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Zu spät

Eine kleine Schreibübung
von

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Gesagtes ist gesagt

„Kojiro…“

„Wieso, Musashi?!“ Seine Stimme klang verletzt.

Ein schmerzliches Zucken ging durch ihren Körper. Sie wollte ihm nicht in die Augen sehen. Diesen Anblick würde sie nicht ertragen. Aber seine Augen waren wie zwei Magnete, und so stand sie hilflos zitternd in diesem Bann. Unfähig, sich zu rühren. Ihre Beine drohten schon jetzt, unter dem Beben ihres Körpers nachzugeben.

„Wieso“, wiederholte er seine Verzweiflung, „hast du das getan? Wieso nur, Musashi?!“

„Kojiro…“ Ihre Stimme war so schwach, das Flüstern so leise, und doch hatte sie Angst, noch mehr kaputtzumachen.
 

Sie wusste, dass sie ihn verletzt hatte. Und sie wünschte, sie könnte es ungeschehen machen. Wünschte, sie könnte Dialga heraufbeschwören und die Zeit verändern.

Aber es war zu spät. Die Bombe war geplatzt. Wie eine gewaltige Explosion hatte sie alles zerstört. Das hinterbliebene Chaos war nicht zu sehen, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Doch sie hörte noch jetzt, wie Herzen zersplitterten, als bestünden sie aus Glas.

Tränen perlten sich über seine Wangen. In seinen Augen stand so viel Schmerz, dass sie einen nie gespürten Selbsthass in sich spürte. All diese Verzweiflung… Verdammt, wieso hatte es so weit kommen müssen?

Nyasu stand nur wenige Meter von dem Duo entfernt und beobachtete die ganze Szenerie, als sei er nur ein zufälliger Zuschauer. Jemand, der zur falschen Zeit am falschen Ort war, aber zu neugierig, um dem Anstand nachzugeben. Und doch war es nicht die blanke Neugierde, die ihn an Ort und Stelle bannte.

Seine Ohren waren ihm zur Seite gekippt. Er wagte kaum zu atmen. Die Worte blieben ihm regelrecht im Halse stecken.

Er hatte alles mit angesehen. Hatte alles mit angehört. Und er hatte nicht gewusst, was er hätte tun sollen, um die Situation zu entschärfen. Obwohl er geahnt hatte, dass dieses Mal der Bogen überspannt gewesen war. Den ganzen Tag schon hatte er es gespürt, diese angespannte Atmosphäre im Team. Und ein ungutes Gefühl in seiner Magengegend hatte ihn vorgewarnt, dass nur ein falscher Schritt, ein falsches Wort, ausreichen würde, bis es eskalieren würde.
 

„Kojiro… ich… habe es nicht so gemeint…“, flüsterte Musashi mit zittriger Stimme. Sie meinte es ehrlich. Tat sie das? Wieso waren da diese Zweifel? „Wirklich, bitte verzeih mir.“

Ihr Partner schluckte schwer. Sie konnte es deutlich hören. Wie gebannt beobachtete sie, wie sein Adamsapfel unruhig hüpfte. Er wollte ihr mit Sicherheit etwas erwidern, doch kein Wort kam aus ihm heraus. Nur weitere, heiße Tränen tropften von seinem Kinn zu Boden.

„Bitte…“, wiederholte sie noch eine Oktave leiser. Und nur dieses eine Wort hinterließ in ihrem Herzen ein nachhallendes Brennen.
 

„Wieso…?“

Ein Zucken ging durch ihren Körper. Bis zum Äußersten angespannt straffte sie ganz automatisch die Schultern. Sie konnte nichts dagegen tun. Mit aller Mühe kämpfte sie ihren stillen Kampf um ihre Beherrschung, auf dass ihre Beine sie noch eine Weile tragen mochten.

„So etwas… Das, was du gesagt hast…“ Sein Stammeln verriet den wirren Gedankensturm in seinem Kopf. Und für einen Moment klangen ihre eigenen, harten Worte in ihren eigenen Ohren nach. Es tat weh, so verdammt weh. Was hatte sie ihm nur angetan? „So etwas sagt man einfach nicht, verdammt!“

„Es tut mir leid…“ Ihre Stimme brachte nur noch ein Wimmern zustande. Wie bei einem getretenen Fukano, kam es ihr in den Sinn. Sie ballte ihre Hände so kräftig zu Fäusten, dass sich ihre Fingernägel selbst noch durch die Handschuhe in ihre Handfläche bohrten. Schmerzlich. Doch es war längst nicht zu vergleichen mit dem Schmerz, der ihr Herz zerfraß. Dem Schmerz, den sie ihm zugefügt hatte.
 

„Ich…“, setzte er zittrig an, biss sich dann aber gequält auf die Unterlippe. Musashi zuckte in sich zusammen, als spürte sie das davon ausgelöste Stechen an sich selbst. Auch Kojiro hatte die Hände zu Fäusten geballt und sie erkannte das verräterische Zittern.

Wieso? Wieso hatte er sich noch immer so unter Kontrolle? Wie schaffte er es, diese Stärke bei sich zu behalten? Warum beendete er den Satz nicht einfach, wo sie doch ohnehin schon wusste, was sein Empfinden ihr bereits unüberhörbar entgegenschrie?

Doch er beendete den Satz nicht. Stattdessen jagte eine salzige Träne der anderen, wie bei einer Hetzjagd. Er machte keinerlei Anstalten, seine verschwommene Sicht von dem Wasser zu klaren.
 

Dann kam die Regung, vor der sich Musashi die ganze Zeit über gefürchtet hatte. Ihr wurde just in diesem Moment bewusst, dass ihr größter Albtraum wahr wurde. In dem Moment, in dem er sich von ihr abwandte. Stromschlagartig erfasste ihr gesamter Körper ein unbändiges Zittern.

„Bitte!“, entkam es ihrer Kehle, noch ehe sie es selbst richtig realisieren konnte. Sie tat im selben Moment einen hastigen Schritt nach vorne, bremste sich dann jedoch sofort wieder.

„Bitte“, wiederholte sie nun sanfter, flehender, „geh nicht.“

Ihr Partner hielt in seinem Vorhaben inne. Sie konnte nur vermuten, dass es in seinem Kopf rumorte. Ihr eigenes Pochen hinter ihrer Stirn verriet es ihr. Ein übelkeitserregender Schwindel drohte sich zwischen ihren rasenden Gedanken an.

Wenn er jetzt gehen würde… dann würde sie… würde sie… Ja, was würde sie dann eigentlich?

„Es geht nicht“, wirkten dann seine bebenden Worte auf sie ein und drohten, das letzte bisschen ihrer Beherrschung zu sprengen. Das Zittern ihrer Beine war nicht mehr zu bändigen und sie drohte, einfach an Ort und Stelle zu zerfallen, wie ein Phönix zu Asche. Ohne dass sie an eine Wiederauferstehung glaubte. „Es war zu viel.“
 

Sekunden zogen an ihr vorüber. Wurden zu Minuten. Stunden. Zu einer schwarzen Unendlichkeit.

Wie in Trance sah sie zu, wie ihr Partner davonrannte. Weg, hinein in die Dunkelheit.

Wie in einem bösen Traum gefangen stand sie nur da und sah zu. Unfähig, nach dem zu handeln, was sie am liebsten gewollt hätte. Die Regie wurde von fremder Hand geführt, und sie war nur die Statistin. Sie verwurzelte an Ort und Stelle und sah ihm nach, unfähig, irgendetwas in sich zu spüren.

Der feste Boden unter ihr zerfloss wie Treibsand. Und sie sank. Sank hinein in ein schwarzes Loch von Nichts. Und mit einem stummen Krachen stürzte der Nachthimmel über ihr ein, regnete sein schweres Geschoss von Sternen auf sie hinab. Hätte sie doch wenigstens einer von ihnen erwischt.

Die brennenden Tränen auf ihren Wangen waren kalt. Ihr war kalt.

Und eine Stimme raunte ihr diabolisch ins Ohr, dass Kojiro dieses Mal nicht zurückkommen würde. Nie mehr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Kerstin-san
2015-12-13T11:38:58+00:00 13.12.2015 12:38
Hallo,

es ist schon Ewigkeiten her, dass ich mal eine Pokémon-FF gelesen hab (irgendwie bleib ich eher an Fanarts hängen) und ich glaub tatsächlich, dass ich noch nie eine mit Team Rocket gelesen hab, aber die hier finde ich wirklich gelungen. Zwar sehr traurig, aber auch sehr berührend.

Es bleibt im Prinzip ja unklar, was genau Musashi jetzt gesagt hat, aber obwohl man das nicht weiß und nur spekulieren kann, kommen Kojiros Gefühle sehr gut rüber. Dieses Unverständnis, die Enttäuschung und das ihn die Worte sehr tief getroffen und verletzt haben.

Aber man merkt auch, dass Musashi ihre Worte zutiefst bereut, dass sie selbst perplex ist, dass sie das ausgesprochen hat und das sie es am Liebsten wieder ungeschehen machen würde.

Nyasu ist ja scheinbar nur ungewollt bei dem ganzen Spektakel dabei, aber man merkt, dass ihm das ganze auch nahe geht, weil es eben seine Teammitglieder sind, die sich gegenseitig so verletzt haben und weil dadurch das ganze vertraute Gefüge einfach verändert wird. Wie genau, ist jetzt ja noch nicht absehbar, aber das eine entscheidende Veränderung auf sie alle zukommt, ist völlig klar.

Was mir sehr gut gefallen hat, waren diese Pokémonmetaphern, die du eingebaut hast ("Und sie wünschte, sie könnte es ungeschehen machen. Wünschte, sie könnte Dialga heraufbeschwören und die Zeit verändern."). Das gibt einem das Gefühl, dass man wirklich in der Pokémonwelt ist, weil du solche Redewendungen verwendest.

Die letzten zwei Sätze waren dann noch das Sahnehäubchen. Ich achte ja meistens immer auf die ersten und die letzten Sätze, weil die sich am Meisten einprägen.

Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  Shizana
13.12.2015 15:54
Naw, das ist ein so toller Kommentar! So ausführlich und tiefblickend, vielen vielen Dank dafür. Ich habe lange nichts mehr in dieser Form lesen dürfen. ;^;
Ich freue mich, dass meine FF dich ins Pokémon-Fandom zurücklocken konnte. Und ich freue mich, dass sie ein gutes Bild vermitteln konnte. Das ist mir sehr wichtig.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für diese kleine Geschichte genommen hast. Ich bin sehr glücklich. ♥
Ich wünsche dir einen schönen Advent.
Von:  w-shine
2013-04-24T20:48:11+00:00 24.04.2013 22:48
Na toll. Jetzt bin ich deprimiert! Diese Geschichte in Kombination mit dem vorgeschlagenen Lied macht echt depressiv, das ist nicht schön!
Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was sie denn nun gesagt hat, was ist vorher vorgefallen und mit was hat sie nun schlussendlich den Bogen überspannt, so dass er sich umdreht und weg geht. Aber es ist gut, dass du das im Dunkeln lässt und nicht sagst, was genau vorgefallen ist, weil man sich so seine eigenen Gedanken machen kann.
Wie traurig ist die Geschichte jetzt fand, kann ich nicht genau sagen, weil das Lied sicherlich sein übriges dazu getan hat, aber auf jeden Fall ist sie seiner berührend und ich konnte mir die Szene sehr gut vorstellen.
Ich habe irgendwie auf eine Wendung gewartet, als ob du uns in die Irre führen willst oder so. Aber die kam nicht.
Rechtschreibung und Schreibstil kann ich nicht bemängeln, gefällt mir sehr gut und Fehler habe ich keine gesehen.
Muss sagen, hat mir wirklich gut gefallen, wenn ich besser im Pokemon-Fandom auskennen würde, wäre ich wahrscheinlich Fan.

LG Shine

✖✐✖

Antwort von:  Shizana
24.04.2013 23:30
Danke für dein Feedback mit dem tiefen Einblick, wie es dir beim Lesen ging und was dir durch den Kopf schwebte. Das war mir hier sehr wichtig zu erfahren. :) Es war sehr hilfreich.

Re-Kommentar folgt demnächst. ^^


Alles Liebe
Shizana
Von:  Chibi_TR
2013-03-31T18:28:10+00:00 31.03.2013 20:28
Ohman. Da klickt man fröhlich durch Animexx auf der Suche nach Ostereiern, landet bei einer deiner FFs und ist hinterher ein emotionales Trümmerfeld. T_T
Unglaublich, wie einen ein so kurzer Auszug runterziehen kann. Also echt Respekt, du weißt wie man schreiben muss, um den Leser zu erschüttern und völlig in den Bann zu ziehen. x__x
Auch wenn man keinen Hintergrund hat, warum es so weit zwischen Musashi und Kojiro gekommen ist, fühlt man doch ihren Schmerz. Man wird wirklich unsicher, ob man überhaupt wissen will, was zwischen den Beiden vorgefallen ist. Musashi muss ja wirklich etwas ganz, ganz schlimmes gesagt haben, dass Kojiro so verletzt ist. Immerhin hält er sonst ganz schön viel aus.
Moah, ich hab ein richtig komisches Gefühl in der Magengegend. Mich ziehen solche Storys bei meinen absoluten Lieblingscharas immer so runter. .__.
Aber dein Schreibstil ist immer wieder eine Wohltat. Ich als Leser bin immer sehr berührt.

... nun aber weiter Ostereier suchen...

Chibi ;_;
Antwort von:  Shizana
31.03.2013 21:49
Ach, Kleines, nicht runterziehen lassen. Den beiden geht es gut und sie sind glücklich miteinander, aye. Diese Zukunftsvision ist unrüttelbar.
Aber es freut mich wirklich sehr, dass du so berührt von diesem kleinen Drama warst. Es war mir wichtig, einmal auszuprobieren, ob ich auch dieses Genre noch glaubhaft schreiben kann, nachdem ich ja bis dahin überwiegend Humor geschrieben hatte. Dabei bin ich eigentlich gern der ausgelassene Typ, für mich ist Humor und Drama gleichermaßen wichtig. Ich brauche beides, aye.

Den doppelten Kommentar habe ich gelöscht, alles halb so wild. Manchmal hängt es etwas im System, das ist ja nichts Neues. ;)

Ich freue mich sehr, dass du meine FFs gerne liest. Und ich freue mich immer sehr über dein Feedback.


Alles Liebe und viel Erfolg mir der Ostereiersuche
Shizana
Von: abgemeldet
2012-04-06T16:49:54+00:00 06.04.2012 18:49
Endlich komm ich auch mal dazu, deine FF zu lesen! x_x
Ich finde sie toll geschrieben. Echt klasse! Aber ob Musashi Kojiro jemals so verletzen könnte, um dass er ihr für immer den Rücken kehrt? Schwer vorstellbar. :/ Aber andererseits...
Beim Lesen hatte ich ganz klar eine Vorgeschichte vor Augen, aber irgendwie... Hm.
Und nein, nein, nein, ich kann mich echt nicht damit anfreunden, dass Kojiro nie mehr zurück kommen soll. Das geht nicht! Andersrum wäre es denkbar, als dass sie ihn verlässt. Aber Kojiro kann nicht ohne sie. Niemals!
Diese FF zerstört mein Weltbild, ist dir das klar? ö__ö
Aber ich mag sie trotzdem! ^^

Von: abgemeldet
2012-02-27T16:09:22+00:00 27.02.2012 17:09
Der letzte Satz ist so... argh ;_;. Bis dahin hatte ich ja noch ein kleines bisschen gehofft auf eine Versöhnung. Irgendwie. Auch wenn man selber nicht genau weiß was denn nun Musashi so schlimmes angestellt hat. Es muss schon sehr hart gewesen sein, dass Kojiro nie wieder kommen wird! Immerhin musste er ja schon viel ertragen. Und man merkt sehr deutlich an der Art wie du geschrieben hast, dass es dir nicht gut ging bzw kommen die negativen Gefühle, die gedrückte Stimmung etc dadurch sehr gut zur Geltung! Wo man diese Geschichte zeitlich einordnen könnte, weiß ich leider nicht. Aber ich musste spontan an eine dieser handvollen Episoden denken, wo die drei sich zerstritten und getrennte Wege kurzläufig gingen. Aber hier... Man fühlt richtig den Schemrz von beiden und man fühlt auch das Ende... Wenn du jemals hierzu eine Fortsetzung schreiben solltst, dann vielleicht eine die die Auszeit zwischen den beiden beschreibt, nach dieser schrecklichen Sache. Kojiro, der sich versucht komplett von seiner Partnerin (und Nyasu) abzuwenden und vergessen will damit es nicht so weh tut und Musashi, die sich mit ihrer Schuld auseinadersetzen muss. Oder so. Na ja, ich hoffe mein gebrabbel getarnt als Kommentar bringt dir etwas. :)


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