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Die Odaliske

Das Phantom der Oper
von

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Scharâb = Wein

 

Kapitel 6

 

 

 

“Könntest du mir etwas auf Französisch sagen?”, fragte ich und war gespannt auf die Antwort die folgen würde.

“Vous êtes belle!”, sagte er melodisch. Es klang so wundervoll, obgleich ich kein einziges Wort verstand. Mit eindringlichem Blick sah er mir in die Augen und die Röte schoss mir in die Wangen. Was auch immer er mir gesagte hatte, es musste ihm ernst damit sein, sonst würde er mich nicht so ansehen.

“Was bedeutet das?”, fragte ich kleinlaut.

Er holte tief Luft und schien zu überlegen ob er es wirklich sagen sollte, oder ob er mich nicht lieber anlügen sollte. Doch dann tat er es doch.

“Es bedeutet: Du bist wunderschön”, sagte er, drehte sich weg und nahm sich die Flasche Scharâb, goss sich großzügig ein und trank das Glas bis zum Boden aus. Mehr Röte überwucherte mein Gesicht, mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Hände wurden ganz schweißig. Ob er mich nun nehmen würde? Ein Mann der schöne Dinge sagt, will immer etwas von einem. Aber es geschah nichts.

Weiterhin saß er da und trank. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Sollte ich was sagen? Wieder ins Bett gehen? Vielleicht sollte ich auch endlich dem Sinn meines Hierseins nachkommen, schließlich war ich aus einem bestimmten Sinn hier. Ich war zwar alles andere als bereit für die körperliche Liebe zwischen Mann und Frau, aber ich wollte nicht riskieren das er sich noch am Ende bei der Khanum beschwerte. Er mochte zwar anders sein als die anderen Männer, aber dennoch war er ein ganzer Mann, mit den Bedürfnissen eines Mannes, und irgendwann würde er auch nicht mehr warten wollen.

So holte ich nun also tief Luft und war darauf bedacht mich seelisch darauf vorzubereiten, als er sich zu mir drehte und sagte: ”Ayesha, du solltest ins Bett gehen, es ist schon so spät und ich will dich nicht aufhalten.”

 

Resigniert drehte er sich weg, nahm einen weiteren Schluck vom Scharâb und füllte die Wasserpfeife mit dem feuchten, glitschigen Tabak, natürlich nicht ohne es vorher mit Opium zu vermengen. Mitleidig sah ich ihn an, ich wusste nicht was ihm alles zugestoßen war, aber es war nicht zu übersehen das er nicht zurecht kam mit seinem Leben, so wie es verlief. Er mochte ein schreckliches Gesicht haben, soweit ich es gehört hatte, doch war er ein besserer Mann als jeder Schönling den ich bisher erblickt hatte. Viele Gäste hatte der Schah schon empfangen und so manch einer hatte schon das teure Geschenk einer Odaliske bekommen, doch von den Erzählungen der Geschändeten wusste ich, das sie, so ganz anders ihres schönen Anblicks entsprachen. Erik hatte mir schon bewiesen das er mir nichts tun würde, also wovor hatte ich also angst.

Ich wusste nicht so recht was ich antworten sollte, und haderte etwas. Statt eine gestotterte Anwort zu geben, rutschte ich zu ihm, drückte mich, wenn auch widerwillig an seinen Rücken und umschlang ihn mit meinen Armen. Mit einem Mal wurde er so steif wie eine Statur, rührte sich keinen Millimeter. Man hätte sogar annehmen können das er in dieser Pose verstorben und in Leichenstarre übergegangen war. Das Einzige was einem verriet das es nicht so war, war seine Körperwärme, die mit jeder Sekunde heißer zu werden schien.

Ersticktes Keuchen vernahm ich und plötzlich auch Schluchzer.

 

“Ay … Ayesha … du … du brauchst … das nicht … zu tun”, seufzte er schwer zwischen ihnen und versuchte sich aus meiner Umarmung zu winden.

“Aber Herr … .”

“ERIK!”, schrie er und ich wich ängstlich zurück. In Windeseile hatte er sich zu mir gedreht und sah mir mit vor Wut funkelnden Augen an. Ich zuckte zusammen, wollte aber nicht ängstlich sein. Vor ihm brauche ich keine Angst zu haben, redete ich es mir ein. Zitternd kam ich ihm wieder näher, doch er hielt mich mit seinen großen Händen an meinen Schultern auf.

 

“Nein, komm nicht näher, gehe endlich ins Bett!” Ich hielt inne. Sollte ich ihm nicht Folge leisten? “Erik, ich wollte nur … .”

“Du wolltest nur deiner Pflicht nachkommen, die man dir eingebläut hat, aber das brauchst du nicht. Nicht bei mir. Es wäre unmenschlich von dir zu verlangen es mit einem Monster wie mir es zu tun. Nun geh ins Bett”, sagte er, und wendete sich wieder der Wasserpfeife zu.

 

Traurig ließ ich den Kopf hängen. Egal was ich tat, alles machte ich falsch. Wollte ich dem nachkommen, wofür ich hergeschickt worden war, so wollte er es nicht. Tat ich das was er wollte und kam von selbst, so war es wieder nicht richtig. Tränen rannen mir die Wangen hinunter. Was war das hier für eine verkehrte Welt? Wo war ich nur hingeraten? Doch wenn nicht bald etwas passierte, würde er bestimmt Wütend auf mich sein, weil ich alles falsch machte und mich der Khanum übergeben, die mich mit Sicherheit hinrichten lassen würde. Natürlich nicht ohne mich vorher gequält zu haben. Welch schreckliches Schicksal und es gab nichts was ich tun konnte, um dem zu entkommen. Mehr und mehr sank ich zu einem Häufchen Elend zusammen.

 

Von Schluchzern geschüttelt, wünschte ich mir schon fast Erik würde mich trösten, und mir was schönes zur Beruhigung singen, doch es trat nicht ein. Noch immer wandte er sich von mir ab, mit hängenden Schultern und zog an der Wasserpfeife als wäre er ein Ertrinkender, der nach Luft schnappte.

“Geh ins Bett, bitte!”, sagte er leise, aber so das ich es gerade noch so verstand. Nichts von der imposanten Erscheinung, die er sonst zu Tage trug, war zu erkennen. Als hätte sie nie existiert. Vor mir saß ein kleiner Mensch, noch kleinerer als ich.

 

Ich wischte mir die Tränen von den Augen, stand erschöpft auf und schlurfte zum Bett hinüber. Es war mehr ein hineinfallen lassen, als ein hineinlegen. Die dünne Decke zog ich mir bis über den Kopf und auch das weiche Kissen, und weinte lautlos hinein. Manchmal bildete ich mir ein aus Eriks Richtung Schluchzer zu hören, doch versuchte ich es zu verdrängen. Was war das für ein Mann? War er denn ein richtiger Mann oder gehörte er diesen Frauenmännern an, von denen ich schon gehört hatte. Den Beweis seiner Männlichkeit hatte ich bisher ja nie gesehen. Vielleicht war ich ja Opfer eines grausamen Scherzes.

 

Diese und weitere düstere Gedanken schlichen sich in meinem Kopf. Ich wusste nicht wie lange ich so dalag, doch irgendwann versiegten die Tränen und es blieb nichts weiter übrig als ein kleines Mädchen ohne Hoffnung.

Hoffnung auf ein annehmbares Leben, einer schar Kinder, und einen Ehemann der mich liebte. Doch solch einen Unsinn konnte nicht passieren, das war nicht realistisch. Es hätte schon ein Wunder passieren müssen, doch glaubte ich nicht daran, das die Götter sich gerade für mich interessierten und mir so ein Geschenk machten. Erschöpft, ausgetrocknet und mit brummenden Kopfschmerzen, schloss ich die Augen und driftete ins Traumland.



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