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Weißer Nebel, Schwarzer Schatten

von

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Kaum das die Tür lautstark hinter mir ins Schloss gefallen ist, lasse ich ein abgrundtiefes Knurren verlauten und meine Faust trifft auf den unnachgiebigen Beton der Wand.

Putz bröckelt von der Mauer und ich schnaube wütend. Immer weiter schwillt die Wut in mir an, wird praktisch greifbar. Zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, das meine Haut anfängt zu prickeln und mein Körper an Wärme gewinnt. Die Verwandlung beginnt. Wenn ich mich nicht beeile, dann schaffe ich es nicht mehr rechtzeitig in den Wald.

Als mir diese Erkenntnis in den Kopf schießt, stürme ich los durch die Gänge. Meine Haut kribbelt immer herftiger, meine innere Hitze schwillt immer weiter an. Erneut entkommt mir ein Knurren, als ich die Tür nach draußen aufstoße.

Knirschend verschieben sich meine Knochen, lassen mich vor Wut und Schmerz aufschreien. Unbändiger Schmerz überschwemmt mich. Weiße Haare durchstoßen meine Haut, während meine Klamotten mit meiner Haut zu verschmelzen scheinen. Knochen ändern ihre Form, ziehen sich in doe Länge.

Organe ordnen sich neu an. Schnauze, Pranken und Schweif wachsen mir, als ich schließlich mit einem markerschütterndem Heulen im Wald verschwinde. Äste peitschen mir entgegen, streifen meinen Körper. Gerüche rauschen an mir vorbei, wie verschwommene Schleier.

Das Krachen der Äste unter meinen Pfoten, ist das Einzige, das ich bewusst wahrnehme, während ich wie von Sinnen durch das Unterholz hetze. Hechelnd presche ich durch das Dickicht. Meine Zunge hängt mir aus dem Mundwinkel, um mir das Atmen zu erleichtern. Lange renne ich durch den Wald, Minute um Minute, Stunde um Stunde.

Doch die Wut will einfach nicht weichen, hat sich wie ein bösartiges Parasit in meinen Kopf festgesetzt. Erst, als mich die Kraft komplett verlässt, bleibe ich stehen und finde mich erneut an dem kleinen See wieder. Jeder Atemzug brennt in meinen überanstrengten Lungen. Meine Beine zittern vor Anstrengung. Geschafft lasse ich mich in das Gras fallen, das sich am Ufer befindet.

Zufrieden stelle ich fest, das sich meine Gestalt erneut ändert, bis ich wieder als Mensch da sitze. Die Wut ist wie weggeblasen und hat Erleiterung Platz gemacht, wie ich sie nur empfinde, wenn ich mich komplett ausgepowert habe.

Sanft umspielt der Wind meinen Körper, wie als wolle er mich umarmen. Trauer und Einsamkeit machen sich in mir breit, treiben mir die Tränen in die Augen, doch habe ich nicht die Kraft, um ihnen freie Bahn zu lassen. Lediglich ein trockener Schluchzer rollt über meine Lippen, ehe ich mir einmal resigniert über das Gesicht reibe. Mein müder Blick wandert langsam nach oben und bleibt dort an dem dunklen, bewölkten Himmel hängen.

Der zunehmende Mond steht hoch am Firmament und zeigt mir, das es mitten in der Nacht sein muss. Wie lange ich wohl gerannt bin? Ob ich zurück gehen sollte, schließlich beginnt morgen mein erster Schultag? Doch was würde ich den Anderen dann sagen, falls sie noch wach sind? Würden sie es verstehen? Sollte ich ihnen überhaupt davon erzählen? Würden sie mich für das hassen, was ich getan habe?

Immer mehr Fragen drängen sich in meine Gedanken, welche ich mit einem ernärgischem Kopfschütteln vertreibe. Darüber kann ich mir auch wann anders den Kopf zerbrechen. Unbewegt liegt mein Blick immer noch im Himmel, als ich Schritte hinter mir vernehme, die eindeutig von einer Person kommen müssen.

Dessen ungeachtet ruhen meine Augen auf dem hellen Mond, der momentan eine erdrückende Stimmung auf mich ausübt, da er mir nur vor Augen hält, das es bis zum nächsten Vollmond nicht mehr lange dauert. Es dauert nicht lange, da ist die Person auch schon bei mir angekommen und bleibt direkt neben mir stehen. Aus dem Augenwinkel heraus stelle ich fest, das es Logan ist, der mir hier Gesellschaft leistet.

Was er hier wohl will? Ob er mir gefolgt ist? Hat er mich vielleicht gesehen, wie ich Kopflos durch den Wald gehetzt bin? Will er mich jetzt nach den Gründen ausfragen? Erneut kommen Fragen auf, die ich mir unmöglich selbst beantworten kann, doch traue ich mich auch nicht, sie laut auszusprechen. Ich werde schon noch Antworten bekommen, doch genieße ich jetzt lieber die Stille, die uns einhüllt.

Solange wie er nichts sagt, will ich mich nicht beschweren. So muss ich wenigstens nicht darauf achten, wie ich ihm auf seine Fragen antworte. Minuten verstreichen, ohne das auch nur einer von uns einen Ton von sich gibt. Wie es scheint, ist er nicht hergekommen, um mich mit Fragen zu löchern, was mir eine gewisse Erleichterung beschert.

Der Wind rauscht unaufhörlich durch die Baumwipfel. Frösche quaken munter vor sich hin, während einige Grillen dazu ihr Lied singen. Leise plätschert es immer mal wieder, wenn einer der Frösche ins Wasser eintaucht. Der Wald scheint friedlich und im einklang mit sich selbst.

All diese Geräusche wirken wie eine unberührte Melodie, die nur die Natur kennt und summt. Fast schon automatisch schließen sich meine Lider und ich lausche in die Welt hinein, versuche jedes Geräusch in mich aufzunehmen. Tief sauge ich die kühle Abendluft in meine Lungen.

"Es dauert nicht mehr lange bis zur Vollmondnacht," vernehme ich nach einer halben Ewigkeit doch noch Logans raue, angenehm tiefe Stimme, die sich fast schon an das Lied der Natur angepasst zu haben schien, da sie die Idylle dieses Ortes in keinsterweise stört. Das einzige, das ich darauf erwider, ist ein unverständliches Brummen, während sich meine Augen wieder öffnen und ich zu dem Schwarzhaarigen aufblicke.

Sein Blick jedoch liegt nicht auf mir, sondern im Himmel, wie meiner zuvor. Meine Augen bleiben an seinem markanten Gesicht hängen, das einen leichten Ansatz von Bartstoppeln aufweist. Sein sonst leicht gelangweilter Gesichtsausdruck hat einem entspannten Platz gemacht und er strahlt eine angenehme Ruhe aus.

Aus einem mir unbekannten Grund spüre ich, wie auch ich ruhig werde, es ist so, als würde mich seine bloße Anwesenheit beruhigen. Es ist für mich unverständlich, doch leugnen kann ich es nicht. Ich fühle mich seid langem wieder entspannt, als wäre all das nie passiert. Das mit meinen Verwandlungen, das mit meiner Schwester, das mit meinen Müttern. Als wäre ich noch immer ein ganz normales Mädchen, zumindest habe ich früher immer geglaubt, das ich ein einfaches Mädchen wäre. Leider ist das nicht der Fall. Ich bin kein Mensch, kein normales Mädchen. Ich bin ein Tier, eine Bestie, ein Lykaner.

Doch selbst diese Gedanken bringen meine innere Ruhe nichts ins wanken. Das ist seltsam. Normalerweise belasten mich solche Gedankengänge, führen mir vor Augen, das ich keine Kontrolle über mich habe, das ich mich selbst nicht im Griff habe. Eigentlich schüren sie meinen Selbsthass und treiben mich in ein verzweifelte Einsamkeit, die ich mir selbst zu zuschreiben habe.

Jedoch bin ich momentan zufrieden mit mir und der Welt und das, obwohl ich noch vor ein paar Minuten einen Wutausbruch hatte. Das alles ist sehr suspekt, doch will ich mich nicht beschweren. Es hat auch seine guten Seiten, wenn ich einmal nicht an meinen Schuldgefühlen zu ertrinken drohe.

Irgendwann erhebe ich mich schließlich vom Boden und wir machen uns auf den Weg zurück, wie als hätten wir uns gedanklich abgesprochen. Wir durchstreifen den dunklen Wald, bahnen uns einen Weg durch das Dickicht und kommen schließlich an dem alten Gebäude an. Gemeinsam schlendern wir, fast schon gemütlich durch die endlosen Gänge, welche wie leer gefegt wirken, doch was will man um diese Uhrzeit erwarten.

Es dauert nicht lange, da stehen wir auch schon vor der Tür, die uns in die kleine Wohnung führt. Gentleman-like öffnet Logan diese und überlässt mir den Vortritt. Wie angeboten betrete ich als erstes den Flur und bewege mich weiter durch das Wohnzimmer, um in unser Zimmer zu gelangen.

Die Schritte, die hinter mir erklingen, zeigen mir, das mir der Schwarzhaarige dicht auf den Fersen ist. Von ihm gefolgt erreiche ich den Raum, den ich mir mit Logan teile.

Ohne weitere Gedanken zu verschwende, schlüpfe ich aus meiner Hose und meinem Pulli, um mich endlich ins Bett zu begeben. Es dauert nicht lange, da bin ich in einen tiefen Schlaf abgedriftet, der mir schon lange verwehrt war.



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