Zum Inhalt der Seite

seven days without you

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Donnerstag

Schweißgebadet saß Kai senkrecht in seinem Bett. Der schrille Ton seines Weckers durchschnitt die Stille seines Zimmers. Verwirrt strich er sich die Haare aus dem Gesicht, amtete tief durch. Der Streit mit Uruha. Hatte er doch nur geträumt? Sie würden sich nie in diesem Ausmaß streiten … oder?

Er griff nach seinem Handy, blätterte die Anruferliste durch.

14. Juni 23:36 Uruha

Es war kein Traum. Sie hatten gestern Abend wirklich miteinander telefoniert und sich gestritten. Und das nur, wegen einem vergessenen Anruf und dem verlorenen Foto. Aber wie konnte Uruha nur denken, dass er ihm nichts mehr bedeutete? Wer hatte ihm das eingeredet oder war ihre Liebe etwa doch nicht so stark, dass sie innerhalb so weniger Tage schon bröckelte?
 

Seufzend schlug Kai die Bettdecke zurück und trottete niedergeschlagen ins Bad. Er sollte ihn vielleicht anrufen, aber … so wie er Uruha kannte, würde er seinen Anruf vermutlich ablehnen oder einfach ignorieren. Wenn sein Freund sauer war, dann zeigte er es auch mit allen Mitteln. Verzweifelt sah Kai in den Spiegel. Was verdammt sollte er tun?! Er drehte den Wasserhahn auf, spritzte sich etwas von dem kühlen Nass ins Gesicht. Ihm schreiben? Ja, er könnte ihm eine SMS schicken, ihm darin alles erklären und sich ordentlich entschuldigen. Eine perfekte Idee.
 

Stolz auf sich lief Kai zurück ins Zimmer, setzte sich auf sein Bett und fing an zu schreiben. Es würde eine lange Nachricht werden und ihm sicher das halbe Guthaben kosten, aber wenn das die einzige Möglichkeit war, an Uruha ranzukommen, war es das allemal wert. Er begann zu tippen und als er gerade eine Erklärung für sein Verhalten der letzten Tage Uruha gegenüber aufzählen wollte, klingelte es unten an der Haustür. Wer klingelte denn um diese Uhrzeit? Wenn es wichtig war, könnte er auch am Nachmittag wieder kommen.

Kai schüttelte den Kopf und schrieb weiter, bis es erneut klingelte.
 

Mist, jetzt musste er aufmachen, ansonsten würde seine Mutter noch wach werden. Er warf das Handy aufs Bett und ging genervt nach unten. Mit einem Ruck riss er die Tür auf und wollte gerade losschimpfen, als er die Person vor sich erkannte.

„Hi, Kai“, lächelte Aoi ihn an. Er wollte antworten, doch sein Kopf war wie leergefegt. Bei dem Anblick des Schwarzhaarigen schlug sein Herz wie verrückt, Glücksgefühle strömten durch seinen Körper.

„Ich wollte dich abholen, dann können wir zusammen zur Schule fahren.“ Kai nickte. „Klar, gern! Ich … zieh’ mich nur schnell an!“ Eilig rannte er die Treppe nach oben, schlüpfte in seine Uniform und besah sich im Spiegel. Seine Haare standen in alle möglichen Richtungen. So konnte er Aoi doch nicht unter die Augen treten! Er griff sich seine Bürste und das Haarspray seiner Mutter. Wie hatte Uruha ihn damals bei Kazukis Party die Haare gestylt? Er schloss die Augen, versuchte sich bildlich daran zu erinnern. Er nahm sich eine Haarsträhne und brachte sie mit dem Spray in Form. So ging er auch mit den nächsten vor. Nach zehn Minuten war Kai fertig und wirklich stolz auf sich.
 

Jetzt musste er sich aber beeilen, Aoi wartete sicher schon. Er schnappte sich seine Tasche und stieg die Treppe hinab.

„Okay, wir können los.“

Aoi musterte ihn, bevor er lächelte. „Die Frisur steht dir. Könntest du ruhig öfters tragen.“ Kai wurde rot. „Danke“, nuschelte er leise. Irgendwie freute er sich über das Kompliment. Und außerdem kam es von seinem Aoi. Moment, was dachte er da?!

Sein Aoi?! Aber ... in gewisser Weise wünschte er sich schon, dass Aoi zu ihm gehörte. Sein Freund war. Oder waren sie das schon ... Freunde?

„Kommst du?“, Aoi war schon einige Meter vor gelaufen, wartete nun auf ihn. Kai nickte, nahm seinen Schlüssel und zog die Tür hinter sich zu.
 

„Sag’ mal“, sie liefen gerade zur Haltestelle, „hättest du vielleicht Lust, das Wochenende bei mir zu übernachten?“ Kai sah ihn erstaunt an. Das kam plötzlich. Immerhin kannten sie sich doch fast gar nicht. Nur das eine Mal in dieser Höhle ... Aber es war nicht so, dass er nicht wollte. Ganz im Gegenteil, er freute sich über die Einladung. Endlich suchte Aoi auch den Kontakt zu ihm.

„Ich will dich nicht zwingen, also ... wenn du nicht möchtest, ist das okay.“

„Nein“, Kai schüttelte den Kopf, „ich komm’ gern.“ Aoi lächelte.

„Cool. Dann ... wollen wir morgen direkt nach der Schule zu mir?“ „Yep. Ist gut.“

Warum verdammt schlug sein Herz jetzt so schnell? Er hatte doch nur eine Einladung zum Übernachten bekommen, das war nichts Besonderes! Aber trotzdem kribbelte es in seinem ganzen Körper, seine Hände zitterten leicht und er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss, als Aoi ihm durch die Haare wuschelte.
 

Ja, er fühlte sich einfach wohl in seiner Nähe und er hätte noch den ganzen Tag mit ihm hier in dem kleinen Wartehäuschen sitzen können. Aber leider machte ihm der Bus einen Strich durch die Rechnung, der nun genau jetzt hier auftauchen musste. Widerwillig folgte er Aoi in das Verkehrsmittel, hielt dem Fahrer sein Ticket entgegen und zusammen setzten sie sich in die letzte Reihe. Zwei Mädchen ließen sich auf die Sitzplätze vor ihnen nieder. Die eine hatte schulterlange, honigblonde Haare. Wie Uruha. Kai seufzte und legte den Kopf in den Nacken. Er wollte jetzt nicht an Uruha denken, an den Streit und ihre Beziehung ... Er griff in seine Hosentasche, wollte sein Handy rausholen, doch er fasste ins Leere. Wo war – Nein! Er hatte es zu Hause auf seinem Bett liegen gelassen! Verdammt! Jetzt konnte er sich doch nicht mal rechtzeitig bei ihm entschuldigen. Wie sah es denn aus, wenn er erst heute Abend schrieb? Das würde auf Uruha viel mehr gezwungen und nicht ehrlich gemeint wirken. In der Hinsicht lief heute aber auch alles schief ...
 

„Alles okay?“, Aoi legte ihm eine Hand auf die Schulter und es war, als würden tausende kleine Stromschläge durch seinen Körper fließen. Er strich sich übers Gesicht. „Nein, ich bin nur müde.“ Er lächelte, doch Aoi musterte ihn skeptisch. „Sicher? Du sieht ein wenig traurig aus.“ „Na ja, ich vermisse nur ein bisschen meine alte Schule.“ Aoi nickte. „Verstehe. Aber in den Ferien kannst du sicher für ein paar Wochen hin fahren.“ Kai zuckte nur mit den Schultern.
 

„Aoi?“, setzte er nach einigen Minuten Schweigen zwischen ihnen wieder an, „Kann ich dich was fragen?“ Der Schwarzhaarige sah ihn an. „Ähm ... sicher.“

„Warum bist du in der Schule so komisch? Ich meine, sobald du bei Reita und ... Ruki bist, tust du so, als würdest du mich nicht kennen und ... trotzdem beobachtest du mich.“ Aoi senkte den Kopf, zupfte nervös an dem Saum seines schwarzen T-Shirts.

„Weißt du ... ich ... also ... das ist so ... wir ...“, der Bus hielt abrupt und Aoi hob erschrocken den Kopf. „Oh, wir müssen raus!“, so schnell wie er seinen Rucksack geschultert hatte und aus dem Fahrzeug gelaufen war, konnte Kai gar nicht gucken. Er kräuselte die Stirn und ließ sich mit den anderen Schülern hinaustreiben. Doch draußen war Aoi wie vom Erdboden verschluckt. So schnell konnte er doch niemals ins Schulgebäude gekommen sein ... oder?

Er machte sich schon wieder viel zu viele Gedanken. Er sollte lieber den Tag hinter sich bringen und sich auf das Wochenende freuen. Zwei Tage würde er bei Aoi sein. Ununterbrochen. Sein Herz hämmerte schon wieder so hart gegen seine Brust ...
 

Tanaka-san musterte ihn. „Endlich mal wieder pünktlich, Uke-san?“ Kai lächelte beschämt. „Tut mir leid, wegen den letzten zwei Tagen. Aber ... wir hatten noch so viel um Ohren wegen dem Umzug und da habe ich wirklich vergessen, meinen Wecker zu stellen.“ Ein paar Notlügen einzubauen, war doch wohl nicht verboten. „Keine Sorge. Die zwei Fehlstunden werden nicht auf ihrem Zeugnis vermerkt.“ Er zwinkerte Kai zu, der schnell zu seinem Platz flüchtete. Er wollte nicht zum Liebling von Tanaka-san werden. Überrascht stellte er seine Tasche auf den Tisch.

Seit wann war denn Reita pünktlich? Kai packte seine Sachen aus und setzte sich.

Ob er ihn auf gestern ansprechen konnte? Vielleicht war ja der ’gute’ Reita irgendwie aus ihm rauszukitzeln.
 

„Reita? Wegen gestern –“ „Halt die Klappe“, zischte der ihm sofort entgegen, „ich sagte, du sollst es für dich behalten. Vergiss’ einfach, was du gesehen hast.“

Anscheinend war er wieder voll und ganz der Alte. „Ich wollte dir nur sagen, dass du deine ’andere’ Seite ruhig mal öfter zeigen könntest. Die steht dir um einiges mehr.“

Aber der Blonde reagierte gar nicht, sah nur stur aus dem Fenster.
 

Den Rest des Tages überstand er ohne großartige Zwischenfälle. In Chemie bekam er sogar eine eins für seine mündliche Mitarbeit.

„Es geht doch mit dir“, hatte seine Lehrerin ihm am Ende der Stunde zugeflüstert. Ja, Kai konnte wirklich stolz auf sich sein. Heute meinte man es wohl gut mit ihm, selbst im Sportunterricht. Ihr Lehrer war der Meinung, sie könnten bei diesem schönen Wetter ruhig mal wieder ’nach draußen gehen und an der frischen Luft trainieren’. Damit war eindeutig ein Fußballspiel gemeint. Die Klasse war getrennter Meinung, während die Jungen schon begeistert nach draußen liefen und die Tore aufstellten, versuchten die Mädchen den Lehrer noch umzustimmen. Aber wenn der sich erstmal für ein Stundenthema entschieden hatte, konnte ihn nichts mehr davon abbringen.
 

Kai konnte bei den beleidigten Gesichtern der Mädchen nur grinsen. Es ging nun mal nicht immer nach ihren feinsäuberlich gepuderten Nasen.

Doch das nächste ’Problem’ wartete bereits. Die zwei Mannschaften wurden gewählt:

von Shou und Reita. Die anderen stellten sich in eine Reihe, warteten darauf, endlich aufgerufen zu werden. Shou wählte zuerst Hiroto, wie sollte es auch anders sein, und gab Kai ein Zeichen, dass er ihn als Nächstes nehmen würde. Doch ...

„Kai“, sagte Reita laut und deutlich und zeigte hinter sich. W-Was? Reita hatte ihn doch nicht gerade ernsthaft in sein Team gewählt. Warum tat er das?

Wortlos stellte er sich hinter Reita, der ihn nur grinsend betrachtete.

„Pech für den kleinen Uke“, flüsterte er.
 

Das würde er noch zurückbekommen! Und die Gelegenheit dafür, würde Kai auch bald kriegen. Schon in den ersten zehn Minuten hatte Reita mehrmals die Chance gehabt, ein Tor zu schießen und sie nicht genutzt.

Erst als Kai versuchte, ihm den Ball abzunehmen, schoss er und ... traf den Pfosten. Sein Team stöhnte genervt auf.

„Warum hast du mir den Ball nicht zugespielt?“ Reita zuckte nur mit den Schultern und joggte in ihre Spielfeldhälfte zurück. Kai schüttelte den Kopf.
 

Der Lehrer pfiff an und Kai schnappte sich den Ball, rannte auf das Tor ihrer Gegner zu, als Reita ihn beiseite schubste und ihm den Ball abnahm. Fluchend machte Kai Bekanntschaft mit dem Rasen. Was sollte der Scheiß? Reita hatte ihn doch nicht gerade allen Ernstes gefoult? Sie waren doch in einem Team!

„Reita! Spinnst du?!“ „Sorry, ich hab’ dich nicht gesehen.“ Er grinste und ignorierte die Bemerkungen ihrer Mitspieler. Kai klopfte sich den Dreck von der Hose und folgte den anderen.

Wenn das so weiter ging, würden sie nie ein Tor schießen.
 

Kai holte Shin zu sich. „Kannst mir helfen? Ich will Reita ein Tor reindrücken.“ Der andere nickte. „Bei allem was mit Reita zu tun hat, bin ich dabei. Was soll ich machen?“ „Ich schieß’ dir den Ball zu und du rennst damit bis zum Tor und kurz vorher passt du ihn wieder zu mir.“ Er nickte. „Ich versuch’s.“ „Pass’ auf Reita auf!“

Shin lief zu seinem Platz und wartete. Erneut pfiff ihr Lehrer und Kai holte sich den Ball, schoss ihn zu Shin, der beinahe sofort damit losrannte, dabei Reita geschickt auswich. Kurz vor dem gegnerischen Tor passte er zu Kai, der mit aller Kraft darauf schoss und ... traf. Der Torwart hatte nicht mit dem Frontalangriff gerechnet und war zur linken Seite gesprungen. Perfekt für Kai, der es auf die rechte Ecke abgesehen hatte.
 

Sein Team jubelte und schrie. Jeder stürzte sich auf ihn, sodass er lachend zu Boden fiel. Reita stand schnaubend neben dem Getümmel und man konnte sehen, wie angepisst er war. Nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten, konnte Kai sich endlich aus der begeisterten Masse herausschieben. Erwartungsvoll sah er zu Reita.

„Zufall“, knurrte er jedoch nur und schob sich an Kai vorbei. Ein wenig enttäuscht war er schon. Irgendwie hatte er doch ein paar anerkennende Worte erwartet.
 

Noch fünf Minuten und Kai wollte unbedingt ein zweites Tor schießen. Aber so sehr er sich auch bemühte, er kam einfach nicht noch einmal an das Tor heran.

Bis Shin ihm den Ball zupasste und er im rasenden Tempo auf den Torwart zu rannte.

Er holte mit dem Fuß aus, als er plötzlich mit voller Wucht zur Seite geschubst wurde und erneut auf dem Boden landete. Er hielt sich den Kopf, mit dem er leicht aufgeschlagen war und sah hoch.

Miyavi, der Abwehrspieler der anderen Mannschaft, sah ihn erschrocken an, ehe er ihm seine Hand hinhielt. Kai nahm sie und wurde hochgezogen.

„Tut mir wirklich leid. So hart wollte ich dich eigentlich nicht treffen!“, er tastete Kais Kopf ab, als wollte er nach einer Wunde oder Beule suchen. Kai lächelte nur.

„Schon gut. Ist ja nichts passiert.“

Ihr Lehrer pfiff und kam auf sie zu. „Das war ein Foul. Eindeutig. Und außerdem im Strafraum. Glück für dich“, er sah zu Kai, „damit hast du einen Freistoß.“
 

Kai nickte. Ja, verdammt! Das war seine letzte Chance, noch sein gewünschtes zweites Tor zu schießen und er würde sie nutzen! Er nahm sich den Ball und begab sich in Position. Hinter ihm stand sein Team, welches ihm Glück wünschte und die Daumen drückte. Auch wenn es nur ein einfaches Spiel innerhalb ihrer Klasse war, wollten sie doch alle gewinnen. Also atmete Kai tief durch und sah zu dem Torwart, Kifumi, der sich aufgeregt die Hände rieb. Er hüpfte ungeduldig hin und her, versuchte schon vorher herauszufinden, wohin Kai schießen würde.
 

Das laute Pfeifen schallte über den Sportplatz. Kai rannte auf den bereitgelegten Ball zu und schoss. Er konnte aus dem Augenwinkel noch erkennen, wie Reita ihn genau musterte. Jeder hielt die Luft an. Das Netz im Tor wackelte, als der Ball hinein traf.

Laute Jubelschreie holten Kai aus seiner Art Trance zurück.

Er hatte getroffen! Er hatte wirklich getroffen!

Sein Team kam auf ihn zu gerannt und jeder umarmte ihn, stürzte sich auf ihn.

„Du bist der Wahnsinn, Kai!“

„Du kannst genial spielen!“

„Das war ein geiles Tor!“

„Du bist der beste Fußballer der Schule!“

So viele Komplimente hatte er noch nie bekommen und er sah beschämt zu Boden. Der Lehrer klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Du bist wirklich ein sehr guter Spieler. Ich bin beeindruckt von dir.“ Kai lächelte. Ja, er war sehr stolz auf sich.
 

Das Wasser tat so gut auf seiner verschwitzten Haut. Ein Glück gab es hier Duschen in den Umkleiden, bis nach Hause hätte er es sicher nicht geschafft. Er stellte das Wasser auf kalt und biss die Zähne zusammen, bevor er es schließlich ganz abdrehte. Das Handtuch band er sich um die Hüfte, obwohl er sicher auch nackt zurücklaufen könnte. Er war der Letzte. Niemand aus der Klasse duschte nach dem Unterricht hier. In Mie hatte er immer mit Uruha zusammen geduscht, aber passiert war dabei nie etwas. Hiroto sah so erschrocken aus, als Kai meinte, noch Jungfrau zu sein.

War das denn so etwas Außergewöhnliches?

Er griff nach seinem Shampoo, sah noch mal in die Duschkabine, ob er auch nichts stehen gelassen hatte. Ja, seine Vergesslichkeit war manchmal einfach nur schlimm.
 

Ob Aoi hier auch schon einmal geduscht hatte? … Nein, wie kam er nur wieder auf solche Gedanken?! Er dachte in letzter Zeit oft an ihn. Zu oft, wie er fand.

Er schüttelte den Kopf, lief zurück in die Umkleide. Das Handtuch legte er sich um den Nacken, zog seine Shorts und Hose an. Mit der einen Hand rubbelte er seine Haare trocken, während er mit der anderen kläglich versuchte, in seine Schuhe zu schlüpfen. Fluchend ließ er das Handtuch los und verknotete die Schnürsenkel.
 

Als plötzlich vor ihm zwei Füße auftauchten, zuckte er erschrocken nach hinten und sah hoch. Vor ihm stand Ruki, der ihn grinsend musterte. Kai rollte mit den Augen. „Man, hast du mich erschreckt. Hast du was vergessen?“ Er stand auf und zog sich sein Shirt über. „Nein, aber … ich denke, du hast etwas verloren.“ Kai drehte sich wieder zu ihm. Ruki hielt ihm das Foto von Uruha entgegen, welches Kai fassungslos betrachtete. „Du … du hast es mir geklaut!“ Er griff danach, doch Ruki zog es rasch zurück und steckte es in seine Jackentasche. „Geklaut würde ich es nicht nennen, oder Reita?“ „Nö. Wir haben es gefunden und behalten.“ Kais Augen weiteten sich und er drehte sich zur Tür, an der Reita lehnte. Sein Herz setzte kurzzeitig aus, als er Aoi daneben erkannte, der interessiert den Boden betrachtete, die Arme vor der Brust verschränkt. Kai drehte sich zu Ruki.

„Okay. Was wollt ihr von mir?“ Das Foto würde er sicher nicht ohne ’Gegenleistung’ wieder bekommen. Ein breites Grinsen legte sich über Rukis Gesicht.

„Gib’ Aoi einen Kuss.“ Kais Mund stand offen. Er sollte was tun?! Aber auch Aoi sah den Kleinen perplex an. Das hatten sie nicht ausgemacht.

„Das werd’ ich nicht tun!“ „Du willst doch das Foto zurück, oder? Außerdem … tu’ nicht so, als hättest du noch nie einen Jungen geküsst. Wir wissen, dass der hier“, Ruki klopfte auf seine Tasche, in der das Foto war, „dein Freund war.“

War? Eigentlich ist er immer noch mit Uruha zusammen. Oder waren sie kein Paar mehr ... nach dem Streit ...?
 

Kai sah zu Aoi, der weiterhin den Boden fixierte. Es war doch nur ein kleiner Kuss und wenn er so das Foto wiederbekommen würde …

Er umrundete die Umkleidebänke und ging auf Aoi zu, der bei dem Geräusch der näher kommenden Schritte den Kopf hob. Kai blieb vor ihm stehen und lächelte.

Es war still in dem Raum. Kai trat noch einen Schritt näher an Aoi heran, der instinktiv nach hinten weichen wollte, jedoch gegen die Wand stieß. Er riss die Augen erschrocken auf, als er wirklich Kais Lippen auf seinen spürte. Der hatte seine geschlossen und schien sich wirklich nur auf den Kuss zu konzentrieren. Es war, als würde in seinem Bauch tausende von Schmetterlingen umher tanzen und sein Herz schlug so schnell wie noch nie. Das Blut rauschte laut in seinen Ohren und eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen. Ob Aoi dasselbe fühlte? Zumindest entspannte sich sein Körper langsam und auch er schloss endlich die Augen. In Kais Kopf herrschte eine angenehme Leere. Für ihn zählte nur dieser Moment.
 

Vorsichtig lösten sie sich wieder voneinander, sahen sich unsicher in die Augen. „Wow“, flüsterte Aoi leise und lächelte beschämt. Kai musste grinsen. Ja, der Kuss war wirklich ’wow’ gewesen. Er drehte sich um, doch Ruki und Reita waren weg.

„Gehen wir zusammen nach Hause?“, fragte Aoi leise. Kai nickte nur. Sein Foto würde er wohl doch nicht bekommen …

Er nahm seine Tasche und zusammen liefen sie zur Haltestelle. Ihr Bus kam in vier Minuten. Wie am Morgen ließen sie sich wieder in der letzten Reihe nieder.

„Kai?“ „Hm?“ „Willst … willst du trotzdem bei mir übernachten?“ Kai sah ihn an. „Warum denn nicht?“ „Wegen … wegen …“ Er lächelte. „Wegen dem Kuss? Warum sollte ich deswegen nicht bei dir übernachten wollen? Ich freu mich auf das Wochenende.“

Jetzt lächelte auch Aoi wieder. Seine schwarzen Haare glänzten in dem Sonnenlicht. Er sah aus wie ein Engel, dachte Kai.
 

„Wir könnten ins Kino gehen, wenn du willst. Ist nur vier Stationen von hier entfernt.“ Kai dachte nach. Mit Aoi ins Kino? Sie beide zusammen in einem großen, dunklen Saal, eng beieinander … Warum wurde ihm bei dem Gedanken auf einmal so warm? „Klingt gut“, antwortete er bloß. „Ich geb’ dir meine Handynummer.“ Er hatte selbst keine Ahnung, wie er auf einmal auf diese Idee kam, denn auch Aoi sah ihn erstaunt an. Kai kramte seinen Kugelschreiber aus der Tasche. „Hast du einen Zettel?“ Aoi schüttelte den Kopf und Kai hatte keine Lust, erst seinen Block herauszuholen. Der Ältere hielt ihm seinen Arm hin. „Schreib’ sie hier rauf.“ Kai sah ihn an, ehe nach seinem Handgelenk griff und sofort schossen wieder diese leichten Stromstöße durch seinen Körper. Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch, bevor er mit zitternder Hand seine Nummer auf Aois Arm schrieb.

„Ich schreib’ dir heute Abend, dann hast du auch meine.“ Kai nickte nur, ihm fehlten die Worte. Seine Hand kribbelte immer noch von der Berührung.
 

Er schloss die Haustür hinter sich, ließ sich an ihr hinab sinken. Aoi hatte ihn noch nach Hause gebracht, aber was ihn viel mehr durcheinander brachte … sie hatten Händchen gehalten. Erst war es nur eine zufällige Berührung gewesen, dann hatte Aoi sich vorsichtig an seiner Jacke festgehalten, bevor sie ihre Finger schließlich ineinander verschränkt hatten. Er musste dabei sogar lächeln.
 

Kai schrieb seiner Mutter noch auf einen kleinen Zettel, dass er morgen nach der Schule gleich zu Aoi gehen würde und auch dort das Wochenende über blieb. Sie würde sich sicher freuen, dass er schon nach einer Woche einen Freund gefunden hatte. In seinem Zimmer schmiss er die Tasche in die Ecke und ließ sich auf sein Bett fallen. Es war schon nach zehn und Aoi hatte ihm immer noch nicht geschrieben.

Ob er ihn vergessen hatte? … Aber die Nummer stand doch groß auf seinem Arm, die konnte man nicht übersehen. Seufzend zog er seine Sachen aus und warf sie neben das Bett, kuschelte sich unter die Decke. Vielleicht war Aoi auch noch etwas dazwischen gekommen und deshalb konnte er sich nicht melden …
 

Genau in diesem Moment leuchtete sein Zimmer hell auf und der leise Klingelton seines Handys ertönte. Eifrig sprang er aus dem Bett und öffnete die eben eingetroffene Nachricht.
 

Ich habe mich in dich verliebt. Aoi
 

Lange starrte er noch auf das längst dunkle Display seines Handys.

Aoi … liebte … ihn?

Seine Hände zitterten. Sollte er antworten? Was sollte er schreiben? In seinem Kopf herrschte das totale Chaos. Er fühlte sich gut in Aois Nähe, manchmal etwas zu gut. Sein Herz schlug schneller, wenn ihre Blicke sich trafen, in seinem Bauch begann es zu kribbeln, sobald sie sich berührten und am liebsten hätte er den Älteren immer bei sich. Aber … war er deshalb auch verliebt? Es waren dieselben Gefühle, die er anfangs bei Uruha gehabt hatte. Wenn er jetzt an ihn dachte, fühlte er kaum etwas mehr. Sein Herz schlug nur gering schneller, nicht in dem Ausmaß, wie bei Aoi.

Waren seine Gefühle für Aoi stärker, als die für Uruha?

Kai war am Verzweifeln. Und immer noch hielt er krampfhaft sein Handy in der Hand. Er wusste nicht, was er schreiben sollte, aber wenn er ihm nicht antwortete …

Es war doch zum Haare raufen. Er ließ sich nach hinten auf die Matratze fallen, schloss seine Augen. Vor ihm tauchte Uruha auf, wie er ihn anlächelte, ihn küsste. Ja, sein Herz schlug schneller und er fühlte sich gut. Er öffnete die Augen, atmete durch und schloss sie wieder. Dann stellte er sich Aoi vor, wie er ihn in den Pausen beobachtete und der Kuss von heute Nachmittag. Sein Herz begann zu rasen und das Kribbeln in seinem Bauch wurde stärker.
 

Kai löste die Tastensperre und schrieb Aoi zurück.
 

Ich glaube, mir geht es genauso.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Morumotto
2012-07-26T22:15:34+00:00 27.07.2012 00:15
Ach du liebes bisschen, er ist doch noch mit Uruha zusammen.
Also währe ich Uruha, würde ich Kai windelweich prügeln.....
Aoi sollte schon wissen, dass Kai noch einen festen Freund hat.
Ich glaube ja er weis das noch gar nicht so recht oder?
Ach und noch was war Aoi nicht eine Klasse über Kai?
LG morumotto


Zurück