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Unverhoffte Nachbarn

Wenn Nachbarn interessant werden
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Mycroft Holmes

11. Kapitel: Mycroft Holmes
 

Über London hing die übliche graue Suppe aus Wolken und diesigen Nebel, der vermutlich von der Nordsee oder der Themse herzog. Die Luft war von einer schweren Feuchtigkeit durchzogen, die Catherine frösteln ließ, doch das war nichts gegen das Unbehagen, was Mycrofts Blick ihr bereitete. Sie war Mycroft  Holmes war erst zweimal begegnet und doch war es eben jener Ausdruck, mit dem er sie die meiste Zeit betrachtet hatte. Es war diese Mischung aus Berechnung und einem kalten Lächeln, das Catherine eine Gänsehaut bescherte.

„Willkommen zurück in Großbritannien, Miss Amell.“, begrüßte Sherlocks älterer Bruder sie und kam gelassen auf sie zu. Catherine verharrte an der obersten Stufe und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Catherine wusste generell nicht, was sie von Mycroft Holmes halten sollte. Es war nicht so, dass sie ihn missachtete, sie misstraute ihm einfach prinzipiell und das lag daran, dass sie ihn nicht durchschauen konnte.

Wo Sherlock offen seine Verachtung und Missmut zeigte, da blieb Mycroft kalt und berechnend und somit wusste sie nie was sich hinter seinen Äußerungen verbarg und woran man bei ihm war. Catherine war nie schlecht darin gewesen andere Menschen zu durchschauen und glaubte, dass sie es selbst bei Sherlock in einem geringen Grad schaffte, doch bei Mycroft konnte sie es nicht. Catherine wusste, dass sie bei Sherlocks Bruder mit Äußerungen sehr vorsichtig sein musste und doch war das die größte Schwierigkeit, da sie nie wusste worauf er, hinter seiner kühlen Fassade, abzielte.

Sie vermutete instinktiv hinter jeder seiner Äußerungen einen Hinterhalt und diese Aura der Macht, die ihn wie ein sich aufbauschender Umhang umgab, machte es nicht zwingend leichter. „Ich hoffe Ihnen hat der Kurzurlaub gut getan.“, fuhr Mycroft schließlich fort, als sich keiner der drei Passagiere rührte und schwenkte ein wenig seinen Regenschirm durch die Luft.

Catherine weitete ungläubig die Augen und wusste nicht, was sie mehr traf: Das, was er gesagt hatte oder dass sie Feindseligkeit versteckt in seiner Stimme hörte. Aber warum sollte Mycroft ihr gegenüber feindlich gesinnt sein? Er blieb doch immer höflich und wurde nur feindselig, wenn der Angesprochene seinen Bruder bedrohte, dessen war sich Catherine als einziges sicher. Doch warum sollte sie für Sherlock eine Bedrohung sein? Sie wär niemals dazu in der Lage ihn zu schaden und würde es auch nicht zulassen, dass es soweit kommen würde. Warum also blickte Mycroft sie mit diesem seltsamen Ausdruck in seinen stechenden Augen an, den sie nicht zuordnen konnte? Was beabsichtigte er mit diesem Sarkasmus?

Natürlich wusste Mycroft, was wirklich in Serbien vorgefallen war und genau dieses undurchschaubare Verhalten war es, dass dafür sorgte, dass Catherine ihm mehr als allen anderen Menschen misstraute.

„Bestens.“, erwiderte sie mit nur einer leichten Bissigkeit im Unterton und streckte ihre Arme, so als würde sie verspannte Muskeln nach einem langen Flug lockern. „Es geht doch nichts über eine ordentliche Streckbank um die verspannten Muskeln zu lockern.“ Da sie die Situation nicht einzuschätzen wusste, griff sie zu dem einzelnen Mittel, dass ihr vertraut war: Ihrem Humor.

Kurz schien Mycroft aus der Fassung gebracht, doch augenblicklich fand er seine Contenance wieder und war das Sinnbild eines britischen Adligen. Nur seine kalten Augen taxierten Catherine mit leicht gehobenen Augenbrauen. Sherlock, hinter ihr, lachte und warf seinem Bruder einen ‚Gar nicht so übel, was?‘ Blick zu.

Catherine erwiderte Mycrofts Blick ebenfalls und versuchte sich möglichst unbeeindruckt zu zeigen. Sie wollte Mycroft nicht verraten wie es wirklich in ihr aussah.

Catherine fühlte sich in seiner Nähe unwohl, denn um Mycroft herum schien die Luft zu gefrieren und jegliches Glücksgefühl floh vor ihm. Zurück blieb Unbehagen und der animalische Instinkt zu fliehen. Catherine wusste, dass Mycroft noch besser im Beobachten war als sein Bruder und dass er quasi sämtliche Fäden Großbritanniens in den Händen hielt. Auch wenn er harmlos aussah, so war sie nicht so dumm ihn zu unterschätzen. Irgendwie erinnerte sie Mycroft an die Dementoren aus den Harry Potter Büchern, doch gekleidet in das Kostüm eines netten, höfliche Onkels, den man höchstens an Weihnachten sah. Er konnte freundlich sein, doch man musste sich stets im Klaren sein, dass immer eine Manipulation dahinter stehen könnte.

„Mycroft, lass das!“, sagte Sherlock neben ihr genervt und trat eine Stufe herunter, als er bemerkte wie sein Bruder Catherine ansah. Augenblicklich lösten sich die blauen Augen von Catherine und glitten zu seinem Bruder. Mycroft war der Einzige, von dem Catherine wusste, der von Sherlock geduzt wurde und sie fragte sich, ob das eine tiefere Bedeutung hatte. Von allen Menschen stand John Sherlock wohl am Nahsten und selbst ihn Siezte er geflissentlich. Nur Mycroft wurde geduzt. An sich war das ja nichts Ungewöhnliches bei Brüdern, doch wann war bei den Holmes jemals etwas normal? Warum also tat Sherlock das? Entweder, weil die Fehde oberflächlicher war, als die beiden zugaben und sie sich somit auch näher standen oder aber, was sie zumindest im Moment für wahrscheinlicher erachtete, Mycroft verdiente aus Sherlocks Sicht keinen Respekt.

„Auch dich heiße natürlich willkommen, werter Bruder.“ Wieder erschien dieses seltsame Lächeln auf den schmalen Lippen. Während man bei Sherlocks Lächeln immer genau sah, was dahinter stand, konnte man Mycrofts keine Gefühle zuordnen und in diesen Momenten empfand Catherine es so, als wäre er aus Eis.

Die beiden ungleichen Brüder starrten sich an, gefangen in einem stillen Machtkampf. In diesem Moment, wo sie die beiden zum ersten Mal real miteinander interagieren sah und es sich nicht mehr aus Johns Geschichten vorstellen musste, hatte sie das Gefühl, dass Geschwisterrivalität wirklich gut passte.

Sherlock erschien ihr wie ein Teenager, der gegen seinen älteren Bruder rebellierte, während Mycroft versuchte ruhig und gelassen zu bleiben, damit es nicht in einer Prügelei endete- oder bei Mycroft wohl eher in einem Angriff von James Bond. Bei dem Gedanken musste sie leise kichern, doch nur John bemerkte es. Er warf ihr einen fragenden Blick zu, doch sie schüttelte nur den Kopf und deutete stumm auf die beiden. Er verstand und nickte. So waren sie also immer.

Was hatte John ihr einmal in seinem Ärger über Sherlock gesagt? Dass der Detective Pirat hatte werden wollen? Catherine wusste nicht, warum ihr das plötzlich wieder einfiel, doch auf einmal hatte sie eine Vermutung, weshalb Sherlock diesen Berufswunsch gehabt hatte.

Ein Pirat lebte ohne Moral, ohne Grenzen und tat nur das, was er wollte. War es nicht vielleicht genau das, was Sherlock wollte? Mycroft war der Ältere, das Vorbild an dem er sich immer messen musste und dieses war geprägt von Disziplin und Beherrschung. So wie Mycroft war, konnte Catherine sich gut vorstellen, dass das Elternhaus ebenfalls streng gewesen war und das Sherlock alles tat um gegen diese festen Grenzen zu rebellieren, die vielleicht sogar seinen Geist eingeengt hatten.

Sherlock war schließlich der Erste, der sich aus diesem stummen Machtkampf löste und die restlichen Stufen herunter ging. John und Catherine zögerten einige Momente, doch dann folgten sie ihm.

„Was machst du hier, Mycroft?“ Sherlocks Augen betrachteten seinen älteren Bruder misstrauisch.

„Na was denkst du denn?“, erwiderte Mycroft kühl und er stützte sich wieder auf seinen Regenschirm. „Ich komme um euch abzuholen.“

„Als ob…“, erwiderte Sherlock schnippisch. „Du würdest dich nicht deswegen herbemühen. Muss ich wieder bei irgendetwas streng vertraulichen helfen? Sind wieder pikante Fotos aufgetaucht?“ Es war deutlich zu spüren, dass Sherlock keine Lust auf ein Gespräch hatte. Seine Stimme triefte vor Spott und er rollte mit den Augen. Mycroft seufzte und versperrte seinem Bruder dem Weg, als er sich an ihm vorbeischlängeln wollte.

„Sherlock…“ Er seufzte erneut und betrachtete ihn mit einem müden Blick. „Ist es so abwegig, dass ich besorgt war und sichergehen wollte, dass du wohlbehalten zurückgekehrt bist?“

„Dafür hättest du dich nicht her bequemen müssen.“, schnaubte der Angesprochene umgehend und steckte die Hände in die Taschen seines Mantels. Catherine beobachtete dieses Schauspiel mit zusammengezogenen Augenbrauen und stellte fest, dass Sherlock abweisend reagierte, egal was von Mycroft ankam. Als ob er hinter jedem Wort seines Bruders eine Manipulation vermutete. Catherine hingegen war sich da jetzt nicht mehr so sicher. Etwas hatte sich für den Hauch eines Moments in Mycrofts sonst maskenhaften Gesicht verändert, was sie glauben ließ, dass er wirklich nur hatte wissen wollen, dass es Sherlock gut ging.

Plötzlich erschien es ihr, als wäre Sherlock der Nachtragende der beiden und Mycroft war wirklich bemüht es wieder aus der Welt zur  räumen. Es war, als hätte der Ältere etwas getan, was Sherlocks Vertrauen zerstört hatte und nun versuchte er alles diesen Fehler wieder gutzumachen, doch Sherlock war zu nachtragend um es zu akzeptieren und sah es als Bevormundung. Sie war sich nun sicher, dass hinter alldem mehr steckte, als dass Mycroft irgendwann Sherlocks Chemiebaukasten kaputt gemacht hatte.

„Dir scheint es also gelungen zu sein, den Drogenring aufzuspüren.“, sagte Mycroft ruhig und betrachtete seinen Bruder von oben bis unten.

„Sieht danach aus.“, erwiderte Sherlock nur knapp und seine Augen betrachteten ihn abweisend. Es fühlte sich an, als wäre die Luft zwischen den beiden elektrisch aufgeladen und Catherine hielt diese Anspannung beinahe nicht mehr aus. Sie hasste es, wenn Menschen stritten und Familie war doch das Wichtigste was man hatte.

„Nun…ich wollte…“

„Du hast schon wieder zugenommen.“, fiel ihm Sherlocks ins Wort und musterte Mycroft. Catherine konnte den Drang sich die Hand vorm Kopf zu schlagen nicht mehr unterdrücken. Großartig, Sherlock. Reiz Mycroft bis aufs Blut. Musste das wirklich sein?

„Sherlock…“, seufzte Catherine und rollte mit den Augen.

„Es ist die Wahrheit…“ Mycrofts Augenbrauen senkten sich herab und sein Mund verschmälerte sich um einen Hauch, doch ansonsten überging er diese Attacke.

„Können Sie das nicht bitte einfach sein lassen?“, ging nun auch John dazwischen und schulterte seine Reisetasche. Sherlock warf ihm einen kurzen Blick zu und schnaufte.

„Du könntest ruhig ein wenig dankbarer sein, Sherlock.“, sagte Mycroft kalt und drehte sich dann um. „Schließlich habe ich dir diesen kleinen Abenteuerurlaub ermöglicht.“

„Schön…jetzt ist meine Gefangenschaft ein Abenteuerurlaub.“, schnaubte Catherine plötzlich. Sie hielt es einfach nicht mehr aus. „Hätte ich das mal eher gewusst, dann hätte ich die Luxusvariante gebucht. Dann hätte ich eine Toilette statt eines Eimers gehabt.“ Plötzlich war es still. Drei Paar blaue Augen lagen nun erstaunt auf ihr. Sie betrachtete sie nur ungerührt, dann plötzlich fingen Sherlock und John an zu lachen.

„Und gepolsterte Fesseln.“, kicherte der Arzt.

„Oh ja…welch eine Wohltat das gewesen wäre.“, erwiderte sie trocken und schnalzte leicht, während sie sich unbewusst über die Handgelenke rieb, die sie mehr als einmal beinahe gebrochen hätte. Sofort spürte sie Mycrofts prüfenden Blick und sie wusste, dass er herausfinden wollte, was passiert war. Catherine sah kurz zu Sherlock hinüber- auch um Mycrofts Blick zu entgehen- und sah, dass er amüsiert war. Seine Mundwinkel waren zu einem ehrlichen Lächeln nach oben gezogen und seine Augen funkelten. Mit ihrem Trotz gegenüber Mycroft hatte sie wohl bei ihm ordentliche Pluspunkte gesammelt hatte.

Der Himmel zog sich weiter zu und die dunklen Wolken, die vom Süden heraufzogen verhießen Regen und die Luft kühlte fühlbar ab. Catherine schloss ihren Anorak.

„Schön, nachdem wir nun geklärt haben wie eine Luxus Entführung durch Serben aussieht, können wir bitte zurückfahren?“ Mycroft nickte bedächtig und gab dann den Weg zum Wagen frei. Catherine ging an den Dreien vorbei.
 

~*~
 

Die dunkle Limousine glitt wie ein Schatten durch die Straßen Londons. Mittlerweile war es dämmrig geworden und die Straßenlaternen gingen an, erhellten die Gassen in ihrem Licht. Catherine starrte aus dem Fenster um der gedrückten, angespannten Stimmung in dem Auto zu entgehen. Sherlock und Mycroft saßen sich gegenüber und starrten sich noch immer abschätzend an.

Bei dem Berufsverkehr, der momentan zäh durch die Innenstadt und über die Autobahn floss, könnte die Fahrt schätzungsweise eine Stunde dauern. Catherine rollte mit den Augen und seufzte leise. Das versprach wirklich eine lange Fahrt zu werden.

„Was ist aus dem Prototyp geworden?“, unterbrach Sherlock, nach zehn Minuten des stummen Machtkampfs, die Stille.

„Sei versichert, dass ich mich darum gekümmert habe, Sherlock.“, antwortete Mycroft lächelnd und lehnte sich ein wenig zurück. Lässig schlug er die Beine übereinander. „Eine wirklich schreckliche Droge. Ich kann nicht zulassen, dass so etwas durch die Londoner Unterwelt kursiert.“

„Wie ambitioniert, Mycroft.“, sagte sein jüngerer Bruder kalt und zog seine Augenbrauen hinab und plötzlich war es wieder still in dem Auto. Catherine beobachtete die beiden Brüder und sie war froh, dass sie so ein inniges Verhältnis zu ihrem Bruder gehabt hatte. Obwohl, jetzt wo sie all das über ihren Bruder erfahren hatte, fragte sie sich, ob sie Jeffrey überhaupt wirklich gekannt hatte. Vielleicht hatte sie sich den liebevollen Bruder nur eingebildet und er war in Wahrheit genauso manipulativ gewesen wie die beiden Holmes, wenn er fünf Jahre für den Schlimmsten von ihnen beiden hatte arbeiten können. Jeffrey war klug gewesen, beinahe so klug wie die beiden und vielleicht brachte diese Besonderheit auch die Manipulation mit sich. Konnte es also sein, dass er in all der Zeit nur gespielt hatte? Dass sie in Wahrheit eine Last für ihren älteren Bruder gewesen war? Waren sie in Wahrheit doch nicht so verschieden gewesen? War es in Wahrheit bei ihnen genauso gewesen wie bei Mycroft und Sherlock?

Der Gedanke beängstigte sie und sie biss sich auf die Unterlippe. Was war in dieser Welt bloß echt und was war Schein? Menschen, denen sie vertraut hatte, waren nicht mehr die, die sie kannte und Menschen, den sie nie zu kennen gemeint hatte, hatten sich als vertrauenswürdig bewiesen. Was war also Schein, was also war Illusion?

„Ebenso wie Jeffrey.“, durchbrach plötzlich Mycroft die Stille und betrachtete Catherine mit nachdenklichen Blick. Sie zuckte zusammen und sah die britische Regierung in Person an.

Auch Sherlock sah sie wissendem an. Hatten die beiden etwa bemerkt, woran sie gedacht hatte? Verwundern würde sie das nicht.

„Wie meinen Sie das?“, fragte sie atemlos.

„Ihr Bruder hat alles getan, damit diese Droge niemals produziert werden konnte. Er war genauso engagiert wie Sherlock, wenn er einen Fall hat. Doch seine Motivation war eine gänzlich andere.“, erklärte Mycroft ruhig und warf einen Blick auf seine Taschenuhr, als müsste er bald zu einem dringenden Termin.

„Und die wäre?“

„Jeffrey war der beste Spion, den ich je hatte…“, setzte Mycroft an.

„Ich weiß bereits, dass er einer Ihrer Spione war. Sherlock hat es mir gesagt. Könnten Sie das also bitte überspringen?“ Catherine hatte keine Lust auf Mycrofts ausschweifenden philosophischen Gedanken voller hochtragender Metaphern. Sie wollte doch einfach nur wissen, wer ihr Bruder wirklich gewesen war.

Mycroft drehte sich währenddessen zu seinem Bruder um, zog eine Augenbraue hoch.

„Das hast du also bemerkt.“, stellte er nüchtern fest. Sherlock tat es ihm gleich und ein spöttisches Lächeln zuckte um seine Mundwinkeln.

„Glaubst du wirklich, mir wäre das nicht entgangen? Also bitte, das war leicht.“

„Bei dem Coventry Dilemma hast du auch den Zusammenhang nicht gesehen.“ Mycroft sah seinen kleinen Bruder beinahe mitleidig an, doch ein kleiner Funke von Selbstgefälligkeit blitzen in seinen Augen auf.

„Das war nur, weil…“

„Können wir bitte beim ursprünglichen Thema bleiben?“, fuhr Catherine barsch dazwischen, als die beiden wieder kurz davor waren in einen Streit zu verfallen. „Ich würde doch gerne erfahren, was mit meinem Bruder war, bevor Sie beide anfangen zu streiten und das vermutlich in der Vernichtung der Menschheit endet.“

Mycroft sah sie verwundert an, doch dann wandte er sich wieder in seinen Bruder.

„Ich sehe schon, warum du mit ihr zurechtkommst, Bruder.“

„Es können ja nicht alle so langweilig reserviert wie du sein.“, erwiderte Sherlock schnippisch.

„Mr. Holmes! Sherlock!“, knurrte sie nun und warf ihnen wütende Blicke zu. Mussten die beiden ausgerechnet jetzt abschweifen? „Bitte!“

„Also schön…“ Mycroft seufzte. „Ihr Bruder hat versucht England zu einem besseren Ort zu machen.“

„Wie patriotisch…“ Sherlock verzog verächtlich den Mund.

„Wohl kaum, Sherlock. Er tat es aus Geschwisterliebe. Er tat es für Sie, Catherine. Er wollte England sicherer für Sie machen. Wie rührend.“ Nun klang auch in Mycrofts Stimme Spott mit, doch Catherine nahm es gar nicht wirklich wahr. Viel zu geschockt war sie von dem, was der ältere Holmes ihr eröffnet hatte. Jeffrey hatte es für sie getan? Weil er England für sie sicherer machen wollte? Sie konnte es nicht glauben. Sicher war ihr bewusst, dass es wieder ein Trick von Mycroft sein könnte, aber sie wusste keinen Grund, warum er hier lügen sollte.

„Irgendetwas über die Killerzelle?“, fragte Sherlock nach einer Weile und wechselte das Thema. Die Abweisung war aus Sherlocks Stimme verschwunden und hatte einem neutralen Klang Platz gemacht.

„Bisher nicht.“ Mycrofts Stimme war kühl und seine Augen verschmälerten sich ein wenig.

„Dann solltest du vielleicht mehr suchen und weniger Kuchen essen.“ Die graublauen Augen des Detective funkelten in einem unheilvollen Amüsement. Sein Bruder wandte seinen Kopf zu ihm um und kurz schien er brüskiert und als wollte er eine Erwiderung ansetzen, doch dann beherrschte er sich. Er wollte seinem jüngeren Bruder wohl nicht den Gefallen tun.

„Ach, warum denn nicht? Beides lässt sich doch wunderbar kombinieren. Es gibt doch nichts besseres, als eine Käsesahnetorte zu essen, während man Attentäter jagt.“, sagte Catherine auf einmal vollkommen ernst, aber ein kleines Grinsen konnte sie sich doch nicht verkneifen. Wieder überraschte Stille. Hörte sie gerade etwa Heuschrecken zirpen? Als ob es so überraschend wäre, dass Catherine mal einen Spruch riss. John und Sherlock müssten es eigentlich mittlerweile besser wissen. Mycroft warf ihr einen verbitterten Blick zu und kräuselte leicht die Nase, während sein Bruder schmunzelte und John sie kurz überrascht ansah, dann aber ein Lachen nicht mehr unterdrücken konnte.

„Käsesahne…nein…nein. Mycroft passt sich bei seinem Gebäck immer dem entsprechenden Land an. Ich würde eher Doboš torta sagen.“

„Ach ja richtig, die Doboš torta war wirklich sagenhaft.“ Catherine ließ sich in die Lehne zurückfallen. „Serben sind ja nicht für viel bekannt ihr Kuchenbuffet war aber wirklich sagenhaft gut…“ Sie leckte sich genüsslich über die Lippen, rollte aber die Augen.

„Wenn Sie schon kein Popcorn bekommen haben, dann haben Sie sich ja wohl zumindest Kuchen verdient. Was wären das dann sonst für Gastgeber?“, erwiderte Sherlock schlicht und nun waren es John und Catherine, die zu lachen anfingen. Mycroft sah sichtlich irritiert zwischen den beiden hin und her, kannte er noch nicht die Spiele, die Catherine und Sherlock so gerne spielten. Seine Stirn legte sich in Falten, während er beobachtete, wie der Arzt und die Studentin lachten und Sherlock zufrieden die Hände kreuzte.

„Bitte?“ Mycroft blinzelte kurz irritiert, bevor er wieder sein perfektes Pokerface aufsetzte.

„Ich hätte wirklich das Upgrade buchen sollen. Dann hätte ich vielleicht beides bekommen.“, sagte Catherine ungerührt mit einem Schulternzucken, als hätte sie Mycrofts Einwand nicht gehört. Es war kein Überspielen, was ihre beiden Nachbarn vielleicht vermuten könnten und deshalb so munter mitspielten. Catherine glaubte eher, dass es für sie eine Art Bewältigungstherapie war. Ihr Humor war das Einzige, was sie beherrschte und es half ihr das Geschehene nicht mit ganz so großem Schrecken betrachten zu müssen.

John warf ihr kurz einen besorgten Blick zu, doch er schien zu bemerken, dass sie nicht verdrängte, sondern zu verarbeiten begann.

Sherlock kümmerte sich wie immer nicht darum, ihm bereitete es viel mehr Freude seinen Bruder damit aufzuziehen.
 

~*~
 

Die ganze Fahrt über verlief es ähnlich. Es schien beinah, als hätten sich Sherlock und Catherine gegen Mycroft verbündet und konterten jeden seiner Sätze mit bissigen Sarkasmus, während John sich entweder einmischte, die Augen rollte oder einfach nur entsetzt war, aber es machte die eine Stunde, die sonst in angespannter Stille in dieser Limousine verbracht hätten, erträglicher. Am Ende hatte er sich stur abgedreht um aus dem Fenster zu sehen und somit sein unterdrücktes Lachen zu verstecken.

Dieses Zittern lag immer in dieser Luft, wenn die beiden Brüder aufeinander trafen. Es war, als würden zwei elektrische Felder aufeinander treffen und sich dann entladen. Funken schienen zwischen den beiden zu sprühen, wenn sie ihre Kämpfe austrugen und Catherine wurde davon innerlich unruhig, als hätte sie zu viel Spannung in ihrem inneren und so hatte sie versucht diese mithilfe des Sarkasmus zu lösen.

Schließlich erreichten sie die Bakerstreet und ein glückliches Lächeln legte sich auf Catherines Gesicht, als sie die vertrauten, alten Gebäude sah. Endlich war sie wieder zu Hause. Nun könnte sie in ihren Alltag zurückkehren und alles, was geschehen war, hinter sich lassen. Sherlock würde den Tod ihres Bruders irgendwann rächen und es gab somit nichts mehr, was sie fesselte. Nichts, außer ihre Nachbarn.

Langsam stiegen sie aus der Limousine aus und Catherine atmete zufrieden die Luft ihrer neuen Heimat ein.

Sie sich schnellstmöglich verabschieden und nach Hause gehen- denn sie hatte vorerst genug von Sherlock und John. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als einfach zurückzukehren und nicht mehr daran denken zu müssen, doch John stellte sich ihr in den Weg und schüttelte den Kopf.

„Sie kommen erst einmal mit uns, Catherine. Ich muss mir Ihre Wunde noch einmal ansehen, dass sie sich nicht entzündet.“, sagte er streng und duldete keinen Widerstand. Catherine sah ihn einige Zeit an, doch dann seufzte sie und nickte.

„Einen Moment noch.“, wandte Mycroft ein und stützte sich auf seinen Regenschirm. „Zunächst würde ich gerne noch mit ihr sprechen…Allein!“

In diesem Moment war Mycrofts Stimme so kalt wie noch nie und ein unheilvoller Schauer lief Catherines Rücken hinab.

„Darum ging es dir also die ganze Zeit.“ Sherlocks Gesicht verfinsterte sich.

„Wie du richtig sagtest, ich fahr nicht ohne Grund raus.“

„Was bezweckst du damit, Mycroft?“ Der Dunkelhaarige spie den Namen seines Bruders förmlich aus. „Du weißt doch genau, was passiert ist. Lass ihr Zeit zum Ruhen.“

Seit wann hätte sich Sherlock denn um so etwas gekümmert? Hatte er im Flugzeug schließlich auch nicht. Catherine sah ihn nachdenklich an und Sherlock erwiderte kurz einen Blick. Nein, es ging hier nicht um ihre Psyche, sondern es richtete sich allein gegen Mycroft.

„Ich bedaure, aber das kann nicht warten.“

„Mycroft…!“

„Ist schon gut, John.“, unterbrach Catherine ihn müde, als auch der Arzt ansetzte Mycroft zu widersprechen. Es würde ja sowieso nichts bringen. Mycroft würde nicht locker lassen, das wusste sie.

„Sicher, Catherine?“, fragte er und musterte sie besorgt. Sie nickte ihm zu und deutete dann mit dem Kopf zur Tür. „Ich komme nach.“

Sherlock und John zögerten, doch dann nickten sie und der Arzt sagte:

„Wenn Sie in 10 Minuten nicht zurück ist, Mycroft, kommen wir sie holen.“

„Als ob Sie mir drohen könnten, John.“, erwiderte er amüsiert und fing sich einen bösen Blick ein.

„Dann tu ich es eben, Bruder.“, sagte Sherlock ruhig, dann wandte er sich um und ging in die Wohnung.

Catherine seufzte. Wär ja schon beinahe lieb, wenn Sherlock das wegen ihr gesagt hätte, doch sie war nicht so dumm das zu glauben. Es ging hier einzig und allein um den Streit mit Mycroft. Aber gut, so hatte sie eine Absicherung, sollte Mycroft was planen. Sie glaubte es zwar nicht, aber wie gesagt, sie misstraute Mycroft.

„Also, was wollen Sie von mir, Mr. Holmes?“ Catherine nannte Mycroft nie bei seinem Vornamen. Sie wollte den Bruder Sherlocks möglichst weit auf Abstand halten auch wenn sie sich bewusst war, dass Mycroft bereits genauso viel über sie wusste wie Sherlock. Wenn nicht sogar mehr.

„Wollen wir nicht lieber ein Stück gehen?“, fragte Mycroft mit seinem charmantesten Eislächeln.

„Nein, danke. Ich würde gern möglichst schnell zurück in meine Wohnung, also bitte entschuldigen Sie, wenn ich keine Lust auf einen Spaziergang verspüre. Selbst Sie müssten das doch eigentlich verstehen, bei dem was ich durchgemacht habe.“ Ihre Stimme wurde abweisend und sie betrachtete Mycroft abschätzend. Es konnte hierbei nur um Sherlock gehen und sie verspürte nicht die große Lust mit seinem Bruder darüber zu reden. Nicht nachdem sich Sherlock sich zeitweise so seltsam verhalten und Catherine verwirrt hatte. Sie hätte nie gedacht, dass Sherlock ihr zusichern würde, dass sie ihm vertrauen konnte, doch er hatte es getan. Vielleicht hatte John zu Anfang wirklich Recht gehabt und er mochte sie irgendwie. Sie lachte gedanklich. Was für ein dummer Gedanke. Sherlock mochte Niemanden außer John und Mrs. Hudson, die sie bis heute noch nicht kennengelernt hatte. Dass er sie einfach manipuliert hatte, um seine Antworten zu bekommen, erschien ihr als wesentlich wahrscheinlicher bei diesem hochfunktionellen Soziopathen.

„Also gut…“, seufzte Mycroft schwer und stützte sich wieder auf seinen Regenschirm. „Sie misstrauen mir offensichtlich.“

„Ist das verwunderlich?“, erwiderte Catherine nachdenklich, während sie sich gegen die Wand des Wohnhauses lehnte. „Ich denke bei dem Mann, der quasi die komplette Britische Regierung ist- wie Sherlock so gerne betont-, ist Vorsicht, wie ich es nennen würde, durchaus angebracht.“ Mycroft neigte kurz seinen Kopf und betrachtete sie aus tiefen, blauen Augen, der sie innerlich unruhig stimmte. Es war als würden sie alles aus ihrer Seele hervorzerren, was sie verstecken wollte und sie hatte keine Ahnung, was er mit diesem Wissen anstellen würde.

„Durchaus…“ Und wieder lächelte er so seltsam. Als hätte Catherine keine Ahnung davon, zu was er wirklich im Stande wäre und das glaubte sie ihm sogar.

„Und Sie misstrauen mir doch ebenfalls.“, stellte Catherine schlicht fest, als sie an Mycrofts Ton am Flughafen zurückdachte.

„Wie kommen Sie denn darauf?“, sagte Mycroft spöttisch und seine Mundwinkel zogen sich hinab. Seine Stimme war wie ein bedrohlicher Hauch, ein Finger des Unheils, der über ihre Haut strich und ließ Catherine frösteln. Es schien als wollte er sie mit seiner Aura beängstigen und gleichzeitig mit seinen Augen festnageln. Ihr Pulsschlag erhöhte sich und ihr Herz schien in ihrem Hals zu schlagen, doch zumindest äußerlich bewahrte sie den ruhigen Schein. Diese Genugtuung zu zeigen wie sehr er sie beunruhigte, würde sie ihm nicht geben. Würde sie keinem der beiden Holmes jemals geben.

„Sie halten mich vielleicht für dumm, Mr. Holmes- sehr wahrscheinlich sogar-, aber mir ist Ihr feindseliger Ton bei Ihrer Begrüßung nicht entgangen.“

„Beeindruckend.“

„Und ich erkenne auch Sarkasmus und sei er noch so versteckt.“ Catherine zog ihre Augenbrauen hinab und betrachtete Mycroft verärgert. „Bei unseren bisherigen zwei Treffen waren Sie zwar reserviert, aber niemals offen feindselig. So wie ich Sie bisher einschätze, verlieren Sie eigentlich nie diese kühle Maske des Politikers, außer wenn es um Sherlock geht. Also haben Sie in mir nie eine Bedrohung für Ihren Bruder gesehen. Bis jetzt.“

„Sie sind wirklich nicht ganz so dumm.“, stellte Mycroft fest und wog kurz seinen Kopf hin und her.

„Das hör ich in letzter Zeit irgendwie öfter.“ Missmutig legte Catherine ihre Stirn in Falten und tippte mit dem Fuß auf den Boden. War das ein Kompliment auf Holmes Art? „Also, was hat sich verändert, sodass Sie nun meinen Ihre Macht- und somit Bedrohungskarte ausspielen zu müssen?“

„Meine Machtkarte?“

„Die Stimme wird eisig, die Aura der Macht bauscht sich um Sie herum auf wie der Umhang des Sensenmanns. Sie wollen mich einschüchtern, ob unbewusst oder bewusst und bei Ihnen, Mr. Holmes, würde ich auf bewusst tippen.“, sagte sie kühl. Sie sah Sherlocks Bruder an und seufzte.

„Miss Amell. Ich glaube Sie ahnen nicht auf welch dünnen Eis Sie sich gerade begeben.“ Ein Hauch von Ungeduld schwang in Mycrofts dunkler Stimme mit.

„Soll mir das jetzt Angst machen?“ Das tat es zumindest. Mycroft war mächtig und er konnte ihr locker etwas antun, würde es vermutlich auch, wenn nicht diese Unbekannte Namens Sherlock im Raum stände. Aus irgendeinem Grund schien der Ältere nicht zu wissen, wo er sie in dem seltsamen Geflecht der Bakerstreet platzieren sollte und bevor er sich auf etwas Ungewisses einließ, wollte er sie wohl eher vertreiben.  

„Das hängt ganz von Ihnen ab, Miss Amell und von Ihrem Verhalten.“

„Was für ein Verhalten wünschen Sie sich denn?“, fragte sie nach und hob eine Augenbraue hoch. Gespannt wartete Sie ab, doch Mycroft schwieg sie an und betrachtete sie mit stechendem Blick.

Catherine stöhnte genervt und strich sich ihren Pony aus dem Gesicht.

„Gut, Warnung angekommen. Wenn jetzt weiter nichts ist, würde ich gerne wieder ins Warme gehen.“ Ihr verletztes Bein hatte angefangen zu schmerzen und zu zittern, während sich ein unangenehmes Pochen von ihrem Oberschenkel ausbreitete. Sie wollte nur noch rein, es sich vorm Karmin gemütlich machen und ausruhen. Also nahm sie all ihren Mut zusammen um Mycroft zu trotzen, straffte ihre Haltung und wollte an ihm vorbeigehen, doch er hob seinen Regenschirm wie eine Schranke.

„Wir sind noch nicht fertig, Miss Amell.“, sagte er eiskalt und ließ Catherine einen Schauer über den Rücken laufen. Wie angewurzelt blieb sie augenblicklich stehen.

Wieder eine Warnung. Sie sollte sich ihm nicht widersetzen, sonst würde er andere Seiten aufziehen, und dieses Mal zweifelte sie daran nicht.

Sie seufzte und ließ die Schultern hängen, drehte sich dann wieder zu Mycroft um und sah ihn an. Dieses Mal hatte sie keinen Trumpf gegen ihn in der Hand und so musste sie wohl so lange ausharren, bis er sie gehen ließ. Geld regierte die Welt? Von wegen, das waren eindeutig die Holmes Brüder. Verdammtes holmeszentrisches Weltbild. Musste schön sein, wenn man die Sonne war und sich alles um einen selbst drehte.

„In welcher Beziehung stehen Sie zu meinem Bruder?“ Eine unverfängliche Frage, doch Catherine wusste, dass sie gefährlich war. Äußerst gefährlich, dennoch konnte sie sich ein hohles Lachen nicht verkneifen.

„Beziehung? Beziehung?“, wiederholte sie und kicherte fast hysterisch. Das durfte doch nicht wahr sein. „Sie sind lustig, Mr. Holmes. Wir haben keinerlei Beziehung. Weiß Sherlock überhaupt wie das geht? Ich bin seine Nachbarin, mehr auch nicht.“

„Und das soll ich Ihnen glauben? Niemand reist nach Serbien um seine Nachbarin zu retten und erst recht nicht Sherlock.“ Mycroft blickte sie hart an und senkte langsam wieder seinen Regenschirm. Sein Blick glitt zielgerichtet zu der Wunde, die die Kugel hinterlassen hatte. „Und eine einfache Nachbarin würde sich für ihn auch keinen Streifschuss einfangen. Mal ehrlich, für keinen normalen Nachbarn und erst recht nicht für Sherlock.“

„Woher wissen Sie…“, Catherine brach ab und hob abwehrend die Hände. „Ach, egal! Ich will es gar nicht wissen. Der Fall war halt interessant für ihn, sagte er.“ Sie zuckte mit den Schultern.

„Bitte!“ Mycroft lächelte kalt und schien amüsiert über ihren Versuch sich zu verteidigen. „Dann hätte er Lestrade oder sonst wen geschickt. Er wäre nie selbst hingereist.“

„Was weiß denn ich, was in Sherlocks ständig laufendem Gehirn vorgeht? Wenn Sie wirklich wissen wollen, warum er das getan hat, dann fragen Sie ihn und halten mich hier nicht fest.“

„Als ob ich eine Antwort bekäme. Besonders eine ehrliche.“, sagte Mycroft und klang mit einem Mal resigniert. Da hatte er gar nicht mal Unrecht. Sherlock würde wahrscheinlich, nur um Mycrofts eins reinzudrücken, eine abstruse Geschichte erfinden oder ähnliches. Er würde seinem Bruder wohl kaum die Wahrheit sagen.

Catherine seufzte resigniert und sah sich gerade auf einmal auf verlorenem Posten. Mycroft schien sich in irgendetwas verrannt zu haben und sie wusste nicht wie sie dort wieder herauskommen sollte.

„Hören Sie, Mr. Holmes…“, setzte schließlich zu einem letzten Versuch an. „Ich weiß ehrlich nicht, was das hier werden soll, aber lassen Sie mich bitte eines klarstellen: Ich bin nicht Ihr Feind oder was auch immer Sie in mir sehen.“ Leicht schüttelte sie den Kopf und sah ihn dann mit einem kämpferischen Ausdruck in den Augen an.

Mycroft hingegen lachte nur leise und sah sie herablassend an.

„Feind? Wie niedlich.“ Catherine rollte mit den Augen und seufzte noch einmal schwer.

„Sehen Sie…ich habe keine Ahnung, was Sie von mir erwarten, aber ich werde Sherlock nicht schaden, selbst wenn ich die Möglichkeit dafür hätte. Und mal ehrlich, die habe ich nicht einmal im Ansatz. Ich bin nur eine kleine, dumme Studentin.“

„Wenn dem so wäre, dann würde sich Sherlock nicht um Sie scheren.“

„Aaaargh!“, entfuhr es Catherine und sie fuhr sich durch die Haare, während die ungeduldig mit dem Fuß aufstampfte. „Sie wollen es nicht begreifen, oder? Sie sind ein verdammter, sturer Idiot! Liegt das bei den Holmes in der Familie?“

Sie erstarrte, als sie realisierte, was sie Mycroft da an den Kopf geworfen hatte. Mist, sie und ihre große Klappe. Mal wieder schneller gesprochen als gedacht. Typisch für sie. Er sah sie skeptisch an und trat einen Schritt auf sie zu. Langsam beugte Mycroft sich zu Catherine herab und sie schluckte leicht, legte ihren Kopf in den Nacken um ihn ansehen zu können.

„Was haben Sie da gesagt?“ Wieder schluckte sie und wünschte sich, dass sie einen Zeitumkehrer hätte, wenn sie hier schon einem Dementor gegenüberstand- oder vielleicht doch Serverus Snape?

„Ich glaube, Sie haben mich schon verstanden!“, entgegnete sie bissig.

//Verdammt, Catherine, hör auf!//, fuhr sie sich gedanklich an. Sie ritt sich so doch nur noch mehr in ihr Verderben hinein, das konnte sie in Mycrofts Blick nur zu gut erkennen. Wie er sie beäugte, als wollte er sie hypnotisieren. Ob er bei Kaa aus dem Dschungelbuch in Lehre gewesen war? Und wieso um Gottes Willen stellte sie gerade so dämliche Vergleiche an? Wollte sie so versuchen den Schrecken, der den mächtigen Politiker umgab, zu schmälern? Sollte er so nicht mehr ganz so erschreckend wirken? Sie wusste es nicht.

„Miss Amell…“, setzte er mit drohendem Unterton an.

„Mr. Holmes, bei allem Respekt…“, unterbrach sie ihm. Gut, sie hatte den Angriff gewählt, wenn auch unbewusst, nun musste sie ihn auch durchziehen. „Aber Sie haben sich da in etwas verrannt. Ich werde nicht Sherlocks Untergang sein. Das wird er schon ganz alleine sein.“ Sie warf kurz einen Blick zum Wohnzimmerfenster von 221b hoch und meinte kurz Schatten zu sehen. Irritiert runzelte sie die Stirn, doch als sie wieder hinsah, waren sie verschwunden. Vielleicht doch nur Einbildung. „Ich habe keine Ahnung, warum er mich gerettet hat. Um ehrlich zu sein, ich war die Letzte, die geglaubt hatte, dass er kommt. Ich war der festen Überzeugung, dass ich da unten sterben würde.“

Sie hatte nicht vorgehabt dies Mycroft zu gestehen- sie hatte es ja selbst John und Sherlock nur indirekt gesagt-, doch es war einfach aus ihr herausgerutscht. Mycroft sah sie kurz einen Moment überrascht an, doch dann kehrte wieder die Maske zurück.

„Ich bin nicht mein Bruder. Ich bin keine Spionin. Alles was ich hier tue, ist ehrlich. Ich werde und ich will ihm nicht schaden und John auch nicht.“, erklärte sie nach einigen Momenten des Schweigens und mit diesen Worten verschwand die Anspannung aus der Stimme. Catherine war ruhig geworden und sprach eine Erkenntnis aus, die sie erst während ihrer Gefangenschaft gewonnen hatte. Auch Mycrofts harte Miene wurde weicher und er betrachtete sie nur noch nachdenklich. In diesem Moment überwog wieder Catherines erwachsenes Verhalten mit dem sie oft überraschte. Niemand traute ihr ein solches Verständnis der Erwachsenenwelt zu- Mycroft wohl besonders nicht-, aber sie verstand das Gefüge des sozialen Lebens schon ziemlich gut. Auch wenn sie es öfters bewusst nicht beachtete.

„Ich verstehe Ihre Sorge um Ihren Bruder…“, fuhr Catherine nach einigem Zögern fort und blickte noch einmal hoch zum Fenster. „Sherlock ist ein…nun, ich weiß noch nicht einmal wie es nennen soll…“

„Ein Arschloch?“, schlug Mycroft vor und für den Hauch eines Moments zuckten auch seine Mundwinkel. Genauso wie bei Sherlock. Catherine stieß ein amüsiertes Schnauben hören.

„Das sehen glaub ich nur viele gern in ihm. Das wäre aber zu einfach. Arroganter Mistkerl würde ich unterschreiben.“ Sie schmunzelte. „Aber dennoch…irgendwie macht es mir immer nur kurzzeitig was aus. Den Rest der Zeit, den ich nicht mit Schnauben, einem Facepalm oder Augenverdrehen verbringe, ist es durchaus amüsant mit Ihrem kleinen Bruder. Was ich aber eigentlich sagen wollte, ist, dass ich verstehe, dass Sie große Vorsicht walten lassen. Seine Art ist nicht einfach und wird ihm sicher mehr als einen Feind bescheren und er selber wird es nie bemerken, in welcher Gefahr er sich damit begibt. Als hätte er Scheuklappen auf und würde einfach stur geradeaus laufen. Es ist gut, dass er mittlerweile John hat, der aufpasst, dass er die Grenzen nicht zu sehr überschreitet. Sherlock braucht in dieser Welt nichts mehr als einen Anker.“
 

~*~
 

Jahuu :) das ging ja doch recht flott, auch wenn mich bisher kein Chap solche Nerven gekostet hatte. Mit Mycroft kann man nicht so spielen wie mit Sherlock oder John. Er ist ebenso tief wie die beiden nur zeigt er es nicht und ihn dann aus der Sicht eines anderen zu schreiben, bringt er ein geringes Repertoir. Einerseits ist er kalt und ungerührt, nur bei Sherlock wird er zur glucke...

Und Sherlock und Mycroft zusammen ist noch schlimmer. Ich mein, eigentlich weist Sherli alles ab, was Mycroft sagt, aber dann kommen wieder so sachen wie beim "Großen Spiel", wo Mycroft Sherlock korrigiert, ist ihm das wiederum völlig egal und er zupft gelangweilt auf der geige rum? bitte???Sherli was denn jetzt? y.y das hat mich fast wahnsinnig gemacht. xD aber es machte auch spaß.

Hoffe ich hab den Iceman gut getroffen und ich krieg nicht zu sehr auf den Deckel.

Und ach ja: Sorry wegen den Harry potter anspielungen xD ich konnte es mir einfach nicht verkneifen :D Mal ehrlich, wenn ich ihn sehe, wenn er seine Machtkarte ausspielt, dann muss ich immer an die Dementoren denken, die alles glück aufsaugen. Ok, mycroft sieht doch wesentlich besser aus *LOL*

Ok, John ist etwas passiv. ich muss echt lernen mehrere charaktere zu handlen in einem raum :) aber vielleicht hielt er sich nur zurück, weil cath udn Sherli schon so in hochform waren und er keinen krieg provozieren wollte :D
 

Ich hoffe nächstes We das nächste hochalden zu können.

Lg,

Jeanne :)



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mindpalace
2013-05-29T17:02:43+00:00 29.05.2013 19:02
Mein erster Kommentar zu einem deiner Kapitel.
Also, ich finde du hast Mycroft erstaunlich gut getroffen. Genauso wie ich ihn kenne. Das, was ich bis jetzt gelesen habe, zeigt mir, dass du auch John hervorragend hinbekommst und Catherine ist einfach unglaublich. Ich liebe starke Charaktere. Ich kann mir nicht vorstellen wie schwer es sein muss Sherlock hinzubekommen und manchmal finde ich, dass du ihn nicht so hervorragend triffst wie in Mycrofts Fall, aber alles in allem ist dir das recht gut gelungen. (Ich will gar nicht wissen, was ich da für einen Mist zusammenkritzeln würde >.>)
Die Story gefällt mir auch sehr gut, obwohl ich es als Krimifan vermisse, so einen richtigen Krimifall zu haben, wo man rumrätseln kann und so, aber das würde ich auch sagen, wenn ich einen Thriller lese von nem Bestsellerautoren. ^^
Und wofür ich dir ein RIESENLOB aussprechen muss, ist Catherines Humor und Sarkasmus! Das ist dir echt super gelungen und ich bin mir sicher, dass ich das nie so gut hingekriegt hätte! Hut ab!

LG
Kim :D


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