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Steam

Water and Fire
von

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Es gab kaum eine Nacht, in der sie schlechter geschlafen hatte wie in dieser. Sie streifte ihr Schlafgewand ab und sank in die große Wanne, die mit heißem Wasser und duftenden Kräutern gefüllt war. Heute würde ihre Verlobung mit Duke Isaac Derivan bekannt gegeben werden. Es würde den Stand ihrer Familie erheblich aufbessern. Ihr war bis heute rätselhaft, wie ihr Vater, Baron Richard Roe, es geschafft hatte, diese Hochzeit zu arrangieren. Welcher Duke würde schon die Tochter eines Barons heiraten wollen? Eines wohlhabenden zwar, aber trotzdem mit so weit weniger Einfluss als die Dukes. Es musste sehr viel Geld geflossen sein. Ava versuchte sich zu beruhigen. Es hätte sie weitaus schlechter treffen können. Sie dachte nur an den etwas dümmlichen und fetten Sohn der Groomes, einer machtvollen Grafenfamilie an der Ostküste, der schon früher sein Interesse bekundet hatte. Irgendwie würde sie sich schon damit zurechtfinden. Immerhin war Isaac gebildet, gutaussehend und verbesserte ihren sozialen Stand. Alles wovon ein Mädchen träumen sollte.

Das Klopfen der Mägde riss sie aus ihren Gedanken. Sie rief sie herein und ließ sich still von ihnen abtrocknen, ankleiden und frisieren. Ava musste aufkeuchen, als eine der Mägde ihr das Mieder zuzog. So fest saß es noch nie. „Die Männer mögen Wespentaillen!“ erklärte die Magd und zog noch fester zu. Das presse ihr sämtlichen Atem aus den Lungen, den sie noch zum Widersprechen verwenden wollte.

Eine gute Stunde später betrachtete sie sich geschminkt und frisiert im Spiegel. Die Frauen hatten ihr einen hübschen Kussmund und rosige Wangen verpasst. Außerdem steckten dutzende glitzernde Perlen in ihrem blonden Haar, das zu einem lockeren Knoten hochgesteckt war. Sie funkelten in einem hellen Blau, das dem ihrer Augen glich. Das musste ein anderer Mensch sein, der sie dort anblickte. Fassungslos ließ sie sich noch in viel zu hohe Schuhe stecken und aus ihrem Gemach in die große Halle geleiten. Kaum ließen die Mägde von ihr ab, bot Isaac ihr schon seinen Arm an.

Er musterte sie wohlwollend. „Ich kann kaum Worte für Eure Schönheit finden, meine Liebe. Ich hoffe, Ihr habt wohl geruht?“

„Natürlich.“ Warum log sie? Wenn diese Ehe Erfolg haben sollte, sollte sie in Zukunft ehrlicher zu ihm sein. Sie schob die Schuld auf ihre Nervosität.

Ava klammerte sich an Isaacs Arm fest, kaum mehr darauf bedacht die wertvolle Seide seines Jacketts nicht zu zerknicken. Die Absätze ihrer Schuhe machten selbst den kurzen Weg über den Hofplatz zur Qual. Trotz allem meisterte sie, es unbeschadet in die feierlich geschmückte Dampfkutsche zu steigen und dabei dem Hofstaat, der sich auf dem Platz versammelt hatte, lächelnd zuzuwinken.

Musste es unbedingt ein Duke sein? Hätte sie unter ihrem Stand geheiratet, wäre ihr diese öffentliche Zurschaustellung erspart geblieben. Aber letztlich war es nicht ihre Entscheidung. Die Kutsche nahm surrend ihren Dienst auf und passierte die breite Pflasterstraße, die zum Hoftor hinaus führte. Viele hatten ihre Häuser verlassen, um ihnen zuzujubeln.

„Warum ich?“ fragte sie Isaac und brach damit die Stille, die sich schon wieder breitgemacht hatte. Sie fuhren gerade über eine schmale Landstraße zur nächsten Häusersiedlung, deshalb befand sie den Moment als passend, ihn zu fragen. „Ihr hättet jede haben können.“

Isaac schien verblüfft. „Ich wollte aber nicht jede, ich wollte Euch.“

„Warum?“

„Warum?“, Er überlegte. „Weil ich Euch vor zwei Jahren auf dem Winterball sah und mich in Euch verliebt habe. Aber Ihr wart noch zu jung.“

Ava hatte ihn wohl etwas ungläubig angesehen, denn er wirkte plötzlich verärgert. „I...Ich wusste gar nichts davon. Es tut mir leid. Ich wollte Euch nicht kränken.“

Er nahm ihre Hand. „Ich liebe Euch. Das ist alles was Ihr wissen müsst.“

„Natürlich.“ Sie senkte den Blick. Natürlich. An dieses Wort würde sie sich gewöhnen müssen. Aber hatte er gerade gesagt, dass er sie liebte? Errötet blickte sie aus dem Fenster und wartete darauf, dass die nächsten Häuser in Sicht kamen.

Es dauerte gefühlte Stunden, bis sie den letzten Anlaufpunkt des Tages erreichten. Als der Eingang zum Untergrund sichtbar wurde, befiel sie ein flaues Gefühl. Sie hatte davon gehört, dass Menschen unter der Erde wohnten, aber mit eigenen Augen hatte sie es noch nicht gesehen.

„Isaac, ist diese Gegend sicher?“

„Aber natürlich meine Liebe. Hier wohnen gewöhnliche Bürger niederen Adels, wie in den Stadtgemeinschaften auch. Hier sind nur die Mieten etwas niedriger.“ Isaac lächelte sie an und sie versuchte sich zu entspannen. Doch die Menschen jubelten ihnen auch hier so herzlich zu, bis sie ihre Sorgen vergaß. Wider ihrer Erwartung schien hier unten sogar die Sonne. Sie musste ganz genau hinschauen, um zu erkennen, dass das Bild, das sich ihr bot, ein wenig flackerte. Es musste von etlichen Holographen dort an die Decke geworfen werden.

Die Kutsche erreichte den Absatz der ersten Ebene und arrangierte sich auf dem großen Lastenaufzug, dessen Hydraulik zischend ansprang und sich abwärts bewegte.

„Wie viele Ebenen gibt es denn noch hier unten?“ fragte Ava unbehaglich.

„Zwei offizielle Ebenen und ein Rattenloch voller Punks. Aber keine Sorge meine Liebe, wir werden nur eine kurze Runde durch die zweite Ebene drehen. Ihr werdet keinen Punk zu sehen bekommen.“

Punks. Diese unzivilisierten Kreaturen, die eher Tieren als Menschen ähnelten? Sie hatte davon gehört, aber sie hatte keine Ahnung, dass es davon welche in Neu London gab. Eine Gänsehaut kroch über ihre Arme. Es war beengend hier unten.

Der Bürgermeister, der sich wie es schien heute in seine feinste Seide gekleidet hatte, winkte ihnen vom Rathausplatz aus zu. Die Freude der Bürger berührte Ava, obwohl sie nicht verstand, warum sich die Menschen über das Glück fremder Leute freuten. Wahrscheinlich gab es ihnen ein Gefühl von politischer Sicherheit. Ihre Kutsche passierte den großen Brunnen, der den Platz schmückte und lenkte gerade ein, um wieder in die entgegengesetzte Richtung zu fahren als eine heftige Explosion den Untergrund erschütterte. Krachend fielen Ziegel von den Häusern und die Menschen brachen in Panik aus. Ava musste vor Schreck aufkeuchen. Doch der Laut war kaum ihrer Kehle entwichen, als eine zweite Explosion, die von dem Brunnen ausging, ihre Kutsche erschütterte. Panisch krallte sie sich in die lederbespannten Sitze als die Kutsche ins Straucheln geriet und kippte. Ava wurde von einem Berg aus Seide und Unterröcken begraben und brauchte im Schock mehrere Sekunden, um sich wieder zu ordnen.

„Isaac? Bei den Gestirnen, was ist hier los?“ Aber auch er hatte damit zu kämpfen, wieder in eine aufrechte Position zu kommen. Er hatte sich kaum aufgerichtet, als ein dumpfer Aufschlag die Kutsche zum Wanken brachte. Die Türe, die mittlerweile oberhalb der Kutsche lag, öffnete sich und ein Schwall Rauch schoss ins Innere, der Avas Augen zum tränen brachte. Als ihr Blick sich wieder klärte, beugte sich eine breite Gestalt über sie und griff nach ihrer Schulter. Als erstes nahm sie an, dass es ein Bürger sei, der sie aus ihrer misslichen Lage befreien wollte, aber dann entdeckte sie das Mal, das unter einem seiner dunklen Augen prangerte. Punk! Erschrocken zog sie sich zurück, als er sie berührte und schrie laut auf.

„Isaac, Hilfe! Hilfe!“ wimmerte sie und fuchtelte wild umher, als der fremde Mann sie packte und an sich zog. Es musste eine Verwechslung vorliegen. Was sollte ein Punk mit ihr anfangen können? Isaac war doch der Sohn der, nach der königlichen Linie, einflussreichsten Familie Neu Englands. Der Punk presste ihr einen stinkenden Lappen auf Mund und Nase. Panisch versuchte sie zu schreien, aber sie brachte nicht mehr als dumpfe Laute hervor. Entsetzt Ava warf Isaac einen letzten verzweifelten Blick zu, bevor es dem Punk gelang, sie aus der Kutsche zu ziehen. Doch Isaac machte keine Anstalten, den Irrtum aufzuklären. Dann wurde die Welt schwarz.



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