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Weißer Nebel, Schwarzer Schatten

von

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Viel zu früh am nächsten morgen werde ich durch lautes Stimmengewirr geweckt. Missmutiges Gemurmel und heiteres Gekicher dringt an meine Ohren und lässt mich genervt schnauben.

Es ist Samstagmorgen, wieso in drei Teufelsnamen sind die so früh schon wach? Wissen die denn nicht, dass es auch Leute gibt, die am Wochenende gerne länger schlafen?

Scheinbar nicht. Ein kaum hörbares Knurren bildet sich in meiner Kehle, während ich mich widerwillig aufsetze. Müde Reihe ich mir über die Augen.

Genervt von der Tatsache, dass es gerade einmal acht Uhr ist und von meinem nicht gerade erholsamem Schlaf, Kämpfe ich mich aus meinem Bett zu meiner Tasche.

Fast schon mechanisch, da ich noch immer nicht ganz wach bin, krame ich in meiner Reisetasche nach frischen Klamotten, in der Hoffnung, dass das Bad frei ist.

Erst als ich das Zimmer verlasse, fällt mir auf, das Logans Bett bereits leer und ordentlich gemacht da liegt. Schulter zuckend betrete ich den Flur und kurz darauf das Wohnzimmer, in welchem schon reges Treiben herrscht.

Es dauert nicht lange, da wurde ich auch schon von Luana entdeckt, welche mich freudestrahlend angrinst und mir fröhlich einen guten Morgen wünscht. Auch Scott und Emma, die Blondine in der runde, begrüßen mich freundlich, während von Jack, einem Hellbraunharrigem nur ein unverständliches Murmeln kommt und Logan mir lediglich ein Kopfnicken schenkt.

Dann meint es das Schicksal wohl gut mit mir, da ich freie Bahn ins Badezimmer habe. Ohne etwas zu erwidern, schreite ich auf die gegenüberliegende Tür zu, welche mich hoffentlich ins Bad führt. Ich sollte recht behalten und so finde ich mich zwischen Toilette, Dusche und Waschbecken wieder.

Sichtlich zufrieden schließe ich die für hinter mir ab und steige unter die Dusche, ehe ich in meine frischen Klamotten schlüpfe. Danach greife ich nach dem Föhn und trockne meinen schulterlangen Undercut. Währenddessen liegt mein Blick unablässig auf meinem Gesicht, das wunderbar in dem kleinen Spiegel abgebildet wird.

Matte, graue Augen starren mir entgegen, betont von unschönen, dunklen augenringen. Eine unnatürliche Blässe liegt auf meiner haut, was durch meinen schwarzen Haarschopf nur noch um so deutlicher hervor sticht.  

Alles in allem sehe ich recht kränklich und schwach aus, was glücklicherweise durch meinen bissigen Charakter wieder wett gemacht wird. Nach einer halben Ewigkeit, in der meine Haare schon längst getrocknet sind, schalte ich das Gerät wieder ab und reiße meinen Blick von dem reflektierendem Glas los.

Meine dreckigen Klamotten schmeiße ich in den großen Wäschekorb, bevor ich mich wieder ins Wohnzimmer begebe, um mir eine Kaffee zu genehmigen. Zielstrebig steuere ich auf die kleine, offene Küche zu, in welcher Logan lässig an der Arbeitsfläche lehnt.

Gerade, als ich den ersten Schrank öffnen wollte, um nach einer Tasse zu suchen, wird mir eine solche vor die Nase gehalten. Irritiert wandern meine Augen von der Tasse, zu einer gebräunten Hand, über einen muskulösen Arm, bis sie schließlich halt an dem dazugehörigem Gesicht machen.

Wie ich feststellen darf, ist es Logan, der mir den gut duftenden Kaffee vors Gesicht hält. Verwundert starre ich ihn nur an, während ich nach dem Gefäß greife, in dem sich das heiß ersehnte Gebräu befindet. "Ich dachte, den könntest du gebrauchen," brummt er nur als Antwort auf meine ungestellte frage, woraufhin ich nur mit den Schultern zucke und an dem braunen Gesöff nippe.

Zufrieden lehne ich mich ebenfalls an die Arbeitsfläche und beobachte die Anderen, wie sie gemütlich auf dem Sofa sitzen und ihr Frühstück verspeisen. "Hey Asna, willst du nicht auch was essen?" holt mich die stimme von der Rothaarigen zurück in die Realität.

Es dauert einige Sekunden, ehe ihre Worte zu mir vordringen und ich schließlich verneinend mit dem Kopf schüttle. Meine Antwort scheint sie nicht zufrieden zu stellen, da sich ihre Lippen schmollend verziehen.

Noch ehe sie erneut ihre Stimme erheben kann, leere ich meine Tasse, welche ich in die Spüle stelle, und verlasse die kleine Wohnung, anders kann man dieses Zimmer meiner Meinung nach nicht nennen.

Planlos durchstreife ich die Gänge, bis mich mein weg irgendwann in die riesige Eingangshalle führt. Mein Blick schweift durch den Raum, in welchem sich einige jugendliche tummeln. Vielleicht sollte ich raus gehen, dann habe ich meine Ruhe, außerdem wollte ich mir einmal den Wald genauer ansehen.

Diesen Plan im Hinterkopf, durchquere ich die Halle und trete schließlich nach draußen. Ein kühler Wind schlägt mir entgegen und lässt mich unwillkürlich aufatmen. Mit langen Schritten nähere ich mich dem dicht bewuchertem Forst und lasse meine Iriden über das Geäst wandern.

Der frische Geruch von Erde, Gras und Blättern steigt mir in die Nase und bestärkt mich so in meinem Vorhaben. Lange zeit laufe ich durch das Dickicht, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Die Atmosphäre, die in diesem Wald herrscht, beruhigt mich in gewisserweise.

Hier fühle ich mich frei, unbeobachtet, als könnte mir nichts und niemand etwas anhaben. Doch lange bleibt das nicht so. Meine Gedanken schweifen ab, zu meiner verstorbenen Schwester. Zu ihrem angsterfülltem Gesicht. Ihre Schmerzensschreie hallen in meinem Kopf wieder. Ihr Blut scheint über den Waldboden zu fließen. Schild durchströmt meinen Geist.

Verzweifelt  versuche ich die Erinnerungen abzuschütteln, raufe mit die Haare, jedoch wollen die Bilder, Gerüche und Geräusche nicht weichen.

Ein wütende Laut rollt über meine Lippen, ehe ich einfach losstürme, ohne zu wissen wohin, Hauptsache weg. Äste schlagen mir entgegen, bleiben in meinen Haaren und an meiner Kleidung hängen. Wurzeln, versteckt unter den Blättern bringen mich immer wieder ins straucheln, bis ich schließlich falle und auf meinen Knien lande.

Schwer atmend starre ich auf meine Hände, die ich auf dem Boden abgestützt habe. Leise Tränen Rollen über meine Wangen. Stumme Schluchzer lassen meinen Körper erbeben. Nur langsam hebe ich den Blick und mir stockt für einen Moment der Atem.

Ein wunderschöner See liegt vor mir, umringt von bunten Blumen und hohen Bäumen. Gebannt von diesem überwältigendem Anblick, trete ich ans Ufer des stillen Gewässers heran und blicke in das kühle Nass, das meine Gestalt verschwommen wieder spiegelt.

Wie ich diesen Anblick doch hasse: meinen Anblick. Ich hasse nicht mein Aussehen, sondern mich als Person. Ich bin unberechenbar, kontrolllos. Ich verletze und zerstöre, was mir lieb und teuer ist. Es gab nur eine Person, die zu mir aufgesehen hat, die mich bewundert und akzeptiert hat, wie ich bin.

Doch ausgerechnet ihr musste ich wehtun, ausgerechnet ihr musste ich solch ein Leid zufügen. Wäre sie mir an diesem Tag doch nur nicht gefolgt, dann wäre das nie passiert. Dann hätte ich niemals in ihrer Anwesenheit die Kontrolle verloren.

Es tut mir so schrecklich leid Nikki, kannst du mir verzeihen? Ich hoffe es. Du musst doch wissen, das ich das nie gewollt hätte. Ich wollt nicht das sowas passiert. Ohne etwas dagegen tun zu können laufen mir heiße Tränen über die Wange und tropfen lautlos zu Boden. Treffen auf den erdigen Boden und zerschellen hilflos, machtlos. So machtlos, wie ich mich im Moment fühle.

Das strahlend Gesicht meiner Schwester leuchtet in meinem Geist auf. Ihre Augen, die mich fröhlich anfunkeln. Ihr Grinsen, das sie nur für mich gegrinst hat.

Ihr kindliches Lachen hallt in meinem Kopf wieder, wie als hatte sie nie aufgehört, für mich, nein, mit mir zu lachen. Warum musste das passieren? Warum ihr? Hätte es nicht jemand anderes treffen können? Sie war doch noch so Jung, so naiv, so fröhlich.

Ausgerechnet ihr musste sowas zu stoßen und ich alleine bin daran Schuld. Nur weil ich so machtlos war, kontrolllos. Ich bin eine Bestie, ein Monstrum, das der einzigen Person wehgetan hat, die mir jemals etwas bedeutet hat.

Von Schuldgefühlen zerfressen wandle ich umher, ziellos, rastlos. Das hätte niemals passieren dürfen. Ich hasse mich. Hasse es, was ich bin. Hasse, was aus mir geworden ist. Verzweifelt lasse ich mich auf die knie fallen. Starre matt in das reflektierende Wasser. Erblicke die salzigen Tränen, die sich ihren weg über mein Gesicht bahnen. Wut macht sich in mir breit.

Wut auf mich selbst. Auf das, was ich bin. Auf das, was ich getan habe. Knurrend lasse ich meine geballte Faust auf die Wasseroberfläche nieder sausen.

Feine Tröpfchen fliegen wie in Zeitlupe durch die Luft. Benetzen meine Haare, mein erhitztes Gesicht, meine Klamotten. Immer wieder treffen meine Fäuste auf das seichte Wasser. Wühlen die Erde auf, die den Grund bedeckt. Scheuchen die kleinen Tiere auf, die sich im Wasser zur Ruhe gelegt haben.

Ab und an streift meine Haut einen Spitzen Stein und reißt an der Stelle auf. erst, als mich die Kraft und der Wille verlassen haben, stelle ich meine verzweifelte Tätigkeit ein.

Mein von Tränen verschleierter Blick schweift in den mittlerweile dunklen Himmel ab. Unzählige Sterne strahlen mir entgegen, als würden sie mich auslachen. Als würden sie sich über meine innere Zerrissenheit amüsieren.

Schnaubend blicke ich wieder zu Boden, um mir kaltes Wasser in mein gerötetes Gesicht zu spritzen. Meine Hände reiben über meine Wangen und die, vom weinen geschwollenen Augen, ehe ich mich erhebe, um zurück zu kehren.

Zurück zu meinem neuen Heim, ohne meine Schwester. Zurück zu meinem abweisendem Ich, welches versucht, seinen inneren Konflikt vor den Anderen zu verbergen.



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