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Lyle

~ Das Buch der Ewigkeit ~
von

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Kapitel 1

Wie hatte das nur geschehen können?

Mit sorgengefurchter Stirn, flogen die Blicke Mariks über die Landschaft, doch nahm er sie nicht wirklich war. Seine Gedanken waren weit weg, im Palast, bei seinem König. Wieder glaubte er, das totenstarre Gesicht des Monarchen vor seinem inneren Auge zu erblicken. Kalkweiße Haut, vor entsetzen geweitete Augen, die zur Decke starrten, ein geöffneter Mund erstarrt in einem stummen Schrei des Grauens. Ein Schaudern rann über seinen Rücken.

„Meister Calai?“

Erschrocken blickte Marik auf und sah in die grasgrünen Augen seines jungen Begleiters. Dieser blickte ihn fragend an, die Stirn gerunzelt, die linke Hand locker auf dem Knauf seines Schwertes.

„Du sollst mich Marik nennen.“ Der Ton war schärfer als Marik es beabsichtigt hatte und fast augenblicklich bereute er es, den Jungen angefahren zu haben. Doch hatte er ihm schon gefühlte tausend Mal gesagt, dass er ihn nicht bei seinem Titel nennen sollte. Es würde sonst schlimm für sie enden.

Der Jugendliche verzog kurz beleidigt den Mund, hatte aber bei der Rüge den Kopf zwischen die Schultern gezogen.

„Es ist eben die alte Gewohnheit.“, murmelte er in seinen nichtvorhandenen Bart, worauf Marik ihm einen finsteren Blick zuwarf. Rüge und Warnung zugleich. Scheinbar einsichtig, blickte der Junge zur Seite, ehe sie beide ihren Weg fortsetzten.

Ein Wind kam auf und wehte Marik die heiße Luft ins Gesicht. Kurz flog sein Blick zur Sonne und er schätzte die ungefähre Uhrzeit.

Nachmittag.

Seit drei Tagen waren sie nun schon unterwegs und noch immer erstreckte sich ihnen von Horizont zu Horizont nur Sand. Trostlos und karg, scheinbar ohne Leben.

Die Goldwüste.

Benannt war sie, nach den einstigen Schätzen, die man in ihrem Sand, tief vergraben, gefunden hatte. Unmengen von Reichtümern aus längst vergangenen und vergessenen Tagen, in denen die Wüste noch klein und das Land Vulsaria noch fruchtbar war. Doch seit dem großen Krieg - dank dem Blut der Gefallenen – war, das einstige grüne Königreich, nun ein Wüstenstaat. Das Einzige was im Übermaß in Vulsaria zu finden war, waren Sand und Magier.

Magier wie er.

Magier wie der Mann der ihren König scheinbar …

Marik wollte gar nicht daran denken, denn täte er es, würde er wieder die grünglühenden Augen vor sich sehen. Augen die ihn gelähmt hatten, aufgrund der kalten Mordlust, die sie verrieten.

„Wie weit ist es denn noch Mei-, ich meine Marik?“ Lyle sah wieder zu ihm und dem Magier entfuhr ein Seufzer.

„Morgen sollten wir den Tires erreichen. Dort setzen wir mit der Fähre über und dann ist es nicht mehr weit bis zum Forgens.“, erläuterte Marik ruhig. Lyle stöhnte genervt auf, doch wagte er keine Widerworte. Er wusste, genauso gut wie der Magier selbst, dass sie sowieso nichts an ihrer Lage änderten. Weder verkürzte es ihnen den Weg noch schmälerte es die Hitze.

„Warum hast du mich eigentlich mitgeschleift?“, fragte der Junge dann doch. Er konnte es sich nicht verkneifen.

„Das sagte ich dir bereits. Dein Vater meinte dass es dir mal gut tun würde, etwas von deinem zukünftigen Reich zu sehen.“

Eine Lüge.

Der König hatte nichts dergleichen empfohlen. Marik hatte den Jungen aus eigenen Antrieb mit sich genommen, um ihn zu retten, zu schützen.

„Und warum muss ich mich dann Oliver nennen und inkognito reisen, anstatt als Prinz, was ich nun mal bin und wie es sich gebührt?“, fragte er weiter.

„Weil das Reich deines Vaters noch nie besonders sicher war. Armut schürt Neid auf die, denen es besser geht. Du willst mir doch nicht etwa wirklich sagen, dass du gern mit geöffneter Kehle im Sand liegen willst, während dir die Geier die Augen aus den Höhlen picken.“

Der junge Prinz wurde blass und faste sich unweigerlich an den Hals, wie um zu prüfen, ob nicht doch ein tiefer Schnitt seine Kehle zierte.

„N-Natürlich nicht. Aber soweit würde es nie kommen. Immerhin habe ich ja dich bei mir und mein Schwert.“ Zuversicht und kindlicher Leichtsinn klangen in seiner Stimme mit, dass Marik skeptisch eine Augenbraue hob.

In Lyles Alter, glaubte man noch die Welt einreißen zu können, wenn man ihr nur frech ins Gesicht grinste. Ruhig musterte Marik den Thronfolger. Das haselnussbraune Haar hatte er von seinem Vater geerbt, sowie auch die grasgrünen Augen. Überhaupt sah der 12-Jährige dem König zu ähnlich. Der sandfarbene Umhang verhüllte die prinzliche Robe nur dürftig. Im nächsten Dorf würde der Magier ihm neue Kleider kaufen müssen, die eher einem reisenden Händler entsprachen, als die himmelblaue Weste aus Brokat und das seidene Hemd. Selbst die Schwarzen Stiefel aus Ziegenleder, waren viel zu gut gearbeitet, aber die Reise würde schon ihre Spuren hinterlassen.

Doch auch er war nicht entsprechend seiner Lüge gekleidet. Nicht, dass die Magier im Reich verhasst wären, eher das Gegenteil. Doch Marik hatte seine Gründe zu verheimlichen, was er war. Auch sein Umhang konnte kaum die Robe verbergen, die seinen Stand schier in die Welt hinaus schrie. Violett und Rot; Glaube und Majestät, die Symbole eines wahrhaftigen Magiers. Desweiteren waren die fließenden Stoffe mit Rubinen und Almandinen geschmückt, als Zeichen der Elementarklassen der er mächtig war.

Gedankenverloren umkreiste sein Daumen einen der funkelnden Rubine. Auch wenn es an Frevel anmutete, er würde die kostbaren Steine wohl verkaufen müssen. Anders würde es nicht gehen, denn der Prinz hatte auf Grund der plötzlichen Abreise nicht einen müden Kupferling in der Tasche. Leicht seufzte der Magier.
 

Es dauerte seine Zeit, aber bald waren die beiden Reisenden am Tires angekommen. Azurblau schimmerndes Wasser in mitten von goldenem Wüstensand. Marik hatte dieser Fluss bereits auf seinen letzten Reisen fasziniert, darum verstand er es zu gut, dass der junge Königssohn die Augen weit aufriss vor Staunen. Wann sah man als Wüstenbewohner schon einmal einen Fluss solchen Ausmaßes. Dicht an dicht hatten sich an seinen Ufern, Menschen und andere Bewohner des Reiches angesiedelt. In sämtlichen Braunschattierungen reihten sich die Lehmhäuser entlang das blauen Bandes, das sich mächtig durch das Land schlängelte. Nur ab und an zeigten sich Flecken von grün im Meer der Hütten und Tempel.

Tuchhändler, Obstverkäufer, Barbiere, Goldschmiede. Das kleine Dörfchen am Ufer des Tires hatte sich zu einer Stadt gemausert. Wohlhabende Bürger, schritten in teuren Roben von Stand zu Stand und betrachteten sich die Waren, welche die Händler feil boten. Eifrige Diener, trugen die bereits erworbenen Besitztümer und zerlumpte Bettler, baten, oft vergebens, um Almosen.

Wie jede Stadt hatte auch diese ihre lichten und dunkeln Seiten.

Tioresol, so nannten die Bürger sie.

Niemand würdigte sie eines Blickes, was dem Magier ganz recht war. Innerlich hoffte er, dass die Nachricht der jüngsten Ereignisse, sich noch nicht herumgesprochen hatte.

Doch schlimme Nachrichten waren meist schneller als der Wüstenwind. Marik wurde dies all zu schnell bewusst, als ein Tumult ausbrach.

„Magier!“, schrie ein Mann über die Menge. Kurz zuckte Marik zusammen, war versucht sich umzuwenden. Aber das wäre zu verdächtig. Stattdessen zog er den jungen Prinz von der Hauptstraße in eine Seitengasse und bedeutete ihm, den Mund zu halten. Keinen Meter an ihrem Versteck, sah er einen jungen Mann vorbei stürmen. Die Kapuze seines Reiseumhangs war ihm vom Kopf gerutscht, so dass man deutlich sein langes weißblondes Haar sehen konnte. Seine blauen Augen blickten sich gehetzt nach seinen Verfolgern um. Die Magierrobe blitzte deutlich unter dem braunen Umhang hervor. Blauer Tobas und Lapislazuli. Der Mann war ein Wassermagier.

Ihm dicht auf den Fersen folgend, eilten ein paar Bürger an Marik vorbei. In ihren Händen trugen sie Werkzeuge, die eigentlich bei der Feldarbeit zum Einsatz kamen und nicht auf der Jagd nach Magiern. Marik hatte die Angst in den blauen Augen seines gehetzten Kollegen gesehen. Todesangst. Angst, die ihn ebenfalls in den Nächten wach hielt. Still wartete er bis die aufgebrachten Schreie im gleichmäßigen Gemurmel der Marktbesucher untergingen. Dann erst trat er wieder aus der Gasse, aber nicht eher, als dass er noch einmal penibel geprüft hatte, ob ihre Umhänge auch alles verdeckten. Mit tiefsitzender Kapuze und schroffem Schritt steuerte er den nächsten Tuchstand an. Lyle hörte er hinter sich her stolpern.

„Was darf es sein, der Herr?“, fragte der Tuchhändler. Sein Gesicht war von einem dichten, braunen Bart geziert, welchen der Mann fein säuberlich gestutzt und in Form geschnitten hatte. Der mitternachtsblaue Stoff, welcher sich über seinem stattlichen Bauch spannte, war von Silberfäden durchwirkt. Beides Zeichen auf seinen Wohlstand, welchen er sich in seiner Zeit als Händler erworben hatte. Ob aber auf legalem und ehrlichen Wege, dass verrieten sie nicht.

„Wir benötigen zwei Talare.“ Mariks Stimme klang ruhig, doch innerlich krampfte sich ihm das Herz zusammen, als der Dicke ihn, für seinen Geschmack, all zu genau musterte.

„Natürlich, der Herr.“, sagte er in einem solch schmeichlerischen Ton, der Mariks Skepsis weckte.

„ Für welche Gelegenheit werden denn die Roben benötigt? Ich habe Gewänder für Bälle, Kleider für Reisen, Audienzen bei Fürsten und Königen, Hemden für Diener und Sklaven jeder Art. Sagt Rukar einfach was euer Herz am meisten begehrt und ich bin sicher, dass wir uns einigen können.“

Marik besah sich die Gewänder genau, ohne aber dabei den Händler aus den Augen zu lassen, und deutete schließlich auf zwei einfach geschnittene lange Roben. Nicht zu auffällig in einem warmen Sandbraun. Er sah viele der einfachen Bürger und Reisenden in dieser Stadt mit ähnlichen Schnitten und Farben umher laufen.

Rukar, wie der Händler hieß, begutachtete sich die Auswahl.

„Oh, ich sehe, Ihr habt einen ausgesprochen guten Geschmack. Sie sind aus coronischer Seide. Der Gürtel, wie auch das Gewand selbst. Der Überwurf des einen besteht desweiteren aus feinem foranischen Samt. Wirklich exzellente Ware und sehr schöne Verarbeitung.“, schwärmte der Händler. Mit seinen beringten Fingern strich er fast zärtlich über die Stoffe.

„Wie viel?“ Barsch klang seine Stimme und der Verkäufer sah ihn beleidigt an. Leicht reckte er das Kinn und wieder taxierten die wässrigen Augen Marik und Lyle.

„Ich glaube kaum, dass ihr euch die Roben leisten könnt.“, gab er schnippisch zurück. Er musterte sie beide wie Käfer, bei denen er noch rätselte ob er sie lieber zertreten, oder ihnen jedes Bein einzeln ausreißen sollte.

Deutlich hörte der Magier das missbilligende Schnauben Lyles in seinem Rücken. Gerade als der Prinz Atem holte um seinem Unmut Luft zu machen, kam ihm Marik zuvor. Er legte die Faust auf den aus groben Holzbrettern gefertigten Ladentisch und öffnete sie. Aus seinen Fingern rieselten zwei große rote Rubine auf den goldenen Samt eines Reiseumhangs, welcher auf dem Tisch zur Ansicht auslag.

„Das sollte reichen.“, erwiderte der Magier ruhig und ein Lächeln huschte über seine blassen Lippen.

Der Händler sah ungläubig auf die kostbaren Steine und schneller als man bis zwei zählen konnte, waren die Steine in seinem Goldbeutel verschwunden.

Wortlos reichte er Marik die Talare. Dieser bedankte sich mit einem Nicken und ging dann mit Lyle davon, wobei er den Jungen etwas gröber, als beabsichtigt mit sich zog. Deutlich spürte er noch, wie der Händler im nachblickte. Unsanft stieß er ihn in eine Gasse und warf ihm die kleinere Robe in die Arme.

„Zeih das an und versteck deine alten Sachen.“, sagte Marik, während er begann sich seiner Magierrobe zu entledigen. Doch Lyle machte keinerlei Anstalten, die neu erworbenen Gewänder anzulegen. Marik sah ihn fragend an. Sein Blick wanderte wieder auf die belebte Straße, auf der Suche nach Verfolgern. Wenn der Junge sich nicht gleich beeilte, würden sie noch auffallen, dachte sich der Magier.

„Nun mach schon.“, fuhr Marik den jungen Mann an.

Lyle zuckte zusammen und warf Marik noch einen etwas verunsicherten Blick zu, ehe er dann doch seine Kleider wechselte. Zum Glück passten ihnen beiden die Talare. Marik setzte sich dann auf eine Kiste, welche in der Gasse stand und löste mit geschickten Fingern die restlichen Edelsteine von seinem Magiergewand. Es waren genau zehn Rubine und zehn Almandine, sowie sein Goldschmuck. Damit würden sie nicht sonderlich weit kommen, aber für die Überfahrt würde es reichen. Sein Diadem, das ihn als Meistermagier auszeichnete nahm er ebenfalls ab und verstaute es in der schlanken Tasche, die er bei ihrem fluchtartigen Aufbruch gerade noch hatte fassen können.

Mit dem Prinzen an seiner Seite, bahnte sich Marik einen Weg zu den Fähranlegestellen. Er konnte nur hoffen, dass sie heute noch eines der Schiffe übersetzen könnte, ansonsten würden sie die Nacht hier verbringen müssen, worauf der Magier nicht sehr erpicht war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SemeMary
2012-10-14T21:33:18+00:00 14.10.2012 23:33
auch dieses kapi macht wieder lust auf mehr
ich bin mal gespannt, was draus gemacht wird
klingt auf jeden fall interessant
einen fan gibt's schon mal...


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