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Unverhofft kommt oft...

LExJP OS
von

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Die Konstante in ihrem Leben

Lily und James
 

„Suchst du wen?“

Es war der letzte Herbstferientag und die Schüler tummelten sich bereits am Bahnsteig 9 ¾. Morgen ging der Schulalltag wieder los.

„Erde an Lily, bist du noch da?“

Lily schreckte auf. Tatsächlich war sie so in Gedanken versunken gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie ihre Mutter ihr mit der Hand vor dem Gesicht rumwedelte und sie bereits ziemlich besorgt ansah. Die Rothaarige wusste selbst nicht, was mit ihr los war. Sie wüsste nicht, nach wem sie ihre Blicke suchen lassen sollte.

„Remus ist da vorne, Schatz.“

Ihre Mutter fand Remus super. Der Schwarzhaarige ging seit nun fast sieben Jahren mit Lily in eine Klasse und war in den Augen ihrer Mutter der absolute Traumtyp für sie. Sie konnte nicht abstreiten, dass er ein Gentleman war und sie verstand sich sehr gut mit ihm, vor allem, seit sie und Severus nichts mehr miteinander zu tun hatten, aber sie konnte sich mehr als nur Freundschaft zwischen sich nicht vorstellen.

Sie nickte ihrer Mutter zu und winkte dem Jungen. Remus hatte sie auch gesehen und kam auf sie zu. Lächelnd begrüßte er die Rothaarige und ihre Mutter.

Ihr Vater und Petunia waren Zuhause geblieben.

Ihre Schwester hatte vor einem Jahr ihren Schulabschluss gemacht und nun eine Ausbildung begonnen. Dennoch hatte Lily sie in den Ferien oft gesehen. Sie und ihren Freund Vernon. Sie mochte ihn nicht und er mochte sie nicht, aber sie konnte damit leben und freute sich für ihre Schwester. Der negative Nebeneffekt dabei war allerdings, dass diese sie nun ständig damit aufzog, dass sie noch keinen Freund hatte. Überhaupt noch keinen gehabt hatte.

Das war wohl der Grund, weshalb Lily sich das erste Mal in ihrem Leben ernsthafte Gedanken darüber gemacht hatte. Warum war das eigentlich so? Laut einigen Aussagen sah sie gar nicht schlecht aus, war intelligent und dazu noch Schülersprecherin. Auch wurde sie des Öfteren nach einem Date gebeten, was sie jedoch immer ablehnte.

Speziell James Potter hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sie regelrecht mit dieser Frage zu nerven und das seit der 3. Klasse.

Bis vor kurzem.

Ja, Lily hatte seit fast zwei Monaten nichts mehr von Potter gehört. Auf dem Gang war er an ihr vorbei gegangen, als ob sie Luft wäre, hatte ihr nichteinmal einen Blick zugeworfen. Warum war das so? Mochte er sie nicht mehr?

In den Ferien hatte sie ihre Mutter ab und zu gefragt, ob sie Post bekommen hätte. Nichts. Nicht mal geschrieben hatte er ihr.

Für Lily war das total ungewohnt. Dennoch verfluchte sie sich dafür, dass sie ihm deshalb so viel Aufmerksamkeit schenkte. Schließlich mochte sie ihn nicht. Nein, sie hasste ihn doch sogar. Also durfte sie sich davon nicht so aus der Bahn werfen lassen. War doch super, dass er endlich von ihr abgelassen hatte. Das war es doch, was sie immer gewollt hatte.

Zusammen mit Remus schritt sie durch die Waggons des Hogwarts-Express. Er zählte auch zu den Vertrauensschülern und saß deshalb mit ihr im Vertrauensschülerabteil. Doch diesmal hatten die beiden nicht mitbekommen, in welchem Wagen es lag.

Lily hatte ihr freundliches Lächeln wieder aufgesetzt, sah in jedes Abteil, grüßte die darin sitzenden Schüler und beantwortete gegebenenfalls Fragen. Dennoch war sie nicht wirklich anwesend, immernoch in ihren Gedanken gefangen.

„Wie waren deine Herbstferien?“, Remus Frage schien beiläufig und freundlich. Er hatte bereits gemerkt, dass seine Freundin irgendetwas bedrückte, doch noch vermochte er nicht genau zu sagen, was es war. Er kannte Lily sehr gut, besser als jeder andere. Er wusste, dass sie nicht immer fröhlich war, wusste was sie bedrückte und was ihr missfiel, auch an ihr selbst. Doch er konnte ihr meistens nicht helfen. Er wollte nicht, dass sie dachte, er würde sie durchschauen. Deshalb gab er ihr immer nur verschlüsselte Tips und Ratschläge. Das hatte bisher ganz gut geklappt.

„Ganz gut. Tunia hat jetzt einen Freund und deshalb kaum mehr Zeit für mich. Außerdem habe ich viel für die UTZ-Prüfungen gelernt.“

Lily sah Remus lächelnd an und öffnete eine weitere Abteiltür. Remus winkte den darin sitzenden Fahrgästen grinsend zu, was Lily dazu brachte, sich umzudrehen. Es war das Abteil der Marauder. Peter, Sirius und James grinsten sie an und grüßten Remus zurück.

„Hey Lily, hey Remus. Was verschafft uns die Ehre?“

Sirius war aufgestanden, drängelte sich an dem Mädchen vorbei und umarmte Remus freundschaftlich.

Viel zu lange verharrte Lily in der Tür.

„Hey… Wir suchen das Vertrauensschüler-Abteil.“

Viel zu unbeherrscht klang ihre Stimme.

„Zwei Abteile weiter.“

James zwinkerte Remus zu und lächelte dann Lily an.

„Danke James, wir sehen uns bei den Kutschen.“

Remus wandte sich zum Gehen.

„Lily, kommst du?“

Sie schreckte auf und nickte.

Viel zu lange hatte sie in seine haselnussbraunen Augen gesehen.

Das war sicher nur, weil sie es merkwürdig fand, wie er sich verhielt. Mehr nicht.

Sie bemerkte den wissenden Blick nicht, mit dem Remus sie nun betrachtete. Er hatte bemerkt, wie sie James angesehen hatte, gemerkt, dass es ein wenig zu lange war. Nun wusste er, was seiner Freundin so aufs Gemüt schlug. Und das wieder lange, bevor sie es selbst wusste, wenn sie es überhaupt herausfinden würde.

Im Vertrauensschüler-Abteil angekommen, wurden sie freudig begrüßt. Der Rest war bereits da. Sie diskutierten die Einteilungen der Wachgänge und die Aufteilung der Betreuer der Erstklässler zu Quiditsch-Spielen und anderen Anlässen.

Außerdem wurden bereits Pläne für den Winterball geschmiedet. Er fand am letzten Tag vor den Weihnachtsferien statt, in denen viele nach Hause fahren würden. Lily hatte sich entschlossen dieses Jahr in Hogwarts zu bleiben. Es war ihr nicht sonderlich leicht gefallen, doch es würde ihr letztes Weihnachten sein, das sie in Hogwarts verbringen konnte.

Die Servierwagenfrau brachte ihnen wie jedes Mal einen Tee und ein paar Kürbisbrötchen. In Gedanken versunken knabberte Lily an ihrem, während sie aus dem Fenster sah. Sie hatten nichts weiter zu besprechen und deshalb sah sie den Rest der Fahrt aus dem Fenster, während die anderen sich über dies und das unterhielten. Die Rothaarige war nie wirklich in diese Gespräche involviert. Denn obwohl sie beliebt war, hatte sie niemanden, mit dem sie wirklich etwas unternahm, keine wirklich beste Freundin.

Zwar hatte sie Freundinnen, aber auch diese unternahmen nicht alles mit ihr, obwohl sie über das meiste miteinander reden konnten. Meistens fragten sie sie über James aus. Doch seit er nicht mehr um sie warb, gab es da auch nichts mehr zu erzählen.

Der Zug lief im Bahnhof von Hogwarts ein und Lily seufzte einmal tief.

Sie sah, wie Remus ihr einen fragenden Blick zuwarf und winkte ab. Wenn sie wüsste, was der Grund war, hätte sie es ihm sicher gesagt, aber genau da lag ja das Problem.

Der Schwarzhaarige half ihr dabei, ihren Koffer von der Gepäckablage zu hieven. Dankend nahm sie diesen entgegen und folgte dem Marauder dann den Gang entlang aus dem Zug raus.

„Kommst du mit zu uns?“, Remus deutete auf eine Kutsche vor der die anderen Marauder standen und auf ihn warteten. Normalerweise durfte niemand mit ihnen fahren, weil sie auf der Fahrt meist anstehende Streiche und Unternehmungen planten. Lily wusste es zu schätzen, dass Remus sie fragte, auch wenn sie sich nicht wirklich einen Reim darauf machen konnte.

Sie ließ ihren Blick über die übrigen Kutschen schweifen, fand aber keine, die sie sonst nehmen könnte oder wollte. Also nickte sie und folgte Remus zu besagter Kutsche.

„Lily fährt mit uns.“

Lily wusste, dass eigentlich ein Marauder alleine nicht zu bestimmen hatte, ob eine Tradition gebrochen wurde, außer es waren Potter oder Black. Aber Remus schien etwas Bestimmtes in der Stimme gehabt zu haben, was die anderen nach einem kurzen Zögern zustimmen ließ.

Remus hielt ihr die Tür auf und bat Lily einzusteigen. Hinter ihrem Rücken wechselte er bedeutungsschwere Blicke mit den anderen, welche vom Großteil wahrscheinlich nicht genau gedeutet werden konnten.

„Bildet euch aber bloß nichts darauf ein.“

Lily verschränkte die Arme vor der Brust und wandte den hoch erhobenen Kopf zum Fenster.

„Wie kämen wir dazu, Prinzessin?“

Potter grinste sie an. Sie sah es aus dem Augenwinkel, denn er saß ihr direkt gegenüber. Doch sie zwang sich dazu, weiterhin aus dem Fenster zu blicken. Die Jungs deuteten dies als Teilnahmslosigkeit und begannen mit einem Gespräch. Ab und zu verfielen sie ins Tuscheln, doch Lily hatte nicht den Nerv dazu ihnen zu lauschen, auch wenn einige Fetzen es dennoch bis an ihr Ohr schafften. Stattdessen beobachtete sie die Landschaft, die an ihnen vorbeizog.
 

Überhaupt zogen die nächsten Wochen an ihr vorbei und sie fühlte sich, als habe sie an ihnen nicht wirklich Teil. Zwar beteiligte sie sich im Unterricht, half bei der Planung für den Winterball, trank, aß und schlief und lernte mit Remus oder alleine in der Bibliothek oder im Gemeinschaftsraum. Doch irgendetwas fehlte. Sie konnte nicht sagen was.

Aber es war etwas, was sie an diese Welt band, etwas dass sie vervollständigte.

Jeder der ihr Leben kannte, hätte ihr sagen können, was es war. Doch sie selbst sah es nicht. War blind für diese Offensichtlichkeit. Leider kannte sie auch keiner genug, um überhaupt festzustellen, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Und die Personen, die es bemerkt hatten, wussten entweder nicht woran es lag oder besaßen den Anstand, es ihr nicht zu sagen, denn das war eine Sache, die sie alleine herausfinden musste.

Inzwischen wurde es immer kälter draußen und das letzte Quidditschspiel der Saison stand an. Schon am frühen Morgen war die große Halle gefüllt von vom fröhlichen Geplapper der Schüler. Lily saß bei einigen ihrer Freundinnen und trank ihren morgendlichen Tee.

„Was machst du heute, Lily? Ich meine, du magst Quidditsch ja nicht.“

Es war kein Geheimnis, dass Lily Evans mit Quidditsch absolut nichts am Hut hatte. Das Spiel heute fand zwischen Slytherin und Gryffindor statt. Wenn Gryffindor gewann, waren sie die Sieger der Saison, das wusste sie natürlich. Aber ansonsten konnte sie absolut nicht sagen, was an diesem Sport so toll sein sollte.

„Ach… ich denke, ich werde zu dem Spiel gehen. Es ist immerhin das letzte, was ich hier in Hogwarts sehen werde.“

Sie lächelte ihre Freundinnen an und biss in einen Apfel.

Die Rothaarige bemerkte nicht, wie James Potter hinter ihr kurz stehen blieb und sie erstaunt, aber mit einem freudigen Glanz in den Augen, ansah. Er war der Sucher von Gryffindor. Das hieß, Lily würde ihn heute das erste Mal seit langem spielen sehen. Sirius winkte ihm von einem etwas weiter entfernten Platz aus zu und er war verschwunden, ehe Lily etwas hatte bemerken können.

Sie sah nur noch, wie er an ihr vorbei ging, scheinbar ohne sie zu beachten und etwas in ihr sank und brachte ihre Stimmung eine Etage tiefer.

„Das ist ja super! Du kannst mit uns mitkommen, wenn du willst.“

Lily bemühte sich ihre äußere Erscheinung bei zu behalten und nickte deshalb lächelnd auf den Kommentar hin.

„Gerne.“
 

Quidditschspiele waren in der Regel während der Schulzeit, was der fleißigen Schülerin ein wenig missfiel. Doch sie redete sich heute einfach ein, dass es mal eine nette Ablenkung zu den anstehenden UTZ-Prüfungen war. Alle Schüler hatten sich in wetterangemessener Kleidung auf den hohen, in rot-gold und silber-grün geschmückten Tribünen versammelt. Es regnete und Lily taten die Spieler leid.

Doch die Stimmung war so gut, dass das Wetter den meisten egal war. Das Mädchen stand bei ihren Freundinnen, neben ihr Remus und Peter, die ihre Freunde Sirius und James natürlich tatkräftig unterstützten. Remus hatte Lily gesehen und den rundlichen Peter zu ihr gelotst.

„Du hier?“

Sie grinste ihn an.

„Unvorstellbar, oder? Ich hatte mal Lust darauf. Es ist unser letztes Quidditschspiel hier in Hogwarts.“

Remus nickte und beobachtete wie Lily mit einem fast unsichtbaren Leuchten in den Augen die Spieler beim Einfliegen beobachtete. Ihm fiel auch auf, dass sie James einen etwas längeren Blick zuwarf, als den anderen Spielern Gryffindors, die Slytherins absolut nicht beachtete.

Das Spiel wurde angepfiffen und Lily stand eine Zeit lang schweigend zwischen der jubelnden Masse. Sie analysierte genau, wie welcher Spieler spielte, was die einzelnen Bälle taten und was mit ihnen getan werden musste.

„Ich bewundere es, wie man es schaffen kann, diesen kleinen Schnatz nicht aus den Augen zu verlieren.“

Sagte sie unverhofft und Remus sah sie schmunzelnd an.

„James ist wirklich gut darin, musst du wissen. Er spielt seit dem zweiten Schuljahr als Sucher und hat den Schnatz nur selten nicht gefangen.“

Natürlich wusste er, dass Lily gerade James unbewusst ein Kompliment gemacht hatte.

Lily musterte Remus kurz und schwieg dann wieder, wandte sich ab und beobachtete das Spiel. Der Schwarzhaarige hatte es nicht anders erwartet. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen.

„Wenn wir so weiter spielen, haben wir eine gute Chance zu gewinnen, oder?“

Es war einige Zeit der Stille zwischen ihnen vergangen. Es stand 180 zu 80 für Gryffindor. Remus nickte, sah aber nicht vom Spielfeld weg.

„Vorausgesetzt Slytherin fängt nicht den Schnatz. Der gibt 150 Punkt und damit hätten sie gewonnen.“

Lilys Augen wurden groß. Ihr Blick wanderte zu Potter, der gerade anscheinend hinter dem kleinen, goldenen Ball herjagte. Sie drückt die Daumen und biss sich vor Spannung auf die Unterlippe. Wenn er ihn jetzt fing, hatten sie gewonnen.

„Lily, pass auf!“

Verwirrt sah die Rothaarige sich um. Remus versuchte sie beiseite zu drängen, aber überall um sie herum standen andere Schüler, geduckt, als ob gerade ein Komet auf das Feld zu sausen würde. Nun erst fiel ihr der dunkelbraune, runde Ball ins Auge, der direkt auf sie zukam. Sie wusste, dass der Name des Balls Klatscher war und sie wusste, dass man ihn mit einem etwas kleineren Baseballschläger hin und her schlug. Aber sie hatte keinen solchen Schläger. Panisch suchte sie nach Sirius, oder irgendeinem anderen Treiber. Doch er war zu weit weg, um rechtzeitig die Situation retten zu können und die Slytherins lachten sich nur ins Fäustchen.

Lily schloss die Augen und wartete auf den Schmerz. Um sie herum war es totenstill.

„Sirius man! Pass doch mal auf!“

Eine wütende Stimme und dann brach soetwas wie Jubel, bestehend aus Entsetzens- und Lobschreien, um sie herum aus. Vorsichtig öffnete die Hexe die Augen und sah James Potter schräg vor sich auf seinem Besen sitzen. Er hielt den rechten Arm an seinen Bauch gepresst und schien Schmerzen zu haben. Ungläubig und fragend zugleich sah sie Remus an.

Um sie herum überwogen nun die Entsetzensschreie.

„James hat den Klatscher mit seinem Arm abgewehrt und dafür die Verfolgung des Schnatzes aufgegeben. Es sieht nicht so aus, als ob er ihn noch bekommen würde.“

Klärte Lupin sie sachlich auf und deutete in die Richtung des Schnatzes. Tatsächlich war der Sucher von Slytherin dem Schnatz schon gefährlich nahe und James konnte seinen rechten Arm nicht mehr bewegen.

Jetzt legte sich auch ein entsetzter Ausdruck auf Lilys Gesicht.

Sie lehnte sich an die Balustrade vor sich.

„Los, James! Du schaffst das!“

Das Rufen kam mit voller Kraft aus ihrem Mund. Sie hoffte, dass er es hörte, aber es hatte nicht den Anschein. Er drehte sich nicht zu ihr um. Doch sie hörte trotzdem nicht auf ihn anzufeuern, fühlte sie sich doch ein wenig schuldig. Zwar hatte er den Klatscher ihrer Meinung nach zu Gunsten aller abgefangen, dennoch hatte sie nichts tun können und fühlte sich ihm jetzt etwas schuldig.

Natürlich hatte er sie gehört. Ihre Stimme würde er überall heraushören. Sie gab ihm Kraft. Er musste den Schnatz nun fangen, was würde sie sonst von ihm denken? Naja, viel schlechter als eh schon ging es ja kaum noch. Aber sie sollte ihn nun nicht auch noch für einen Quidditschlooser halten. James hatte nicht anders gekonnt, als sie vor dem Klatscher zu beschützen und die Verfolgung seines eigentlichen Ziels aufzugeben. Denn auch wenn er es aufgegeben hatte, sie für sich gewinnen zu wollen, konnte er nicht zulassen, dass ihr etwas passierte. Er lehnte sich dichter an seinen Besen und flog einen riskanten Sturzflug. Ihm war klar, dass er sich mit einer Hand wahrscheinlich nicht abfangen konnte, aber er hatte nur diese eine Möglichkeit.

Was machte er da? Erschrocken hielt Lily die Luft an. Potter kam dem Boden rasend schnell näher. Was wollte er damit bewirken?

Ohne es zu bemerken, krallte Lily eine Hand in Remus Jackenzipfel. Gleich würde Potter auf dem Boden aufschlagen, vielleicht sogar noch den Sucher von Slytherin mit vom Himmel holen, der direkt auf ihn zuflog.

Kurz vorm Boden schien er zu versuchen den Besen wieder hoch zu ziehen. Jedoch geriet er ins Straucheln, verhakte mit der Besenspitze im Boden, wurde abgeworfen, überschlug sich zweimal und lag dann rücklings im Sand.

Erneut war es totenstill um sie herum.

Ein Zucken, dann hob James die Hand und tosender Jubel brach aus, als man den Schnatz darin aufleuchten sah. Auch Lily atmete einmal erleichtert aus und klatschte dann.

Über die ganze Aufregung hatte sie völlig verdrängt, dass es geregnet hatte und war am nächsten Tag erkältet. Potter war auf die Krankenstation gebracht worden. Soweit sie gehört hatte, war sein Arm gebrochen und er hatte mehrere starke Prellungen davongetragen.

Im Verwandlungsunterricht musste sie sich eingestehen, dass er ihr Leid tat. Die ganze Stunde sah sie immer und immer wieder die letzten Minuten des Spiels vor ihrem inneren Auge.

Als es zur Pause klingelte, suchte sie ihre Sachen zusammen und verließ schnell den Klassenraum.

Draußen wäre sie beinahe mit jemandem zusammengerannt.

„Hey, Schlammblut, pass auf, wo du hinläufst.“
 

Mulciber, natoll. Der hatte ihr ja jetzt gerade noch gefehlt. Normalerweise gingen diese Slytherins ihr aus dem Weg, aber das war natürlich schlecht, wenn sie direkt in sie hinein lief. Was sollte sie jetzt sagen? Sie wusste nichtmal, wo sie hingerannt war und sah sich erstmal um. Anscheinend befand sie sich im zweiten Stock.

„Lily, da bist du ja.“

Remus stand plötzlich an ihrer Seite, Sirius vor und Peter hinter ihr.

„Verschwindet.“

Sirius hatte seinen Zauberstab gezogen und deutete damit herausfordernd auf Mulciber.

„Lass gut sein, Sirius. James wartet.“

Remus nahm Lilys Hand und zog sie mit sich in eine Richtung. Black und Pettigrew folgten ihnen, aber nicht ohne einen Fluch in Richtung der Slytherins loszulassen.

„Ich hätte mich auch gut selbst aus der Situation rausholen können.“

Die Rothaarige verschränkte die Arme vor der Brust und sah Black missbilligend an.

„Klar, Evans. Du standst da auch nur wie ein Rehkitz im Scheinwerferlicht.“

Antwortete dieser sarkastisch und lachte. Peter stimmte mit ein und gemeinsam traten sie durch eine Tür.

„Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr.“

Panisch sah Lily sich um. Überall standen weiße Betten mit ebenso weißen Paravans abgetrennt und jedes mit einem kleinen Nachtschränkchen. Sie befanden sich im Krankenflügel und einige Betten von ihnen entfernt saß Potter in seinem, aufrecht, mit einigen Süßigkeiten vor sich aufgetürmt und aß Bertie Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen. Bei ihm saß ein braunhaariges Mädchen, dessen Namen Lily zwar nicht kannte, aber von dem sie wusste, dass sie eine Klasse unter sie ging.

„Mary hat mich grad gefragt, ob ich mit ihr zum Winterball gehe.“

Potter rief dies quer durch den fast leeren Raum und schickte ein fröhliches Lachen hinterher. Etwas in Lily zog sich zusammen, doch sie verdrängte dieses Gefühl. War doch schön für ihn, wenn er jemanden hatte, mit dem er hingehen konnte. Außerdem würde er sie dann nicht mit seiner hartnäckigen Einladung nerven.

Sie waren an seinem Bett angekommen. Sirius trat vor, um seinem Kumpel anerkennend auf die Schulter zu klopfen und gab damit die Sicht auf das rothaarige Mädchen frei. Erst jetzt konnte James Lily auch sehen.

„Lily?“

Erstaunt sah er sie an.

Sie setzte ein Lächeln auf, nach dem ihr gerade nicht zu Mute war und nickte.

„Glückwunsch zu deinem Date, Potter.“

Lily musterte das Mädchen und lächelte auch sie an.

„Ich wollte eigentlich nur zu deiner meisterhaften Leistung gestern gratulieren und mich im Namen einiger für die Rettung vor dem Klatscher bedanken.“

Sie legte so viel Sachlichkeit wie möglich in ihre Stimme. Ihre Hände hatte sie vor dem Bauch ineinander gelegt.

„Ich werde euch nun wieder allein lassen. Werd schnell wieder fit, sonst verpasst du noch so viel Unterricht.“

Die Schülersprecherin drehte sich schwungvoll um und verließ schnellen Schrittes den Raum. Die Zurückgelassenen warfen sich verwirrte Blicke zu, nur Remus hatte das Zittern in ihrer Stimme bemerkt und sah seiner Freundin besorgt nach.
 

Lily war in ihren Schlafsaal geflüchtet. Sie nahm sich ihr Buch für Zaubertränke und setzte sich auf die Fensterbank, sah nach draußen. Es schneite doch tatsächlich, wo es gestern noch geregnet hatte. Der Himmel sah genauso trüb aus, wie es sich in ihrem Inneren fühlte. Vor der Tür hörte sie die Stimmen einiger Mädchen.

„Er geht echt mit Mary Swan zum Winterball? Ich hätte gewettet, er fragt Evans. Aber wahrscheinlich ist sein Interesse für sie verflogen.“

„Kein Wunder. Immerhin hat sie ihm jahrelang vor den Kopf gestoßen! Da würde ich mich eh entlieben. Ich konnte eh nie verstehen, wie er diese gefühlskalte Schnepfe jemals hat mögen können.“

Die Tür öffnete sich und die Mädchen wollten eintreten, blieben allerdings in der Tür stehen, als sie Lily sahen.

„Ups.“

Lily hörte nur, wie die Tür sich wieder schloss und eiliges Fußgetrappel sich von ihr entfernte. Sie hatte die ganze Zeit nicht aufgesehen, unentwegt aus dem Fenster gestarrt.

Hasste er sie jetzt wirklich?

Eine einzelne Träne bahnte sich den Weg über ihre Wange, eine Zweite folgte, dann eine Dritte und noch viele viele mehr.

Das Mädchen zog die Beine an, verschränkte die Arme darauf und vergrub ihr Gesicht in ihren Ärmeln. Immer wieder erschütterte ein Schluchzen ihren zierlichen Körper.

Auch die nächsten Wochen waren nur eine weitere Zeitangabe im Leben der Muggelstämmigen. Der Winterball kam immer näher und sie hatte niemanden, mit dem sie hinging. Es war nicht so, dass sie keine Einladungen bekam. Sie wies sie nur alle freundlich ab.

Motto des Abends war ‚Maskenball‘.

Zuvor waren den Schülern von ihren Hauslehrern Masken ausgeteilt worden, weiß und unindividuell. Doch setzte man sie auf, passten sie sich der Gesichtsform an und änderte die Farbe in die Farben der jeweiligen Aura. Das Ganze galt dem Zweck, dass man sich auf dem Winterball nicht unbedingt erkannte und eventuell neue interessante Bekanntschaften machte.

Lilys Maske war Nachtblau mit einem gold-roten Sternenstreif. Passend dazu hatte ihre Mutter ihr ein dunkelblaues, knielanges, trägerloses Kleid mit einer großen Schleife an ihrer rechten Hüfte geschickt. Ihr gefiel das Kleid recht gut. Wenn man sich drehte hob sich der Rock mit dem Pettycoat und sie sah aus wie eine Blume oder so.

Am Abend des Winterballs zog sie das Kleid an, machte sich eine einfache Hochsteckfrisur und schlüpfte in ein Paar passender, dunkelblauer Pumps. Jeder hätte Lily für schön gehalten und so ziemlich jedes Mädchen hätte gerne mit ihr getauscht und wär überglücklich gewesen. Aber die Rothaarige freute sich nicht auf dieses Event.

Missmutig betrachtete sie sich nochmal im Spiegel und ging die Möglichkeiten durch, die sie machen könnte, wenn sie dem Fest fern blieb. Allerdings war dies als Schülersprecherin gar nicht so leicht. Im Gegenteil wurde von ihr erwartet, dass sie dort auftauchte.

Und das heute ohne Begleitung.

Warum hatte sie allen abgesagt? Es waren doch sogar ganz nette, gutaussehende Typen dabei gewesen. Aber sie hatte ihnen abgesagt. Verdammt. Vielleicht würde sie sich mit einem Partner nicht mehr ganz so hilflos fühlen. Alle hatten einen gefunden. Selbst du kleine, pummelige Anita Greenhorn.

Lily seufzte, strich eine Strähne zurecht und verließ den Schlafraum.

Im Gemeinschaftsraum wurden ihr von den wenigen restlichen Anwesenden bewundernde Blicke zugeworfen. So beeilte sie sich durch das Portraitloch zu schlüpfen und den Blicken zu entfliehen.
 

Die große Halle war für das Fest weitestgehend leer geräumt worden. Statt der Häusertische standen kleine, runde Tische an den Rändern, jeweils von 3-4 Stühlen umgeben. In der Mitter erstreckte sich eine riesige Tanzfläche und da wo sonst der Lehrertisch war, befand sich eine Bühne, auf der eine organisierte Band spielte und wo später der Ballkönig und die Ballkönigin stehen würden. Diese würden unabhängig der hier anwesenden Pärchen gewählt. Jeder der durch die Hallentür kam, bekam eine Nummer und diese wurde dann schließlich von den anderen gewählt.

Lily bekam die Nummer 213. Wenn das kein Glück bedeutete.

Am Ende würde keiner genau wissen, wer der Ballkönig und wer die –königin war. So hatten auch sonstige Außenseiter die Möglichkeit gewählt zu werden.

Für Außenstehende unterhielt Lily sich köstlich. Sprich niemandem in diesem Raum fiel auf, wie mies es der Hexe eigentlich ging.

Sie tanzte mal mit diesem und stieß mal mit jenem an.

Hatte die ganze Zeit dieses wunderschöne Lächeln aufgesetzt, was ihre Augen nie wirklich erreichte. Doch das sah man dank der Maske nicht.

Einige erkannten Lily aufgrund ihrer auffallend roten Haare.

So hatte sie viele Gespräche zu führen, Lobe anzunehmen und Fragen zu den Organisationsarbeiten zu beantworten.

Wie sehr wünschte sie sich doch das Ende des Abends herbei. Er schien unendlich lang und sie überlegte ernsthaft früher zu gehen, doch Remus verwickelte sie in ein Gespräch. Sein Date war eben auf der Toilette verschwunden und so überbrückte er ihr die Zeit mit einem Tanz bis zu der Wahl von Mister und Miss Ballkönig.

Lily und Remus hatten sich damals aus der Auswertung rausreden können und waren im Nachhinein doch ganz froh darüber.

Ein Mädchen in einem rosa Kleid und mit langen, blonden Haare trat auf die Bühne. Zwei Erstklässler trugen hinter ihr die Kronen für die Auserwählte.

Die Schülersprecherin hörte dem Gesagten gar nicht richtig zu. Sie hatte sich vorgenommen, dann zu klatschen, wenn die anderen auch klatschten. Und das tat sie dann auch.

Bis Remus sie anstieß.

„Lily, du bist die 213. Los, rauf auf die Bühne, Ballkönigin.“

Er schmunzelte und deutete einen Diener an. Verwirrt musterte Lily ihn. Vor ihr hatte sich eine Gasse zur Bühne gebildet, auf der bereits der Ballkönig mit Krone auf sie wartete. Nocheinmal ließ die Rothaarige ihren Blick durch die Menge wandern. Unbewusst auf der Suche nach der einen Person. Und sie fand sie.

Ein paar Schritte links von Remus stand unverkennbar Peter mit seiner schwarz-grünen Maske. Neben ihm Black und Potter, eng umschlungen mit einem Mädchen knutschen. Schnell wandte Lily den Blick wieder ab und sah zu ihrem Ballkönig.

Unsicher setzte sie einen Fuß vor den anderen. Sie stolperte ein wenig und riss sich dann zusammen. Was kümmerte sie, was Potter tat? Dies war ihr Auftritt. Ihr Prinz für diesen Abend stand da oben auf der Bühne und wartete auf sie. Zugegeben sah er absolut nicht schlecht aus. Er trug einen Anzug mit roter Kravatte, die gut zu ihren roten Haaren passte. Eine dunkelrote Maske mit goldenen Sprenkeln verdeckte sein halbes Gesicht.

Lily richtete sich auf, hob den Kopf und schritt stolz durch die Gasse aus Menschen, die sich extra für sie gebildet hatte. Ein Gentleman half ihr auf die Bühne, wo ihr das Mädchen im rosa Kleid freudig das silberne Diadem aufsetzte und sie dichter an ihren Ballkönig schob.

Ein Photograph drängelte sich durch die Menschen vor sie.

Lily hakte sich bei ihrem Prinzen unter und lächelte in die Kamera. Es war tatsächlich ein ehrliches Lächeln.

Die Blonde verkündete, dass es nun Zeit für den traditionellen Tanz des Ballpaares wäre.

Wortlos bot der Prinz ihr seine Hand an und geleitete sie auf die auf der Tanzfläche entstandene, freie Fläche.

Voller Spannung betrachteten alle anderen das schöne Paar. Es schien, als würden sie perfekt zusammen passen.

Ein langsamer Walzer wurde eingespielt und Lilys Prinz griff ihre rechte Hand mit seiner Linken und legte seine andere an ihre Hüften.

Sanft, doch dennoch sicher und bestimmend, führte er das zierliche Mädchen im Takt der Musik.

Erst besah Lily noch ihr Publikum, wobei ihr Blick immer öfter an dem immernoch knutschenden Potter hängen blieb. Dann entschied sie sich ihn für diesen Abend vollends aus ihren Gedanken zu streichen. Sie würde ihm beweisen, dass er ihr nicht wichtig war.

Vorsichtig lehnte sie ihren Kopf an die Halsbeuge ihres Tanzpartners und rückte so automatisch dichter an ihn heran. Zwischen sie passte nun kaum noch ein Blatt Pergament. Es fühlte sich unbeschreiblich gut an. Dem Mädchen fiel auf, das er unglaublich gut roch. Und er war warm. Sie hatte das Gefühl, dass er sie hielt und nichts sie von ihm und dieser Welt trennen konnte. Seit langer Zeit fühlte sie sich wieder als ein Teil von dieser Welt.

Leider endete das Lied viel zu schnell und das Ende des Abends war nun näher, als sie es sich eingestehen wollte.

Was sie vergessen hatte war, dass zu dem Ballpaartanz ebenfalls der Kuss des Ballpaares gehörte. So sah sie sich verwirrt um, als ihre Zuschauer sie lautstark dazu aufforderten. Ihre Augen fanden die ihres Prinzen und ihr fiel auf, dass diese in einem sanften Braun gefärbt waren. Er sah eine Weile um Erlaubnis bittend zurück und als sie nicht abwehrend reagierte, legte er eine Hand unter ihr Kinn, hob es sanft an und versiegelte ihre Lippen mit den seinen. Seine Lippen waren so warm und weich und sein Kuss so sanft und doch so leidenschaftlich.

Lily hatte die Augen geschlossen.

‚Ein Kuss ist etwas, was du einer Person gibst, die du liebst.‘

So hatte ihre Mutter ihr das damals erklärt.

Dies war ihr erster Kuss.

Lily riss die Augen auf, sah vor sich die rot-goldene Maske des Ballkönigs, schob ihn mit ein bisschen zu viel Gewalt von sich, drehte sich im und rannte durch die Menge aus der großen Halle.

Dies war ihr erster Kuss gewesen…

Vor der Person, die sie liebte.

Ihre Schritte führten sie in die Bibliothek. Hier würde um diese Uhrzeit und zu diesem Anlass niemand sein.

Lily lehnte sich an das nächstbeste Bücherregal. Wieder liefen Tränen über ihre Wangen. In ihnen brach sich das Licht des Halbmonds, welches durch die riesigen Bibliotheksfenster fiel.

Langsam ließ sie sich am Bücherregal runter gleiten.

Das war ihr erster Kuss gewesen.

Vor der Person, die sie liebte.

Und das Schlimmste war:

Es hatte ihr gefallen.
 

So gut hatte sich noch nie etwas angefühlt. So sicher hatte sich die Rothaarige noch nie in den Armen von jemandem gefühlt und doch hatte sie sich vorgestellt, dass es James Potter war, der sie küsste.

Mit einem Schlag war ihr klar geworden, was ihr in den letzten Tagen, Wochen, Monaten gefehlt hatte. Weshalb sie ständig so niedergeschlagen war. Warum sie auf einiges so empfindlich reagiert hatte.

Aber es war zu spät.

Er liebte sie nicht mehr.

Er hatte eine andere geküsst. Quasi an den Lippen der anderen geklebt.

Er hatte sie aufgegeben.

Jetzt, wo sie wusste, was sie für ihn empfand.

Warum musste das Leben so ungerecht sein?

Warum konnte sie nicht einmal in ihrem Leben Glück haben und glücklich sein?
 

Lily sah hinauf zum Mond, wischte sich die Tränen ab, doch es kamen immer neue nach.

Sie hörte nicht, wie sich die Tür zur Bibliothek öffnete und jemand eintrat.

„Lily, was ist los?“

Es war Remus. Der Schüler setzte sich neben das Mädchen, legte tröstend einen Arm um sie und zog sie in eine Umarmung.

Die Gryffindor legte ihre Stirn gegen seine Schulter, krallte ihre Hände in seinen Festumhang.

Ewig hatte niemand sie mehr so weinen sehen.

Einige Zeit lang sagte sie nichts.

Lupin strich ihr beruhigend über den Rücken. Schwieg. Ließ ihr Zeit.

„Remus ich…“

Lily bemühte sich ihre Gefühle in Worte zu fassen, doch es gelang ihr nicht.

Verzweifelt versuchte sie die passenden Worte zu finden, um es ihrem besten Freund erklären zu können. Um es überhaupt jemandem erklären zu können. Damit sie es sich selbst vollends eingestehen konnte.

Sie sah auf, suchte etwas in seinen Augen, was ihr half. Und fand es. Diese Sicherheit, die Remus immer ausstrahlte. Die Versicherung, dass er sich nicht von ihr abwenden würde, Verständnis zeigen würde.

Lily holte nocheinmal tief Luft, wischte sich erneut die Tränen weg.

„Ich liebe James.“

Nun war es raus.

Sie hatte Remus direkt in die Augen gesehen, sich gezwungen nicht wegzusehen.

Er seufzte erleichtert und betrachtete sie mit einem sanften, verständnisvollen, wissendem Blick.

„Ich weiß.“

Erschrecken mischte sich in den Blick der Rothaarigen.

Sie fühlte sich wieder hilflos.

„Aber er will mich nicht mehr.“

Wieder lehnte sie sich an die Brust ihres Freundes. Erneut bahnten Tränen sich ihren Weg über ihre Wangen.

Auch Remus fühlte sich hilflos, wusste er doch, dass das nicht stimmte. Aber er konnte es ihr nicht sagen. Es war James Entscheidung gewesen, von Lily abzulassen. Es stand ihm nicht zu, ihr jetzt zu verraten, dass der Gryffindor seine Hoffnung noch nicht verloren hatte, sie in Ruhe lassen wollte, um sie nicht weiter zu nerven.

Und anscheinend war es gerade das gewesen, was Lily zu dieser Einsicht gebracht hatte.

„Du solltest mit ihm reden.“

Es war ein gut gemeinter Rat.

Ihm war klar, wie schwer es für Lily sein musste, ihren Schatten zu überspringen, nachdem sie James Potter jahrelang Körbe gegeben hatte.

Und nun würde sie ihn zwangsläufig um ein Date bitten müssen, wenn sie nicht Sirius und Peter bei ihrem Gespräch dabei haben wollte.

Natürlich wusste sie das auch. Wie so oft ging sie in Gedanken ihre Möglichkeiten durch, aber sie kam nicht drum herum.

Andererseits könnte sie es auch einfach lassen.

„Übermorgen ist Weihnachten.“

Lily fragte sich, ob Remus ihre Gedanken lesen konnte. Mit diesem Kommentar hatte er ihr einen eindeutigen Wink gegeben. Sie hatte nicht viel Zeit.

Die Marauder würden auch ihr letztes Weihnachtsfest in Hogwarts verbringen.

Wenn sie jetzt noch viel länger warten würde, würde das zwischen ihnen nicht mehr klappen.

Die Rothaarige nickte. Sie war müde.
 

Lily erinnerte sich nicht, wie lange sie noch in der Bibliothek gesessen hatten.

Sie wusste nicht mehr, wie sie zurück in den Gemeinschaftsraum gekommen war, wie sie es in die Mädchenschlafsäle und in ihr Bett geschafft hatte. Aber sie hatte es geschafft.

Aus ihrem Schlafraum war sie die einzige, die in Hogwarts geblieben war.

Viele der Schüler waren gestern Abend noch nach Hause gefahren. Die restlichen heute Morgen. Auch der Gemeinschaftsraum war wie ausgestorben.

Als Lily ihn betrat saßen die Marauder schon am Kamin und besprachen irgendetwas.

Ihr Instinkt sagte ihr, sie solle umkehren. Sie war noch nicht bereit für ein Aufeinandertreffen.

„Morgen Evans.“

Sirius hatte sie entdeckt. Nun war ein Rückzug nicht mehr denkbar. Hilfesuchend sah sie zu Remus. Dieser hatte verstanden, stand auf und kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, um sie zur Begrüßung zu umarmen.

„Guten Morgen.“

Sie umarmte Remus und winkte in die Runde. Sah jeden lächelnd an und blieb mit ihrem Blick an James hängen.

Er hatte sich auf das Sofa gelümmelt, eine Apfel in der Hand, den er anscheinend gerade aß, eine Hand stützend hinter seinen Kopf gelegt und ein Bein angewinkelt.

Jetzt oder nie, dachte sich die junge Hexe. Sah nochmal zu Remus und holte tief Luft.

„Potter-..“

„Wo bist du denn gestern so schnell hin, Evans? Hast deinen Prinzen ja ganz schön im Regen stehen lassen.“

Er hatte sie unterbrochen. In seiner Stimme lagen Belustigung und Spott. Er grinste sie schelmisch an. Erneut brach etwas in ihr zusammen.

Lily spürte, wie die Tränen wieder in ihr hochkamen, ballte die Hände zu Fäusten und zwang sich dazu, ruhig zu bleiben.

„Das geht dich überhaupt nicht an, Potter. Dieser Kuss war nicht für ihn bestimmt, das ist alles.“

Aufgebracht wandte sich die Rothaarige von dem Quartett ab und verschwand durch das Porträt der fetten Dame.

Alle vier Blicke folgten ihr. Verwirrung lag in ihnen. Nur Remus sah James missbilligend an.

„Warum musstest du sie jetzt darauf ansprechen?“

„Ich wollte doch nur wissen, warum sie gestern abgehauen ist. Anscheinend habe ich tatsächlich etwas falsch gemacht.“

James hatte sich aufgesetzt und vergrub sein Gesicht entnervt in den Händen, fuhr sich dann durch die eh schon verstrubbelten Haare.

„Es hat ihr nicht gefallen.“

Er stand auf und trat ans Fenster. Seine Hände in den Hosentaschen vergraben.

„Du bist ein Hohlkopf, James Potter. Du solltest dich bei ihr entschuldigen.“

Moonie funkelte ihn an und wollte ebenfalls aus dem Porträt verschwinden, wurde allerdings von seinem entrüsteten Freund aufgehalten.

„Ich soll mich entschuldigen? Sie hat mich doch abblitzen lassen!“

„Tu es einfach.“

Mit den Worten verschwand auch Remus aus dem Gemeinschaftsraum.
 

Lily hatte sich bemüht, den Maraudern den Tag über aus dem Weg zu gehen. Hatte sich an Stellen aufgehalten, von denen sie wusste, dass die vier sie nicht aufsuchen würden. Dennoch stellte sie sich immer wieder die Frage, wie sie das bis zum Ende der Ferien aushalten sollte.

Sie musste einen Schlussstrich ziehen, musste James Fragen, ob er mit ihr ausging.

An Weihnachten wäre doch passend. Sie könnte ihn fragen, ob er mit ihr nach Hogsmead käme. In die drei Besen oder so. Bestimmt wäre an dem Abend auch irgendwo eine Veranstaltung.

Zugleich war ihr klar, dass sie diese Frage wahrscheinlich niemals über die Lippen bringen würde. Nicht mehr nach dem, was heute Morgen passiert war. Er hatte sie verspottet. Anscheinend gar nicht gefreut, dass sie diesem Kerl einen Korb verpasst hatte.

Seufzend betrachtete sie den aufgehenden Sternenhimmel. Sie konnte es nicht weiter hinauszögern, in den Gemeinschaftsraum zurück zu kehren.

Heute war Heiligabend. Das heißt, sie musste ihn jetzt Fragen.

Dennoch ging sie extra langsam zu den Gryffindor-Schlafsälen zurück. Sicherlich würde er wieder mit den anderen dort herumhängen und sie würde sich total blamieren. Wahrscheinlich musste sie sich auch noch blöde Sprüche über ihre Reaktion heute Morgen anhören.

Doch als Lily den Gemeinschaftsraum betrat, war er fast leer. Nur eine einzige Person saß auf dem Fenstersims mit dem Rücken zu ihr.

Ihr Atem stockte und sie trat dichter an ihn heran.

James Potter würde sie überall wiedererkennen. Seine strubbeligen dunkelbraunen Haare, seine Haltung, seinen Duft. Aber es war einfach zu unwirklich, dass er alleine war.

„James?“

Erst nachdem sie es ausgesprochen hatte, wurde ihr bewusst, dass sie ihn mit Vornamen angesprochen hatte.

Und anscheinend hatte er es auch bemerkt.

Mit einem fragenden Blick drehte er sich zu ihr um.

„Seit wann benutzen wir unsere Vornamen, Miss Evans?“

Es lag kein Tadel in seiner Stimme, nur diese Frage. Und auch ein unsicheres um Erlaubnis bitten, als er ihren Nachnamen so förmlich aussprach.

Lily stellte sich so vor ihn, dass er seinen Hals nicht mehr verrenken musste, um sie anzusehen.

„Ich-..“

Sie suchte nach den passenden Worten, um ihr Verhalten plausibel zu erklären, ohne dass er gleich loslachen würde. Dabei vermied sie es, ihn anzusehen, sah zu den Mädchenschlafräumen.

„Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht verärgern.“

Lily sah auf. Als ihr Blick den von James traf, sah er schnell aus dem Fenster. Das Mädchen meinte soetwas wie Trauer in seinen Augen erkannt zu haben.

Langsam kam sie auf ihn zu und setzte sich vor ihm auf das Fenstersims.

Ein kurzes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, in dem Lily ihre baumelnden Füße betrachtete.

„Würdest du…“

Lily verstummte, biss sich auf die Lippen.

Sie konnte das nicht.

Wartete nun auf einen spöttischen Kommentar von ihm. ‚Ob seine Anwesenheit ihr die Sprache verschlagen hätte‘ oder ähnliches.

Aber es kam nichts. Er saß nur da und schwieg.

Die Rothaarige sammelte neuen Mut und sah ihn an. James schaute immernoch aus dem Fenster.

„Möchtest du mich morgen nach Hogsmead begleiten?“

Nun war es raus.

Gespannt wartete Lily auf seine Antwort, seine Reaktion.

Zwang sich, nicht von ihm weg zu gucken. Dann könnte sie es vielleicht noch als Scherz verpacken, wenn er sie abweisen sollte.

James traute seinen Ohren nicht richtig.

Das Mädchen, welches ihn jahrelang abgewiesen hatte, welches er schon fast aufgegeben hatte saß nun vor ihm und bat ihn um ein Date.

Sollte das ein Scherz sein?

Mit einem undefinierbaren Blick musterte er sie. Wollte sie fragen, wer sie war. Ob sie ihn verarschen wollte. Warum sie dieses Spiel mit ihm spielte.

Doch irgendetwas an ihr sagte ihm, dass es kein Trick war, dass er mit diesen Fragen alles zerstören würde.

Ein Glücksgefühl machte sich in ihm breit.

Er beugte sich zu ihr vor.

„Du bittest mich um ein Date?“

Lily blieb fast das Herz stehen.

Dieses Lächeln auf seinen Lippen, dieser Glanz in seinen Augen.

Sie nickte unsicher.

Was war mit ihr los? Wo war ihre Stimme geblieben? Ihre sonst so kecke Antwort.

Ein erneuter Moment der Stille.

Dann stand Potter auf und ging Richtung Jungenschlafsäle.

„Ich glaube dir nicht.“

Was? Wie erstarrt sah Lily ihm nach. Beobachtete jeden seiner Schritte. Gleich wäre er weg und ihre Chance vertan. Für immer.

Ohne es zu realisieren sprang sie auf, lief zu ihm, griff nach seiner Hand.

„Bitte James. Ich meine es ernst.“

Er wandte sich zu ihr um, sah ihr direkt in die Augen.

Log sie? Er war sich nicht sicher, würde ihr so gerne glauben. Er wollte sich nicht von ihr auf den Arm nehmen lassen. Nicht nach all den Jahren.

Sie hatte ihn schon genug gekränkt.

Der Gryffindor drehte sie geschickt mit dem Rücken zur Wand, hielt ihre Hand über ihrem Kopf fest und stützte sich mit der anderen Hand neben ihrem Kopf ab.

Etwas verängstigt sah sie ihn an. War er jetzt sauer auf sie?

Sein Gesicht kam ihrem immer näher. Ihr Atem beschleunigte sich. Etwas in ihr sehnte sich danach, dass er sie jetzt küssen würde. Sie machte keine Anstalten ihn von sich wegzuschieben.

Kurz bevor seine Lippen auf die ihrigen trafen, änderte er die Richtung zu ihrem Ohr.

„Okay Lily, wir treffen uns morgen um eins vorm Schloss.“

Er ließ von ihr ab und ging durch die Turmtür in die Jungenschlafsäle.

Lily verweilte noch immer an die Wand gelehnt. Er hatte sie Lily genannt. Er hatte ihr zugesagt. Ein Glücksgefühl begann sich in ihr breit zu machen.

Doch es fand keinen Freiraum. Irgendetwas war nicht richtig gewesen.

Da vernahm sie ein Jubeln aus dem Raum ein Stück über sich.

Auf dem Gesicht der Rothaarigen breitete sich ein überglückliches Grinsen aus. Das war Potter gewesen. Er freute sich. Das hatte gefehlt.

Fast schon hüpfend, machte sich Lily zu ihrem Schlafraum auf. Sie freute sich auf morgen. Ein warmes, wunderbares Gefühl lag in ihrer Bauchgegend und immer wieder tauchte das Gesicht eines gewissen Jungen vor ihrem inneren Auge auf.
 

Nun stand sie hier. Vor der Schlosstür. Im Schnee. Und es war kalt. Sehr kalt.

Wo zum Teufel war dieser Idiot?

Lily sah hinauf zur Turmuhr. Inzwischen war es halb zwei.

Um eins wollten sie sich doch treffen, oder nicht? Das hatte er doch selbst so entschieden!

Wollte er sie damit echt versetzen? Sich für die jahrelange Verschmähung rächen? Aber was brachte ihm das? Für ihn war es doch nur erfolgreich, wenn alle wussten, dass er sie versetzt hatte. Wenn alle wussten, dass sie ewig auf ihn gewartet hatte.

Unsicher sah Lily sich um und suchte nach Anzeichen dafür, dass einer der Marauder sich hier irgendwo mit einer Kamera herumtrieb. Nichts. Der Vorhof war wie ausgestorben. Über Nacht hatte es nochmal geschneit und nun zerstörte kein Fußabdruck die weite, weiße Fläche. Nur die von Lily.

Wieder wanderte ihr Blick hinauf zur Turmuhr. Was machte sie eigentlich noch hier? Wieso tat sie sich diese Demütigung an? Wahrscheinlich würde sie gleich in den Gemeinschaftsraum kommen und in die hämisch grinsenden Gesichter der Marauder gucken. Das spitzbübische Funkeln in Lupins Augen sehen. Er hatte ihr doch geraten, dass sie mit Potter reden sollte. Oder war das gar wer anderes gewesen, der den Vielsafttrank missbraucht hatte? Aber soweit sie sich erinnerte, hatte Remus sich in der Nacht nicht ungewöhnlich verhalten.

Die Gryffindor zog ihren Mantel enger um sich und fröstelte. Sie wandte den Blick gen Himmel und sah, wie erste Schneeflocken ihren Weg auf die Erde antraten.

An Weihnachten versetzt worden. Eine Schneeflocke kollidierte mit einer ihr die Wange runterlaufenden Träne. Sie hatte es halt doch verbockt.

Warum konnte sie nicht einmal etwas richtig machen? Hätte sie damals ja gesagt, als er sie das erste Mal um ein Date gebeten hatte, wäre das Ganze sicherlich anders ausgegangen.

Naja, wer weiß, ob es dann besser gelaufen wäre. Wahrscheinlich wäre sie dann auch nur eine seiner Trophäen geworden. Auch jetzt schien er es nur als Genugtuung anzusehen, dass er sie endlich rumgekriegt hatte.

Sie zitterte und entschied sich, wieder ins Schloss zu gehen und sich den Rest der Ferien in irgendeiner Ecke zu verstecken.

Da spürte sie, wie etwas Warmes ihr über die Wangen strich. Überrascht öffnete sie die Augen und sah direkt in die besorgten Augen von James Potter.

„Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht warten lassen. Ich weiß, dass es sich durch nichts entschuldigen lässt.“

Lily zwinkerte die letzten Tränen weg. Jetzt hatte er sie weinen sehen. Wegen ihm! Aber er hatte keinen dummen Kommentar darüber gemacht. War er doch einfühlsamer geworden?

„Aber es ist echt niedlich, dass du wegen mir geweint hast.“

Das ihr allzu bekannte, schnippische Grinsen umspielte seine Lippen. Ruckartig schuppste sie ihn von sich und wandte ihm den Rücken zu.

„Ich hab nicht wegen dir geweint! Bilde dir ja nichts ein, Potter!“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schaute stur in eine andere Richtung. Sollte er doch merken, was er davon hatte. Doch schon nach wenigen Sekunden spürte sie, wie ihr Widerstand bröckelte.

„Tut mir Leid, Evans. Lass uns los, ja?“

Lily spürte, wie sich zwei starke Arme um ihre Hüften legten und kurz darauf James wärmenden Körper an ihrem Rücken. Sollte sie nachgeben und sich an ihn anlehnen? Sie entschied sich dafür, noch etwas zu warten.

„Nagut, lass uns losgehen Potter.“

Sie entwand sich seinem Griff und spazierte den schneebedeckten Hügel hinab. Lily merkte, dass James nicht mitkam und drehte sich fragend zu ihm um. Er sah sie fragend an, zuckte mit den Schultern und folgte ihr dann.
 

Ihr erster Stopp war bei Madame Puddifoods Café.

Vielleicht war es ein bisschen früh für Café. Vielleicht war es nicht angebracht, gleich etwas Süßes zu essen. Vielleicht sollte Lily James lieber dazu bewegen bei einem Imbiss Pommes zu bestellen. Vielleicht.

Aber sie tat es nicht. Sie betrat das warme, gemütlich eingerichtete Café und spürte, wie die warme Luft ihre vereisten Wangen auftaute und ihnen einen leicht roten Schimmer verlieh.

Ihr fiel James verstohlener Seitenblick nicht auf. Sah sein zufriedenes Lächeln nicht, spürte nur, wie er sie zu einem Tisch schob und auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz nahm.

Ein wenig verwirrt sah sie ihn an. Dann setzte sie sich und wollte nach der Karte greifen, doch Potter brachte sie schnell außerhalb ihrer Reichweite und schüttelte den Kopf.

„Dies ist ein Date, Evans.“

Er grinste sie verschmitzt an. Was wollte er ihr damit sagen? Als die mütterliche Fräulein Puddifood zu ihnen kam, bekam die Rothaarige die Antwort.

James bestellte einen Überraschungspudding. Das war der Pudding, den Pärchen zusammen aus einem Becher aßen und sich ab und an gegenseitig fütterten.

„Wir können doch nicht… was ist wenn…“

Lily sah sich nervös im fast leeren Café um. Sah nicht den leicht verletzten Blick ihres Begleiters, der verschwand, sobald ihre Augen wieder die seinen trafen.

„Warum denn nicht?“

Lily wusste die Antwort nicht. Warum wollte sie plötzlich nicht, dass irgendwer sah, wie sie mit Potter einen Überraschungspudding aß? Vielleicht aus Angst, das könnte doch alles nur ein Scherz von ihm sein?

Madame Puddifood brachte den gewünschten Pudding. Er glänzte in allen Farben, war geschmückt mit essbaren Herzchen und Sternchen. In ihm steckten zwei lange Löffel. Die gute Frau zwinkerte James zu und schenkte Lily ein beglückwünschendes Lächeln. Die Gryffindor unterdrückte den Impuls, abzuwinken, doch ihr Lächeln wirkte etwas verkrampft.

Fast schon resignierend nahm James den einen Löffel und schob sich den Inhalt in den Mund. So hatte er sich das echt nicht vorgestellt. Immerhin hatte sie ihn nach einem Date gefragt. Und jetzt benahm sie sich so abweisend.

Was ging bloß in ihrem Kopf vor? Merkte sie nicht, dass sie ihn mit ihrer abweisenden Art verletzte? Anscheinend nicht. Er beschloss, ihr zu zeigen, wie er sich fühlte. Sie genauso zu behandeln.

Auch Lily griff zaghaft nach ihrem Löffel und schob sich einen Bissen in den Mund. Der Pudding schmeckte fantastisch! Eine wahre Geschmacksexplosion breitete sich in ihrem Mund aus. Immer wieder sah sie zu Potter und wartete darauf, dass er etwas sagte. Doch er schwieg, sah sie nur flüchtig an und widmete sich sonst wieder dem essen. Läge nicht etwas anderes in seinen Augen, hätte Lily gedacht, er wüsste nicht, was er sagen sollte. War schüchtern in ihrer Anwesenheit. Aber seine Augen sagten eindeutig, dass er nur keinen Grund fand, mit ihr zu sprechen.

„Hast du viele, schöne Geschenke bekommen?“

Die Frage entstand mehr aus dem Verlangen, ein Gespräch aufzubauen, als aus wirklicher Neugierde. Doch James nickte nur, legte den Löffel beiseite und stand auf.

Er legte die Hälfte des Geldes, was der Becher kostete, auf den Tisch, nahm seinen Umhang und ging Richtung Tür.

Erneut verwirrt sah Lily vom Geld zu James. Was sollte das denn jetzt? Sie legte das Restgeld dazu und beeilte sich ihm zu folgen.

„Potter, was ist los mit dir?“

Lily hatte zu ihm aufgeholt, stolperte ein wenig neben ihm her, denn er ging schnellen Schrittes durch das Dorf. Doch sie erhielt keine Antwort. Er ging einfach weiter, aus dem Hogsmead raus. Sie befanden sich gerade auf einer großen, zugeschneiten Fläche. In einiger Entfernung konnte man die heulende Hütte sehen. Anscheinend wollte er zurück zum Schloss. Hatte sie etwas falsch gemacht? Hatte er doch nur mit ihr gespielt?

Fast schon ein wenig wütend, griff sie nach seinem Arm und drehte sich zu ihm um.

„Was soll das, James? Warum ignorierst du mich?“

Ihre grünen Augen funkelten ihn an. Doch wieder erwarten funkelte er nur zurück.

„Ich ignoriere dich? So? Wer verhält sich denn so, als wäre er mit einem Häftling aus Askaban unterwegs?“

Empört schnaubte Lily und stemmte die Hände in die Hüften.

„Tue ich gar nicht?“

„Ach nein? Du bist vorhin, ohne auf mich zu warten einfach den Berg hinunter gegangen. Na schön, das kann auch nur ein Spaß gewesen sein, aber ich hab gesehen, wie du dich in Madam Puddifoods Café umgesehen hast, aus Angst irgendjemand könnte sehen, dass du einen Becher mit mir zusammen isst.“

James gestikulierte wild mit den Armen in der Luft, sah sie wütend an, seufzte und drehte sich um.

„Ach vergiss es.“

Er drehte sich um und ging.

„Vergiss es? Ach das ist es! Weißt du, Potter, ich dachte echt, ich würde dir etwas bedeuten. Aber wie sich herausstellt bin ich doch nur eine deiner Trophäen und du hast mich dieses Schuljahr nur nicht mehr nach einem Date gefragt, weil ich es nicht mehr Wert war, auf deine Liste zu kommen. Und ich war so doof und hab diesen Jungen auf dem Weihnachtsball stehen lassen, wegen…“

Sie stockte. Wegen ihm. Aber das konnte sie ihm jetzt unmöglich sagen.

„Ich wusste, ich hätte nicht mit dir ausgehen sollen.“

Lily schrie jetzt schon fast. Sie hast hatte die Hände zu Fäusten geballt, machte keine Anstalten ihm zu folgen. Stand einfach nur da und funkelte seinen Rücken wütend an, beobachtete, wie er sich langsam umdrehte und sie mit einem eiskalten Blick bedachte.

Sie spürte, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten. Doch sie durfte jetzt nicht weinen. Nicht vor ihm.

„Warum hast du mich dann gefragt?“

In seiner Stimme lag Spott und Kälte. Es versetzte Lily einen Stich in die Brust. Sie konnte die Tränen nicht mehr halten, spürte, wie die erste über ihre Wange lief.

„Weil ich dich liebe, verdammt!“

Sie schrie es ihm entgegen, drehte sich um und wollte davonlaufen. Einfach nur weg von ihm. Weg von der Demütigung und seinem gefühlskaltem Blick. Doch er ließ sie nicht, griff nach ihrem Arm, drehte sie zu sich um und im nächsten Moment spürte sie seine warmen, weichen Lippen auf ihren. Seine Arme drückten sie sanft an ihn.

Eine weitere Träne rollte ihr über die Wange. Sie war sich sicher, dass er sie nur zu ihrer Demütigung küsste, doch sie war nicht fähig, sich von ihm zu lösen. Zu gut fühlte sich der Kuss an. Die Schmetterlinge und die wohlige Wärme breiteten sich wieder in ihrem Bauch aus. Schließlich löste er sich von ihr.

„Warum?“

Es war nur ein kapitulierendes Flüstern ihrerseits.

„Weil ich dich liebe, Lily.“

Sie sah ihm in seine haselnussbraunen Augen und wusste, dass er die Wahrheit sagte.

„Aber-..“

„Shh… Ich hab dich niemals aufgegeben. Nie. Ich dachte nur, ich nerve dich und habe deshalb aufgehört, dir nachzulaufen. Aber ich war immer da. Beim Quidditschspiel, als der Klatscher dich beinahe erwischt hätte oder auf dem Ball… und danke.“

Er strich ihr mit dem Daumen sanft über die Wange, entfernte die Tränen. Dann küsste er sie erneut.

„Danke für deinen ersten Kuss.“

Lily fühlte sich, als würde ein Schleier von ihren Augen gezogen werden. Plötzlich erinnerte sie sich an all die ungesehenen Blicke von ihm. All die Augenblicke, in denen er sie angesehen hatte. Ihr erster Kuss. Er war es gewesen, der sie geküsst hatte. Er war der Ballkönig. Der, den sie als Potter vermutet hatte, war er nicht. Er ähnelte ihm nichtmal!

Glücklich schlang Lily ihre Arme um seinen Nacken, zog sich dichter an ihn, erwiderte den Kuss mit aller Dankbarkeit und Leidenschaft, die sie für ihn empfand. Wollte ihn nie wieder loslassen.

Und sie wusste, dass sie das Richtige tat. Dass sie zu ihm gehörte. Dass er die Konstante in ihrem Leben war, die sie vervollständigte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Omama63
2012-11-23T10:17:21+00:00 23.11.2012 11:17
Ein super OS und ein wunderschönes Ende.
Hat mir sehr gut gefallen.
Es ist schön mal wieder etwas von Lily und James zu lesen.
Du hast das so klasse geschrieben, dass man mit Lily so richtig gut mitfühlen konnte.
Von:  Marybella
2012-11-21T00:30:31+00:00 21.11.2012 01:30
Das warecht total niedlich :)
Zwar keine ausgefallene Idee, aber ich find deinen Erzählstil sehr schön und du hast es echt gut rübergebracht, wie die Charaktere agieren und wie sie sich fühlen.
Ich fand es echt süß zu lesen.. und jetzt bin ich noch extra wach geblieben, das zu lesen... ja xD


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