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Fremde Welten: Das Schloss am Meer (#2)

Crimsons eigene Serie, yay!
von

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Rückzug

Crimson lag am Boden und blieb einfach liegen. Sein Elixier war vernichtet. Selbst wenn er etwas retten konnte, blieb ihm wahrscheinlich keine Chance, es zu beenden. Dazu war einfach zu viel los. Vielleicht überrannten inzwischen auch schon die Feinde sein Schloss.

Sorc lag im Sterben. Vielleicht konnte wenigstens er gerettet werden, wenn der Unterweltler die Wahrheit gesagt hatte und sie nur hinter ihnen beiden her waren... er dachte vielleicht, Sorc wäre schon erledigt. Crimson wollte nicht mit der Schande leben, als Schlossherr völlig versagt zu haben. Und als Lehrer, denn er hatte Eria in Gefahr gebracht. Seine anderen Schüler... hoffentlich ging es ihnen wenigstens gut.

„Hey! So geht das nicht! Soll man sich so an dich erinnern?“ Jemand trat ihn unsanft in die Seite. Crimson kannte die Stimme nicht. Oder doch? Sie klang ein bisschen wie... Catherine.

„Wenn du jetzt aufgibst, bleibt wahrscheinlich nicht viel von Lotusblüte übrig!“ warnte ihn eine andere Stimme, aber sie klang fast genauso. „Oder was denkst du, warum diese Leute nicht verhandeln? Sie werden das Schloss plündern!“

„Wir sind kein Kampfschloss. Aber wir sind nicht wehrlos.“

„Nutze das Wissen. Es ist einfacher, als du denkst.“

„Es besteht kein Grund zu verzweifeln. Lerne aus deinen Fehlern und wiederhole sie nicht.“

Als Crimson die Augen öffnete, sah er über sich mehrere Gesichter von Männern und Frauen, die er allesamt nicht kannte... aber sie wirkten auch nicht fremd. Alle schienen dieselbe Stimme zu benutzen, aber in unterschiedlicher Höhe und Betonung.

„Selbstverständlich. Denn wir sind alle eins,“ sagte eine streng aussehende Frau und lächelte erhaben.

Die Gesichter verschwammen und machten den Blick frei auf einen fiesen Unterweltler, der Crimson gerade mit einer tödlichen Energiekugel erledigen wollte. Crimson dachte nicht darüber nach. Er hob eine Hand und benutzte Spiegelkraft.

Der Effekt war ziemlich befriedigend – sein Gegner schrie auf und taumelte nach hinten weg. Die Abwehr kostete Kraft, aber Crimson zwang sich dennoch auf die Füße, benutzte seinen Zauberstab wie einen Krückstock. „Was fällt dir ein,“ grummelte er. „Wie kannst du es wagen, dich gegen mein Schloss zu erheben!“

Sein Feind wirkte im erstem Moment verunsichert, besann sich dann jedoch. „Es ist eine Beute wie jedes andere auch.“ Wieder warf er eine Kugel aus Finsternis. Aber in der kurzen Zeit hatte er sie nicht so groß hinbekommen.

Crimson schlug sie mit dem Stab weg, und sie verpuffte in der Luft. Die Aktion jagte ein Gefühl wie von einem Blitzschlag durch den Stab in seine Hände, aber er ließ sich nichts anmerken.

Dann fiel auf einmal Gandora regelrecht vom Himmel, kam donnernd neben ihm auf und ließ die Umgebung erbeben. Einen Flügel spannte er demonstrativ über Crimson aus und brüllte den Unterweltler an.

Dieser wich tatsächlich zurück, ergriff aber nicht die Flucht. Ein Drache, der auf dem Boden landete, war für gewöhnlich leichter zu besiegen, als man meinen würde. Das dachte sich der Fiesling wohl auch gerade.

Crimson berührte Gandora an der Schulter. „Ich mache das. Bring Sorc zum Schloss zurück.“

Beim Schloss gab es starke Heiltränke, und zur Not musste eben Olvin eingreifen. Zweifellos gab es auch irgendeine Möglichkeit, um das Leben des Necromanten noch etwas zu verlängern, bis das Elixier neu gebraut war!

Gandora diskutierte selbstverständlich nicht. Er knurrte den Unterweltler an und wandte sich zu der Stelle um, wo Eria sich um Sorc kümmerte. Aber Crimson konnte nicht darauf achten, wenn er die nächsten Minuten überleben wollte. Er suchte nach einer engeren Verbindung zu seinem Schlossherz und dessen Erinnerungen an frühere Herren, griff nach der Kraftquelle, mit der er verbunden war. Während er das tat, fegte etwas alle Zweifel hinweg – wie bei dem Ritual der Seelenübertragung, als er zum ersten Mal in Kontakt mit dem Chaos und seinen Möglichkeiten gekommen war.

Als der Unterweltler den nächsten Angriff nach ihm schleuderte, war Crimson nicht direkt vorbereitet, aber er reagierte – ohne genau zu wissen, was er tat. Ihm kam es vor, als ob Urinstinkte in ihm erwachten, oder begrabene Erinnerungen, die nur auf ihren Einsatz warteten. Was immer es war, er ergab sich diesem Gefühl, wehrte sich nicht, sondern ließ alles willig geschehen.

Crimson riss die freie Hand nach oben und rief die magischen Energien herbei, damit sich auch auf seiner Seite ein finsteres Geschoss bildete. Doch er warf es nicht auf den Gegner, sondern ließ sich auf ein Knie sinken und beugte den Oberkörper weit vor, wobei er zugleich dem Angriff auswich und seinen auf den Weg schickte.

Gras und Erde flogen seitlich weg, als sein Gegenangriff sich den Weg zum Ziel bahnte. Sofort tat Crimson es noch einmal, doch nun ließ er die Kraft durch die Luft schießen und in Form von Blitzen auf den Unterweltler niedergehen. Er sah gar nicht erst nach, ob er traf. Als einige von den Finsternisangriffen des Gegners in seine Richtung kamen – kleiner, dafür mehr als vorher – schlug er sie erneut mit dem Stab weg und ließ sich von dem elektrisierenden Effekt noch weiter anstacheln. Er schuf die Energiekugeln, als stünde die Magie nur zu seiner Benutzung bereit, und er musste einfach hinfassen und etwas davon nehmen. Jedes Mal ließ er sich etwas Neues einfallen: Mal schickte er sie frontal auf den Feind zu, mal riss er den Boden dabei auf oder bildete einen Lichtbogen, einmal verwandelte er eine ganze Kugel in kleine Splitter und schickte sie als Funkenregen aus.

Und dann traf sein Stab auf einen Körper. Besser gesagt, auf eine Hand. Er war dem Unterweltler sehr nahe gekommen, und dieser wehrte nun seinen Schlag ab, indem er das obere Ende des Stabes packte.

Crimson sah die dämonischen Augen aufglühen. Er überlegte nicht lange und schickte seine verbliebene Kraft in seinen Stab. Aus der Kugel am oberen Ende entlud sich ein Wellenbewegungszauber, so dass es völlig egal war, in welche Richtung der Stab zeigte. Aber der Weißhaarige fühlte sich langsam am Ende seiner Kräfte. Seine Hände brannten, wahrscheinlich versuchte sein Gegner ebenfalls, ihn in einem letzten Versuch zu schlagen. Das Duell artete in einen Wettstreit des Willens aus.

„Ich verbanne dich aus dieser Realität!“ brüllte Crimson dem anderen entgegen. „Auf dass du den Weg nie wieder hierher zurückfindest!“

Etwas erschütterte die Luft. Crimsons Gehör setzte sekundenweise aus. Er hatte keine Ahnung, was er da gesagt hatte – teilweise kam es ihm vor, als handelte jemand anderes und er sah nur zu. Die Druckwelle seines eigenen Zaubers schleuderte ihn zu Boden, wo er für einen Moment benommen liegen blieb.

Als er nach drei Sekunden nicht starb, vermutete er, dass er wohl gewonnen hatte. Er blinzelte in den violetten Himmel und bemerkte, dass um ihn herum immer noch gekämpft wurde. Vielleicht sprach sich gerade erst herum, dass der Anführer fehlte.

Sich hinzusetzen erwies sich als schwierig. Jeder Knochen und jede Muskelfaser schmerzte. Etwas sagte ihm, dass sein Vorrat an Magie völlig aufgebraucht war. Am liebsten wollte er einfach liegen bleiben und sich ausruhen, doch er kämpfte sich auf die Füße, wobei ihm wieder einmal der Stab als Stütze diente. Doch dieses Mal blieb er einfach stehen und sah sich um, wagte es nicht, auf die stützende Wirkung des Stabes zu verzichten.

„Hey, Crimson...“ Dark kam auf ihn zu. „Seit wann kannst du Leute aus dem Spiel entfernen?“

„Kann ich nicht,“ murmelte Crimson. Vielleicht hatte er es eben getan, aber aus irgendeinem Grund erschien ihm das nicht widersprüchlich. Er musterte seinen Cousin.

Darks Kleidung, sofern noch vorhanden, troff von Blut, allerdings konnte es sich dabei nicht nur um seines handeln, er sah schließlich noch ganz munter aus. Wie schlimm er verletzt war, ließ sich schwer beurteilen, denn Staub und Finsterling-Schleim taten ihr Übriges, um seine Erscheinung zu verschlimmern. Wie auch immer, von dem Schwertkämpfer, diesem Gorz, fehlte jede Spur.

Dark lächelte ihn verstehend an und schien genau zu wissen, was eben mit ihm passiert war – besser als Crimson das selbst begriff.

„Wo ist Eria?“

„Mit Sorc auf Gandora weggeflogen. Aber ich hab's nur aus dem Augenwinkel gesehen, weil mich der Typ noch beschäftigt hat, als das passierte.“

Beide blickten um sich, wobei sie sich gegenseitig mehr oder weniger den Rücken freihielten. Crimson befürchtete, dass er nicht mehr besonders nützlich wäre in einem neuen Kampf.

Obwohl sie die vermeintlich mächtigsten Mitstreiter des Feindes besiegt hatten, was sicher nicht unbemerkt blieb, ergriffen die restlichen Mitglieder der Truppe nicht die Flucht, und es gab immer noch Finsterlinge.

„Das ist... sehr merkwürdig,“ stellte Dark fest.

Crimson nickte bedächtig. „Aber wir müssen auf jeden Fall zum Schloss zurück und uns verarzten lassen. Ich rufe einen Drachen...“ Denn zu Fuß glaubte er nicht, dass er es noch schaffen konnte. Ein Blick zum Schloss bestätigte, dass der Alchemieturm in Trümmern lag.

Dark bemerkte es und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Lass dich nicht unterkriegen, Crimson. Vielleicht war ein Schutzbann auf dem Kessel oder so.“

Ob das bei dieser Zerstörung noch half? Die ganze oberste Etage und Teile der nächsten fehlten. „Wo ist eigentlich Yugi geblieben?“ fiel es Crimson auf.

Dark deutete etwas weiter ins Landesinnere. Dort kämpfte Slifer noch mit dem fünfköpfigen Drachen. „Er hat den Kampf woanders hin verlagert.“

„Sie nähern sich dem Dorf,“ stellte Crimson fest. „Wir müssen schnell etwas unternehmen.“

Einer seiner Drachen tauchte bei ihm auf und trug ihn zum Schloss zurück. Dark flog nebenher, um eventuelle Angreifer abzuwehren. Als sie das Schloss betraten, kam eine der Küchenmägte, auch bekannt als Lady Charoselles Spionin, auf den Schlossherrn zu.

„Da seid Ihr ja endlich, Meister Crimson. Hier, der Bengel mit den strubbeligen Haaren hat mich geschickt, das hier zu holen. Ich soll eine Sonderprämie dafür kriegen.“ Sie drückte ihm ein welkes Bündel Grünzeug in die Hand.

Crimson starrte es sekundenlang völlig überrumpelt an. „Das... brauche ich für das Elixier... oder würde es brauchen, wenn der Turm noch stehen würde...“

Da materialisierte sich Cathy. Sein Haar zeigte einen dunklen, blutroten Ton, und generell wiesen abweichende Farben darauf hin, dass Sorcs Bewusstsein bei ihm war. „Crimson, der Kessel befindet sich nicht im Turm. Wir haben ihn vorhin in dein Büro gebracht, mitsamt einem Großteil deiner Zutaten.“ Cathy blickte verlegen zur Seite. „Tut mir sehr Leid, dass ich es dir nicht eher gesagt habe...“

„Was ist mit meiner Prämie?“ beharrte das Küchenmädchen.

Crimson umarmte das Mädchen impulsiv. „Die kriegst du gerne, aber nicht jetzt. Ich muss zum Kessel. Anscheinend... ist ja doch noch nicht alles verloren...“ Es war kaum zu glauben. Crimson hatte in seiner Aufregung auch ganz vergessen, dass noch Sachen geholt werden mussten, aber Yugi nicht. Der Junge hatte wirklich ein Talent, die Nerven zu bewahren.

„Alle Schüler und sonstigen Verbündeten von uns, die noch draußen sind, sollen sich zurückziehen,“ ordnete Crimson schweren Herzens an. „Ich will keine weiteren Opfer.“

Cathy widersprach nicht, auch Dark schwieg. Crimson begab sich zu seinem Büro und fand sein Elixier noch intakt vor. Seine Leute hatten es mit der richtigen Hitzemenge unter dem Kessel versorgt und auf dem Schreibtisch aufgebaut, wo auch der Hauptteil seiner Zutaten nun lagerte. Er zerhackte das neue Kraut und rührte es in die Brühe. Danach ließ er sich in einen der Besucherstühle sinken. Auch wenn er wieder Hoffnung schöpfte, blieb immer noch die feindliche Belagerung. Wenn nicht wundersamerweise Hilfe kam... aber sicherlich waren doch schon Boten unterwegs, oder nicht? Obwohl... wer denn? Sie brauchten hier jeden Mann und jede Frau.

Crimson saß einige Minuten da und ergab sich seiner Verzweiflung, ehe er sich auf die Füße zwang und zur Krankenstation schleppte. Er musste wissen, wie es um Sorc stand und ob Mava in absehbarer Zeit wieder kämpfen konnte. Viel länger wollte er es Yugi nicht zumuten, sich um den Fünfgötterdrachen zu kümmern.
 

Auf der Krankenstation war einiges los. Rosi und Saambell, die kleinsten im Schloss, saßen auf Stühlen an der Seite und dösten. Neben ihnen befanden sich schachteln mit Verbänden. Anscheinend halfen sie hier aus, und wenn es nur war, damit sie nicht auf dumme Gedanken kamen.

Mava lag in einem der Betten, Sorc direkt daneben. Ein weiteres Bett belegte Legend, und das letzte Olvin. Lily stand bei ihm und ließ ihre Hände über seinen Körper wandern, wobei grünliche Schlieren aus ihren Fingern kamen. Sie kniff die Augen zu und murmelte konzentriert vor sich hin. Ihre Stirn zeigte dabei Furchen der Anstrengung.

Crimson begab sich zu den beiden. „Olvin... hast du Sorc geheilt?“

Der Alte wandte ihm ein Gesicht zu, dessen Falten viel tiefer wirkten als sonst. „Er wäre gestorben, das Blut lief in seine Lunge. Aber mehr kann ich für den Moment nicht mehr tun. Deine Schülerin hat eine passable Ersthilfe geleistet. Ich habe mich darauf beschränkt, ihn zu stabilisieren, den Rest müssen jetzt deine Heiltränke schaffen.“

Crimson schloss kurz die Augen, um die Demütigung nieder zu kämpfen. Er hätte es sein müssen, der sich um erste Hilfe kümmerte, statt dass Eria das tun musste. Er hätte...

Cathy erschien neben ihm, und zugleich schoben sich andere Gedanken in den Vordergrund. Es nützte nichts, sich im Nachhinein Vorwürfe zu machen. Statt dessen galt es, aus den Fehlern zu lernen. Ja, das hatten auch schon die Stimmen gesagt... seine Vorgänger, vermutete er inzwischen.

„Ich hätte dich nicht da draußen im Stich lassen dürfen, Sorc,“ sagte Crimson zu Cathy, da der Geist noch immer des Chaoshexers Bewusstwein trug, erkennbar an den Farben.

Cathy schüttelte den Kopf. „Wenn ich dir nur vorher gesagt hätte, dass der Kessel nicht mehr im Turm ist, wäre das nicht passiert.“

„Trotzdem... ich hätte die Prioritäten anders setzen müssen. Der Trank wäre hinüber gewesen, und in dem Moment hätte ich ihn gedanklich abschreiben müssen, um mich auf den Kampf zu konzentrieren.“

Olvin, der den Austausch verfolgt hatte, schnaufte verächtlich. „Naja, ich sehe ja noch Hoffnung, Jungchen. Und du, Sorc, solltest dein Bewusstsein mal lieber in deinen Körper zurück schicken.“

„Nein,“ widersprach Cathy. „Ich habe Crimson versprochen, ihn mit allem zu unterstützen, was ich habe.“

„Wenn du das noch länger tut willst, solltest du einen Rat von einem alten Heiler annehmen. Dein Körper heilt besser, wenn dein Geist sich darauf konzentrieren kann und sich nicht mit anderen Dingen beschäftigt. Du solltest dich ausruhen, Körper und Geist.“

Crimson fiel auf, dass Olvin in diesem Zusammenhang nicht von der Seele sprach.

Sorc warf einen zweifelnden Blick auf seinen richtigen Körper.

„Du hattest eine Eins in Heilkunde. Also weißt du, dass die gängige Theorie Olvin Recht gibt,“ sagte Crimson.

„Ich bin erstaunt, das von dir zu hören,“ stichelte der Necromant.

Crimson ging nicht darauf ein. „Sorc, schlaf ein bisschen, solange es geht. Ich werde dich später brauchen.“ Er trat neben Sorcs Bett und betrachtete den Verletzten. Die blaue Haut wirkte eher grau, und der ganze Oberkörper war dick bandagiert.

Cathy schwebte neben ihm her, warf seinem Herrn noch einen fragenden Blick zu, doch als dieser sich nicht anders entschied, schloss er kurz die Augen, und seine Gestalt veränderte die Farben zurück zu den ursprünglichen.

Erwartungsvoll beobachtete Crimson Sorcs Gesicht. In diesem zuckten kurz darauf die Augen, und der Mann gab ein leises Seufzen von sich. Nach einer Sekunde wandelte es sich zu einem eher schmerzlich klingenden Laut. Die Augen öffneten sich einen Spalt breit, fokussierten jedoch nichts, sondern schlossen sich gleich wieder.

[„Ich schlafe eine Runde... wie du es wünschst,“] erklang die bekannte Stimme in Crimsons Kopf. [„Wenn du mich brauchst... Cathy kann... mich...“] An dieser Stelle brach die Verbindung ab.

Crimson nahm an, dass der Patient ein Mittel bekommen hatte, das ihn müde machte. Viele Heiltränke hatten diesen Nebeneffekt. So war es sicher gut – Schlaf ersparte Sorc Schmerzen.

„Er hätte gar nicht so weit raus gehen sollen,“ kommentierte Olvin. „Ich sag's ja, der Kerl ist ein Vollidiot.“

„Rede nicht so über ihn,“ beschwerte Lily sich.

„Hat er dir erzählt, was er hier in unserer Abwesenheit getrieben hat?“ hakte Olvin nach.

Lily hob trotzig das Kinn. „Wir... hatten noch keine Gelegenheit.“

„Na dann soll er es dir mal erzählen, wenn sich eine ergibt, das ist seine Sache.“

Da stimmte Crimson dem Alten zu – niemand von ihnen wusste, ob Sorc es bekannt machen wollte, dass er so eng mit dem Schloss verbunden war, schließlich machte ihn das auch zu einer Zielscheibe. Sofern es darauf noch ankam. Die derzeitigen Angreifer hatten es anscheinend auf ihn und den Schlossherrn abgesehen. Warum nur? Crimson konnte sich eigentlich nicht vorstellen, dass jemand aus seinem Bekanntenkreis so weit gehen würde. Oder konnte es sein...

Er musste an den Sohn von Olvin denken, den er noch gar nicht persönlich kannte, aber der hegte vielleicht einen Groll gegen ihn – und gegen Sorc. Shiro hatte dem Mann vielleicht berichtet, dass Olvin zuletzt für den Chaoshexer gearbeitet und seine Gesundheit dabei noch mehr geschädigt hatte. Ja, das erschien sehr plausibel. Aber warum dann das ganze Schloss mit all seinen wenigen Bewohnern gefährden?

„Crimson?“

Er fuhr herum und sah sich Blacky gegenüber. Der Magier wirkte erschöpft, aber bis auf ein paar Risse in der Kleidung und Kratzer auf der Haut sah er unverletzt aus.

„Man hat mir gesagt, Sorc wäre hier.“

In dem Moment kam auch Fire herein gerannt. „Wo is mein Alder?“

„Er wurde von einem Schwert durchbohrt,“ sagte Crimson. „Aber Olvin hat seinen Zustand stabilisieren können. Er schläft jetzt.“

Die beiden näherten sich leise dem Bett, berührten ihren Vater vorsichtig, jedoch darum bemüht, ihn nicht zu wecken. So verschieden Blacky und Fire auch waren... irgendetwas an ihnen ähnelte sich auch. Vielleicht, wie sie sich bewegten, oder die generelle Form des Gesichtes... etwas, das nicht gleich auffiel. Oder möglicherweise die Art, wie sie sich beide sorgenvoll über das Bett beugten.

Allmählich kehrten alle Schüler zurück, und auch Cross tauchte auf. Crimson hatte eigentlich keine Möglichkeit, ein entsprechendes Signal auszusenden, aber er sorgte dafür, dass alle, die zu einer Pause herein kamen, auch drinnen blieben.

[„Ruin und Demise sind eingetrroffen,“] ließ Cathy ihn schließlich wissen. [„Sie mischen sich in das Kampfgeschehen.“]

„Sollen sie ruhig... das kann uns nur helfen. Sie werden hoffentlich auch irgendwann herein kommen.“

Crimson machte sich auf die Suche nach Eria. Als Schlossherr fand er sie natürlich schnell, nämlich in einem der Betten, die seit der Schattenfieberepedemie in den zusätzlichen Krankenzimmern standen. Momentan zahlte es sich bestimmt aus, dass diese Einrichtung noch vorhanden war, denn soweit er das mitbekommen hatte, gab es viele Verletzte.

Eria saß auf einem Bett an der Wand und schaukelte hin und her, die Arme um die Knie geschlungen. Ihr Gesicht glänzte von Tränen. Crimson setzte sich wortlos neben sie.

„Ich hab... noch nie gesehen, wie jemand stirbt,“ murmelte sie nach einer Weile. „Und noch nie... wie jemand getötet wird...“

Crimson legte einen Arm um sie, ohne sie darauf hinzuweisen, dass Sorc bestimmt überlebte. Theoretisch hatte sie Recht: Ohne einen Heiler wie Olvin wäre Sorc gestorben. Das taten die meisten Menschen, die auf dem Schlachtfeld eine Verletzung dieser Art erlitten. Manch einer war sofort tot, statt noch das Blut in seiner Lunge spüren zu können und daran zu ersticken. Glücklicherweise, dachte Crimson. Der Tod kann eine Gnade sein.

„Aber du hast die Nerven behalten und das Richtige getan,“ versuchte er das Mädchen zu trösten. „Das, was ich hätte tun sollen.“

Eria bekam einen noch heftigeren Weinanfall. „Ich... hatte so Panik, dass es falsch ist...! Wenn er nun wegen mir gestorben wäre...“

Crimson fand es schwierig, die richtigen Worte zu finden. „Ähm... hör mal, in dieser Situation war alles besser, als gar nichts zu tun. Durch deine Hilfe konnte Sorc lebend unsere Krankenstation erreichen.“

„Ich bin so ein schlechter Mensch!“ jammerte sie. „Ich wollte ihn neulich doch auch ermorden. Oder... ihm zumindest sehr wehtun. Ich weiß nicht mehr, was ich zu dem Zeitpunkt wirklich wollte... einfach irgendeine Form der Rache. Aber dieser Krieger vorhin... der war so brutal... er hatte überhaupt keinen Grund, das zu tun!“

„Wahrscheinlich bezahlt ihn jemand dafür,“ murmelte Crimson. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Anführer seinen Kriegern versprochen hat, dass es bei uns einen Schatz zu holen gibt, wenn sie das Schloss stürmen.“

Eria tastete ihre Taschen nach einen Schneuztuch ab, fand aber nur ein blut- und schweißdurchtränktes, das sie dann trotzdem benutzte. „Ich hätte nicht so wild auf den Kampf sein sollen, wie du es gesagt hast... Aber zuerst war es total aufregend, all diese Eiszauber so frei einzusetzen. Das kann ich ja sonst nur selten.“

„Das ist dir auch gelungen. Aber es ist vielleicht gut, dass du eine schlimme Erfahrung gemacht hast. Das wird dich nächstes Mal etwas vorsichtiger sein lassen.“ Crimson verspürte das Bedürfnis, sich seinerseits bei ihr über sein Versagen auszuheulen, aber das wäre unangemessen gewesen und außerdem völlig unpassend – jetzt ging es erst einmal um sie. Als ihr Lehrer musste er sie stärken und nicht von ihr verlangen, dass sie auch noch für ihn da war. Wieder einmal fühlte er sich unreif, nicht gut genug, um eine Schülerin zu haben. Halbherzig versuchte er selbst, diese Gedanken wegzuschieben und seine Fehler als lehrreiche Erfahrung zu betrachten, aber es gelang ihm nicht besonders gut.

„Was machen wir denn jetzt?“ wollte sie wissen. „Diese Typen sind doch besiegt, aber warum geht der Angriff weiter?“

„Anscheinend waren das nicht die Anführer, obwohl wir das erst einmal angenommen haben. Wir müssen im Moment auf Hilfe hoffen... unsere Leute sind alle geschwächt und verwundet. Ich will nicht, dass wirklich noch jemand stirbt.“

„Aber wenn wir uns nicht wehren, wird das Schloss dann nicht überrannt?“

Das befürchtete Crimson auch. „Wir können eine Weile aushalten, so dass wir uns zumindest alle erholen werden,“ sagte er dennoch. „In der Zeit fällt uns schon etwas ein, falls keine Hilfe kommt. Am besten versuchst du auch zu schlafen.“

Eria ließ den Kopf hängen, als hätte sie alle Hoffnung verloren. „Ist gut... aber ich weiß nicht, ob ich einschlafen kann.“ Sie ließ sich direkt in dieses Bett fallen, auf dem sie saß.

Crimson blieb noch einen Moment bei ihr und beobachtete, wie sie die Augen schloss und sich etwas zurechtlegte. Erschöpft wie sie war, schlief sie schneller ein, als er gedacht hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  jyorie
2014-06-07T14:49:53+00:00 07.06.2014 16:49
Hey ◠‿◠

das war toll, als Chrimson auf einmal zugriff erhalten hat auf
das wissen der alten Schlossherren und auch das er so viel
über das Chaos gelernt hat, das er es einfach zulassen konnte
diese Macht zu gebrauchen und sich lenken zu lassen. Wahnsinn
wie er da kämpfen konnte. Und dann dachte man schon, mit diesem
Sieg ist es endlich vorbei und sie werden noch weiter angegriffen,
irgendwie deprimierend. Aber wenn sie jetzt erstmal so in sicherheit
sind, das sie es sich leisten können, auszuruhen, dann sieht Chrimson
ja auch etwas licht am ende des Tunels, vorallem jetzt wo er weiß,
das der Trank in sicherheit ist ;D cool ^^-

CuCu, Jyorie

Von:  Hikari-Yumi
2014-06-06T20:13:38+00:00 06.06.2014 22:13
So hier ist Nummer zwei.
Besonders gut hat mir überraschenderweise der Part mit Eria gefallen, auch wenn ich sie ja seit dem Vorfall im Bad nicht mehr so mag... Schön, dass auch mal der Aspekt des tötens beleuchtet wird. Die erfahreneren aben ja schon oft gekämpft, aber sie ja nicht.
Ich frage mich, ob das nicht noch ein Nachteil wird, das Sorc schläft... Aber für ihn ist es gut.
Ob yugi hinterher halbtot ist? Ich meine slifer strengt ihn ja schon an...?
Ich kommentiere den fiesen cliffie (?) mit dem Trank mal nicht.......
Glg
Antwort von:  Purple_Moon
07.06.2014 15:45
Mir ist inzwischen eingefallen, dass Eria schonmal an Crimsons Seite gekämpft hat - in #1. Aber da war es für sie wohl nicht ganz so schlimm. Vielleicht will sie was beweisen, so als Amazonentochter.^^
Hm der Cliffie ist schon aufgeklärt, oder? der Trank lebt ja noch. Aber jetzt ist nur noch ein Tag Zeit, bis er fertig werden muss. Wir werden es ja bald erleben!
Jetzt am langen WE werde ich sicherlich was schaffen, aber vermutlich auch viele andere, also hoffe ich mal, dass ihr nicht zu lange warten müsst.


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