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A Different Kind of Love

inklusive aller Fortsetzungen
von

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Phoenix’ PoV:
 

Bandmeeting. Im Studio. Das neue Album war schon so gut wie fertig, die Kritiken häuften sich auf Mikes Arbeitsplatz, der in letzter Zeit extrem fuchsig geworden war. Kein Wunder, es stand ja genug auf dem Spiel Warum hatte er euch unbedingt ein Konzept-Album machen müssen, warum hatte er sich unbedingt von Joes genialer Idee anstecken lassen müssen. Chester war ja schnell überzeugt und Brad sowie Rob sagten sowieso zu allem, was der Emcee vorschlug, ‚Ja’ und ‚Amen’, doch ich hatte mich dagegen ausgesprochen.
 

Mein Protest war natürlich von allen Anwesenden damals ignoriert worden und letzten Endes war es mir dann doch nicht so viel wert gewesen, sodass ich Sturkopf eingelenkt hatte. Auch auf Bitten von Rob.
 

Und jetzt - welche Ironie - bekam Mike von mehreren Stellen bescheinigt, dass es wohl doch keine so gute Idee gewesen war mit dem Konzept-Album. Ich hätte mich ja ins Fäustchen gelacht, dummerweise betraf es mich jetzt auch mit. Wir saßen alle in einem Boot, genannt Linkin Park und abhängig vom Wellengang der Kritiker, Fans und aller Menschen, die unser Album vielleicht einmal kaufen würde.
 

Doch das war nicht die Quintessens des heutigen Meetings gewesen. Nein, es ging um etwas anderes. Nämlich darum, welche Songs man in welcher Weise am besten arrangieren konnte, damit das geplante Konzert ein voller Erfolg sein würde. Ein sehr ermüdendes Thema für mich, da Mike seit unserem letzten Streit immer weniger auf meine Meinung gab und Brad ihn dabei auch noch unterstützte.
 

Die beiden hatten mir meinen Austrittsversuch immer noch nicht nachgesehen und konnten mich nicht verstehen. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Doch den wahren Grund für meine Eskapaden konnte ich ihnen auch nicht sagen, da das jemand anderes nicht wollte.
 

Andererseits verstand ich nicht, warum Brad jetzt den gleichen Zug wie der Emcee fuhr. Dass Mike sauer auf mich war, weil ich seine Autorität oftmals untergraben und beinahe sein Lebenswerk ins Wanken gebracht hatte - zumindest aus seiner Sicht - konnte ich nachvollziehen. Und trotz das es schon über zwei Jahre her war, hatte Mike das damals Geschehene im Kopf behalten und würde es auch nicht mehr vergessen können. Aber auch das kannte ich an ihm und konnte es nachvollziehen.
 

Nicht aber, warum Brad, vor allem seit wir angefangen hatten, an dem Album zu arbeiten, mich mit finsteren Blicken erdolchte, wenn er dachte, außer mir würde es keiner sehen und kurz angebunden mit mir sprach. Ich hatte ihn einmal darauf angesprochen, doch er war geschickt ausgewichen und hatte den mürrischen Gitarristen gemimt. Eine Rolle, die er zur Perfektion beherrschte. Und die er oft zum Einsatz brachte, wenn er in Ruhe gelassen werden wollte. Ich war kurz davor gewesen, ihn anzuschreien. Doch das hätte nichts verändert. Also hatte ich es gelassen und mich beherrscht.
 

Auch ich schauspielerte viel in letzter Zeit. Seit genau genommen einem Jahr hatte ich meine Rolle angenommen und spielte sie seitdem nahezu ununterbrochen. Es gab keine Drehpausen für mich, keine Zeit zum Verschnaufen. Ich stellte David Farrell, den gutgelaunten Bassisten von Linkin Park, dar. Den Mann, der Witze mit Joe riss, zusammen mit Chester Mike mit seinen Marotten aufzog, und sich mit letzterem über tiefgehende Probleme bezüglich der Instrumentalisierung des neuen Albums austauschte.
 

Ich war der wandelnde Sarkasmus, der mit spitzen Bemerkungen die angespannte Atmosphäre auflockerte, wo immer ich konnte. Und meist gelang mir das auch ebenso gut, wie es mir früher gelungen war - vor der ganzen Scheiße der näheren Vergangenheit.

Doch daran wollte ich nicht denken, war es doch schwer genug, jeden Tag den Anschein aufrecht zuhalten, dass alles in Ordnung sei. Es funktionierte auch nur bedingt.
 

Hin und wieder erwischte mich eine melancholische Erinnerung, der ich mich dann hingab und verwunderte Blicke der anderen erntete, wenn ich plötzlich still und trübsinnig oder aggressiv wurde. Doch ich hatte mich meistens im Griff, erlaubte mir nicht, unnütz Gedanken an Dinge zu verschwenden, die nicht zu ändern waren. Ich wollte nicht, dass sich die anderen Sorgen um mich machten, ich hatte ihnen mehr als genug Ärgernisse beschert mit meiner ziemlich dummen Aktion vor zwei Jahren.
 

Mike hatte es nicht vergessen, das ließ er mich sehr oft spüren. Der Emcee dachte vermutlich öfter als mir lieb war über diese seltsame und kopflose Aktion von mir nach. Ich hatte ihm nie den wahren Grund erläutert und würde dies auch nicht tun.
 

Auch Joe wusste nicht, was damals mit mir los gewesen war.
 

Bei Brad war ich mir nicht sicher, irgendwie hatte ich von Zeit zu Zeit den Eindruck, er würde mehr wissen als es den Anschein hatte. Vielleicht hatte er sich ein paar Dinge zusammengereimt, die den anderen beiden verborgen geblieben waren. Schließlich verbrachte er mehr Zeit mit Rob als Mike oder Joe, und vielleicht hatte der Drummer ihm unbeabsichtigt mehr von dieser Sache - über die er freiwillig nie ein Wort verlieren würde, da war ich mir ganz sicher - verraten. Natürlich unbewusst, doch Brad war ein guter Beobachter und im Gegensatz zu Chester dachte er viel nach, bevor er seine Meinung äußerte.
 

Doch solange mich Brad nicht von selber ansprechen würde, wollte ich mich nicht auf eine Provokation meinerseits einlassen. Auch heute traf mich wieder einer seiner halb wütenden, halb misstrauischen Blicke. Ich ignorierte ihn, wich dem starrenden Blick aus. Hin zu Chester, der mich ebenfalls ansah. Sein Gesichtsausdruck ließ sich schwer einschätzen, er könnte sowohl Neugierde als auch Misstrauen zeigen. Auch ihn ignorierte ich, zum Glück sah er bald wieder zu Mike, der sich tatsächlich gerade die schwarzen Haare raufte, was wirklich merkwürdig aussah. Chester brach in lautes Lachen aus, was ihn mich wieder vergessen ließ. Auch der Rest der Anwesenden feixte, ich bemühte mich, ebenfalls mitzumachen, um nicht aufzufallen.
 

Vor allem nicht Chester. Denn der war tatsächlich einer derjenigen, die recht früh bemerkt hatten, was mit mir nicht stimmte. Und Chester hatte auch großen Anteil an der Lösung der damals aufgetretenen Konflikte. Im Nachhinein wusste ich nicht, ob ich ihm danken oder ihn dafür verdammen sollte. Zumindest war ich froh, dass er sich nach seinem letzten Einwirken auf Rob komplett aus dieser Sache herausgehalten hatte.
 

Diese Sache. Meine Affäre - denn es anders zu bezeichnen weigerte ich mich - mit Rob. Sie begann ganz romantisch mit unerwiderten Gefühlen auf meiner Seite, spitzte sich wie in einem schlechten Liebesdrama immer mehr zu, woran vor allem mein plötzlich wieder auf Teenager-Niveau herabgesunkener Verstand schuld war. Und dann war dieses alberne Drama zum Höhepunkt gesteuert, um mit einem offenen Ende das weitere Schicksal unbestimmt zu lassen. Wenn es ein Film oder ein Buch gewesen wäre, hätte ich das offene Ende vermutlich gemocht, da ich Happy Ends nicht leiden konnte. Andererseits hätte ich so einen Kitsch vielleicht auch nie angeguckt.
 

Wie auch immer, im realen Leben hatte ich mich hin und her gerissen gefühlt, einerseits war ich glücklich gewesen über die Tatsache, dass ich mit Rob diese seltsame, andersartige Beziehung hatte, andererseits hatte ich sie verdammt, da sie zum Scheitern verurteilt gewesen war. Selbstverleugnung und Gewissensfragen waren an der Tagesordnung gewesen. Wie lange konnte eine auf Verzweiflung basierende Beziehung halten? Nicht lange. Nach einem Jahr war Schluss gewesen. Endgültig.
 

Es gab diese verdammte Sache nicht mehr. Diese Sache. Jetzt betitelte ich das Gewesene auch schon so. Ich wollte mich nicht daran erinnern, nicht daran denken müssen, was ich verloren hatte.
 

Denn immer dann, wenn meine Gedanken mal wieder dort landeten, sehnte ich mich zurück. Ich sehnte mich nach Robs Berührungen, nach seinen tiefen, dunklen Augen, in die ich geradezu hineinfallen konnte, nach seinen weichen Haaren, die mich so oft so angenehm gekitzelt hatten, nach seinen Lippen, die so verführerisch leidenschaftlich sein konnten.

Und schon war ich wieder in der Vergangenheit gelandet…
 


 

Überall Kabel auf dem Boden verstreut, verschiedenste Utensilien, all das was Mike vorhin nicht wieder weggeräumt hatte, lag im Studio ungeordnet herum. Der Emcee war in seiner kreativen Phase, oder vielleicht auch schon darüber hinaus und probierte eine Menge neuen Kram aus. Heute waren Brad, Rob und ich ebenfalls im Studio gewesen, um ihm zu helfen und uns über ein paar Demoversionen auszutauschen, an denen Mike arbeitete.
 

Brad war schon gegangen und Mike war ebenfalls verschwunden, da zwischenzeitlich seine Frau angerufen hatte und ihn nach Hause beordert hatte.

Also waren nur noch Rob und ich hier, und eigentlich wollten wir auch verschwinden.
 

Während ich also meinen Weg zwischen den Stolperfallen hindurch zur Tür suchte, reichte ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, um über eins dieser vermaledeiten Kabel zu stolpern. Kurzzeitig verlor ich die Balance und wäre vielleicht sogar gestürzt, hätten mich nicht zwei Arme gefangen und stabilisiert. Ich zuckte vor Schreck zusammen, da ich nicht erwartet hatte, jemanden so nahe hinter mir zu haben. Doch der Schreck hielt nur kurz an, danach stellte sich ein wohlig vertrautes Gefühl ein, das sich angenehm warm und süchtig machend anfühlte. Ich atmete Robs Geruch ein, spürte seine Wärme an mir, seine starken Arme, die mich langsam wieder losließen.

„Pass auf“, murmelte er leise in mein Ohr, ich spürte die Vibrationen, als seine tiefe Stimme in mir nachhallte.
 

„Ja, ich war nur kurz unaufmerksam“, antwortete ich abwesend, drehte mich zu ihm um, bemerkte seinen Schritt rückwärts und überbrückte die soeben entstandene Distanz durch einen Schritt meinerseits. Meine Hand war schon halb erhoben, als Robs unsicher flackernder Blick durch das leere Studio huschte und er mir dann erst erlaubte, ihn zu berühren, indem er ebenfalls das letzte Stückchen auf mich zutrat.
 

„Dave, wir…“, begann er leise.

„…sind allein hier.“, versicherte ich ihm, meine Finger strichen über seine Wange, zogen ihn schließlich zu mir. Meine Lippen nahmen die seinen in Besitz, sein anfängliches Zögern ging bald in ein leidenschaftliches Zungenspiel über. Das war eine Angewohnheit von ihm, die ich schon gewohnt war. Anfängliches Sträuben, dann jedoch presste sich Rob an mich wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. Mir war das egal, ich bevorzugte sowieso Leidenschaft vor Zärtlichkeit und Blümchensex; ich hatte es lieber etwas härter und intensiver. Und mit Rob war es härter und intensiver. Als er seine anfängliche Scheu abgelegt hatte, war er nicht mehr derselbe. Mich hatte es etwas erschreckt, wie anders er doch im Rausch der Leidenschaft war, doch ich begehrte diesen Rob nicht weniger als den anderen, scheuen, zurückhaltenden Rob.
 

„Verdammt noch mal, Rob!“, quetschte ich in der kurzen Pause zwischen zwei Zungenküssen heraus, versuchte ihn davon abzubringen, meine Jeans zu öffnen, was mir jedoch misslang. Während er meine Lippen beschäftigte, brachte er es zustande, mit einer Hand den störrischen Reißverschluss zu bezwingen und die Jeans ein Stück herunter zu ziehen. Seine Finger brachten mich auf Touren, fluchend gab ich auf, das Unvermeidliche zu vermeiden und klinkte meinen Verstand aus. Mein Körper wusste, was ich wollte und wie ich es wollte und übernahm die Kontrolle.
 


 

Langsam stieg ich wieder auf aus dem Schwall angenehmer Empfindungen und dachte stattdessen an die Folgen unseres triebgesteuerten Verhaltens.
 

Mike hatte sich darüber beschwert, wie wir das Studio hinterlassen hatten. Auf meine Einwände, er selbst habe den Großteil dieses Chaos verursacht, hörte er nicht.
 

Rob trug eine Woche lang nur Rollkragenpullover, die bei der sommerlichen Hitze gar nicht angenehm waren. Dieses sonderbare Verhalten trug ihm jede Menge seltsamer Blicke ein und Chester witzelte besonders gerne darüber, wobei seine Witze immer nur haarscharf an der Wahrheit vorbeigezielt waren. Doch außer mir und Rob konnte das keiner wissen.
 

Ich selber hatte selbst noch anderthalb Wochen später schwache Spuren von blauen Flecken, die entstanden waren, als mein Rücken Bekanntschaft mit der Kante des Mischpultes gemacht hatte. Seltsamerweise konnte ich mich zwar noch daran erinnern, dass es für einen kurzen Moment sehr schmerzhaft gewesen war, als ich von Rob dagegen gestoßen wurde, doch danach hatte ich es sofort wieder vergessen. Angefangen zu schmerzen hatte der Bluterguss erst, als ich zu Hause unter der Dusche gestanden hatte und mir die Überreste von Schweiß und Sperma vom Körper gewaschen hatte.
 

Seltsam, wie sehr die Wahrnehmungsfähigkeit doch durch Sex verändert wurde. War das nur bei mir so? Ich wagte es zu bezweifeln.
 

Doch meine tiefsinnigen Gedanken wurden urplötzlich durch Mike unterbrochen, der sich mit einer Frage an mich wandte.
 

„Denkst du, das war eine falsche Entscheidung?“
 

Ich schluckte, war mir plötzlich der auf mich gerichteten Blicke bewusst. Angestrengt versuchte ich nicht dahin zu schauen, wo meine Erinnerung damals stattgefunden hatte. Ohne Erfolg. Mein Blick huschte durch den Raum, verweilte kurz und fixierte dann Mike.
 

„Das wird sich erst entscheiden, wenn das Album in den Läden steht. Aber egal ob es falsch oder richtig war, am Ende müssen wir sie tragen. Deshalb ist sie richtig.“, erklärte ich meine Meinung. Offensichtlich war es das, was Mike hören wollte, denn er nickte und führte seine Diskussion mit Brad und Chester weiter. Ich wartete kurz, dann ergriff ich meine Chance, als Mike, verbal von Chester geschlagen, kurzzeitig still war und Chester fröhlich grinsend in die Runde blickte - um mich zu verabschieden.
 

„Ich werd abschwirren, heute werdet ihr euch ja doch nicht mehr einig, da geh ich lieber nach Hause.“
 

Sofort wandten sich mir alle Gesichter zu, ausgenommen einem. Ich registrierte das sehr wohl, obschon ich denjenigen nicht ansah.
 

„Wieso das denn? Geht’s dir nicht gut?“, erkundigte sich Mike beinahe schon fürsorglich. Ich fragte mich, was ihn zu dieser Reaktion bewogen hatte.
 

„Wieso soll’s mir nicht gut gehen?“, fragte ich verdattert.
 

Erneut verunsicherte Blicke, bis sich schließlich Joe äußerte.

„Du bist ganz schön blass, Phoe. Du siehst nicht gut aus.“
 

„Echt?“ Ich tat verwundert, hatte dann aber eine gute Idee.

„Kann sein, ich bin etwas müde. Deshalb will ich jetzt auch gehen, wenn ihr nichts dagegen habt. Habt ihr?“ Mein Blick wanderte durch die Runde.
 

Bis auf Brad und denjenigen, der meinen Blick immer noch mied, wich mir keiner aus.

„Geh nur. Wir besprechen die Tour beim nächsten Mal. Du bist online, wenn’s dir besser geht?“, ließ Mike verlauten.
 

„Ja natürlich. Wozu gibt’s Internet.“, bemühte ich mich um Sarkasmus, bevor ich mich verabschiedete und die fünf Männer im Studio allein ließ. Erfolgreich geflüchtet.
 


 

Ich hatte eigentlich vorgehabt, nie wieder vor ihm zu flüchten. Und doch wünschte ich mir gerade, an jedem anderen Ort zu sein, nur nicht hier. Fast allein im Hotelzimmer. Fast. Zwischen Allein und diesem Fast lag das ganze große Unglück. Eine einzige Person war anwesend, eine Person, deren Anblick mein Blut zum Kochen brachte, intensivste und nicht nur positive Gefühle heraufbeschwor und mein Herz zum Schmerzen brachte. Rob.
 

Einen knappen Monat war es her, seit wir beschlossen hatten, unsere Beziehung, die keine richtige war und deshalb eigentlich auch diesen Namen nicht verdiente, aufzulösen und sie auch nicht wieder anzusprechen. Wir wollten sie vergessen, da wir uns einig waren, das es so nicht weitergehen konnte. Sogar ich hatte es letztendlich eingesehen. Bis zuletzt hatte ich mich gestäubt, das unverkennbare zu erkennen, doch dann musste ich die Wahrheit akzeptieren. Ich wollte nicht, das Rob sich wegen mir quälte, wollte nicht Schuld an seinen Gewissensbissen sein. Und so hatte ich es in Kauf genommen, unsere Affäre - dieser Begriff passte mir besser - zu beenden. Obwohl mein Herz empört aufgeschrieen und rebelliert hatte, redete ich mir ein, dass es so besser sein würde. Rob würde sich besser fühlen, und das war es mir wert, an Liebeskummer zu vergehen. Auch wenn ich das hasste. Doch es war nichts, woran man sterben konnte, das redete ich mir zumindest ein. Was war ich nur für ein selbstloser Held.
 

Und jetzt war ich doch ganz zufrieden mit mir, da ich bisher noch nicht in Depressionen versunken war oder ähnliche emotionale Tiefpunkte gehabt hatte. Die Betonung lag allerdings auf ‚bis jetzt’. Denn bis jetzt hatte ich Rob kaum gesehen, und wenn wir uns begegnet waren, hatten wir immer anderes, Wichtiges zu besprechen gehabt. Außerdem waren wir bisher auch noch nie alleine in einem Raum gewesen, sodass wir noch gar nicht darüber hätten reden können.
 

Doch jetzt war es so weit. Joe, mit dem ich mir das Zimmer teilte, war kurzerhand mit Brad verschwunden und hatte Rob hier gelassen. Warum auch immer. Vielleicht war das ja Schicksal, das ich mich Rob zu stellen hatte. Wollen tat ich es nicht. Aber wann fragte die gemeine Schlampe namens Schicksal schon nach Wünschen?
 

„Wie…wie geht’s dir?“, klang Robs Stimme durch den Raum, tief und leicht rauchig - er rauchte nicht, daher nahm ich an, der Klang seiner Stimme wurde beeinflusst von seinem seelischen Zustand - emotionale Aufgewühltheit äußerte sich bei ihm so, das hatte ich ja zur Genüge mitbekommen. Und als wollte er mir beweisen, wie recht ich hatte, zeigte Rob, der am anderen Ende des Zimmers an der Wand mit verschränken Armen lehnte, Anzeichen von Unsicherheit, die anzusehen ich von früher gewohnt war. Nerven tat es mich immer noch.
 

Ich verdammte seine Anwesenheit und zwang mich zu ein wenig Smalltalk, obwohl ich am liebsten aus dem Zimmer gestürmt wäre. Aber wie würde das aussehen? Ziemlich stark nach Flucht, und das konnte ich mir nicht geben.
 

„Geht so. Dir?“

Er nickte bloß und murmelte etwas Unverständliches. Ich ignorierte ihn und betete, er möge verschwinden, während ich mein Laptop aufklappte und hochfuhr. Vielleicht würde ich es schaffen, Modern Warfare zu starten und damit eine Ausrede zu haben, um Rob loszuwerden.
 

Doch leider tat Rob mir nicht den Gefallen - und mein Laptop auch nicht, er brachte mir nur eine Fehlermeldung, als ich das Spiel starten wollte - sondern blieb, wartete eine Weile schweigsam und als ich das Gespräch nicht fortsetzte, versuchte er es selbst.

„Was hältst du von Mikes Idee? Du hast dich vorhin nicht dazu geäußert…“
 

Die Nähe seiner Stimme ließ darauf schließen, dass er genau hinter mir stand, mein Körper reagierte bereits auf ihn, eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Rücken und ich begann zu schwitzen. Ich war schon ziemlich jämmerlich, betrachtete man es objektiv.
 

„Ich halte nicht viel davon, aber das interessiert Mike garantiert nicht.“, antwortete ich abwesend und versuchte mich zusammenzureißen. Warum musste Rob jetzt hier sein? Noch ein paar Tage Abstand und ich hätte diese Situation besser handeln können. Schicksal, wie kann ich dir am besten eine reinhauen?
 

„Hmm…warum hältst du nichts davon? Ich meine…“ Man hörte Rob an, wie er sich um die Fortführung dieses Nichtsaussagenden Gesprächs bemühte. Ich hatte aber nicht vor, länger sein Spielchen mitzuspielen. Mir riss der Geduldsfaden.
 

„Was, verdammt noch mal, willst du, Rob?“, stieß ich entnervt vor und drehte mich zu Rob um, der tatsächlich nur knapp einen Meter hinter mir stand. Rob zuckte vor Schreck leicht zurück, vermutlich war meine Reaktion doch etwas übertrieben gewesen. Insgeheim verfluchte ich mein Temperament.
 

„Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst…“, meinte Rob langsam zu mir, vielleicht dachte er, mich so beruhigen zu können. Doch es beruhigte mich nicht. Im Gegenteil, es brachte mich noch mehr auf. Ich wurde gemein, um meinen Schmerz zu verbergen, der in meinem Herzen wütete und es von innen heraus verbrannte.
 

„Du bist ein sadistisches Arschloch. Macht es dir Spaß, hier zu stehen und so zu tun als wäre nichts gewesen?“, knallte ich ihm an den Kopf, nicht darüber nachdenkend, wie unmöglich mein Verhalten war.
 

„Was zur…?“ Rob verengte die Augen, blickte mich misstrauisch an.

„Wenn du schon von mir verlangst, alles zu vergessen, dann gib mir auch die Zeit, damit abzuschließen. Und hänge nicht in meiner Nähe rum, ich brauche erstmal Abstand, bevor ich das alles akzeptiert habe. Glaubst du, das geht so einfach? Von jetzt auf gleich oder was?“, klagte ich, als Rob nicht weiter sprach. Meine Wut schwang immer noch in meiner aufgebrachten Stimme mit, noch konnte ich mich nicht wieder bremsen.
 

Doch Rob schien mich zu verstehen, seine misstrauische Miene glättete sich und nahm einen wissenden Ausdruck an.

„Nein, natürlich glaube ich das nicht.“, lenkte er ein.
 

„Und warum quälst du mich dann so?“, hakte ich sofort nach, der Schmerz stieg langsam in mir auf und färbte meine Stimme ein. Sie klang nicht mehr aufgebracht sondern verzweifelt. Ich verdammte mich dafür. Ich hatte mir vorgenommen, vor Rob keine Verzweiflung mehr zu zeigen.

Wie ich nun bemerke, schienen alle Vorsätze für die Katz gewesen zu sein.
 

„Das…das will ich nicht. Es tut mir Leid. Was kann ich tun…?“, stotterte Rob unsicher, unwillkürlich hatte er die Arme nach mir ausgestreckt, als wolle er mich an sich ziehen. Diese Geste gab mir den Rest. Die Wut kochte erneut hoch.
 

„Du kannst mich mal. Verschwinde. Dein ‚Es tut mir Leid’ kannst du dir sonst wo hin stecken. Er ändert gar nichts!“, schrie ich, meinem Groll Luft machend.
 

„Oh, Dave…“, seufzte Rob nur, mein Ausbruch hatte ihn diesmal nicht erschreckt. Er kam noch einen Schritt näher, berührte mich aber immer noch nicht. Seine ausgestreckte Hand schlug ich weg, bevor sie mich erreichen konnte. Danach musste ich gegen den Drang ankämpfen, sie nicht auszuschütteln, denn mir war, als hätte ich mich an Robs nacktem Arm verbrannt.
 

„Es ist deine Schuld, also spar dir das. Ich habe zugestimmt, aber nur wegen dir, verdammt noch mal. Ich werde meine Meinung nicht ändern. Nur du kannst es ändern.“, erklärte ich mich, immer leiser werdend. Zuletzt flüsterte ich nur, darauf hoffend, er würde etwas ändern.

„Ich kann nichts ändern, das weißt du. So ist es besser.“, gab er flüsternd die Antwort, die ich nicht hören wollte.
 

Ich ließ den Kopf hängen, das bisschen Hoffnung in mir verdammend, das sich soeben in Schmerz und Verzweiflung verwandelte.

„Ich weiß. Aber dann verlange nicht von mir, dass ich das so schnell wegstecke. Du weißt ja…“ Ich stockte, unfähig weiter zu sprechen. Rob wusste auch so, was ich meinte und ich sah, wie dieses Wissen ihn quälte. Als er diesmal seinen Arm ausstreckte und mich an sich zog, wehrte ich mich nicht, stattdessen versank ich ihn seiner Umarmung, seinen Geruch inhalierend, seine Wärme genießend und die Tränen bekämpfend, die sich in meine Augen stahlen.

Rob seufzte, streichelte sanft meinen Rücken, was einen Schauder auf meiner Haut erzeugte.

„Auch wenn es dir nichts bringt: Es tut mir wirklich Leid. Manchmal könnte ich die ganze Welt verdammen. Warum muss das alles so kompliziert sein?“, murmelte er leise.
 

„Tja, es wäre wirklich geil, wenn du nicht so ein Idiot wärst.“, meinte ich verbittert, was Rob ein weiteres Seufzen entlockte. Seine angenehmen Berührungen stoppten nicht und ich kuschelte mich an ihn, hielt ihn fest und betete, dieser Moment möge niemals enden. Alles erschien mir so vertraut, Rob war mir so vertraut, dass es doppelt wehtat, zu wissen, das diese seltsame Beziehung zwischen uns zerbrochen war.

Doch auch dieser so schöne Moment musste enden, doch bevor ich mich aus Robs Umarmung lösen konnte, küsste mich dieser brutal auf die Lippen, presste mich an sich, legte eine unglaubliche und verzweifelte Leidenschaft in diesen Kuss, der höchst wahrscheinlich der letzte sein würde, den er mir schenkte.

Ich stieß ihn weg, sobald ich ihn überwinden konnte. Funkelte ihn wütend an. Ich hatte das nicht gewollt, hatte es sogar vermeiden wollen, da es in mir eine bestimmte Reaktion erzeugen würde, die absolut unbrauchbar war. Hoffnung.

„Das war nicht gut.“, presste ich heraus.

„Ich weiß. Es tut mir Leid. Ich werde jetzt gehen.“, murmelte Rob traurig, drehte sich um und trat zur Tür. Bevor er die Klinke herabdrückte, verharrte er kurz, als ob er auf eine Reaktion meinerseits wartete. Doch ich schwieg.

Erst als er endlich weg war, trat ich zum Fenster, um es zu öffnen und seinen männlichen Geruch, der in mir schmerzlich schöne Erinnerungen hervorholte, aus dem Zimmer zu vertreiben.
 



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