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Fairy's Act

von

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Eine neue Mission

Sie erinnerte sich noch an den Tag, an dem sie ihn das erste Mal traf.

Der Himmel war blau, ohne jede Wolke und sie saß vor dem Haus, in dem sie lebte, um, den Kopf in den Nacken gelegt, nach oben zu sehen. Seine schweren Schritte lenkten ihren Blick vom Himmel auf die Person, die mutig genug war, sich den Baracken der Spirits zu nähern.

Es war ein braunhaariger Mann mit Bauchansatz, er balancierte eine Brille mit runden Gläsern auf seiner breiten Nase, die braunen Augen saßen viel zu tief in ihren Höhlen, dafür war sein Kiefer überdeutlich ausgeprägt. Alles in allem war er kein Mensch, den man als hübsch bezeichnen könnte, selbst sie als Spirit fand ihn hässlich – und genau das war etwas, was sie sofort faszinierte. Spirits waren allesamt wunderschön und sie ähnelten einander wie Zwillinge. Aber dieser Mensch war anders, er besaß Charakter und er war mutig genug, hier vor ihr zu stehen, ohne sie zu beschimpfen oder auch nur abschätzig anzusehen. Die beiden letzten Punkte waren es, die ihn ihr sympathisch machten.

„Und wer magst du sein?“ Der Ton, in dem er das sagte, klang überheblich und ein wenig so als ob er nicht mit ihr, sondern mit einer dritten Person sprechen würde, die gar nicht da war.

Eingeschüchtert von seiner Art, konnte sie ihn nur schweigend ansehen. Er stieß ein tiefes, schweres Seufzen aus. „Kannst du etwa nicht sprechen?“

Da ihr beigebracht worden war, Menschen zu gehorchen und dieser hier offenbar wollte, dass sie etwas sagte, überwand sie das Gefühl der Einschüchterung und stand auf. Sie war immer noch kleiner als er und musste so den Kopf in den Nacken legen, um ihn in die Augen sehen zu können. „Mein Name ist Lia.“

Er hob wohlwollend eine Augenbraue. „Du bist einer der blauen Spirits von Rakios, ja?“

„Das ist korrekt.“ Sie nickte zustimmend.

Noch einmal seufzte er, als trüge er eine schwere Last auf seinen Schultern. „Mein Name ist Soma Ru Soma. Ich bin ab heute für dich verantwortlich.“

Sie blinzelte, blickte einen Moment umher, um nach jemandem zu suchen, der ihr erklären könnte, was das zu bedeuten hatte. Aber sie fand niemanden außer diesem Mann, der dieses Mal nicht seufzte und stattdessen zu lächeln begann. „Ich denke, das könnte sehr interessant werden. Du wirst ab sofort alles tun, was ich dir sage, ja, Lia?“

Sie überlegte einen Moment, ob sie das wirklich tun sollte oder ob er sie anlog, entschied dann aber, dass es keinen Grund geben würde, sie anzulügen und nickte. „Verstanden.“

Sein Mundwinkel verzogen sich zu einem breiteren Lächeln. „Also, lass uns gleich mal mit der Lektion beginnen. Hör gut zu, Lia.
 

Noch im Thronsaal war Yuuto über Esperias Aussage verwirrt. Ein Spirit, der Menschen umbrachte, so etwas war ungewöhnlich. Er war von einem Spirit angegriffen worden, direkt nach seiner Ankunft in Phantasmagoria, aber er war kein Mensch, er war ein Etranger, da galten andere Regeln.

Wie konnte es also sein, dass sich ein Spirit dieser Regelung widersetzte und Menschen angriff?

Diese Frage beschäftigte nicht nur ihn, sondern auch die vier Spirits, die mit ihm im Thronsaal standen. Aselia, Esperia und Uruka standen mit gerunzelter Stirn da, den Blick auf irgendeinen Punkt gerichtet. Selbst Orupha, die sonst immer fröhlich war und sich nie den Kopf über irgendetwas zerbrach, hatte die Stirn in Falten gelegt und die Arme in die Hüften gestemmt. Yuuto wusste einfach, dass sie gedanklich bereits plante, diesem Spirit eine Standpauke zu halten, gleichzeitig war ihm aber auch klar, weswegen er und die Spirits von Lesteena gerufen worden waren und es gefiel ihm absolut nicht. Aber andererseits...

„Wenn die Feen so weit gehen, Menschen zu töten, müssen sie den Preis dafür zahlen.“

Er hörte 'Motomes' Stimme in seinem Kopf widerhallen und er wusste, dass er damit recht hatte, eigentlich – aber dennoch hoffte er, dass er einen anderen Weg finden könnte, sobald er diesem feindlichen Spirit erst einmal gegenüberstand. Vielleicht könnte er ihn zum Überlaufen überreden. Zumindest hoffte er das.

Als Lesteena endlich den Thronsaal betrat, salutierten alle automatisch, sogar Orupha, die darauf von klein auf trainiert worden war. Lesteena nickte ihnen lächelnd zu, dann setzte sie sich auf den Thron – und im selben Moment war es als würde jemand einen Schalter umlegen. Das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, das plötzlich wesentlich kantiger erschien, selbst ihre Augen wurden ein wenig dunkler. Dies war das Herrschergesicht von Lesteena Dai Rakios, das nicht im Mindesten darauf schließen ließ, was für ein warmherziger Mensch sie eigentlich war.

„Etranger, Spirit Corp, ich habe euch herbeordert, weil ich eine neue Mission für euch habe.“

In Yuutos Inneren erwachte bereits der Widerwille, aber er zwang sich, ihr weiter zuzuhören.

„Wie ihr sicher bereits gehört habt, gibt es auf dem Son Rim Plateau das Gerücht, dass ein Spirit für die dortigen Mordfälle verantwortlich ist. Ich möchte, dass ihr herausfindet, ob dieses Gerücht der Wahrheit entspricht und falls ja, dass ihr die Mordserie beendet.“

Yuuto beruhigte sich wieder ein wenig, als er bemerkte, dass sie offen ließ, wie sie mit dem Spirit zu verfahren hatten. Das bestärkte ihn in seinem Plan, mit ihr zu reden und sie davon zu überzeugen, das Richtige zu tun. Lesteena würde das bestimmt verstehen und die anderen es gutheißen.

„Gibt es noch Fragen?“

Die Anwesenden schüttelten mit den Köpfen, worauf sie den Arm ausstreckte. „Dann beginnt die Mission!“

Damit waren sie aus dem Thronsaal entlassen. Sie mussten sich nicht lange überlegen, was sie nun tun sollten, es war eindeutig, dennoch sprach Esperia es aus: „Youtia-sama wird uns nach Sosuras bringen, das ist die südlichste Stadt auf dem Son Rim Plateau. Es ist übrigens sehr kalt dort.“

Yuuto versuchte, sich die Karte ins Gedächtnis zu rufen, die er bereits mehrmals wegen der verschiedensten Strategiebesprechungen hatte anstarren müssen. Das Son Rim Plateau war da eher klein und unscheinbar gewesen, so winzig, dass es fast schon verwunderlich war, dass es wirklich als eigene Nation galt. Seine Bewohner waren nicht aggressiv und führten keinen Krieg, deswegen war es für Yuuto bislang unwichtig gewesen, etwas darüber zu wissen.

Aber einige Dinge darüber konnte er auch einfach aus den Dingen schlussfolgern, die er bereits bezüglich anderer Regionen gelernt hatte. In Malorigan, zum Beispiel, war es heiß gewesen, sehr heiß sogar, es war eine Wüste und das war so, weil es dort wenig Mana gab, so dass dort kaum etwas wuchs.

„Wenn es dort kalt ist und viel Schnee gibt...“, begann er plötzlich, „gibt es dort dann besonders viel Mana?“

Esperia lächelte wohlwollend und mit einem Hauch von Stolz, da er immerhin so etwas wie ihr Lehrling war. „Das ist richtig. Die Konzentration an Mana ist dort besonders hoch und natürlich haben blaue Spirits dort einen beträchtlichen Vorteil im Kampf, während rote Spirits einen nicht zu unterschätzenden Nachteil haben.“

Yuuto fühlte sich ebenfalls ein wenig stolz darüber, dass er sich so etwas selbst erschließen konnte. Aber seine Freude darüber verging sofort wieder, als sie in Youtias Labor traten und er das Schmunzeln der Wissenschaftlerin sah. „Ah, Yuuto, hattest du zur Abwechslung mal einen lichten Moment oder warum grinst du so stolz?“

Sofort zog er verärgert seine Brauen zusammen. „Ich bin nicht zum Diskutieren hergekommen, Youtia.“

„Denkst du, das weiß ich nicht?“, erwiderte sie empört, dann grinste sie wieder. „Außerdem würdest du in einem geistigen Duell mit mir ohnehin nur verlieren.“

Er erwiderte darauf nichts mehr und überließ es lieber Esperia, weiterzusprechen: „Youtia-sama, wir haben eine neue Mission bekommen.“

Die Wissenschaftlerin nickte wissend. „Ich weiß, ich weiß. Eure Reise führt euch nach Sosuras, damit ihr diesen Mordfall untersuchen könnt. Wir werden euch mit Ether Jump schon hinbringen, nur keine Sorge.“

„Haben wir dort denn einen Client?“, fragte Yuuto.

Youtia runzelte missbilligend die Stirn und wandte sich wieder ihm zu. „Natürlich haben wir dort einen, wir sind immerhin perfekt vorbereitet.“

Yuuto hasste den Ton, in dem sie ihm das mitteilte. Es war so überheblich und arrogant, der Ton einer Person, die wusste, dass sie besser war als alle andern und das auch jeden wissen lassen musste, egal wie lange oder kurz sie sich kannten. Genau genommen war sie wie Shun – nur dass Youtia auch einen guten Grund dafür hatte. Yuuto zweifelte nicht an ihren Fähigkeiten, er gab neidlos zu, dass sie ein Genie war, aber musste sie das dauernd auf diese Art und Weise demonstrieren?

Abschätzig musterte sie jeden einzelnen. „Wollt ihr wirklich so gehen?“

„Wir haben ohnehin nicht vor, lange zu bleiben“, erwiderte Yuuto.

Dieses Mal kommentierte sie es nicht, wohl auch deswegen, weil Orupha ihr das Wort abschnitt. Der rote Spirit breitete die Arme aus, ehe sie fröhlich „Aber ich will im Schnee spielen!“ krähte.

„Ich habe noch nie Schnee gesehen!“, fügte sie erklärend hinzu.

Esperia wollte sie gerade deswegen maßregeln, aber Yuuto tätschelte lächelnd ihren Kopf. „Wir werden sehen, vielleicht bauen wir zusammen sogar einen Schneemann.“

„Oh ja!“, kam es fröhlich von ihr, auch wenn er davon überzeugt war, dass sie keine Ahnung hatte, was das eigentlich bedeuten sollte.

Youtia schob schmollend die Unterlippe vor, allerdings nur für einen Moment, dann schmunzelte sie wieder, so wie jedes Mal, wenn sie zufrieden war. „Okay, okay, schon verstanden. Dann kommt mal mit, Io wartet bestimmt schon auf uns.“

Ein Zustand, den der weiße Spirit mit Sicherheit schon gewohnt war, immerhin war sie bereits seit Jahren bei Youtia und so wie Yuuto es sah, war sie schon immer so gewesen – und sie würde sich mit Sicherheit auch nie ändern. Wie hielt Io das nur aus?

„Feen können sehr anpassungsfähig sein“, erklärte 'Motome'. „Und manchmal entwickeln sie regelrecht so etwas wie Liebe denen gegenüber, die sie nicht mit Verachtung strafen. Egal, wie seltsam es für andere aussehen mag.“

Yuuto wusste einen Moment lang nicht, was 'Motome' ihm damit sagen wollte, bezog es dann aber sofort auf sich und Aselia. He, Aselia und ich lieben uns gegenseitig! Das ist mehr als nur nicht-mit-Verachtung-strafen!

Das Shinken lachte amüsiert. „Wer sagt denn, dass ich von euch beiden spreche?“

Peinlich berührt, blieb Yuuto ihm jede Antwort schuldig, worauf es amüsiert fortfuhr: „Wer sich den Schuh anzieht...“

„Blödes Schwert“, grummelte Yuuto leise, wofür er wieder einen stechenden Kopfschmerz erntete.

Aselia, die neben ihm lief, warf ihm einen fragenden Seitenblick zu. Er lächelte ihr beruhigend zu, damit sie sich keine Sorgen machte und kümmerte sich dann nicht weiter darum. Diese Mission behagte ihm nicht, immer noch nicht, aber er würde sie zu einem guten Ende führen, das versprach er sich innerlich selbst, während er dem Weg zum ansässigen Ether Jump Server zurücklegte.



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