen herrschte. Als Sherlock noch ihr Leben aufgewühlt hatte, war die Tür immer offen gewesen, sie hatte hier die Wohnung betreten können, John um Rat fragen können, doch nun blieb ihr das verwehrt. John hatte sie ausgeschlossen aus dem kläglichen Rest, den er ein Leben nannte und ließ sie nicht mehr an sich heran.

Die Situation erinnerte sie zu sehr an die vergangenen Jahre. Sie hatte jeden Jahrestag hier gestanden, hatte verzweifelt versucht zu John durchzudringen, doch es war jedes Mal gleich geendet. Er hatte sich nicht gerührt, keine Reaktion gezeigt und so blieb die Bakerstreet verstummt.

„John...“, flüsterte sie wieder und legte ihren Kopf gegen die Tür. Wieder kam die Verzweiflung, die Trauer zurück. Er hatte sie alleine gelassen. Nicht, dass sie es John vorwerfen könnte, doch dass er sich so verkroch, zerbrach ihr fast das Herz. „Bitte, machen Sie mir auf! Sie müssen doch nicht alleine sein. Lassen Sie mich rein...“

Wieder hörte sie ein Geräusch aus der Wohnung und sie gab die Hoffnung nicht ganz auf, dass sie vielleicht doch zu ihm durchdrang.

„Bitte...ich schaff es nicht mehr, es alleine zu ertragen...ich brauche dich, John. Bitte, lass mich nicht allein.“ Ein Schluchzer entwich ihrer Kehle. Für einen Moment war vergessen, dass Sherlock wieder da war, denn die alte, vertraute Einsamkeit überspülte sie. Sie bemerkte erst auch gar nicht, dass sie ihn geduzt hatte, sie hatte es instinktiv getan. Hoffte sie doch so, dass sie zu ihm durchdrang, die Vertrautheit wiederherstellte. Langsam schloss sie die Augen. Sherlock war doch wieder da...alles würde wieder gut werden, wenn John doch nur die Tür öffnen würde.

Es dauerte einige Augenblicke, bis Catherine bemerkte, wie Schritte sich hinter der Tür bewegten. Sie vernahm ein leises Seufzen und ein Zögern, doch dann öffnete sich die Tür. Vor ihr stand ein gebrochener John Watson. Das aschblonde Haar war fahl, aber ordentlich geschnitten. Die dunklen Augen blickten sie stumpf an, sämtliches Leben war aus ihnen verschwunden. Catherine bemerkte auch, dass er wieder leicht schief stand, offensichtlich war sein Humpeln wieder stärker geworden. Ein deutliches Indiz, das zeigte, dass es ihm schlecht ging. Auch die dunklen Bartstoppeln und der leichte Geruch von Alkohol zeigten, dass John allen Lebenssinn verloren hatte.

Der Anblick ihres gebrochenen Freundes, schnürte ihr Herz zu und sie schloss die Augen.

„Catherine...“, flüsterte er leise und sah sie aus traurigen Augen an.

„John...“ Sie trat auf ihn zu, gab ihrem Drang nach und umarmte ihn. Sie wusste nicht, ob es John half oder ihn mehr verletzte, aber sie wollte für ihn da sein, ihn retten. Solange hatte sie sich ihm entzogen- um ihn zu schützen wie sie sich einredete-, doch vielleicht hätte sie hartnäckiger sein sollen, einfach an seine Seite sein sollen, aber John war erwachsen. Er wusste doch am besten wie er mit dem Verlust umgehen sollte, oder? Nein, offensichtlich wusste er es nicht.

Zu ihrer Überraschung fiel plötzlich Johns starke Maskerade und er erwiderte ihre Umarmung. Fester, als sie gedacht hätte, doch es erleichterte sie.

„Ich möchte für dich da sein...“, flüsterte sie leise, als er seinen Kopf an ihrer Schulter vergrub. „Es bringt nichts, wenn du dich hier einschließt.“

„Du hast Recht...“, erwiderte er leise, so leise, dass sie es fast nicht hörte. „Ich hätte eher kommen sollen. Nun ist es zu spät, Catherine.“

„Nein...“ Sie schüttelte den Kopf und warf einen Blick in die Wohnung. In 221b hatte immer ein unglaubliches Chaos geherrscht, doch nun zeigte sie, dass John sämtlichen Antrieb verloren hatte überhaupt etwas aus seinen Leben zu machen. „Noch gebe ich nicht auf, John. Zusammen schaffen wir das. Ich lasse dich nicht mehr allein. Ich möchte etwas gegen diesen Blick tun, den du immer in deinen Augen hast, wenn du mich ansiehst. Ich möchte nicht mehr dein Schrecken sein.“

John trat überrascht einen Schritt zurück, sah sie aus diesen leidenden Augen an und senkte beschämt den Blick.

„Ich wollte das nicht...es hatte nichts mit dir...“

„Doch, hatte es.“, unterbrach sie ihn. „Aber das ist in Ordnung, ich verstehe es, John. Ich verstehe nur zu gut. Wir sind beide geflohen vor dem was passiert ist. Du in die Erinnerungen, ich in die Arbeit und jedes Mal, wenn wir uns sahen, wurde uns bewusst, dass es eine Illusion war, nie die Wahrheit seien würde, aber das muss nun aufhören, wir können nicht mehr weglaufen. Bitte, John...ich kann nicht mehr allein sein. Ich will es nicht mehr sein, nie mehr. Ich weiß, dass ich viel von dir verlange, aber ich erwarte auch nur, dass du es versuchst.“

Langsam trat sie einen Schritt zurück, ging über die Türschwelle der Wohnung zurück in den Flur und streckte ihm die Hand entgegen.

„Versuch es! Geh deinen ersten Schritt mit mir.“ Aufmunternd lächelte sie ihn an und wartete darauf wie er reagierte. Lange starrte John auf ihre Hand, sah zurück in die Wohnung.

„An diesem Tag, solltest du nicht allein sein. Das hätte er nicht gewollt.“, flüsterte sie. Kurz zuckte Johns Gesicht und Schmerz durchzog es, doch er nickte, ergriff ihre Hand. Sanft umschloss sie seine Hand, als er auf sie zuging. Erleichterung durchflutete sie, als sie es geschaffte hatte zu ihm durchzudringen. Lange hatte sie sich überlegt, was sie sagen sollte, war sich unsicher wie ihre Worte auf John auswirken würden, doch dann war es plötzlich einfach gewesen.

„Catherine...“

„Ja?“, fragte sie und drehte sich zu ihm um. Ihre blauen Augen sahen ihn verwirrt an und blinzelten.

„Aber bitte keine alten Geschichten...“ Sie sah ihn lange an und lächelte ihn dann warm an.

„Komm einfach mit.“ Langsam schloss sie die grüne Tür der Bakerstreet und strich kurz darüber. Nicht mehr lange und es war hoffentlich so wie immer. Leise klopfte sie dreimal gegen die Tür, das vereinbarte Zeichen, dass John aus der Wohnung war und das Sherlock sie betreten konnte. Danach blickte sie noch einmal lächelnd zurück, lief dann aber schnell die Treppe hinab, an deren Fuß John bereits auf sie wartete.
 

~*~
 

Keiner der beiden hatte bemerkt, dass Sherlock bereits längst in der Wohnung war. Er hatte vom Hof aus gehört wie John nach einigen Minuten dem Drängen von Catherine genervt nachgegeben hatte und zur Tür gegangen war. Da hatte er einfach nicht mehr ausgehalten. Er hatte ihn sehen müssen und er wusste, dass John ihn von seiner Position aus nicht sehen konnte. Als er in das Wohnzimmer kletterte, bemerkte er, dass sich wirklich nichts verändert hatte. John hatte alles so belassen wie es am Tag seines Todes gewesen war. Leise lehnte er sich gegen die Wand und hörte dem Gespräch der beiden zu.

Sherlock musste zugeben, dass er von Catherine überrascht war. Ihre Stimme war sanft und weich, während sie mit John sprach. Sie besaß eine Fähigkeit der Einfühlsamkeit, die Sherlock niemals begreifen würde. Wie sehr sie reifer geworden war in er Zeit, die er fort gewesen. Catherine wusste nun mit Worten umzugehen, Menschen damit zu erreichen. Es sprach viel Wahres aus ihrer Wortwahl und er spürte wie sie sogar sein Herz erwärmten, wie sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen legte, während sie so verständnisvoll mit seinem besten Freund sprach, wie er es niemals könnte. Nun spürte er erst wie tief die Bindung zwischen John und Catherine eigentlich gewesen war, denn die Worte kamen so leicht von ihr, schafften es die Trauer von John zu überwinden. Mit ihrer Hilfe könnte er vielleicht das Chaos retten, was er angerichtet hatte. Langsam strich er über das abgenutzte, so vertraute Leder der Couch und spürte wie sehr er es vermisst hatte. Nichts sehnlicher wünschte er es sich als hierher zurückzukehren, doch nach Catherines Worten war es sich sicher, dass er es mit ihrer Hilfe schaffen könnte.

Sherlock nahm seine Violine und streichelte sie beinahe zärtlich, holte sie hervor und begann sie zu stimmen, bevor er sich wieder in den Hinterhof begab und durch das Fenster kletterte, was Catherine für ihn öffnen würde.
 

~*~
 

Catherine setzte sich einige Minuten später in den Sessel, der John gegenüber stand, und reichte ihm ein Glas von Scotch. John sah sich um, ließ seinen Blick streifen und schien zu bemerken, dass sich auch hier nichts verändert hatte. Es herrschte immer noch das geordnete Chaos, das Bücherregal quoll über, auf dem Schreibtisch lag ein Skizzenblock und Stifte verstreut. Eine typische Wohnung eines jungen Menschen, doch sie war immer sauber und gepflegt.

„Danke.“, murmelte er und trank einen kräftigen Schluck.

„Kein Problem.“, erwiderte sie und plötzlich legte sich eine merkwürdige Stille über sie. Normalerweise wäre dies der Moment gewesen, wo John oder sie irgendeine Geschichte über Sherlock auspackten, darüber lästerten und lachten doch John hatte es schon gesagt, keine alten Geschichten mehr. Sie mussten neue Themen finden, sie mussten sich auf einer anderen Ebene annähern. So saßen sie also einige Zeit einfach da, lauschten dem knisternden Feuer im Kamin, während sie dem Regen zusahen, der gegen Catherines Fenster prasselte.

„Wie läuft es auf der Arbeit?“, fragte John um die unangenehme Stille zu durchbrechen. Catherine hob den Blick von ihrem Glas uns sah John direkt in die Augen.

„Ganz gut.“, antwortete sie schlicht und drehte das feingeschliffene Glas in ihrer Hand und blickte in die braune Flüssigkeit. „Ich leite mittlerweile ein kleines Forschungsteam von zwei Leuten und bin für die Ausbildung der Bachelorstudenten in Bereich Mikrobiologie zuständig. Ich organisiere die Praktika, wähle die Versuche aus und halte Seminare.“

„Gut...gut...das klingt...gut...“, erwiderte John hastig. Nach drei Jahren der Entfremdung war es schwer sich einander wieder anzunähern. Dann hielt er inne, blinzelte mehrere Male verwirrt, neigte seinen Kopf.

„Moment...du leitest die Ausbildung? Das tun doch sonst nur...“

„Doktoranden, ich weiß. Ich hatte vor einem Monat meine Promotion.“, erklärte sie schief lächelnd.

„Du hast...wow...Glückwunsch. Das ist...beindruckend.“, stotterte John überrascht. Er hatte das nicht gewusst. Catherine hatte nie die Chance gehabt, ihm zu erzählen, dass sie mittlerweile durchaus bekannt in der Welt der Biologie war. Er wusste auch nicht, dass mittlerweile der Mord an ihrem Bruder aufgeklärt worden war. Sie hatte oft versucht, das Gespräch zu suchen, ihm zu sagen, was sich alles in ihrem Leben verändert hatte. Er schien auch deswegen verletzt zu sein, dass sie ihm nichts erzählt hatte, denn er blickte stur in sein Glas.

„John...ich habe wirklich versucht es dir zu sagen, aber du hast jede SMS von mir gelöscht...und wohl auch keinen Brief aufgemacht...was schade ist...ich hatte dich eigentlich zur Promotionsfeier eingeladen. Ich war die einzige in der gesamten Fakultät...bei der keiner gekommen war. Dabei hätte ich dich wirklich gerne dabei gehabt.“, flüsterte sie traurig, stand auf und zog eine Schublade auf. Eine weiße Karte aus Büttenpapier lag sorgfältig oben auf all ihren Dokumenten. Vorsichtig nahm sie diese hervor und reichte sie John. Dieser nahm sie, öffnete die Karte und sah, dass es seine Einladung zur Feier war. Er erkannte den Briefumschlag und das Papier. Er hatte damals Catherines Handschrift erkannt und die Trauer hatte ihn so sehr übermannt, dass er sie weggeworfen hatte. Schuldbewusst sah er weg und seine Hände zitterten.

„Es tut mir leid, Catherine...“ Erst jetzt bemerkte er, wie sehr er sie ausgeschlossen und wie alleine er sie gelassen hatte. Wie fremd sie sich geworden waren. Früher hatte er die Gespräche mit Catherine genossen. Ihr Verhältnis war locker und vertraut gewesen, doch nun saßen sie hier wie bei einem Blind Date, wo man den Partner nicht leiden konnte und versucht höflich zu bleiben.

Catherine schüttelte nur den Kopf und lächelte ihn an.

„Kein Problem. Es war eine Scheißzeit. Vielleicht hätte ich forscher sein müssen...aber ich habe die Blicke nicht ertragen, die du mir immer zugeworfen hast. Wie ein leidender Hund und ich habe es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können, dass du leidest.“

„Aber du hättest mich gebraucht, während ich in Selbstmitleid gebadet habe.“, sagte John ernst und zog seine Stirn in Falten. Catherine zögerte. Es war wahr, was er sagte. Sie war mehr als einmal kurz vorm Verzweifeln gewesen, hätte wirklich einen Rat gebraucht, aber sie wollte es ihm nicht so vor dem Kopf werfen. Es war sowieso seltsam. Sie musste nun so tun, als wäre Sherlock noch tot, wo sie doch am liebsten an Johns Seite auf und abspringen wollte und kreischen: Sherlock ist da! Sherlock ist wieder da! Doch sie hatte es Sherlock versprochen und sie würde ihn nicht enttäuschen. Niemals mehr und auch John nicht. Also stark bleiben und weiter schauspielern.

„Du kannst es mir ruhig sagen.“

„Natürlich hätte ich dich gebraucht...ich war komplett alleine, aber du hättest mich auch gebraucht, doch ich habe mich nicht getraut, weil ich Angst vor deinen Reaktionen hatte. Also sind wir quitt.“, erklärte sie schlicht und zuckte mit den Schultern.

„Ich werde mir jetzt mehr Mühe geben, versprochen, Catherine. Ich schließe dich nicht mehr aus.“ Sie lächelte ihn dankbar an und setzte sich wieder in den Sessel. In den Augenwinkeln bemerkte sie eine Gestalt, die durch das Fenster ihres Schlafzimmers kletterte und sie konnte ein kleines Lächeln nicht verkneifen.

„Weißt du...dich hätte ich wirklich gern dabei gehabt, John, aber ich bin froh, dass Sherlock nicht dabei war.“ Sie würde sich diese Situation nicht entgehen lassen. Sollte ihr Plan funktionieren, dürfte Sherlock keinen Mucks von sich geben, was ihm sicher schwer fallen würde. Catherine konnte einfach nicht anders, sie musste das ausnutzen und sie würde Spaß dabei haben.

„Wie meinen?“, fragte John irritiert und nahm eine Handvoll Chips, die sie vor einiger Zeit auf den Tisch gestellt.

„Glaubst du wirklich, ich hätte auf meiner Promotionsfeier haben wollen, dass Sherlock dort rumrennt? Wie er meinem Professor deduziert oder den Dekan...den Direktor der Uni vielleicht sogar? Wie er herumläuft und sagt was für Idioten doch alle wären.“ Sie lachte leise. „Ich wär dann sicher zu zwanzig Jahren Reagenzglasspülen verurteilt worden und er hätte das auch noch lustig gefunden.“

John konnte nicht anders, er musste kichern auch wenn es einige Momente dauerte, bis er es zuließ. Der Klang seines Lachens erleichterte Catherine ungemein und sie hatte auch das Gefühl, dass die schattenhafte Gestalt, die vor John durch ein Bücherregal verborgen war, erleichtert ausatmete.

„Du hättest deinen Doktortitel gleich wieder abgeben können.“

„Definitiv. Wahrscheinlich hätte er mich sogar noch vor versammelter Mannschaft auf Fehler hingewiesen, die ich gemacht hätte oder festgestellt, dass Professor Rose und Mannegan eine Affäre haben. Das wär unangenehm geworden.“ Die beiden ungewöhnlichen Freunde sahen sich an und prusteten los. Erst verhalten, doch dann immer lauter und kräftiger. Es war, als hätte Sherlock mal wieder den Knoten gelöst, der die Kommunikation der beiden blockiert hatte.

„Oder...AU!“ Etwas hatte sie am Hinterkopf getroffen. Irritiert fasste sie nach hinten und zog eine Erdnuss aus ihrem Haar, betrachtete sie und zog eine Augenbraue hoch. Wo zum Geier hatte Sherlock in ihrem Schlafzimmer eine Erdnuss gefunden?

„Catherine?“, fragte John irritiert und sah sie fragend an.

„Nichts, nichts. Da hing wohl nur eine Erdnuss in der Lehne und ich habe mich dagegen gelehnt.“, erklärte sie und konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Natürlich hatte Sherlock das nicht lustig gefunden, aber er hatte keine Möglichkeit etwas zu erwidern, weshalb er sie wohl aus purer Verzweiflung beworfen hatte. Dieses Mal hatte sie das Spiel gewonnen. Die nächsten würden sicherlich nicht so ausgehen. Da hatte sie es doch nutzen müssen und einen ihrer Späße durchziehen, wenn Sherlock doch einmal die Hände gebunden waren.

John sah sie dankbar lächelnd an und stand auf. Da fiel ihm etwas auf und er verharrte ihm Wohnzimmer, ging langsam darauf zu. Neben einem Bücherregal, das eine Art Trennwand zur Tür des Schlafzimmers bildete und indem sich auch die Stereoanlage befand, stand ein kleines Klavier aus polierten Eichenholz. John ging auf es zu und ließ nachdenklich seine Finger darüber streichen.

„Du spielst wieder, Catherine?“, fragte er und drehte sich zu ihm um.

„Nun, sagen wir, ich versuche es. Ich bin ziemlich beschäftigt und vollkommen aus der Übung, aber irgendwie hatte ich vor einiger Zeit das Bedürfnis danach wieder eines zu besitzen.“, erklärte sie. Die Wahrheit war: Sie hatte sich das Klavier gekauft um sich Sherlock wieder nah zu fühlen. Immer wenn sie gespielt hatte, hatte sie daran gedacht wie Sherlock es geliebt hatte Violine zu spielen und sie hatte so das Gefühl, dass er neben ihr stand und spielte. Er hatte die Musik geliebt, war in ihr aufgegangen und sie wollte dieses Gefühl bewahren.

Kurz ließ sie ihren Blick ins Schlafzimmer gleiten und sah graublaue Augen funkeln, die sie ansahen und nachdenklich verschmälerten. Ob er wohl wusste, was wie wirklich mit dem Klavier bezweckt hatte? Wahrscheinlich. Nachdem sie den Master geschaffte hatte, war es nicht direkt sicher gewesen, dass sie eine Doktorstelle in dem Institut bekommen würde und deshalb hatte es zwei Monate gegeben, in denen sie nichts zu tun gehabt hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte sie die Einsamkeit übermannt und sie hatte ein Klavier gekauft. Sie hatte keinerlei Erinnerungsstücke an Sherlock und so war das das einzige, was er Verbindung zwischen ihnen geblieben war.

„Würdest du...etwas spielen?“, fragte John vorsichtig und sah sich das Klavier wieder an.

„Wirklich?“ Überrascht sah Catherine ihn an. Zwar gehörte das zu ihrem Plan und sie hätte in ein paar Minuten sowieso angefangen zu spielen, doch dass John von sich aus fragte, hätte sie nicht gedacht.

John zögerte kurz und nickte dann.

„Ich versteh nicht wirklich viel davon. Ich kann ehrlich gesagt nur sagen, ob mir ein Lied gefällt oder nicht...“, fing er nachdenklich an und betrachtete das Klavier, blätterte in den Notenheften und sah sie dann an. „Was hier drin steht, ist für mich wie eine Geheimsprache. Ich habe keine Ahnung von Harmonien, Takt oder Tonarten...aber wenn Sherlock spielte...da wusste selbst ich, dass es Musik der höchsten Stufe war...es war...als...“

John haderte, verzog den Mund und suchte nach dem passenden Wort.

„Als erwache sie zum Leben.“, vollendete sie seinen Satz und setzte sich auf die Klavierbank. Der Arzt nickte.

„Man vergaß einfach alles um sich herum und war wie in einer anderen Welt. Nun ja...ich weiß auch nicht. Ich dachte, es würde einfach passen.“ Catherine sah zu ihm auf und beobachtete ihn einige Zeit. Sie seufzte leise und strich sich ihren Pony aus dem Gesicht.

„Dir ist schon bewusst, dass ich nicht Sherlock bin. Ich verstehe die Musik nicht so wie er es tut. Ich kann nur spielen, was andere mir vorgeben, ich kann ihr keine Seele einhauchen so wie er es tat. Ich habe nur gelernt sie zu lesen, aber ich verstehe sie auch nicht vollkommen. Nicht so wie er.“

„Da ich sie aber noch weniger verstehe, wird mir das wohl nicht auffallen.“, sagte John und lächelte sie an. Etwas Bittendes lag in seinen dunkelblauen Augen. Er wünschte es sich wirklich und schließlich willigte Catherine ein, auch wenn sie nun nervös wurde. Als sie John über Sherlocks Spiel hatte sprechen hören, war sie unruhig geworden. Sie würde niemals an ihn heran kommen. Er war brillant was die Musik anging. Es war, als wäre er die Musik, als lebte sie in ihm.

„Ich bereite alles vor.“, sagte sie dann, als sie sich etwas gesammelt und tief Luft geholt hatte. „Hol du dir doch in der Zeit einen Tee. Es gibt eh ein Lied, das ich dir immer einmal zeigen wollte, weil es passt. Ich such die Noten raus. Dann spiel ich dir etwas vor, John.“

Dankbar sah John sie an und ging in die Küche, wandte ihr den Rücken zu. Catherine trat etwas zur Seite und gab Sherlock einen Wink, dass er sich in den Schatten des Bücherregals stellen konnte. Da es quer stand, verbarg es Sherlocks Gestalt vom Blickwinkel der Sessel aus. Schnell schlich sich der einzige Consulting Detective aus dem Schlafzimmer in den Schatten, blieb aber kurz neben ihr stehen.

„Kann er mich wirklich nicht sehen?“, flüsterte er leise in ihr Ohr. Catherine schüttelte den Kopf.

„Keine Sorge...ich habe es gerade noch einmal überprüft.“

„Was für ein Lied ist es?“

„Eine ruhige Ballade...3 Themen ungefähr. Das Klavier spielt die die ersten neun Takte alleine.“, erklärte sie rasch und leise, während sie John beobachtete, der Tee kochte. Sherlock nickte und sah sie durchdringend aus seinen graublauen Augen an.

„Das mit der Feier zahl ich dir zurück.“, flüsterte er noch und zog sich dann in den Schatten zurück, als John in die Wohnstube zurückkehrte. Catherine stand mittlerweile wieder vor dem Klavier und zog ein Notenheft aus dem Regal, unterdrückte mit aller Kraft ein Grinsen. John setzte sich in der Zeit in den Sessel und sah sie an.

„Ich wird noch eine Instrumentalspur einspielen.“, erklärte sie, als sie so tat, als würde sie die Stereoanlage anschalten. „Es klingt mit einer Violine einfach besser und so wird der Geist vielleicht noch sichtbarer.“

John rutschte kurz unruhig in seinem Sessel hin und her, nickte dann aber und nahm einen Schluck. Catherine setzte sich hin und sah wie Sherlock die Geige anlegte, ihren Blick erwiderte und leicht nickte.

Tief holte sie Luft und begann die ersten, ruhigen Takte zu spielen. Es war ein sanfter Einstieg mit aufeinander aufbauenden Akkorden, doch dann wurde sie langsamer und sie bemerkte, dass Sherlock instinktiv wusste, wann er einsetzten sollte. Sanft ließ er den Klang der Geige erklingen, ließ die langgezogenen Noten durch den Raum tanzen, während sie immer schneller wurde bis er anfing sich ihrem Rhythmus anzupassen und Catherine spielte immer wieder den gleichen Ton und er verharrte, sah sie an, wusste, dass etwas kommen würde.

Da schloss Catherine die Augen und begann mit ruhiger Stimme zu singen:
 

Fear not this night

You will not go astray

Though shadows fall

Still the stars find their way[/center}

Die erste Strophe spielte Catherine alleine, konzentrierte sich ganz auf den Gesang, während ihre Hände wie von selbst über die Tastatur glitten. Sie sah nicht Sherlocks überraschten, dann aber sanft werden Blick und sie sah auch nicht, wie John genüsslich die Augen schloss, dem entstehenden Bild des Liedes lauschte.

Awaken from a quiet sleep

Hear the whispering of the wind

Awaken as the silence grows

In the solitude of the night

Darkness spreads through all the land

And your weary eyes open silently

Sunsets have forsaken all

The most far off horizons


 

Catherine wurde schneller, blickte auf die Noten und sah dann zu Sherlock hoch, doch dieser hatte bereits bemerkt, dass ein Motivwechsel bevorstand und dass nun ein schnellerer Teil folgte. Elegant ließ es den Bogen über die Seiten wandern, die Augen geschlossen, während er sich der Musik hingab.
 

Nightmares come when shadows grow

Eyes closed and heartbeats slow

Fear not this night

You will not go astray

Though shadows fall

Still the stars find their way

And you can always be strong

Lift your voice with the first light of dawn

Dawn's just a heartbeat away

Hope's just a sunrise away


 

Was hatte sie sich überhaupt Sorgen gemacht? Warum war sie nervös gewesen? Sherlock führte die Geige so wunderbar, so instinktiv, dass es leicht war mit ihm zusammen zu spielen. Nach kurzer Zeit entspannte sich Catherine sichtlich, konzentrierte sich auf die Musik, auf ihr Bild und ließ sich beim Spiel von Sherlock führen. Er verstand die Musik, hatte die Struktur des Liedes bereits durchschaut und wusste, welches Motiv als nächstes kam. Falls er unsicher war- wenn er es überhaupt war- so ließ er einfach lange Töne fließen, hörte sich Catherines Klavierspiel an und zog dann seine Schlüsse daraus.
 

Distant sounds of melodies

Darting through the night to your heart

Auroras, mists, and echoes dance

In the solitude of our life

Pleading, sighing arias

Gently grieving in captive misery

Darkness sings a forlorn song

Yet our hope can still rise up

Nightmares come when shadows roam

Lift your voice, lift your hope

Fear not this night

You will not go astray

Though shadows fall

Still the stars find their way

And though the night sky's filled with blackness

Fear not, rise up, call out and take my hand

Fear not this night

You will not go astray

Though shadows fall

(Still the stars find their way)

Fear not this night

You will not go astray

Though shadows fall

(Still the stars find their way)

And you can always be strong

Lift your voice with the first light of dawn

Dawn's just a heartbeat away

Hope's just a sunrise away


 

Catherine ließ das Klavierspiel ausklingen, überließ am Ende der Geige die Führung und unterstützte sie nur mit ihrem Klavier. Sie beobachte Sherlock, wie er sich im Rhythmus wog, den Bogen zärtlich über die Saiten streichen ließ. Seine Augen waren entspannt geschlossen, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Als sich das Lied jedoch dem Ende neigte, öffnete er seine Augen wieder und nahmen ihren Blick gefangen. Ein verträumter, beinah ekstatischer Ausdruck zog sich durch diese wunderbaren Augen. In diesem Moment waren sie verbunden, im Einklang, sprachen dieselben Worte, dieselbe Sprache.

Die letzten Akkorde verklangen und Catherine hob die Hände von der Tastatur, drehte sich wieder zu John um, der nun auch seine Augen öffnete und ein verträumtes Lächeln auf den Lippen hatte.

„Das war...wunderschön, Catherine.“, flüsterte er leise, durchbrach die beinah zauberhafte Stimmung. Catherine spürte wie Sherlock in ihrem Rücken den Hals seiner Geige fester umfasste, überlegte nun aus den Schatten zu treten, doch sie hob unbedeutend die Hand, schloss als Tarnung den Deckel, doch Sherlock verstand.

„Ich empfand den Text als sehr passend. Ein kleiner Hoffnungsschimmer. Momentan ist finstere Nacht, aber der Sonnenaufgang wird kommen. Vielleicht auch sehr bald.“ Sie lächelte sanft und stand auf.

„Die Violine klang schön...fast als hätte er sie gespielt... Hast du sie aufgenommen, Catherine?“ Ein klein wenig Wehmut spiegelte sich in seinem Gesicht wieder. Das Grinsen von Catherine wurde ein bisschen breiter und sie schüttelte den Kopf.

„Ich beherrsche nur das Klavier einigermaßen, aber du hast Recht, die Violine wurde live gespielt.“

„Wie?“ John blinzelte irritiert und neigte seinen Kopf.

„Das war keine Aufnahme.“ Johns Augen wurden groß, sahen sie an und er setzte sich automatisch gerader hin.

„Aber wie?“

„Wie immer sehen Sie, mein lieber John, aber Sie bemerken es nicht.“, sagte Sherlocks tiefer Bariton in ihrem Nacken, sodass sich ihre Nackenhaare wohlig aufstellten. „Wie sollte es sich denn hierbei um eine Aufnahme handeln, wo Catherines Stereoanlage doch ausgeschaltet ist? Genauso wie ihr Laptop.“

John erstarrte zu Eis, als er Sherlock erkannte. Kerzengerade saß er in Sessel, seine Augen wackelten und ungläubig schüttelte er immer wieder den Kopf.

„Sherlock...“, flüsterte er nach einer Minute, als er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte. Langsam, zitternd stand er auf und ging auf Sherlock zu. Sherlock ging währenddessen an Catherine vorbei. Sie warf ihm noch kurz einen aufmunternden Blick zu, doch Sherlocks Augen waren nur auf seinen besten Freund gerichtet. In diesem Moment sah er sich seinen treusten Gefährten, besten Freund und persönlichen Blogger genauer an. Sein Haar war dünner geworden, die Haut war fahl. John hatte ebenfalls erschreckend abgenommen. Mindestens vier Kilos. Die Augen waren dunkel, beinahe leer, versteckt in tiefen Höhlen. Auch die Falten ins Johns Gesicht waren nun ausgeprägter und seine Mundwinkel schienen schon seit Ewigkeiten herabgezogen zu sein. Trauer, Schmerz und Verzweiflung hatten sich über die drei Jahre durch die tiefblauen Augen gezogen und er schien einfach nicht zu verschwinden. Es war erschreckend zu sehen wie sehr der lebensfrohe, gefahrliebende John gestorben zu sein schien. Es war so erschreckend, dass Sherlock nicht wusste wie er reagieren sollte. Er war wie gelähmt. Sherlock wusste nicht weiter und war überfordert. Sein Herz schlug bis zum Hals und Adrenalin raste durch ihren Körper.

„John...“, sagte er auch, genauso leise, seine Stimme genauso zitternd. Seine graublauen Augen blickten auf ihn hinab, doch dann wandte er schuldbewusst den Blick ab. Er wartete auf eine Reaktion, doch John schüttelte nur wieder den Kopf, während seine Brust sich heftig hob und senkte.

„Du...lebst?“, fragte John ungläubig.

„Offenkundig...“, gab Sherlock seine typische Antwort und Catherine sah, wie John die Hand zur Faust ballte und dann ging plötzlich alles ganz schnell. John holte aus und schlug Sherlock mit aller Kraft ins Gesicht. Taumelnd fiel Sherlock zu Boden, riss dabei Catherines halbleeres Scotch Glas mit sich. Es schepperte, als es zerbrach und Sherlock schwer atmend zu ihm hochsah. John stand zitternd über ihn, die Hand noch immer zur Faust geballt. Sowohl die Wange des Consulting Detectives als auch die Faust des Arztes blutete, doch darauf achtete keiner der beiden. Tränen liefen aus Johns Augen, während sein Körper zitterte und er schwer atmete.

„Autsch...“, durchbrach dann Sherlock die angespannte Stille und rieb sich die Wange, richtete sich stöhnend wieder auf. Catherine mischte sich bewusst nicht ein. Schmunzelte nur ein wenig. Sie hatte es richtig vorhergesagt. „Das war schon das zweite Mal heute.“

„Ich sagte doch, dass du es verdienst, Sherlock.“, grinste Catherine und ging in die Küche um den beiden einen Tee zu kochen.

„Aber wie...“ John konnte es immer noch nicht realisieren. „Ich mein die Leiche...das Blut...du bist gesprungen.“ Fahrig fuhr er sich durch das aschblonde Haar und schüttelte den Kopf.

„Es war inszeniert.“

„Inszeniert?“, wiederholte John ungläubig und wütend zu gleich. „Inszeniert?“

Seine Stimme überschlug sich beinahe. Sherlock schloss die Augen, haderte mit den Worten. Schuldgefühle überschwemmten ihn offensichtlich, doch er versuchte ruhig zu bleiben, es sich nicht anmerken lassen. Sie wusste es besser. Zu bemerken, was für ein Chaos momentan in Sherlock herrschte, war nun wirklich keine Kunst.

„John...ich...“ Catherine beobachtete das Treiben von der Küche aus und sie sah noch immer wie die Gefühle in ihm tobten. Die Hand von John zitterte noch immer stark und er konnte seinem Freund nicht ansehen.

„Das heißt du warst die ganze Zeit am Leben? Du hast mich die ganze Zeit belogen? Du hast mich drei Jahre durch die Hölle gehen lassen? In dem Glauben, dass ich meinen besten Freund habe sterben sehen? DU VERDAMMTER MISTKERL!“ Johns Stimme war von Unglauben in Wut umgeschlagen. Sofort packte er Sherlock am Kragen, zog ihn heran und wollte ihm noch eine verpassen. Mit aller Kraft holte er aus. Sherlock schloss die Augen, wartete auf den brennenden Schmerz, doch es kam keiner.

„John! Es ist genug jetzt!“, hörte er wie Catherines Stimme, eine Nuance kälter als sonst, dazwischen fuhr. Er öffnete seine Augen, blinzelte und sah, dass sie Johns Handgelenk fest umschlossen hielt und ihn somit daran hinderte Sherlock noch einmal zu schlagen.

„Lass mich los, Catherine!“ John wehrte sich gegen ihren Griff, doch Catherine verdrehte schnell seinen Arm und hielt ihn hintern Rücken. Irritiert sahen sowohl Sherlock als auch John sie an, als sie ihn außer Gefecht gesetzt hatte. Die junge Frau sah die Blicke und zuckte sie mit den Achseln.

„Was? Denkt ihr nach der Serbensache war ich untätig? Ich habe einige Selbstverteidigungskurse besucht und mach nun Kickboxen als Hobby ab und an. Man kann selbst einen ehemaligen Soldaten überraschen, wenn er einen Gegner unterschätzt.“ Catherine seufzte und rollte kurz mit den Augen, ließ John dann los und stellte sich zwischen die beiden.

„John...ich versteh ja, dass du aufgewühlt bist, aber ihn zu schlagen bringt jetzt nichts. Setz dich hin, hör dir an, was er zu sagen hat und dann kannst du ihn schlagen, wenn du es als gerechtfertigt ansiehst.“

„Ich empfinde zweimal an einem Tag als ausreichend.“

„Das liegt wohl nicht in deinem Ermessen, Sherlock.“, sagte sie und warf ihm einen mahnenden Blick. Sherlock zögerte, nickte dann aber.

„Du wusstest also, dass er lebt?“, richtete sich nun Johns Enttäuschung gegen sie. Ihr Magen verkrampfte sich, sie schürzte die Lippen und nickte.

„Ja.“

„Seit wann?“

„Seit heute Nachmittag. Sherlock stand plötzlich in meinem Labor.“

„Das heißt du hast gerade die ganze Zeit so getan, als wäre er noch tot, obwohl du wusstest, dass er lebt?“ Catherine zuckte bei den Worten zusammen, schloss die Augen, aber nickte.

„Ja.“, antwortete sie zerknirscht. Die Enttäuschung in Johns Augen, der offensichtliche Verrat, den er empfand, traf sie hart, obwohl sie damit gerechnet hatte.

John lachte trocken auf, es klang sogar leicht verrückt, schüttelte nur den Kopf und begann auf und ab zulaufen.

„Das heißt, du hast mich belogen. Wieso belügen mich alle? Warum wissen alle Bescheid, während ich dumm in der Wohnung sitze?“ Seine Stimme überschlug sich vor Wut.

„John, es ist meine Schuld, nicht ihre.“, fuhr Sherlock sanft dazwischen, schob Catherine beiseite und trat vor seinen Freund. „Ich habe sie gebeten dir nichts zu erzählen. Catherine hat mich den ganzen Tag versucht zu überreden, dass ich direkt zu dir gehen sollte, doch ich empfand es als falsch...einfach so aufzutauchen...deshalb bin auch zuerst zu ihr gegangen. Ich brauchte ihre Hilfe.“

John holte tief Luft und schien sich allmählich zu beruhigen. Die Wut verrauchte und Trauer übermannte ihn. Nun reagierte er genauso, wie Catherine es getan hatte. Schluchzend umarmte er den Consulting Detective und drückte seinen Kopf an ihn. Sherlock sah hilflos zu John und dann zu Catherine. Diese nickte ihm nur kurz aufmunternd zu und Sherlock verstand. Vorsichtig umarmte er seinen besten Freund und Catherine sah, dass auch in seinen Augen Tränen brannten. Sherlock war sichtlich überfordert mit der Situation, doch Catherine konnte ihm nicht helfen. Er musste sich mit John zusammensetzen und in Ruhe alles bereden. Sie war sich sicher, dass John es verstehen würde, wenn Sherlock ihm den Grund erzählen würde.

„Setzt euch erst einmal.“, schlug sie versöhnlich vor um Sherlock ein wenig zur Hilfe zu kommen. „Ich habe euch einen Tee gekocht. Beredet alles in Ruhe und dann entscheidet wie es weitergeht.“ Mit diesen Worten nahm Catherine ihren Mantel vom Haken und schlüpfte in ihre Boots. Sie bemerkte Sherlocks irritierten Blick, doch ignorierte ihn und band sich den Schal um.

„Catherine...wo gehst du hin?“ Nun bemerkte auch John, dass sie im Begriff war zu gehen.

„Ins Labor.“, antwortete sie knapp.

„Aber du hast doch Urlaub, oder nicht?“, hakte Sherlock irritiert nach und zog die Augenbrauen hoch.

„Sicher. Für die nächsten zwei Wochen. Heißt ich muss mich nicht um die Bachelorstudenten kümmern.“ Sie grinste, doch dann wurde ihr Blick wieder ernst. „Ihr beide braucht Zeit und Ruhe um all das zu klären. Deshalb geh ich erst mal ins Labor. Hab eh noch ein paar Versuche am Laufen. Sherlock, du hast doch sicher noch meinen Schlüssel von der Wohnung. Wenn ihr also rübergeht, dann schließ bitte ab, ja? Ich bin morgen zum Frühstück wieder da.“

Sie ging zur Tür, blieb kurz stehen und sah zu John zurück:

„John, ich an deiner Stelle würde mir seine Gründe anhören. Es sind gute Gründe. Nicht sherlockische gute Gründe, sondern wirklich gute Gründe. Auch für normale Menschen.“ Damit verschwand Catherine aus der Wohnung und ließ die beiden ehemals besten Freunde allein zurück. Leise fiel die Tür ins Schloss und die beiden sahen ihr irritiert nach. Doch dann räusperte sich John, rutschte etwas im Sessel hin und her und zog so Sherlocks Aufmerksamkeit auf sich.

„Könntest du...mir jetzt mal erklären, was genau geschehen ist, Sherlock? Drei Jahre lang habe ich gedacht du wärst tot, hatte Alpträume und habe mich abgekapselt und nun stehst du plötzlich hier mitten in der Wohnung?“ Johns Stimme zitterte voller Wut, doch er schloss die Augen und kontrollierte es. Er zwang all seine Gefühle hinab, all seine Enttäuschung, den Verrat und die widersprüchlichen Gedanken. Catherine hatte Recht. Sie mussten ruhig mit einander sprechen. Er musste sich alles erst einmal anhören und dann entscheiden.

Sherlock blickte schuldbewusst zu Boden und zögerte, sah dann aber zu John auf und flüsterte leise:

„Das ist nicht so einfach zu erklären...und ich würde dir gerne vorher eine Frage stellen.“

„...“ John lehnte sich im Sessel zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Glaubst du immer noch an mich? Daran, dass ich kein Betrüger bin?“ Diese Frage belastete Sherlock sehr. Er hatte John damals gesagt, dass Moriartys Lügen wahr seien, damit dieser ihn hassen konnte, damit John frei war und ein neues Leben beginnen konnte, doch an seinem Grab hatte er dann beobachtet, dass John immer noch an ihn glaubte. Mit einer solchen Loyalität hätte Sherlock nie gerechnet und er wollte wissen, ob er sich dieser noch sicher sein konnte, auch wenn er John so verraten hatte.

John zögerte einige Momente, blickte ihm mit seinem typischen nachdenklichen Blick an, seufzte dann aber.

„Ich habe nie daran gezweifelt, Sherlock.“, antwortete er schließlich nach einigen Bedenken. Seine Stimme war zwar kalt und abweisend, doch aus ihr sprach die Wahrheit. Sherlock nickte nur und wählte nun seine nächsten Worte mit Bedacht.

„Ich war dumm, John...“

„Schön, dass du es auch endlich einsiehst...aber warum genau?“, erwiderte John garstig, konnte sich aber ein wenig das Grinsen nicht verkneifen. Etwas, was die Hoffnung in Sherlock wieder keimen ließ. Wieder überlegte er wie er das ganze am besten erklären sollte, dann seufzte er.

„Wie du sicher schon weißt, war der Anruf wegen Mrs. Hudson eine Täuschung. Ich musste dich...“ Sherlock hielt inne, suchte hilflos nach einem Wort, was nicht ganz so verletzend war, doch resigniert stellte er fest, dass es keines gab. „...aus dem Weg haben. Ich dachte, ich hätte einen Trumpf gegenüber Moriarty, das ich einen Weg gefunden hätte das Spiel zu gewinnen, doch das war ein Irrtum. Ich hatte so vieles bedacht und eingeplant und doch wendete sich auf dem Dach alles dahin, dass ich nur verlieren konnte. Dass Moriarty mich besiegt hatte.“

„Was willst du mir damit sagen?“, fragte John nach und nun wich die Vorsicht in seiner Stimme doch ein wenig der Neugierde. Sherlock hingegen viel es schwer einzugestehen, dass er sich schlicht verkalkuliert hatte.

„Dass manchmal der offensichtlichste Fall die Lösung ist.“ Er holte tief Luft und schloss die Augen. „Der Computercode...der angeblich sämtliche Türen öffnete...hat nie existiert.“

John riss die Augen auf und sah ihn geschockt an.

„Aber wie hat er dann...?“

„Komplizen. Es war alles inszeniert...Mycroft und ich waren wirklich dumm in diesem Moment. Wir haben so sehr geglaubt, dass er dazu in der Lage wäre, dass er das böseste Genie aller Zeiten wäre...und haben es nie auch nur einmal hinterfragt, dass er diesen Code hat. Ich habe sogar geglaubt, die Sequenz entschlüsselt zu haben...aber in Wahrheit waren die Klopfzeichen nur die erste Sonate von Johann Sebastian Bach. Ich habe mich in den drei Jahren gefragt, ob ich es einfach glauben wollte, dass Moriarty so gut ist, weil ich die Herausforderung einfach gewiss haben wollte und somit die Möglichkeit bewusst ignoriert habe oder einfach zu dumm war, sie zu bemerken.“ Sherlock faltete die Hände in seinem Schoß und blickte aus dem Fenster, während John einen Schluck Tee nahm.

„Aber was ist passiert? Wieso lebst du? Warum bist du gesprungen? Ich verstehe nicht...“ John war noch immer verwirrt und versuchte das zu begreifen, versuchte Sherlocks Gedankengang zu folgen, doch die Gefühle schwirrten durch sein Körper und erschwerten das Denken.

„Um das zu beschützen, was mir wichtig ist. Um euch zu beschützen.“, sagte Sherlock ruhig, wagte es aber nicht seinen Freund anzusehen. Er sah nicht den verwirrten Blick, wie er entsetzt nach Luft schnappte und den Kopf ungläubig schüttelte.

„Uns zu beschützen? Wie meinst du das, Sherlock?“

„Um das zu erklären würde ich gerne etwas weiter ausholen. Es gibt eine Sache, die ich dir nicht erzählt habe. Zwei Monate, bevor all das passierte, bat Catherine mich um ein Gespräch. Zunächst lehnte ich ab, doch sie ließ sich nicht beirren und war beinah so stur wie Mycroft, also willigte ich dann doch ein. Sag, John, hast du ihr damals von Moriarty erzählt?“ John blinzelte ihn verwirrt an und schüttelte den Kopf.

„Nein, habe ich nicht.“

„Dann ist sie aufmerksamer, als ich gedacht hatte.“, sagte Sherlock abwesend und rieb sich das Kinn.

„Moment! Sie wusste wer Moriarty war? Ich hab sie doch extra abgewimmelt.“

„Nicht direkt…nein…“, murmelte Sherlock nachdenklich und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. „Sie kannte nur den Namen und wollte von mir wissen, wer er sei. Aber sie hatte schon richtig vermutet…dass er eine Art Gegenspieler für mich war.“

Sein Blick glitt zurück zu John, der ihn irritiert ansah.

„Sie fragte mich, wer er sei… was ich mit diesem Moriarty zu tun hatte…“

„Und du hast es ihr erzählt?“ John stützte seinen Kopf auf die Hände und sah ihn an. Sherlock nickte.

„Ja, aber erst nachdem sie mir an den Kopf geworfen hatte, dass sie nach der Sache mit den Serben doch zumindest Ehrlichkeit verdiene. Sie würde nicht viel von mir erwarten, hatte sie gesagt, erst recht nicht, dass sie mir wichtig sei…aber sie wollte zumindest gewarnt werden, wenn da ein Schwert über der Bakerstreet hängt. Zunächst habe ich alles versucht um sie zu verunsichern, doch Catherine kann verdammt stur sein. Also erklärte ich ihr, was damals im Schwimmbad passiert ist. Ich war damals so dumm und habe nicht gemerkt wie wichtig wir ihr waren und wie sehr sie unter der Situation litt.“

„Darin warst du niemals besonders gut.“ John hatte vermutlich bissig klingen wollen, doch es klang eher wie eine Feststellung. Sherlock seufzte und strich sich durch sein dunkles Haar.

„Als ich ihr alles erzählt hatte…sagte sie etwas, was mich…was eigentlich? Ich würde sagen überrascht. Ich weiß noch genau wie sie die Augen öffnete, mich ansah und sagte: ‚Wenn Moriarty wiederkommt, dann wird es kein großes Spiel mehr sein, sondern Krieg‘ Ich war wirklich verwirrt, als sie mir das sagte. Wie sie es so schnell begriffen hatte. Aber das klein wenig Ehrfurcht, was ich empfunden hatte, als ich bemerkte wie schnell sie sich das alles mit ein paar Worten zusammengereimt hatte, verschwand mit ihrem nächsten Satz. Mit toternsten Augen sah sie mich an und flüsterte mir mit unheilvoller Stimme zu: ‚Und den werden Sie unweigerlich verlieren, Sherlock.‘“

„Oh ha…das hat sie wirklich gewagt zu sagen? Dem großen Sherlock Holmes zu sagen, dass er nicht gewinnen kann?“ Johns Stimme war spöttisch, doch Sherlock nickte nur und John schien zu spüren, dass er mit Spott nicht weiterkam, dass es ihm schwer fiel, denn er ließ sich seufzend in den Sessel fallen.

„Ich war wirklich wütend auf sie. So etwas sagte mir Niemand ins Gesicht. Ich habe sie ausgelacht, als unwissendes, kleines Nichts beschimpft, doch sie sah mich weiterhin ruhig an und sagte: ‚Sie sind nicht so soziopathisch wie Sie es gerne hätten. Sie sind sogar näher am Menschen, als Sie glauben und genau das wird dafür sorgen, dass Sie verlieren werden. Im Gegensatz zu Ihnen, hat Moriarty kein Gewissen. Er ist bereit alles zu tun, alles zu geben, nur um Sie zu zerstören. Er wird kein Limit kennen.

Ich warf ihr entgegen, dass ich genauso wäre, dass ich bereit bin alles zu tun um den Sieg davonzutragen und schlug mit aller Wucht auf den Tisch. Sie sah mich nur ruhig an und erwiderte ‚ Nein, sind Sie nicht. Bevor Sie John getroffen haben, wären Sie es sicher gewesen, aber nun haben Sie Grenzen, Sherlock. Sie würden nichts tun, was John oder Mrs. Hudson in Gefahr bringt.‘ Sie wollte mich nur warnen, doch in diesem Moment wollte ich es nicht hören. Zu gekränkt war mein Stolz, doch ihre Worte verunsicherten. Ich begann darüber nachzudenken, was Moriarty mit all dem bezweckte und ich musste einsehen, dass sie Recht hatte- die ganze Zeit- und ich beschloss Vorkehrungen zu treffen. Ich ging zu Molly, als sich alles zuzuspitzen begann, damit ich meinen Tod vortäuschen konnte, sollte es darauf hinauslaufen. Hätte ich nur früher auf euch gehört…auf dich und Catherine…wäre wohl all das nicht passiert.“

Trauer durchzog Sherlocks Blick und er schüttelte den Kopf. Reue war ihm so lange fremd gewesen, doch er hatte so oft seine Situation überdacht und war zu dem Schluss gekommen, dass die Situation hätte gelöst werden können, wäre er nicht so starrsinnig gewesen alles alleine machen zu wollen.

„Das hast du getan, als du meintest, du müsstest etwas allein erledigen.“, ging dem Arzt ein Licht auf. Sherlock nickte resigniert.

„Aber wie hast du das alles inszeniert? Und wovor hast du uns damit beschützt?“ Der Consulting Detective seufzte schwer und blickte auf die gefalteten Hände in seinem Schoß.

„Nachdem ich dich zu Mrs. Hudson geschickt hatte und somit vermeintlich außerhalb der Gefahrenzone, schrieb ich Moriarty eine SMS. Ich wusste genau, dass das Finale seines Spiels an stand und sich entscheiden würde wie mein Leben weitergehen würde. Entweder ich würde gewinnen und alles würde so weitergehen wie ich es schätzte oder ich würde alles verlieren, denn Moriarty wollte es mit meinem Selbstmord enden lassen. Das hatte er mir gesagt.“

Fahrig fuhr er sich über die Lippen und blickte John aus traurigen Augen an. Sein Freund erwiderte diesen Blick, doch mittlerweile war alle Wut aus seinen Augen verschwunden und er schaute ihn einfach nur an.

„Als ich auf ihn traf…“, fuhr Sherlock nach einigen Momenten fort. „…stellte sich heraus, dass alles noch viel komplizierter war, als ich es angenommen hatte und dass Catherine recht gehabt hatte. Moriarty kannte keine Grenzen in seinem Spiel und meine waren doch zu klar definiert.“

Fast musste er schon bei Johns irritiertem Blick lachen, doch die Geschichte war viel zu ernst dafür.

„Wie meinst du das, Sherlock?“

„Das Spiel hatte nur zwei mögliche Ausgänge. Entweder ich sprang oder aber…Mrs. Hudson…Lestrade und du, John…ihr würdet sterben.“

„Wir? Was?“ John sah ihn aus großen Augen an. Sherlock seufzte schwer und er wirkte plötzlich müde.

„Moriarty hatte Scharfschützen engagiert, die euch töten sollten, wenn ich nicht sprang. Nur mein Selbstmord konnte sie zurückrufen.“

„Mo…Moment! Was?“, stotterte sein Freund verunsichert und lehnte sich vor. „Soll das heißen…du bist gesprungen um unser Leben zu retten?“

Sherlock nickte nur und faltete die Hände.

„Weißt du noch…was du mir gesagt hast, als du das Labor verlassen hast?“

„Dass Freunde einen beschützen.“, wiederholte John die Worte von damals. Jedes Detail dieses furchtbaren Tages waren noch genau in seinem Gedächtnis.

Sherlock nickte und stand langsam auf, ging zu John und kniete sich vor ihn, sodass sie auf Augenhöhe waren.

„John…ich…“ Sherlock zögerte und suchte nach den richtigen Worten. Er holte tief Luft und ordnete seine Gedanken noch einmal neu. „Deshalb habe ich es getan. Ihr seid meine Freunde und ich wollte euch beschützen. Ich habe euch immer nur in Gefahr gebracht, aber dieses Mal wollte ich euch beschützen. Das Spiel ging nur Moriarty und mich etwas an und ich wollte nicht, dass ihr für meine Torheit bezahlen musstet.“

Noch einmal holte Sherlock tief Luft und sah seinem Freund tief in die Augen. Leid, Trauer und Schmerz durchzogen die hellblauen Augen des Dunkelhaarigen.

„John…es tut mir leid, dass ich so lange fort war, aber es tut mir nicht leid, dass ich das getan habe, denn es war die einzige Möglichkeit gewesen um euch zu retten…vor mir zu retten.“

„Du verstehst nicht, Sherlock…alles war plötzlich kaputt.“

„Doch, ich glaube ich verstehe schon, zumindest ein bisschen. Die drei Jahre waren nicht einfach für mich.“

„Sherlock…“, flüsterte er leise und sah zu ihm hinab. Der Detective hob den Kopf und blickte in die ruhigen, aber erleichterten Augen von John. Es war wirklich nicht leicht gewesen. Das erste Mal in seinem Leben hatte ihn die Einsamkeit geschmerzt, die er sonst geschätzt hatte.

„Heißt das, dass du mir vergibst?“, fragte er vorsichtig und hielt den Atem an. John betrachtete ihn einige Zeit nachdenklich.

„Nein…“, antwortete er ruhig. Sherlock riss die Augen auf und seine Pupillen zitterten. Plötzlich zog sein Herz zusammen. Er hatte es doch sehr gehofft, gebeten, gefleht, doch nun diese simple Antwort zu hören war zerstörender, als er je gedacht hätte.

„Was?“ Mehr konnte Sherlock nicht hervorbringen, seine Kehle war wie zugeschnürt. Er schluckte heftig und versuchte seine Fassung wieder zu erlangen.

„Ich verzeihe dir nicht, Sherlock.“, sagte John und sah ihn aus ruhigen Augen an. In diesen Moment schien es, als würde seine Welt zersplittern. Nach Johns Reaktion hatte er geglaubt…

„Ich kann dir nicht verzeihen, weil es nichts gibt, wofür du dich entschuldigen musst.“, fuhr John fort. Sherlock sah überrascht auf und blickte in ein leichtes, schwaches, aber doch vorhandene Lächeln auf Johns Gesicht.

„John…“, flüsterte Sherlock überrascht und Johns Grinsen wurde breiter.

„Endlich, habe es geschafft dich sprachlos zu machen. Das muss ich mir in den Kalender eintragen.“ Sherlock schüttelte fassungslos den Kopf, verstand nicht was hier los war, doch dann fing John leise an zu lachen. Es war ein ruhiger Klang, dass es Sherlock ungemein erleichterte und er miteinstimmte.

„Lass es nicht zu Gewohnheit werden.“, erwiderte er schmunzelnd. „Das würde ich nicht mögen.“

„Natürlich nicht, darum geht es ja.“, antworte John und grinste noch mehr. Sherlock rollte mit den Augen und schnaubte, doch das ehrliche Lachen verschwand nicht von seinem Gesicht.

„Na gut, heute soll es mal erlaubt sein.“

Einige Zeit sahen sich die beiden Freunde an und es herrschte wieder Stille, doch diesmal war es keine unangenehme, sondern eine gelöste. Mittlerweile konnte selbst Sherlock sehen, dass John sichtlich erleichtert und froh war, dass er zurückgekehrt war und das stimmte ihn erleichtert. Der Alptraum war vorbei. Endlich war er vorbei.


 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mindpalace
2013-05-31T23:46:25+00:00 01.06.2013 01:46
Und wieder einmal ein wundervolles Kapitel :D


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