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Just Kai.

von

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#2: Schreibe eine Szene des Canons aus seiner Sicht.

„Kai?“

Yuriy sprach meinen Namen in einer Weise aus, die mich sofort aufhorchen ließ. Er klang irgendwie spottend und gleichzeitig etwas entsetzt. „Was?“, fragte ich vorsichtig und drehte mich zu ihm um, das Geschirrhandtuch und einen Teller noch in den Händen haltend. Yuriy stand vor dem geöffneten Vorratsschrank und hielt mit spitzen Fingern eine Dose hoch. „Sag mir bitte, dass dein Großvater die sammelt“, meinte er, „Das hier ist seit zehn Jahren abgelaufen!“

„Ich glaube, wenn er etwas sammeln würde, dann wären es alte Sowjetpanzer“, entgegnete ich, „Du siehst mich ebenso geschockt wie dich. Schmeiß es weg.“ Die Dose flog klappernd in den Mülleimer und ich wandte mich wieder der Spüle zu, um die restlichen Teller abzutrocknen.
 

Seit dem Finale der Weltmeisterschaft war etwas mehr als ein Monat vergangen. In der Stadt ragte ein verhülltes Gebäude über alle anderen hinaus, sodass es sogar vom Anwesen meines Großvaters aus zu sehen war. Dort hatte vor kurzem noch das Headquarter der BBA gestanden, doch nun war es dem neuen Wolkenkratzer gewichen, wie auch die ganze Organisation verschwunden war und alle bei ihr registrierten Blader in der Luft hängen ließ. Das war auch der Grund, warum mein Team aus Russland gekommen und im Herrenhaus eingezogen war: sie wollten vor Ort sein, wenn sich die Geheimnisse um die jüngsten Entwicklungen in der Beyblade-Szene lüfteten. Heute Nachmittag sollte die große Eröffnung sein, und wir hatten beschlossen, uns das Spektakel aus sicherer Entfernung im Fernsehen anzusehen. Boris und Sergeij hatten dies zum Anlass genommen, um die große Ledercouch im ehemaligen Raucherzimmer heute nicht verlassen zu müssen und sich von bunten Animes, die auf dem ausladenden Flatscreen liefen, zu epileptischen Anfällen verleiten zu lassen. Yuriy und ich hatten hingegen beschlossen, etwas Nützliches zu tun, und versuchten, japanisch zu kochen, da importierte europäische Lebensmittel unseren Geldbeutel weit überstiegen. Dazu musste allerdings erstmal das benutzte Geschirr von der Arbeitsfläche weichen, also hatte ich mich dessen erbarmt.
 

Yuriys Hand tauchte in meinem Blickfeld auf und griff nach dem Tellerstapel, den ich abgetrocknet hatte. Unsere Zusammenarbeit funktionierte nicht nur auf dem Tableau gut, im Gegenteil: Mag es daran liegen, dass wir uns recht ähnlich sind –wir sind ein eingespieltes Team, ob wir nun wollen oder nicht. Aber inzwischen waren alle unsere Streitigkeiten um die Führungsrolle bereinigt. Es war schwer gewesen, mich daran zu gewöhnen, nicht mehr selbst Teamchef zu sein, doch jetzt fand ich es sogar sehr angenehm. Und Yuriy war wirklich der geborene Anführer. Keinem anderen würde ich erlauben, mich so zurechtzuweisen, wie er es manchmal tat.
 

„Weißt du eigentlich, wann Voltaire sich wieder hier blicken lassen wird?“, fragte Yuriy.

„Hm. Nein, tut mir Leid.“ Im Moment hoffte ich einfach, dass mein Großvater so lange auf irgendwelchen Geschäftsreisen blieb, bis die Jungs wieder in Russland waren. Das wäre für alle das Angenehmste, denn ich wusste natürlich, wie unwohl sich die drei fühlten, sobald das Gespräch auf den ehemaligen Boss von Biovolt kam. Ich hatte versucht, sie auf eine eventuelle Begegnung vorzubereiten, indem ich erzählte, dass der Alte inzwischen tatsächlich etwas umgänglicher geworden war. Nach der Katastrophe in der ersten Weltmeisterschaft, als Biovolt aufgeflogen war, hatten nicht nur wir Abteikinder eine umfassende Therapie bekommen; nein, auch Voltaire war während seines Gefängnisaufenthalts in Behandlung gewesen. Wir hatten uns wieder zusammengerauft, sodass wir sogar das Jugendamt davon überzeugen konnten, ihm nicht das Sorgerecht zu entziehen. Das hatte einen ganz praktischen Grund: kein Pflegeelternpaar der Welt würde mir so viele Freiheiten lassen, wie Voltaire.

Ich warf einen Blick auf die große Standuhr. Uns blieb noch eine gute Stunde Zeit, bis die Übertragung anfing, und immerhin hatten wir es schon geschafft, das Reiswasser zum Kochen zu bringen.
 


 

Genau fünfundfünfzig Minuten später sah eine Hälfte der Küche so aus, als hätte dort ein Massaker stattgefunden, aber Yuriy und ich blickten auf ein genießbares Essen hinab. „Jetzt gibt es nur noch ein Problem“, meinte er, „Wie krieg ich das mit diesen Stäbchen jetzt aus der Schüssel?“

„Wirst du schon hinkriegen“, entgegnete ich und nahm meine Schüssel, „Lass uns zu den anderen gehen, geht gleich los.“
 

Gerade, als wir unser Essen durch die Eingangshalle balancierten, öffnete sich das große Portal. Yuriy blieb sofort stehen und versteifte sich wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

Natürlich war es Voltaire, der hereinkam, gefolgt von unserem Chauffeur, der seinen Koffer trug. „Na sieh mal an“, sagte er, als er mich entdeckte, „Welch‘ seltener Gast in meinem Hause!“

„Hi Opa“, begrüßte ich ihn, „Ich hab mein Team eingeladen, okay?“

„Welches?“

Autsch. Großvater hatte ein verdammt gutes Gespür für meine wunden Stellen. Mein ständiger Teamwechsel gehörte dazu, auch wenn ich es nie zugegeben hätte. „NeoBorg“, antwortete ich kurz angebunden.

„Sieh an“, sagte er im langgezogenen Moskauer Dialekt, und sein Blick fiel auf Yuriy. „Zdrastvuj.“

„Zdrastvujtje“, entgegnete Yuriy steif und ich hörte, wie er das G von Gaspadin ansetzte, es sich aber im letzten Moment verkniff. Für Voltaire schienen damit alle nötigen Floskeln ausgetauscht worden zu sein, denn er sah sich kurz in seinem Heim um und wirkte, als würde er überlegen, was er nun mit seiner freien Zeit anstellen sollte. „Hier riecht es gut“, bemerkte er, „Habt ihr gekocht? Japanisch?“, fügte er hinzu, als er die Schüssel in meiner Hand sah.

„Es ist nichts übrig“, sagte ich und stieß Yuriy an, damit wir endlich unseren Weg fortsetzen konnten. „Und geh lieber nicht in die Küche…“
 

Als wir das Raucherzimmer betraten, hatte die Übertragung schon angefangen, aber bis jetzt sah man nur die Menge vor dem noch immer verhüllten Gebäude und hörte eine Stimme aus dem Off, die nur das wiederholte, was schon in den letzten Wochen in den Medien gesagt worden war.

„Ich glaube, die BBA Revolution und Max sind da irgendwo“, meinte Boris, der neidisch auf Yuriys Essen schielte, „Jedenfalls hab ich sie kurz gesehen, denke ich.“

„Würde mich nicht wundern“, entgegnete ich, während ich mir den ersten Bissen in den Mund schob.

Und dann wurde schließlich die große Plane entfernt, mit dem das Gebäude verdeckt gewesen war. Erst im letzten Moment entdeckte ich, dass sie den Schriftzug „BEGA“ trug, doch allzu lange konnte ich mir darüber keine Gedanken machen, denn Sergeij stieß einen Pfiff aus und Boris kommentierte trocken: „Nicht schlecht.“

„Ziemlicher Protzbunker“, ließ Yuriy verlauten, „Muss ja Geld haben wie Heu, der neue Chef… Es ist nicht zufällig Voltaire, Kai?“

„Nein.“
 

Die Antwort war nicht von mir gekommen. Wir drehten uns zu meinem Großvater um, der im Türrahmen stand und interessiert das Geschehen auf dem Bildschirm betrachtete. „Ich weiß genauso viel, wie ihr“, meinte er und kam schließlich herein. Ich musste wohl oder übel den ausladenden Sessel für ihn räumen und setzte mich neben Yuriy auf das Sofa. Sergeij und Boris wirkten alarmiert, doch da weder unser Teamchef noch ich uns bei Voltaires Anblick in die Hosen machten, nahmen sie seine Anwesenheit zähneknirschend als gegeben hin. Vielleicht, überlegte ich, war es ja gar nicht so schlecht, dass mein Großvater so in die Offensive ging. Abgesehen von seinem gelegentlichen geschäftlichen Größenwahn, den eine Firma wie seine jedoch auch irgendwie voraussetzte, hatte er sich ja tatsächlich gebessert. Man könnte inzwischen sogar manchmal meinen, dass er mich wirklich mochte. Und ich ihn, irgendwie. Auch wenn er mich in seine hirnverbrannten Pläne mit hineingezogen, und auch wenn er mir damit die erste Hälfte meiner Kindheit verdorben hatte –ich war immer noch stolz auf den Namen Hiwatari. Wären wir eine einfache Familie, hätte ich mich schon längst von ihr losgesagt. Aber dann wäre wahrscheinlich auch alles ganz anders gekommen. Doch so hatte ich mich dafür entschieden, zu versuchen, meinen Großvater zu verstehen. Und das klappte erschreckend gut. Ich war ihm so verdammt ähnlich…
 

„Also, Gaspadin Hiwatari“, setzte Yuriy an und ich bewunderte ihn kurz für die Entschlossenheit in seiner Stimme, „Haben sie auch gar keinen Verdacht, wer hinter BEGA stecken könnte?“ Ich glaube, Boris und Sergeij hielten kurz die Luft an, als hätten sie Angst, dass Großvater Yuriy in der Luft zerreißen könnte, weil er das Wort an ihn gerichtet hatte. Doch Voltaire verschränkte nur die Hände vor seinem Bauch. „Nein“, wiederholte er, „Ich weiß nicht einmal, was man von dieser Sache überhaupt zu halten hat. Zwar habe ich mich in den letzten Jahren aus den Angelegenheiten der BBA heraushalten müssen, aber ich wusste doch immer grob über alles Bescheid. Es gab gewisse Anzeichen dafür, dass Veränderungen vor der Tür standen, aber nur in einem sehr geringen Rahmen. Ich glaubte, mit der neuen Weltmeisterschaft wäre das gegessen. Aber die jüngsten Entwicklungen sind schon sehr seltsam. Stanley Dickinson ist wie vom Erdboden verschluckt. Es gibt Gerüchte über ein paar ominöse Verhandlungen, die ohne sein Beisein geführt wurden. Aber man weiß nichts Genaues, oder besser: Niemand weiß überhaupt irgendwas.“

Ich hob eine Augenbraue. Wenn selbst mein Großvater das sagte, der doch wie ein altes Klatschweib hinter jeder Neuigkeit her war, dann hatten diese BEGA-Jungs wirklich ganze Arbeit geleistet.
 

„Da passiert was“, brummte Sergeij auf einmal und nickte in Richtung des Bildschirms, der sofort wieder unsere gesamte Aufmerksamkeit hatte. Plötzlich stand eine Bühne vor dem Gebäude; niemand hatte gesehen, wo sie plötzlich herkam.

„Was brüllt der Typ da?“, fragte Boris und meinte den Moderator, der in schnellem Japanisch vor sich hinfaselte.

„Ähm…“ Ich hörte genauer hin, „Irgendwas von einem weltgrößten Popstar…“

„Hä? Haben die Madonna engagiert, oder was?“

„Schlimmer“, kommentierte Yuriy, „Leute, was ist das?“ Er deutete auf den Fernseher, wo aus einer rosa Glitzerwolke ein Mädchen aufgetaucht war, das jetzt mit einer übersüßten Piepsstimme vor sich hinbrabbelte und dann auch noch anfing zu singen.

Keiner sagte ein Wort. Wie ein Mann starrten wir sprachlos auf den Bildschirm, unfähig, die Augen von diesem Desaster abzuwenden. Ich glaube, mir stand sogar der Mund ein Stück offen.
 

Nach drei Minuten war alles vorbei, doch dann wurde es eigentlich erst wirklich spannend. Urplötzlich hatte sie einen Shooter und ein Beyblade in der Hand, man hatte gar nicht gesehen, woher sie die genommen hatte. Sie startete den Blade und ließ ihn auffordernd seine Runden zu ihren Füßen drehen.

„Die ist keine Anfängerin“, stellte Yuriy fest und erntete von uns allen zustimmendes Nicken. Wenn man so einen Instinkt für den Sport hat, wie wir, sieht man auf einen Blick, wer das Zeug zum Profi hat und wer nicht. Und dieses Mädchen startete nicht zum ersten Mal einen Blade.

Auf der anderen Seite der Absperrung entstand Bewegung. Mit leichtem Erstaunen sah ich, wie sich Kinomiya, Max und Daichi vor der Sängerin aufbauten, die ihnen herausfordernd entgegensah. Sie hatte unsere Kollegen wohl provoziert. Nun, dazu gehörte ja bekanntlich nicht viel, aber was sollte das? Wenn die BEGA einen Showkampf wollte, hätte sie die BBA Revolution doch fragen können.

„Was soll der Mist?“, fragte nun auch Boris unwirsch. Ein kurzer Seitenblick zeigte mir die missbilligend verzogenen Gesichter meiner Teamkameraden. Sie hätten sich nie auf so etwas eingelassen; spontane Kämpfe gegen unbekannte Gegner, die so hochtrabend daherkamen –Team NeoBorg hätte nur mitleidig gelächelt und wäre gegangen.
 

Der Kampf war schneller vorbei, als es der BEGA lieb hatte sein können. Die seltsame Sängerin –hieß sie MingMing? Irgendwie brachte ich den Namen mit ihr in Verbindung, wahrscheinlich hatte ich ihn aufgeschnappt– schickte ihre Band vor, die Kinomiya und die anderen natürlich binnen Minuten schlugen. Doch zu einem Showdown zwischen MingMing und den ehemaligen Bladebreakers sollte es nicht kommen, denn ein Mann betrat die Bildfläche, der sofort von allen Kameras erfasst wurde.
 

Etwas fiel klirrend zu Boden. Ich weiß bis heute nicht, was es war.

„Das…darf doch nicht wahr sein…“, murmelte Boris, der von uns allen als erstes die Sprache wiedergefunden hatte. Wir anderen wollten unseren Augen wohl noch nicht trauen.

Es war Volkov, dessen Gesicht beinahe den ganzen Fernsehbildschirm ausfüllte. Er hatte sogar wieder eine seiner bescheuerten Brillen auf.
 

Ich hörte, wie Yuriy neben mir zittrig ausatmete, als wäre ihm urplötzlich kalt geworden. Endlich konnte ich mich wieder rühren und blickte mich um: Meinem Team stand das blanke Entsetzen im Gesicht. Alle Farbe war aus ihren Wangen gewichen, und als ich Yuriy eine Weile betrachtete, merkte ich, dass nicht nur sein Atem zitterte. Sogar Voltaire schien die Fassung verloren zu haben. Seine Augen waren weit aufgerissen.
 


 

Den Rest des Tages verbrachten wir schweigend. Boris ging irgendwann in den Keller, wo ein paar Fitnessgeräte standen. Man hörte schon von weitem, wie er sie malträtierte. Sergeij lief über das Grundstück; er tauchte in regelmäßigen Abständen in Sichtweite des Hauses auf, schien aber nicht auf seinen Weg zu achten. Voltaire hatte es sich zur Aufgabe gemacht, alle Informationen zu sammeln, die er über BEGA kriegen konnte. Er hatte sich in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen.

Und ich saß im Sessel in einem unserer Gästezimmer und sah Yuriy an, der wiederum auf dem Bett lag und die Decke anstarrte. Ich glaubte, ihn nur ganz selten blinzeln zu sehen.
 

Wenn es nach mir gegangen wäre, stände ich schon längst im BEGA-Gebäude und würde auf Volkov einprügeln. Nebenbei hätte ich alle Kontakte, die der Firma meines Großvaters zur Verfügung standen, dafür genutzt, BEGA wirtschaftlich zu ruinieren, damit die Organisation keine drei Tage alt wurde.

Aber ich hielt mich zurück und sagte nichts. Yuriy war mein Teamchef, und ich vertraute ihm. Er war der einzige, der mir sagen konnte, was ich zu tun oder zu lassen hatte und darauf hoffen durfte, dass ich auch tat, was er wollte.
 

Als es draußen langsam dunkel wurde, hielt ich es aber nicht mehr aus. „Und?“, fragte ich gereizt, „Was wollen wir machen?“

Yuriy richtete sich langsam auf. „Du machst gar nichts, Hiwatari“, sagte er bestimmt.

„Wie bitte?“

„Sei still. Das hier ist unser Problem. Du hast schon lange nichts mehr mit der Abtei und mit Volkov zu tun.“ Ich hatte noch immer den Mund geöffnet, um meinen Protest laut kundzutun, doch Yuriy sah mich mit einem Blick an, bei dem mir jedes Wort im Halse stecken blieb. „Ich sagte, sei still“, wiederholte er, „Ich weiß, was du denkst. Aber deine Wut ist nichts im Vergleich zu unserer. Boris, Sergeij und ich werden Volkov zur Rede stellen. Und du bleibst hier.“

„Aber ich bin Mitglied von NeoBorg!“, brauste ich auf und sprach damit wohl zum ersten Mal aus, was für mich zur Selbstverständlichkeit geworden war. „Und ich war auch in der Abtei. Ich habe ebenfalls ein Recht auf Vergeltung!“

„Glaubst du, dass das so leicht wird?“
 

Ich drehte mich um und sah Boris im Türrahmen lehnen. Hinter ihm ragte Sergeij auf. „Du hast doch diese MingMing gesehen, Kai“, fuhr Boris fort, „Die sieht nur süß aus. In Wirklichkeit ist sie garantiert ein gefährlicher Gegner. Wenn Volkov etwas macht, dann macht er es richtig. Überlass ihn uns.“

„Aber-“

„Gott, ich ertrage deine Arroganz nicht, Hiwatari!“, fuhr er mich an, „Kapierst du es nicht? Es geht nun mal nicht immer alles nach deinem Willen!“

In mir schwappte die Wut hoch. Boris war schon immer derjenige gewesen, der am meisten dagegen einzuwenden hatte, dass ich in sein Team gekommen war. Vermutlich, weil ich seinen Platz als Yuriys Partner eingenommen hatte. Ich zog die Luft ein, um ihm unschöne Dinge an den Kopf zu werfen, doch Yuriy unterbrach mich.

„Kai, du musst hier bleiben“, sagte er, „Wenn irgendwas passiert…und du weißt sehr genau, dass das bei jemandem wie Volkov mehr als wahrscheinlich ist…dann ist es besser, wenn noch jemand aus unserem Team da ist.“

Ach, jetzt bin ich wieder ein tolles Teammitglied?!

Dieser Gedanke lag mir auf der Zunge, aber ich schluckte die Worte herunter. Was hatten sie vor? Wollten sie in die BEGA reinmarschieren und Volkov einfach so zur Rede stellen?
 

„Ihr solltet euch etwas Besseres einfallen lassen“, meinte ich, als mir aufging, dass genau das ihr Plan war. Doch ich erntete nur Kopfschütteln.

„Mit ein bisschen Glück brechen wir einen saftigen Skandal vom Zaun und knacksen Volkovs Saubermannimage an“, erklärte Yuriy. Ich sah ihn skeptisch an. Das alles hörte sich für mich nach einem gewaltig sinn- und effektlosen Unterfangen an.

„Wir haben ihn einmal klein gekriegt, es wird wieder klappen“, kommentierte Boris. Doch natürlich zweifelte ich noch immer, wenn nicht sogar ein bisschen mehr. Ich brauchte einige Augenblicke, um meine Gedanken zu ordnen. Dann stellte ich klar: „Okay. Ich werde hierbleiben. Tut, was ihr wollt, ich mische mich nicht ein. Aber eins sage ich euch: Wenn Volkov euch einfach so aus dem Weg räumt und euer kleiner Aufstand an ihm abprallt –und ich habe das dumme Gefühl, das wird er– werde ich in die BEGA einsteigen.“

„Bitte was?!“, rief Boris, doch ich hob die Hände. „Das ist mein Plan“, erklärte ich, „Ich sehe mir an, was Volkov überhaupt erreichen will und vor allem, wie. Welche Möglichkeiten er hat. Und dann werde ich einen Weg finden, BEGA dem Erdboden gleichzumachen.“
 

„Das ist typisch Hiwatari“, brummte Boris und klang dabei sogar ein wenig angewidert. „Ihr macht immer alles hinterrücks. Bloß nicht zu viel sagen! Immer schön geheimnisvoll bleiben. Ganz ehrlich, da ist mir die Haudrauf-Methode lieber. Wir kriegen das schon hin.“ Mit einem Blick schleuderte ich ihm meine ganze Skepsis entgegen. Was sollte ich auch anderes tun? Sie ahnten es vielleicht nicht, aber ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass ich sie nicht mehr umstimmen konnte. Es machte mir Angst. Ich fühlte mich in meine Kindheit in der Abtei zurückversetzt. In der Abtei blieb niemand irgendwo allein, das war die oberste ungeschriebene Regel. Such dir jemanden, häng dich an ihn dran und bleib niemals zurück. Je größer und stärker der Typ ist, an den du dich hängst, desto besser.
 

Ich blieb stumm und taxierte sie weiter, einen nach dem anderen. Doch es half nichts. Natürlich nicht. Sie hatten mich völlig ausgeblendet.

Sie würden tun, was sie tun mussten, und ich war mir sicher, dass es schief gehen würde. Gewaltig schief.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  FreeWolf
2019-08-10T16:01:52+00:00 10.08.2019 18:01
Ich bin, ausgehend von Weltenbummler, neugierig geworden, und wurde fündig: Meine Erwartungen hast du allemal erfüllt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du ausgerechnet diese Szene auswählst, aber ea macht Sinn und du schließt damit zwei Plotlücken für mich: 1. Wo war Voltaire in GRev?, 2. Wie viel wussten NeoBorg über Kais Pläne. Danke! <3
Antwort von:  lady_j
11.08.2019 23:13
also das DIESE story noch mal jemand liest hätte ich nicht gedacht :D Danke für's kommentieren! ich find's im nachhinein ein bisschen sehr OOC, vor allem, da ich mir gerade für Omniscient viele gedanken um DIESEN teil der serie mache... hast du theorien zu den plotlücken, die du teilen möchtest? ^^'
Antwort von:  FreeWolf
13.08.2019 00:39
Hihihi, die Neugier siegt nun mal. :D Ich werde auch die anderen Kapitel noch kommentieren, und Headcanons mit dir teilen, aber step by step, ich bin nicht schnell.

Ich finde, das ooc ist in gewisser Weise auch berechtigt (und eigentlich nicht ooc, abgesehen von Voltaire, der mir ein bisschen zu stark "lieber Opa" geworden ist. Andererseits kann es ja sein, dass Therapie Wunder wirkt ;-)), weil Neo Borg ja doch mit einer Extremsituation konfrontiert ist.

Ich finde es sehr gut gelungen, wie jeder der Anwesenden auf seine sehr eigene Art mit der Enthüllung von BEGA umgeht. Interessant finde ich dabei, dass Sergej läuft und nicht Yuriy, nachdem Yuriy in Omniscient ja zu laufen begonnen hat. Aber das ist vielleicht mehr eine Entwicklung in deinem Headcanon, die mir aufgefallen ist.
Von:  WeißeWölfinLarka
2012-09-19T12:24:05+00:00 19.09.2012 14:24
Mit so einer Szene hatte ich nicht gerechnet. Für mich ist diese BEGA-Sache schon so lange her - ich finde es erstaunlich überzeugend, wie du aus Kais Sicht die Dinge beschreibst. Plausibel.
Am besten gefällt mir folgende "Faustregel":
In der Abtei blieb niemand irgendwo allein, das war die oberste ungeschriebene Regel. Such dir jemanden, häng dich an ihn dran und bleib niemals zurück. Je größer und stärker der Typ ist, an den du dich hängst, desto besser.
Das ist so... einprägsam, so bedrohlich und einschüchternd.
Tolles Kapitel.
Von:  Dradra-Trici
2012-04-20T12:41:42+00:00 20.04.2012 14:41
> Ich glaube, wenn er etwas sammeln würde, dann wären es alte Sowjetpanzer
Wir mussten lachen xDD

Wir können es uns ehrlich gesagt zwar nicht vorstellen, das Kai und die Blitzis i-wie soetwas Ähnliches wie Freunde sind/werden, aber das sei mal jedem selbst überlassen^^
Dass Bryan von Kai angepisst ist, passt hingegen sehr in unser Bild :)
Bei Yuriy denken wir eigentlich, dass er Kai zwar als starken Blader akzeptiert, aber ob er z.B. zusammen mit ihm kochen würde...?
Aber gut, das kann ja jeder interpretieren, wie er mag^^

Oh, der von abgemeldet erwähnte Spruch war auch wirklich gut xD

Insgesamt finden wir's auch schön zu sehen, wie du diese paar Szenen quasi mit den frühen BEGA-Ereignissen verknüpft hast ^_^

Und Kai kam wirklich gut rüber, finden wir :)


Von: abgemeldet
2012-03-19T11:51:30+00:00 19.03.2012 12:51
#2: Schreibe eine Szene des Canons aus seiner Sicht.

> “Hi Opa“, begrüßte ich ihn, “Ich hab mein Team eingeladen, okay?“

> “Welches?“

Ich habe es schon erwähnt, aber das ist wirklich treffend und fies gleichzeitig. *g* Das Kapitel hat mir sogar noch besser gefallen als das erste. Ich liebe es, wenn man den Canon mit einbaut (auch wenn das bei dir sowieso oft der Fall ist) und diese "Was könnte zwischen der und der Szene passiert sein?"-Sachen sind sowieso toll.

Wieder: Für mich eine nachvollziehbare, glaubwürdige Charakterisierung. Ich mag auch den Stimmungsumschwung. Von relativ locker, zum Schock, als Boris im Fernsehn auftaucht (gerade Yuriys Reaktion) und dann die total überstürzten Pläne am Schluss. Ich meine, wir wissen ja alle, was passiert, aber ich hätte sie trotzdem gerne aufgehalten.

Insgesamt: Eine gute Begründung dafür, wie es dazu gekommen sein könnte und vor allem für Kais Motivation, der BEGA beizutreten.

Ich glaube, ich füge dieses Kapitel zumindest gedanklich zu meinem "Ist tatsächlich so passiert"-Pol an Szenen dazu. :D



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