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Die Frage nach dem Winter

Schicksal der Elfen
von

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Der Schnee fällt, Flocke um Flocke auf den Sandboden und legt seinen weißen Schleier über das Land. Dicke Wolken verdecken den blauen Himmel und tauchen alles in eine scheinbar düstere Atmosphäre, da die Sonne nicht durchbrechen kann.

Immer mehr Weiß liegt auf dem Boden, verwandelt die kargen Bäume und zaubert eine Winterlandschaft daher. Die Äste der Kiefern werden schwerer, drohen unter dem Gewicht des Schnees zu brechen und doch passiert es nicht. Dumpfe Laute deuten darauf hin, dass der Schnee einfach hinunter rutscht, wenn es zu viel wird.

Die Tiere sind verschwunden, in den Süden geflogen oder sie haben sich zum Winterschlaf gelegt. Jedoch gibt es mit Sicherheit ein paar Tiere, die sich in den Tiefen des Schneewaldes verstecken.
 

Die Schneesterne zeichnen sich auf den Fensterscheiben ab; feine, detaillierte Strukturen von unglaublicher Schönheit, wie Emely feststellen musste. Sie fuhr mit ihren Fingern über die winzigen Eiskristalle, die sich von draußen auf das Glas gesetzt hatten.

“Faszinierend, nicht wahr?”, kam die Frage von dem alten Mann, der sich auf die Bank setzte, auf der Emely kniete, um aus dem Fenster zu schauen.

Das kleine Mädchen nickte, stellte die Ellbogen auf die Fensterbank, legte ihren Kopf hinein und sah weiter hinaus.

“Aber Opa, was ist eigentlich Schnee? Und was ist der Winter?”, stellte sie die Fragen und sah den alten Mann mit ihren moosgrünen Augen an. Er strich ihr über das braune Haar und lächelte.

“Lass mich dir eine Geschichte erzählen”, meinte er, hob sie auf seinen Schoss, so das sie aber immer noch hinaus sehen konnte.
 

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Vor einer Zeit, an die sich selbst die ältesten Menschen heute nicht mehr erinnern können, gab es eine Verbindung zwischen Elfen und Menschen, eine Verbindung, die durch den Glauben getragen wurde. Doch die Menschen fingen an, den Glauben an diese eleganten Wesen zu verlieren und sie zogen sich zurück, teilweise verblassten sie sogar und wurden zu Geistern.

Die Traurigkeit über diesen Verlust äußerte sich bei diesen naturnahen Geschöpfen in ihren Umgebung: Regen wurde plötzlich fester, wurde weiß und flockig. Es wurde kalt, so dass die Seen und Flüsse zufroren und die Tiere das Land verließen, um wärmere Gebiete aufzusuchen. Durch den Zusammenbruch von der Verbindung zwischen Menschen und Elfen entstand der Winter.

Mehrere Jahre war es kalt, Schnee überzog die Länder und alles war weiß. Die Menschen froren und wussten nicht, warum die Natur so verrückt spielte. Sie hatten die Elfen vergessen und ahnten deshalb nicht, dass alles durch den Bruch der magischen Verbindung geschehen war.

Die Erwachsenen wussten nicht mehr weiter, doch die Kleinen warn noch nicht verblendet und haben die Fantasie und den Glauben noch nicht verloren. Und in einer Zeit gab es ein Mädchen, dass nicht auf die Erwachsenen hörte und der Welt wieder Frieden bringen sollte.
 

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“Das Mädchen ähnelt dir sehr Emely”, lächelte der Mann und streichelte seiner Enkelin über den Kopf.

“Was ist passiert Opa? Erzähl weiter!”, drängte die Kleine. “Ich will wissen, warum es jetzt nur noch ein paar Monate Winter gibt! Und wer ist dieses Mädchen?”

Er schmunzelte und erzählte weiter, nachdem er einen Schluck aus seiner Tasse genommen hatte.
 

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“Laura, geh in den Wald und sammele ein paar Zweige für den Trog. Doch denk dran, dich warm anzuziehen”, sagte die Frau zu dem kleinen, schwarzhaarigen Mädchen, welche gerade auf dem Boden saß und ihre Stiefel anzog.

“Mutter, es ist jetzt schon mehrere Jahre kalt … seit ich denken kann liegt Schnee. Natürlich zieh ich mich warm an!”

“Natürlich tust du das. Ich hab immer noch das Gefühl, dass dieser Winter erst seit Kurzem ist.”

Laura wickelte sich den Schal um den Hals, zog die Jack darüber und warf die Kapuze über ihren Kopf.

“Sei ja vorsichtig meine Kleine”, meinte die Mutter, als das Mädchen nach draußen ging.

“Mutti, ich bin fast 12! Ich kann schon auf mich aufpassen!”, erwiderte Laura und schloss die Tür. Manchmal war ihre Mutter viel zu fürsorglich und machte sich zu große Sorgen. Dabei ist Laura schon als sehr kleines Kind allein in den Wald gegangen.
 

Das Mädchen stapfte durch den tiefen Schnee, direkt in Richtung Wald. Die meisten Bewohner des Dorfs waren in ihren Häusern. Alle vermieden es so gut es ging nicht hinaus zu gehen, weil sie das Eis und die Kälte hassten.

Laura hingegen liebte den Schnee und die Kälte machte ihr auch nichts aus. Sie wurde deshalb auch von vielen als Winterkind bezeichnet. Sie ist eine der Wenigen, wenn nicht sogar die Einzige, die mit der Kälte kein Problem hat. Viele in ihrem Alter waren die Hälfte des Jahres krank, weil sie nie draußen waren, obwohl das die Eltern natürlich nicht so sahen.
 

Laura kam am Wald an und sah sich um. Wo würde sie jetzt die besten Zweige finden? Erstmal weiter hinein. Durch den Schnee war alles so schön hell und es war nicht so düster, wie es früher gewesen sein soll, was das Mädchen nicht kannte.

Mit strahlendem und interessierten Blick lief Laura durch den tiefen Schnee, als sie plötzlich eine Stimme wispern hörte.

“Sie ist da”, klang es durch den Wald. Weitere Stimmen kamen der Ersten hinzu und fügten sich wie in einem Gesang zusammen, wie ein Frage und Antwort Lied.

Lauras Körper wurde von einer Gänsehaut überzogen und ein kalter Schauer schoss einmal von den Füßen bis zum Kopf.

“Hallo? Wer ist da?”, rief sie in den Wald hinein, doch der Singsang wurde nicht unterbrochen, nichts änderte sich. Es war wie ein monotoner Klang, der sich zwischen den Bäumen hindurch zog.

Laura zuckte mit den Schultern und ging weiter. Sie bildete sich gern mal etwas ein. Vielleicht war es wieder einer ihre Tagträume, ohne das sie etwas mitbekam.

Sie kam an einer kleinen Lichtung an, wo sie ein paar gute Äste fand, die sie sammeln wollte. Doch dann war sie der Meinung, dass sich in der Mitte der Lichtung eine Frau befand, aber irgendwie auch nicht. Sie erkannte ein weibliches Wesen in einem weißen Kleid mit silbernen Haaren, welche mit bläulichen Strähnen durchzogen waren. Spielten ihre Augen ihr jetzt einen Streich?

Aber dann sah sie die Frau mit grauen Augen an, mit traurigem und doch strahlenden Blick. Ist so was überhaupt möglich?

“Du bist zu uns gekommen, Laura Menschenkind”, sprach die Frau und streckte ihr einen Hand entgegen.

Laura erschrak. Die Frau war also nicht eingebildet. Oder drehte sie nun völlig durch und ihre Fantasie spielte mit ihr ihre Spielchen.

“Wer bist du?”, fragte sie dann aber doch mit feste Stimme, denn sie hatte keine Angst. Es war einfach nur ungewöhnlich was gerade passiert.

“Ich bin Maja, eine Nymphe des Waldes”, antwortete die Frau mit einem Lächeln. Kein Traum, definitiv nicht!, dachte sich Laura nun doch.

“Woher kennst du meinen Namen?”, fragte das Mädchen weiter.

“Ich und meine Geschwister beobachten schon länger dein Dorf und die bist die Einzige, die ihre Augen noch offen hat und die Realität erkennt. Du Laura, du kannst uns noch sehen.”

“Noch sehen? Das hört sich so an, als könnten die Anderen es nicht mehr, obwohl sie es mal konnten.”

“Das stimmt auch. Früher haben uns die Menschen alle gesehen, doch als sie den Glauben an und aufgaben, haben sich unsere körperlichen Hüllen langsam aufgelöst. Du musst wissen, dass ich früher als Elfe über die Erde gewandelt bin.”

“Das klingt wie das Märchen der Elfenklage”, erinnerte sich Laura. Das hatte ihre Mutter ihr einmal vorgelesen.

“Nur das dies kein Märchen ist, sondern die Wahrheit. Diese Geschichte, die du kennst, ist die Meinige. Genau so hat es sich abgespielt. Durch die Trauer des Verlustes dieses Bandes zwischen Menschen und Elfen ist der Winter entstanden. Wenn die Menschen wieder an uns glauben, dann werden die Nymphen vielleicht wieder zu Elfen und die Natur wird so sein wie früher.”

“Deshalb ist also immer Winter. Meine Mutter konnte mir das nie erklären.”

“Weil sie wie alle Anderen auch uns vergessen hat und Elfen nur für ein Märchen hält.”

Laura nickte. Diese Geschichte hatte sie schon immer traurig gefunden, doch da es nun scheinbar doch real war, stieg die Traurigkeit in ihrem Körper noch mehr an.
 

“Nicht weinen meine Kleine”, hauchte die Frau und schritt auf Laura zu. Erst da bemerkte das Mädchen, dass die Nymphe außer dem Kleid nichts trug. Sie lief barfuss über den Schnee, doch man sah keine einzige Fußspur, als wäre sie nicht da.

“Sind Nymphen so etwas wie Geister?”, fragte sie.

“Wie kommst du darauf?”

“Spuren im Schnee … von dir sind keine zu sehen.”

Die Frau lächelte und strich dem Mädchen über den Kopf, denn sie stand nun bei ihr.

“Nicht direkt Geister, aber so ähnlich. Nymphen führen ein Dasein zwischen Leben und Tod. Ich brauche nichts essen, ich trinke nichts und man kann mich nichts töten. Jedoch kann ich fühlen und auch Menschen berühren. Du kannst mich also eher als Geschöpf der Magie betrachten.”

“Es tut mir Leid. Du musst es schrecklich vermissen, eine Elfe zu sein. Spürst du die Kälte des Winters?”

“Nein, denn mein Gespür ist seit jeher verschwunden. Alles was mir blieb sind meine Gefühle, wofür ich dankbar bin. Doch ab und an hätte ich auch die gern verloren.”

Die filigrane, kleine Kinderhand legte sich gegen den Arm der Nymphe.

“Nicht traurig sein. Das Dasein auf der Welt hat seine guten und seine schlechten Seiten. Das sagte mein Vater mal zu mir … das ist das Einzige, woran ich mich erinnern kann. Er verließ uns, als ich noch sehr klein war.”

Maja guckte sie mit liebevollen Augen an: “Du bist ein gutes Menschenkind Laura. Dein Vater musste mit Sicherheit gehen, obwohl er nicht wollte. Ein Kind, dass das Herz am rechten Fleck hat verlässt man nicht einfach so.”

Die Kleine lächelte.

“Du gibst mir und meinen Geschwistern Hoffnung.”

“Hoffnung worauf?”, fragte Laura verwirrt.

“Hoffnung auf unser Leben. Hoffnung das wir aus dem Nymphenleben wieder ins Elfenleben zurückkehren können und das das Leben, wie es einst war wiederkehrt.”

“Aber wie soll das gehen?”

“Indem du dir deine reine Seele behältst. Geh nun wieder zurück, sonst macht sich deine Mutter Sorgen. Komm an einem Schneefalltag zu mir und vielleicht kannst du wirklich etwas ändern.”

Maja gab dem Mädchen einen Kuss auf den Scheitel, drehte sich um und verschmolz wieder mit dem schneeweißen Wald.

Etwas irritiert über diese Begegnung nahm Laura noch ein paar Äste und machte sich auf den Rückweg, mit der festen Überzeugung wieder hierher zurück zu kehren.
 

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Tage vergingen und kein Schnee fiel. Der Himmel war bedeckt, so wie immer, wenn es schneien würde, doch das weiße Gold des Himmels ließ auf sich warten.

Laura sah immer wieder aus dem Fenster und senkte traurig den Blick, wenn das Weiß nicht herunter rieselte. Das Mädchen wollte den Nymphen unbedingt helfen, ihnen wieder das Leben schenken. Ebenso wollte sie die Naturverhältnisse wieder richtig stellen, dass auch Blumen blühen würden und die Tiere kommen würde. Aber auch das die Wärme zurück kehrte, die alle Menschen so vermissten.
 

Plötzlich, als Laura gerade von einem Spaziergang zurückkam, setzte sich eine kleine Schneeflocke auf ihre Nase. Sie beobachtete das weiße Gold, wie es auf ihrer Nase schmolz und schon fielen ihr die nächsten Flocken ins Gesicht.

Laura quiekte vor Freude und legte die letzten Meter nach Hause im Sprint zurück. Sie sagte ihrer Mutter, dass sie noch mal in den Wald gehen würde, um noch ein paar Zweige zu holen. Bevor diese noch etwas erwidern konnte, war Laura schon in Richtung Wald verschwunden.
 

Das Mädchen nahm den Weg, den sie vor ein paar Tagen genommen hatte. Inzwischen fiel das Weiß in dicken Flocken auf die Erde und bedeckte den hellen Schneeboden mit einer neuen, leichten Schicht.

Laura kam auf die kleine Lichtung und sah sich um. Niemand war zu sehen.

“Maja?!”, rief sie und es hallte als Echo im Wald wieder.

“Ich hab dich schon im Blick gehabt”, erklang die glockenhelle Stimme der Nymphe. Kurze Zeit später erschien sie zwischen den Bäumen und kam auf das Mädchen zu.

“Ich wusste, dass du kommst, sobald der neue Schnee fällt. Du hast ein reines Herz, Laura Menschenkind.”

Die Röte stieg in ihr Gesicht und Laura lächelte verlegen. Jedoch kam sie sofort auf das Thema zurück, weshalb sie eigentlich hier war.

“Was kann ich nun tun Maja? Ich will helfen!”

“Ich weiß meine Kleine und du kannst es auch. In den Tiefen der Blagenwälder lebt noch ein Einziger unserer wahren Art, der Elf Felixes. Er wird dir helfen können und sagen, was du tun kannst.”

“Warum seid ihr nicht zu ihm gegangen?”

“Wir Nymphen sind an den Wald gebunden, in welchem wir geboren beziehungsweise entstanden sind. Auch wenn es nicht so weit weg ist, so können wir unseren Wald nicht verlassen.”

“Oh … ihr habt diesen Wald nie verlassen?” Das ist ja schrecklich. Die Welt ist doch so gigantisch. Wenn ich einmal groß bin, dann will ich sie bereisen!”

“Ich habe schon viel von der Welt gesehen als ich eine Elfe war und dir wünsche ich auch, dass du einmal solche Erlebnisse machst. Doch nun mach dich auf den Weg und suche Felixes. Ich weiß nicht, wie lange er noch in seiner Elfengestalt wandelt.”

“Ich mach mich sofort auf den Weg”, sagte Laura fest entschloss.

“Ich danke dir für deine Mühe, Laura Menschenkind.”

Maja winkte ihre mit einem Lächeln zu und dann drehte sich die Kleine auch schon um und rannte durch den Wald zurück zum Dorf.
 

“Mutti!”, schrie Laura laut, als sie gerade die Tür zu ihrer Hütte öffnete. Ihre Mutter kam ihr irritiert entgegen und dachte erst, dass etwas Schlimmes passiert sei.

“Was ist Laura? Ist etwas passieren?”

“Ja … nein, eigentlich nicht. Ich möchte nur wandern gehen, also weiter weg, wo ich erst morgen zurück kommen würde.”

“Aber wo willst du denn in Gottes Namen hin?”

“In die Blagenwälder. Ich hab gerade total Lust drauf. Bitte Mama, bitte!”, flehte sie, denn normalerweise erlaubte ihre Mutter so etwas nicht.

“Aber warum denn so plötzlich? Wer hat dich denn darauf gebracht?”

“Als ich eben durch unseren Wald gelaufen bin, hab ich daran gedacht, dass es doch schön wäre, mal einen anderen Wald zu sehen.”

“Aber du bist noch ein Kind!”

“Ich bin 12 Mutter! Und der Wald ist doch cirka nur 2 Stunden entfernt. Wenn es dir lieber ist breche ich erst morgen früh auf und dann bin ich spätestens abends wieder zurück. Bitte! Ich will nicht mein ganzes Leben hier verbringen!”

Ihre Mutter seufzte: “Du bist wie dein Vater Laura, immer auf der Suche nach einem Abenteuer. Ich mach mir nur Sorgen, dass du nicht zurückkommst.”

“Das werde ich aber, versprochen. Ich lass dich nicht allein wie Vater!”

Die Frau lächelte und nahm ihr Kind in die Arme. In ihr erkannte sie die Züge ihres früheren Mannes, doch im Großen und Ganzen war die Kleine wie sie selbst.

“In Ordnung. Morgen früh kannst du aufbrechen, wenn du magst.”
 

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Laura zog ihre warmen Stiefel an und packte sich in die wärmste Jacke, die sie hatte. Dazu noch die selbst gestrickten Sachen von ihrer Mutter: Handschuhe, Schal und Mütze.

Ihre Mutter gab ihr eine Tasche: “Hier meine Kleine. Da ist genug zu Essen drin, wenn du länger brauchst als geplant, so das du mir nicht verhungern kannst. Außerdem noch eine Decke, falls es kälter wird.”

“Danke Mutti. Ich verspreche dir, dass ich spätestens heute Abend wieder zurück bin.”

Die Frau nickte und gab Laura einen Kuss auf den Scheitel: “Pass auf dich auf mein Schatz.”

“Das werde ich! Danke das ich gehen darf.”

“Ich kenn dich doch. Du wärst irgendwie trotzdem hingekommen.”

“Wahrscheinlich”, grinste Laura.

Und dann öffnete das Mädchen die Tür, trat hinaus in den neugefallenen Schnee und war bis zu den Knöcheln in der weißen Masse. Laura atmete die kalte, frische Winterluft ein und setzte dann einen Fuß vor den Anderen.

Am Rand des Dorfes blieb sie noch einmal kurz stehen, drehte sich um, winkte ihrer Mutter, die noch an der Tür stand und verließ dann zum ersten Mal in ihrem Leben das Dorf.
 

Er war ein schönes Gefühl durch den dicken Schnee zu stapfen und die Landschaft zu betrachten. Viel zu sehen gab es ja eigentlich nicht, denn die weiße Masse bedeckte alles und momentan befand sich Laura auf einer Ebene, auf welcher vereinzelt ein paar Bäume in Grüppchen standen. Die Büsche, die es hier mal gegeben haben soll waren durch die ewige Kälte wahrscheinlich alle abgestorben.

Ihr Blick ging ab und an zurück, das Dorf war kaum noch zu sehen, denn die kleinen Hügel rundherum ließen nur noch die Hausspitzen hinaus schauen.
 

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Die Zeit verging. Die Sonne strahlte schwach durch die dichte Wolkendecke, die neuen Schneefall ankündigte, worüber sich Laura freute. Sie kannte nur diese Wetter, denn der Winter ist herein gebrochen, als sie ein Kleinkind war und an das davor kann sie sich nicht erinnern.

Während der Wanderung hatte sie etwas gegessen, um nicht unnötig stehen zu bleiben, dann würde ihr mit Sicherheit kalt werden. Ihre Mutter hatte mehrere Brötchen fertig gemacht und in den Korb getan, dazu noch Obst und ein paar Kekse. Außerdem noch eine kleine Kanne mit Tee. Das würde mit Sicherheit ausreichen.
 

Nun war sie drei Stunden lang unterwegs und in der Ferne zeichnete sich nun schon ein großer Wald ab, der immer näher kam: die Blagen-Wälder.

Mit jedem Schritt spürte Laura die Aufregung, die ihr Herz zum Schnellerschlagen brachte. Von diesem Wald hatte sie schon öfter gehört und immer gehofft, irgendwann mal hierher zu kommen. Das es nun allerdings so schnell dazu kommen würde hätte sie nicht gedacht.
 

Laura blieb stehen, nur wenige Meter vor ihr waren die ersten Bäume. Ein wenig entfernt hörte das Mädchen Vögel; die Singvögel, die nicht in den Süden flogen. In den letzten Jahren war das Vogelgezwitscher immer seltener geworden, denn natürlich spürten auch die Tiere, dass der Winter sich nicht zurückziehen wollte. Das stimmte Laure immer traurig, denn sie mochte Vögel. Sie sah ihnen gern beim Fliegen zu, so frei und sorgenlos wollte sie auch sein.

Plötzlich schoss dem Mädchen eine Frage durch den Kopf. Wie fand sie Felixes eigentlich in diesem großen Wald? Zu Hause bei sich war Maja zu ihr gekommen, doch der Elf wusste wahrscheinlich nicht, dass sie kam. Ob er vielleicht auch schon seinen Körper verlassen hatte und zu einem Waldgeist geworden war?

Egal wo und was er war, Laura wollte und musste ihn finden und deshalb machte sie sich wieder auf den Weg und ging hinein, in die Tiefen der Blagen-Wälder.
 

Ein Knacken und plötzlich schoss ein Vogel durch die Äste hinaus in den Himmel. Laura erschreckte sich, blieb aber ruhig und sah die Blätter zu Boden segeln, die der Vogel von den Zweigen gerissen hatte.

Die Füße trugen sie dann aber weiter in den Wald. Das Mädchen überlegte, ob die den Elf rufen sollte, doch sie hatte Bedenken, dass in dem Wald auch Andere waren, die sie besser nicht hören sollte. Sie dachte nicht an die wilden Tiere, eher an Räuber und Diebe.

Vielleicht finde ich ja Fußabdrücke, dachte Laura, als sie in einen Apfel biss, den sie gerade aus ihrer Tasche geholt hatte. Wie lange würde sie wohl suchen? Wenn sie Pech hatte würde sie ewig suchen, denn der Wald hier war wahrscheinlich um einiges größer als der zu Hause und außerdem kannte sie den Wald nicht. Das größte Problem wurde ihr aber erst bewusst, als sie schon längst im Wald war. Wie würde sie wieder herausfinden, wenn sie Felixes nicht fand?

Ein wenig Sorge machte sich in ihr breit, doch als Angst konnte man das nicht bezeichnen. Laura war immer schon zuversichtlich gewesen und auch jetzt sagte sie sich, dass schon alles funktionieren würde.

Die Fichten standen dicht an dicht und der Wald wurde immer enger. Und genau da fand sie ihn dann, den Elf, den sie gesucht hatte.

An einem Baum lehnte ein Mann mit schneeweißen, kurzen Haaren. Er trug eine braune Hose, ein blaues Hemd und stand barfuss im Schnee. Ist das nicht kalt?, fragte sich Laura. Seine Lippen lagen an einer Panflöte und er spielte eine sanfte Melodie. Der pechschwarze Rabe, welcher auf seiner Schulter saß hörte ihm schweigend zu, reagierte aber sofort als Laura näher kam. Er legte den Kopf schräg und gab ein kurzes Krähen von sich.

Die Melodie verstummte und der Mann ließ die Flöte sinken. Dann öffnete er seine Augen und sah Laura mit goldenen Augen an, die wie die Mittagssonne funkelten.

“Wer bist du Menschenkind?”, fragte er mit einer geschmeidigen Stimme.

“Ich bin Laura, ich komme aus Reren”, antwortete sie ihm, nachdem sie festgestellt hatte, der der Rabe sie mit ebenfalls goldenen Augen fixiert hatte.

“Bist du der Elf Felixes?”, fragte sie ihn.

“Woher kennst du meinen Name?”

“Maja hat ihn mir genannt.”

“Maja? Wie lange habe ich nichts mehr von ihre gehört? Sie ist eine Waldnymphe geworden, oder?”

Laura nickte traurig: “Ja, das ist sie und ich finde es so schlimm. Aber warum bist du eigentlich noch ein Elf?”

“Ich habe der Nähe zu den Menschen den Rücken gekehrt und konnte so dem Schicksal entrinnen. Doch Maja und viele Andere wollten ihre Heimat nicht verlassen und haben somit ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Ich verstehe es bis heute nicht!”

“Aber Maja liebt ihren Wald! Man kann seine Heimat doch nicht einfach so verlassen.”

“Wenn man damit aber sein Leben schützt?!”

Laura guckte ihn etwas geschockt an. Diese Sichtweise hätte sie nicht erwartet.

“Es tut mir Leid, ich wollte nicht so laut werden. Du kannst ja nicht wirklicht was dafür. Aber warum bist du hier?”

“Ich brauche deine Hilfe, deine Gefährten brauchen deine Hilfe. Maja sagte, dass ich dich suchen soll, wenn ich eurem Volk helfen will.”

“Du glaubst also noch an die Elfen? Mit vollem Herzen?” Laura nickte.

“Ein Kind, dass noch nicht verblendet ist, darauf habe ich jahrelang gehofft. Ich habe geahnt, dass irgendwann jemand kommt, doch es war nur eine Hoffnung. Du scheinst jedoch wirklich mit dem Herzen zu sehen und etwas ändern zu wollen.”

“Ja, ich will euch helfen! Es ist schrecklich, dass die Elfen ihre Körper verlieren, nur weil die Menschen nicht mehr an sie glauben. Das darf nicht sein!”, sagte Laura bestimmend.

“Unglaublich. Das starke Herz eines Mädchens.”

Laura wurde leicht rot. Solch ein Kompliment hatte sie noch sie bekommen.

“Vielleicht kannst du mit Hilfe von Elfenmagie auch die Anderen retten. Ich will nicht, dass Maja den Rest ihres Lebens als Nymphe verbringen muss.”

“Du magst sie, nicht wahr?”

Etwas Röte stieg in seine Wangen und Laura war sicher, dass das nicht nur die Kälte war.

“Ein reines Herz und ein klarer Blick. Du könntest wahrlich etwas ändern Laura … Folge mir.”

Indirekt also Ja, dachte sich Laura erfreut und folgte dem Elfen. Der Rabe hob sich von seiner Schulter ab und flog voraus.
 

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Sie lief nun schon eine Weile neben Felixes her, welcher stumm einem Weg folgte, den er scheinbar in und auswendig kannte.

Plötzlich krähte der Rabe auf, drehte sich in der Luft um und setzte sich auf Lauras linke Schulter. Vor Schreck blieb das Mädchen stehen und sah dem Tier in die goldenen Augen, die sie fixiert hatten.

Felixes drehte sich um, streckte die Hand nach ihr aus und lächelte: “Keine Angst. Xeras ist ein lieber Rabe. Komm!”

Laura nickte immer noch etwas irritiert, nahm dann aber die Hand des Elfen.

“Weißt du, was das für eine Bedeutung hat, wenn sich Xeras auf die Schulter von jemanden setzt? Er spürt, dass denjenigen etwas bedrückt.”

“Ein kluger Rabe”, meinte Laura lächelnd und bekam kurz darauf den Schnabel über die Wange gestrichen.

“Ich habe mich gefragt, was wir jetzt machen? Ich meine, wie wir deine Art genau retten wollen.”

“Mit Elfenmagie. Noch etwas Geduld, dann wirst du es sehen”, sagte Felixes sanft.
 

Zusammen kamen sie kurze Zeit später an einem großen Stein an, der zwischen den vielen Fichten stand, als wären diese um ihn herum gewachsen. Xeras setzte sich darauf und sah beide erwartungsvoll an.

Laura trat näher an den Stein heran und als sie ihn besser betrachten konnte, sah sie, dass der Stein etwas ausgehöhlt war. Jedoch war alles mit Eis überzogen, do das Laura nur ein silbernes Schimmern darunter erkennen konnte.

“Was ist das hier?”, fragte sie an Felixes gewandt.

“Eins der wichtigsten Artefakte der blühenden Elfenzeit. Als der Winter kam wurde es ins Eis eingeschlossen und keiner von uns verfügt über die Magie, es zu brechen.”

“Was ist es, dass es so wichtig ist?”

“Es ist eine Tiara, ein Schmuckstück, welches meist die Frauen tragen. Es ist aus feinstem Silber und ein paar Aventurine sind hineingearbeitet. Man trägt es auf der Stirn. Es ist die Tiara unserer ersten Königin. Sie starb bei einem Krieg gegen dunkle Magie vor langer Zeit. Das Letzte, was sie tat, um uns zu schützen war, dass sie ihre Elfenmagie in ihre Tiara schloss und somit vor der Außenwelt schützte. Nachdem das passiert war flohen wir Elfen in die Blagen-Wälder, um hier unser neues zu Hause zu finden. Dieser Stein hier wurde zur heiligen Stelle, wo die Tiara verborgen liegen sollte. Als dann der Winter kam fror alles zu und wir kamen nicht mehr an sie heran. Wir wanderten nach Reren, um den Menschen wieder Glauben zu geben, doch sie sahen uns nicht.”

“Deshalb sind Maja und die Anderen bei uns im Wald. Nicht weil sie ihre Heimat nicht verlassen wollen, sondern weil sie den Glauben an die Menschen nicht verlieren wollten. Die Hoffnung, dass sie doch noch jemand sehen würde ließ sie dort bleiben.”

“Bis sie schließlich zu Nymphen wurden und nicht mehr in ihre wahre Heimat zurückkehren konnten”, sagte Felixes traurig und Laura meinte in seinen Augen Tränen schimmern zu sehen.

“Keine Sorge Felixes, wir werden alle wieder ins Leben zurückholen.”

“Danke Laura.”
 

Das Mädchen sah auf die Eisfläche und versuchte mehr zu erkennen. Ihre schwarzen Haare fielen ihr über die Schultern und streiften das Eis leicht.

“Und nun? Was soll ich tun?”

“Ich bin mir nicht sicher, ob es funktioniert, doch wir müssen irgendwie an die Tiara kommen. Durch die Menschen kam der Winter und somit auch das Eis. Wenn jetzt also ein Mensch versucht, mit der Wärme seines Herzens das Eis zu brechen, dann könnte es funktionieren … aber du musst es wirklich wollen.”

Laura sah von Felixes zu Xeras und dann auf die Eisfläche. Wenn ich es wirklich will? Das Mädchen fand das Alles nicht so ganz vertrauenswürdig und war sich nicht ganz sicher, ob das funktionieren konnte.

Xeras krähte und sie sah in die goldenen Augen des Tieres, welche in diesem Moment ein wenig menschlich wirkten. Sie schienen ihr sagen zu wollen: Nur Mut, es wird alles gut!

Ob der Rabe das nun gedacht hatte oder nicht. Laura erfasste der Ehrgeiz und die Bereitschaft, den Elfen zu helfen. Sie hob ihre Hände, zog ihre Handschuhe aus und legte dann die nackten Hände aufs Eis, welche sofort die Nachricht an den gesamten Kreislauf sendeten, dass es sehr kalt war. Doch Laura ließ sich davon nicht beunruhigen und rührte keinen Fingern. Sie schloss die Augen und legte die gesamte Konzentration auf den Gedanken, dass Eis zu brechen.
 

Wärme durchdrang ihren Körper und durchflutete alles bis auf die kleinste Pore. Laura spürte, wie das Eis unter ihren Händen an Kälte verlor und langsam begann zu schmelzen.

Auch wenn die Neugierde groß war, so unterdrückte das Mädchen sie und konzentrierte sich weiter darauf, dass das gesamte Eis schmelzen würde.

Plötzlich hörte sie eine sanfte, weibliche Elfenstimme, die scheinbar zu demjenigen sprechen sollte, der das Eis bezwang. Laura hatte das Gefühl, als wäre diese zusammen mit der Tiara im Eis gefangen gewesen.
 

Die Tiara sollst du haben,

Würdig bist du ihr.

Doch du musst etwas wagen,

Um zu retten die Elfen hier.
 

Ein Mensch bist du und ein Elf sollst du sein,

Wenn du die Kraft hast, dann kehrst du nicht heim.

Alles musst du dann verlassen,

Dein altes Leben hinter die lassen.
 

Die Rettung kommt nur, wenn du es vollbringst

Und als wahre Elfe das Segenlied singst.


 

Laura schlug die Augen auf und trotz der Kälte des Winters liefen ihr ein paar Schweißperlen über die Stirn. Erst jetzt merkte das Mädchen, dass ihre Hände im Wasser waren und etwas erfassten. Sie nahm sie heraus und betrachtete die silberne Tiara.

“Du hast es wirklich geschafft. Die bist der Elfenmagie wahrlich würdig”, sagte Felixes erfreut.

“Das hat sie auch gesagt”, hauchte das Mädchen abwesend.

“Sie?”

“Eine weibliche Stimme. Sie hat zu mir gesprochen, als ich die Tiara berührt habe.”

“Was hat sie gesagt?”

Da sagte Laura das Gedicht auf, was die Stimme ihr zugesprochen hatte.
 

“Die Stimme scheint von unserer geliebten Königin Aurania gewesen zu sein, derjenigen, der die Tiara gehört hat.”

“Die euch geschützt hat? Aber was hat das zu bedeuten?”

“Wahrscheinlich genau das, was sie meinte. Du bist als Einzige würdig, die Tiara zu besitzen. Um die Elfen zu retten musst du bereit sein, selbst eine von uns zu werden und alles, was du als Mensch erlebt hast hinter dir zu lassen. Das bedeutet, dass keiner der Menschen sich an dich erinnern würde.”

“Aber wie soll das denn gehen?! Ich kann doch nicht einfach mein früheres Leben löschen lassen! Das kann nicht sein!”, schrie Laura mit Tränen in den Augen. Dann drückte sie Felixes die Tiara in die Hand und rannte in den Wald hinein; weg von diesem Ort, von diesem Elf und weg vor dem, was scheinbar nur zu erreichen konnte: die Befreiung der Elfen aus ihrem Schicksal.
 

Sie wusste nicht, wo sie hinrannte, doch Laura wollte nur weg. Sie würde ja alles für die Elfen tun, auch wenn sie nicht genau wusste warum, doch das Schicksal dieser Wesen schmerzte in ihrem Herzen. Aber einfach alles auslöschen lassen? Kann man einfach so Verbindungen löschen, als wäre sie nie dagewesen? Sogar die mit ihrer Mutter, der Frau, die sie großgezogen hatte?
 

Plötzlich hörte sie Flügelschlagen und kurz darauf landete Xeras auf ihrer Schulter. Das Mädchen sah in die Augen des Raben und diese schienen noch mehr zu funkeln.

“Könntest du doch nur reden Xeras. Vielleicht könntest du mir helfen.”

“Er ist zwar ein besonderes Tier, aber das kann er leider nicht”, erklang die Stimme des Elfen. Er lehnte an einem Baum neben ihr und lächelte etwas bedrückt an.

Laura sah ihn traurig an, sagte jedoch nichts.

“Ich kann mir vorstellen, was das für eine schwere Aufgabe ist. Aber lass mich dir was sagen Laura. Du bist einer der wenigen Menschen, die uns noch wahrnehmen und du bist scheinbar die Einzige, die das Schicksal wenden kann. Du hast ein gutes Herz und es ist wirklich bemerkenswert, wie du dich für uns einsetzen willst.”

Felixes ging auf Laura zu, kniete sich vor sie hin, legte seine Hände auf ihre Schultern und sah dem Mädchen in die Augen.

“Aber Laura. Niemand zwingt dich irgendetwas zu tun. Du kannst einfach nach Hause gehen, ohne etwas getan zu haben. Nur eins musst du mir versprechen meine Kleine. Du musst deinen Glauben an die Elfen behalten, nie darfst du uns vergessen.”

“Das würde ich nie”, sagte sie flüsternd. “Es ist eher erschreckend, was ich gerade denke. Ich habe keine so großen Hemmungen davor, die Menschen zu verlassen. Ich weiß es klingt komisch, aber ich habe mich noch nie so richtig komplett gefühlt, auch wenn ich meine Freunde und meine Mutter da habe. Ich liebe sie alle, aber der Glauben daran, dass es ihnen besser geht, wenn der Winter nicht mehr ist, lässt mich diesen Weg möglich machen.”

Felixes lächelte und Xeras krähte, als würde er den Gedanken des Elfen zustimmen. Ob er diese lesen konnte?

“Es ist deine freie Entscheidung Laura”, sagte der Elf dann.

“Werden mich die Menschen auf irgendeine Weise vermissen? Werden sie das Gefühl haben, dass etwas fehlt?”

“Höchstwahrscheinlich nicht. Vielleicht wird deine Mutter in den ersten Tagen so ein Gefühl haben, aber das wird vergehen.”

“Gut, ich will nicht, dass sie mich vermisst … dann werde ich es tun. Wohin soll ich gehen?”

Er gab ihr die Tiara zurück und meinte: “Geh hinaus auf die Felder und stell dich an einen der höchsten Punkte dort. Erst an diesem Ort darfst du die Tiara aufsetzen. Spüre die Magie, lass dich durchströmen und wenn du dich frei fühlst denk an das, was du erreichen willst und beginne das Segenlied zu singen.”

“Aber ich kenne das Lied doch gar nicht!”

“Doch … tief in deinem Herzen liegt es verborgen und wartet nur auf diesen Moment.”

Laura nickte und atmete tief durch. Hoffen wir, dass sich alles zum Guten wendet, dachte sie hoffnungsvoll. Dann drückte sie die Tiara noch fester an sich und fragte den Elfen: “Begleitest du mich?”

“Sehr gern, wo immer dein Weg dich hinführt, Xeras und ich werden bei dir sein”, antwortete er.
 

************


 

Gemeinsam gingen sie durch den dichten Schneewald. Laura schweifte durch ihre Gedanken und ließ all die Ereignisse, die sie bisher erlebt hatte Revue passieren. Auch an jedes Gesicht, an jeden Menschen, den sie kannte erinnerte sie sich. Als vorletztes kam ihre Mutter und in Gedanken bedankte sie sich für alles. Aber dann kam ihr noch das letzte Gespräch in den Kopf, in welchem sie ihrer Mutter versprochen hatte zurück zu kehren und sie die Frau nicht so allein lassen würde wie Vater.

Und jetzt würde sie es doch tun. Verdammt! Sie brach sonst nie Versprechen. Dann wird es wohl das erste Mal sein, dachte sie etwas traurig. Jedoch hatte das Brechen einen sehr guten Grund und sie würde sich nicht daran erinnern, wenn Laura erst eine Elfe wäre. Das stimmte sie etwas fröhlicher.

Der letzte Gedanke allerdings galt ihrem Vater. Sie wusste nicht, wer er war, wie er aussah, sie kannte ihn nicht. Als sie ganz klein war hatte er seine Frau mit dem Kind allein gelassen. Ihre Mutter hatte selten von ihm erzählt und Laura hatte selten gefragt, weil sie den Schmerz der Mutter gespürt hatte. Und ab einer Zeit schien die Mutter sowieso davon auszugehen, als sei er tot. Doch ab diesem Zeitpunkt hatte sich irgendetwas verändert, doch das Mädchen wusste nicht was.
 

Aber das war jetzt alles nicht mehr wichtig. Zusammen mit Felixes und Xeras auf der Schulter kamen sie den Hügeln immer näher.

Als sie dann oben waren sah Laura auf ihr Heimatdorf, auf das, was sie zurücklassen würde.

“Lass dir alle Zeit der Welt”, sagte Felixes sehr leise.

“Diese Zeit hatte ich auf dem Weg hierher. Ich bin bereit!”, entgegnete sie fest entschlossen.

Xeras flatterte auf und segelte über das Dorf hinweg in den Wald hinein. Laura sah ihm traurig nach.

“Er ruft wahrscheinlich die Nymphen und ich glaube, dass er etwas Angst vor der Magie hat, die du entfesseln wirst.”

“Nicht nur er”, meinte Laura.

“Keine Sorge, ich bleibe an deiner Seite.”

“Danke.”

“Nicht du hast zu danken. Für den großen Dienst, den du uns erweist haben wir alle dir zu danken.”

Laura lächelte ohne noch etwas zu erwidern.

Dann ließ sie die Hand des Elfen los und nahm die Tiara in beide Hände. Nach kurzem Betrachten legte das Mädchen sie dann um ihren Kopf und machte sie fest. Das Silber war gar nicht kalt, wie Laura eigentlich vermutet hatte. Von dem Schmuckstück ging Wärme aus, die sich von ihrer Stirn aus langsam im Kopf ausbreitete und schließlich den ganzen Körper einnahm.

Elfenmagie, hauchte es durch ihre Gedanken und als Laura nun an das Segenlied dachte, war es kein Problem, sich daran zu erinnern … als wäre es wirklich schon immer da gewesen.
 

Weißt du, wie die Bäume reden oder spürst du nur den Wind?

Weißt du was die Vögel meinen, wenn sie ihre Lieder singen?

Weißt du, was die Blumen wollen oder siehst du sie nur blühen?

Weißt du, was die Tiere sagen, wenn sie durch die Wälder gehen?
 

Hast du, hast du ein Auge fürs Leben?

Siehst du, siehst du was Andere nicht sehen?

Spürst du, spürst du diese Magie?

Glaubst du, glaubst du an uns?
 

Es wird sich alles verändern, wenn du das nicht kannst.

Doch wenn du die Elfen nicht vergisst, wirst du den Segen erhalten.
 

Komm, sing mit mir!
 

Kannst du sagen, was es heißt, wenn die Winde Laute flüstern?

Kannst du sagen, was es heißt, wenn die Erde leicht vibriert?

Kannst du sagen, was es heißt, wenn der Regen hinunter fällt?

Kannst du sagen, was es heißt, wenn die Sonne so hell scheint?
 

Hast du, hast du ein Auge fürs Leben?

Siehst du, siehst du was Andere nicht sehen?

Spürst du, spürst du diese Magie?

Glaubst du, glaubst du an uns?
 

Es wird sich alles verändern, wenn du das nicht kannst.

Doch wenn du die Elfen nicht vergisst, wirst du den Segen erhalten.
 

Komm, sing mit mir!
 

Wenn die Elfen singen, wirst du es hören!

Verlier nicht den Glauben, die Märchen sind wahr!

Erhalte den Segen, weil du glaubst!
 

Komm … komm … komm

Komm und sing mit mir!

Komm und sing mit mir!

Komm und sing mit mir!

Sing mit mir das Segenlied!


 

Der Nachklang ihrer feinen Sopranstimme hallte in den Ohren. Laura hatte die Augen geschlossen und öffnete diese nun, um dem Gespür mit Erschrecken Recht zu geben. Der Winter war verflogen und das Dorf war belebt und man hörte die Menschen fröhlich lachen.

Sie stand mit Felixes auf einem grünen Hügel und Laura spürte das Gras durch ihre nackten Füße. Der Zauber hatte ihre Schuhe verschwinden lassen und statt der Wintersachen trug sie nun ein schneeweißes Kleid.

Das Mädchen guckte den Elfen an und sah in ein frisches, frohes und strahlendes Gesicht. Der Winter hatte auch ihm zugesetzt gehabt.

“Du hast es wirklich geschafft meine Kleine. Der Winter ist vorbei, das Leben, wie es einst wahr geht weiter … und du bist nun eine Elfe.”

Sie hatte sich kaum verändert, doch als Laura ihre Ohren abtastete spürte sie, dass sie nach oben hin spitz zu liefen, so wie bei den anderen Elfen auch.

“Wollen wir zu den Anderen Elfen gehen?”, fragte Felixes und Laura nickte.

Die Beiden liefen den Hügel hinunter und gingen an den ersten Häusern vorbei. Die Menschen, die ihnen begegnete neigten leicht ihr Haupt. Der Glauben an die Elfen war also wieder erblüht.

Das Mädchen erkannt ehemalige Freunde und dann kam ihnen auch die Person, bei welcher sie eigentlich gehofft hatte, sie nicht zu sehen: ihre Mutter. Die Frau nickte beiden flüchtig zu und huschte vorbei. Felixes bemerkte den Blick des Mädchens und fraget sie: “Das war deine Mutter, nicht wahr?” Sie nickte.

“Du hast so viel getan und musstest alles dafür geben. Es tut mir Leid!”

“Das muss es dir nicht. Ich bin glücklich darüber, sie so strahlen zu sehen. Das habe ich nur sehr selten.”

“Du bist eine wahre Elfe, stellst das Glück anderer über dein Eigenes. Es scheint Schicksal zu sein, dass du nun zu uns gehörst.”

“Bestimmt.”
 

Sie kamen an den Wald, wo sich einige Elfen versammelt hatten. Das Mädchen erkannte sofort Maja. Sie trug ein dunkelgrünes Kleid und ihre weiß-blauen Augen wehten im leichten Sommerwind. Die Elfe kam strahlend auf sie zu.

Nach einer langen Umarmung sagte sie: “Du hast alles geopfert meine Kleine und scheinst trotzdem glücklich zu sein. Im Namen aller Elfen spreche ich dir tausend Dank aus!”

“Ich bin froh, dass ihr alles wieder Elfen seid.”

“Nicht nur den Zauber der Nymphen hast du gebrochen, auch einen anderen. Den Raben, den du kennen gelernt hast, hast du ebenfalls befreit. Durch schwarze Magie wurde er in diese Kreatur verwandelt und nun wandelt er wieder als einer der Unsrigen bei uns.”

Laura lächelte ein wenig irritiert. Damit hatte sie nicht gerechnet.

“Lass mich dir den Elfen Xeras vorstellen. Vor 11 Jahren hat er seine Familie verlassen, um in die Ferne zu ziehen und dort Hilfe für uns zu finden. Stattdessen aber fand er Magier, die sich einen Spaß daraus machten, ihn zu verwandeln. Laura … das ist Xeras.”

Ein Mann mit kurzen schwarzen Haaren, goldenen Augen und weichem Lächeln stand neben Maja. Er trug eine dunkelbraune Hose und ein grünes Hemd. Wie alle Anderen war auch er barfuss.”

“Laura … in dir floss schon immer Elfenblut und deshalb warst du die Einzige, die uns retten konnte, weil du Blut von Elfen und Menschen in dir trägst. Meine Kleine … Xeras ist dein Vater.”
 

Laura war schon verwirrt, warum sie ihr Xeras Lebensgeschichte erzählte, doch jetzt war alles klar, auch warum ihr die Rabenaugen so bekannt vorkamen.

Die Gefühle überrannten das Mädchen und sie rannte auf den Elfen zu, um sich in dessen Arme fallen zu lassen.

“Ich hab dich so vermisst!”, schluchzte sie.

“Ich dich auch mein Schatz. Jeden Tag habe ich an dich gedacht.”

Sie sah auf: “Hat Mutter irgendwann einfach die Hoffnung aufgegeben und warum sagte sie, du seiest tot?”

“Der Zauber, der mich gefangen hielt, ließ alle Menschen, die mich kannten mich vergessen. Aller bis auf dich, denn zu diesem Zeitpunkt kanntest du mich noch gar nicht richtig.”

“Ich bin so froh!”, sagte Laura und drückte sich gegen seine Brust.
 

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Emely lächelte: “Trotz des Vergessens ist sie glücklich. Es ist so schön, dass sie ihren Vater wieder hat … das war ein schönes Märchen.”

“Kein Märchen, es ist wirklich passiert. Es gibt Aufzeichnungen dazu.”

“Aber warum gibt es dann den Winter immer noch?”

“Das weiß ich auch nicht genau, aber ich persönlich vermute, dass Laura den Winter so geliebt hat, dass es beim Singen Einfluss auf die Natur gab.”

“Das finde ich toll. Ich liebe den Winter auch!”

“Dann lass uns nach draußen in den Schnee gehen und wir bauen zusammen einen Schneemann.”

“Eine Schneeelfe”, sagte Emely begeistert und sprang auf, um hinaus zu gehen und den Schnee mit jeder Pore zu spüren. Sie wollte ihn genießen, denn scheinbar hatte sie Laura diese schöne Jahreszeit zu verdanken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schneeregen
2012-05-06T20:33:14+00:00 06.05.2012 22:33
Ich bin endlich dazu gekommen, deine Geschichte zu lesen! Es hat gedauert, aber es hat sich gelohnt mir endlich mal Zeit zu nehmen, um sie am Stück zu lesen.
Schon immer mochte ich Geschichten von tapferen Mädchen und umso mehr habe ich mich über diese als Wichtel gefreut. Die Idee Schnee bzw. Winter zum zentralen Element zu machen, fand ich toll, denn das Bild von Schneelandschaften ist einfach traumhaft.
Es hat mich jetzt noch in eine herrliche Winterstimmung versetzt.
Die Geschichte war von Anfang bis Ende spannend und interessant und auch der Rahmen des Geschichtenerzählers herum hat mir gut gefallen.
Das Ende war sehr klassisch und ich bin froh dass es doch besser ausgegangen ist, als ich dachte.
Mir ist nur eine Sache aufgefallen, die mich stutzig gemacht hat, nämlich woher sie bei einem Dauerwinter den Apfel hernimmt.
Ansonsten war aber alles in sich stimmig und es hat mir sehr gut gefallen!


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