Für die Ewigkeit!
Gibt es Dinge, die bis in die Ewigkeit Bestand haben?
Hält beispielweise eine Brücke über einem Fluss jeglichem Hochwasser und jedem Sturm stand?
Gibt es überhaupt materielle Dinge, die für die Ewigkeit gemacht sind?
Oder sind es nicht vielmehr unsere eigenen Taten, die bis in die Ewigkeit Bestand haben können?
Auch die Gefühle für einen Menschen können bis in die Ewigkeit halten, sogar über den Tod hinaus…
Ich stand vor seinem Grab.
Ich wusste nicht, warum, aber ich hatte Ashura und Fye zusammen begraben lassen.
Sie waren zwei Menschen, die ich geliebt hatte.
Den einen, als Bruder und den anderen als Vater, den ich nie gehabt hatte.
Ich legte die weißen Blumen nieder und atmete tief durch.
„Ich werde das Land wieder aufbauen, in eurem Namen! Ich werde das Erbe von Valeria weiterführen!“, sagte ich entschlossen und drehte mich um.
Da stand sie. Sakura. Wie immer war sie urplötzlich da.
„Und verrätst du mir es?“, wollte ich wissen.
„Du willst wissen, welches die letzte Erinnerung war, die ich zurückbekommen habe?“, stellte Sakura als Gegenfrage und ich nickte langsam.
Plötzlich breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht der Prinzessin aus, das mir ehrlich gestanden ein bisschen Angst machte.
„Die letzte Feder erinnerte mich daran, was mir Yukito einmal beigebracht hatte. Und zwar…“
Sie sah zu mir auf.
„Wie man eine rituelle Hochzeit durchführt!“, meinte sie kichernd und ich sah sie ein wenig geschockt an.
War das Zufall?
„Es gibt keine Zufälle, sondern nur Fügungen“, sagte Sakura, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
Ja, ich erinnerte mich an die Worte der Hexe.
„Na, da habe ich ja die richtige Priesterin erwählt für die Vermählung“, meinte ich und senkte den Blick.
„Chii ist bereits fertig. Wir können anfangen. Bist du auch soweit?“
Plötzlich überlief mich ein Schauder der Erregung.
Ich hätte nie gedacht, dass meine Hochzeit so schnell kommen würde.
Doch ich war mir ganz sicher, dass Chii die Frau an meiner Seite werden sollte, und zwar für immer.
Da gab es für mich keinerlei Zweifel.
„Ich bin auch bereit“, sagte ich und folgte der Priesterin in den Thronsaal, welcher festlich geschmückt war.
Viele Menschen hatten sich eingefunden, alle in Festtagskleidung.
Da Chiis Abstammung unbekannt bleiben sollte, würde ich sie zuerst heiraten, bevor wir gekrönt wurden.
Das vermied eventuelle Ungereimtheiten gegenüber meinem Volk.
Ich stellte mich nach vorne an den Altar und wartete.
Überall brannten Kerzen und ich sah Shaolan und Kurogane in der ersten Reihe sitzen.
Kurogane hatte einen roten Anzug an, der perfekt zu seinen roten Augen passte, Shaolan hingegen trug blau, was für ihn durchaus seinen Reiz hatte.
Mokona saß zwischen den beiden und weinte bereits laut in ein weißes Taschentuch.
Ich musste lachen.
Das war so typisch Mokona!
Dann ging Sakura zu Shaolan und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was ihn zum Aufstehen und Weggehen bewegte.
Die Menschen auf den Bänken redeten angeregt und Kurogane kam zu mir nach vorne geschlurft.
„Hast es also doch geschafft, dir jemanden zu angeln“, meinte er und ich grinste.
„Ich würde es etwas anders bezeichnen, Kuro-myu, aber du hast recht! Ich habe endlich jemanden gefunden, den ich über alles liebe!“
„Und ich dachte schon, du bleibst immer ein unehrlicher Typ! Aber offensichtlich kann ich mich täuschen.“
„Offensichtlich.“
„Also…“ Kurogane schien nach Worten zu ringen.
„Ich wünsche dir… Alles Glück der Welt!“, meinte er und klopfte mir auf die Schulter. Ich konnte ihn nur überrascht ansehen. Solche Worte von Kuro-pupu?
„Kurogane! Das hast du ja so schöööööön gesagt!“, schluchzte Mokona und erntete dafür wieder ein für mich erheiterndes Brüllen:
„Hör endlich auf zu heulen du verkorkste Dampfnudel! Es ist ja noch gar nichts passiert!“
Dann setzte die Musik ein und alle waren still.
Ich sah erwartungsvoll zur Tür und sah Shaolan, der Chii am Arm nach vorne führte.
Chii sah einfach nur hinreißend aus.
Ein Schleier verdeckte ihr Gesicht und sie trug feierlich ein Tablett voller Blumen vor sich her, so, wie es der Brauch in Ceres war.
Hinter ihr kam Sakura und hielt sich noch im Hintergrund.
Als Chii vor mir stand, verneigte sie sich leicht vor mir und übergab mir mit gesenktem Kopf das Tablett mit den Blumen, welches ich ebenfalls mit einer Verneigung annahm und auf einen kleinen Tisch vor mir stellte.
Shaolan setzte sich wieder neben Mokona und sah mich an und nickte ermutigend.
Sakura hatte sich vor uns gestellt und hatte die Stimme erhoben.
„Wir haben uns heute hier eingefunden, um Yuui von Valeria und Chii zu vermählen“, begann sie lächelnd und wandte sich an Chii.
„Würdest du bitte deinen Schleier lüften und somit all deine Geheimnisse offenlegen?“
Ich hatte einen Tag zuvor mit Sakura gesprochen und sie nach dem genauen Ritus der Hochzeit gefragt. Sie hatte mir erklärt, dass es im Clow Land diese Tradition des Schleierlüftens gab, die immer vollzogen wurde.
Meinte eine Braut es nicht ehrlich mit ihrem zukünftigen Mann, wurde sie mit Magie daran gehindert, den Schleier zu lüften.
Sakura erklärte mir, dass eine Ehe ein magisches Band schuf, welches sich im Ritus bildete und in der Ewigkeit Bestand hat.
Chii zog ihren Schleier ohne Probleme zurück und ich konnte ihr wunderschönes Gesicht endlich besser sehen.
„Schwörst du, diesen Mann neben dir mit deinem ganzen Herzen zu lieben, ihm auf ewig treu zu bleiben und ihn vor allem Unheil zu beschützen?“, fragte Sakura und ich hielt den Atem an.
Selbst mein Herz traute sich kaum, weiterzuschlagen, als ich ihre Antwort abwartete.
„Ich schwöre es“, sagte Chii und blickte zu Sakura auf, welche sie anlächelte.
„Und schwörst du, diese Frau neben dir mit deinem ganzen Herzen zu lieben, ihr auf ewig treu zu bleiben und sie vor allem Unheil zu beschützen?“, fragte die Priesterin an mich gewandt und ich nickte leicht.
„Ich schwöre es“, antwortete auch ich feierlich und sie faltete die Hände.
„Dann bete ich für euer Glück!“, sagte sie und schloss die Augen.
Alle Anwesenden waren aufgestanden und taten es ihr gleich.
Ruhe herrschte im Raum.
Sakura öffnete wieder die Augen und hob das Tablett hoch.
„Dann bitte ich euch hiermit den Ritus zu vollführen und die heiligen Armbänder zu flechten“, meinte sie und ich nickte.
Der Mann fing an, in diesem Fall also ich.
Ich wandte mich den Blumen zu und meine zitternden Finger schnappten sich zwei Pflanzen und flochten sie zusammen zu einem Band, dem noch weitere Blumen folgten.
Dies war ein uralter Ritus in Ceres. Unser Volk verstand sich sehr gut auf allerlei Sorten von Flechten, sodass man es in alten Zeiten als Tradition eingeführt hatte, dem jeweils anderen bei einer Hochzeit ein Armband zu flechten.
Dies war wesentlich persönlicher als irgendwelche gefertigten Ringe auszutauschen, so, wie ich es schon oft in anderen Ländern gesehen hatte.
Es wurden für Hochzeiten extra Blumen mit kleinen Blüten, einem langen Stiel und möglichst wenig Blättern genommen, damit sie sich gut flechten ließen und schlussendlich ein zierliches Armband daraus entstehen konnte.
Er gab sich wirklich Mühe, und seine Finger glitten so geschickt über das Band, dass ich beinahe Angst bekam. Ich konnte nicht halb so gut flechten wie er, Yuui hatte es mir erst vor zwei Tagen beigebracht.
Mein Herz schlug so schnell, ich konnte es nicht verhindern, also betete ich, dass es niemand im Raum hören konnte.
Dann spürte ich seine Hände an meiner Hand, ganz zart, ganz weich.
„Hiermit überreiche ich dir das heilige Band, welches uns verbinden wird“, sagte Fye und ich errötete augenblicklich.
„Möge es euch auf ewig verbinden“, sagten die Anwesenden monoton.
Meine Finger griffen zögerlich nach zwei Blumen und ich machte den Anfang genau so, wie Fye es mir gezeigt hatte.
Ich war zwar langsamer als er, aber mein Band ähnelte im Endeffekt doch sehr dem seinen, was mich beruhigt durchatmen ließ.
Ich fand es schön und legte es ihm vorsichtig an.
„Hiermit überreiche ich dir das heilige Band, welches uns verbinden wird“, wiederholte ich etwas zittrig seine Worte, doch als ich ihm in diese wunderschönen blauen Augen sah, war ich mir wieder sicherer.
„Möge es euch auf ewig verbinden“, sagten die Anwesenden erneut und ich sah wieder zu Priesterin Sakura auf, welche uns mit einem Lächeln bedachte.
„Möge eure Verbindung auf ewig andauern und euer Glück niemals wanken. Hiermit seid ihr eine Einheit!“
Sakura schloss die Augen und fing plötzlich an zu leuchten.
Als sie wieder die Augen öffnete, hielten Fye und ich die Unterarme mit unseren Armbändern nebeneinander.
Sakura berührte mit einer Hand unsere beiden Blumengeflechte.
Plötzlich spürte ich einen warmen Schauder durch meinen Körper jagen und sah mit großem Erstaunen, wie die Blumen plötzlich von einer Silberschicht überzogen und so haltbar gemacht wurden.
„Für die Ewigkeit!“, sagte die Prinzessin des Clow Landes leise.
Alle Anwesenden, wiederholten ihre Worte, während ich mich herunterbeugte, Chii näher an mich zog und ihre Lippen sanft mit den meinen versiegelte.
„Für die Ewigkeit!“
