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Alea Iacta Est

Partner-FF by Corab & Night_Baroness
von

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Fang mich, wenn du kannst

9. Kapitel: Fang mich, wenn du kannst ~ by NightBaroness
 

Als Takuya auf den Gang hinaustrat, sah er sich etwas unsicher um. Wo waren doch gleich die Toiletten gewesen? Den Flur runter und dann links.

Die schmalen, weißen Türen waren nicht von den anderen zu unterscheiden, alles in diesem Krankenhaus wirkte gleich, steril und leblos. Ihm war unbehaglich zumute. Hastig griff er nach der silbernen Türklinke und drückte sie herunter. Nichts. Irritiert versuchte er es ein zweites Mal, seine Blase begann bereits unangenehm zu drücken. Wieder nichts. Erst jetzt fiel sein Blick auf den schmalen Zettel, den jemand hastig neben dem kleinen Symbol, das den Raum als Herrentoilette kennzeichnete, aufgehängt hatte. Außer Betrieb. Das durfte doch nicht wahr sein. Fast schon panisch blickte er sich um, entdeckte aber keine weitere Toilette außer der für Damen, aber auf die würde er bestimmt nicht gehen, immerhin war er ein Mann! Ob er zurück zum Zimmer seiner Mutter gehen sollte? War dort nicht auch eine Toilette gewesen? Nein. Er biss die Zähne zusammen und ging zum Fahrstuhl. Dort bereiteten sie alles für die OP vor, er würde sicher nicht stören oder irgendwem im Weg stehen.

Ich dachte, du wärst ein kleiner Glückspilz? Hättest wohl besser daran getan, in das Zimmer zurückzukehren, wo du nicht allein und schutzlos bist. Etsuko erhaschte nur noch einen flüchtigen Blick auf den kleinen Jungen, bevor der Fahrstuhl sich schloss, aber das spielte keine Rolle. Sie wusste, wo er hinwollte. Die Anzeigetafel des Fahrstuhls ließ keinen Zweifel daran. Eilig streifte sie ihre hohen Schuhe ab und lief ebenso flink und lautlos, wie eine Katze, durchs Treppenhaus. Glücklicherweise begegnete ihr niemand dort, niemand, der Fragen stellen konnte, was seltsam war, wenn man bedachte, wie viel Betrieb zu dieser Stunde im Krankenhaus herrschte. Sie lächelte triumphierend, der Zufall schien auf ihrer Seite zu sein. Unten angekommen sah sie den Jungen gerade aus der Tür treten. Verstehe, du willst auf den Parkplatz? Behutsam schlüpfte sie wieder in ihre Schuhe, zupfte ihren Blazer zurecht und ging ohne besondere Eile auf die Tür zu, wohlbedacht darauf, niemanden auf sie aufmerksam zu machen.

Phase 1 – Annäherung.
 

Hektisch blickte Takuya sich um. Hatte seine Erinnerung ihn etwa getäuscht? Seine Blicke schweiften orientierungslos über den großen, fast leeren Parkplatz. Lediglich vereinzelte Autos und drei Krankenwagen, die gerade nicht in Betrieb waren, standen herum. Sollte er vielleicht zurückgehen? Im Erdgeschoss war sicher auch eine Toilette. Warum hatte er nicht gleich daran gedacht? Gerade wollte er sich umdrehen, als sein Blick auf ein kleines Betonhäuschen fiel, das in einiger Entfernung am anderen Ende des Parkplatzes stand. Glücklich darüber, dass er sich auf sein Gedächtnis verlassen konnte, lief er zum Häuschen hinüber, welches zu seiner großen Erleichterung nicht verschlossen war. Eilig verschwand er darin, bevor sich die Tür langsam mit einem beunruhigenden Knarzen schloss.

Etsuko lachte leise. Die Waffe, die sich bis eben in ihrer Handtasche befunden hatte, steckte sie in ihren großzügigen Ausschnitt – besser, wenn sie griffbereit war. Das Toilettenhäuschen stand ganz am Ende des Parkplatzes, diskret im Schatten einiger hoher Bäume, weit genug entfernt, um alle Geräusche zu tilgen, ganz gleich, wie laut sie waren. Immer noch lächelnd lehnte sie sich an die Wand und tat, als würde sie eine SMS tippen, ihre Augen jedoch wanderten pausenlos zur Türklinke, während ihr Körper bis in den letzten Zentimeter angespannt war, wie es immer der Fall war, wenn sie jagte.

Phase 2 – Fixierung.
 

Dann ging alles auf einmal ganz schnell und die eingefrorene Ruhe zerbrach wie ein Glas Wasser, das jemand unachtsam vom Tisch gewischt hatte. Bevor Takuya auch nur schreien konnte, packte sie ihn und zog ihn hinter das Häuschen, in den Schatten der Bäume und weg von den wachsamen Augen des Krankenhauses. Takuya wehrte sich heftig gegen ihren Griff, trat und schlug um sich und versuchte immer wieder in die Hand, mit der sie ihm den Mund zuhielt, zu beißen. Verdammtes Balg. Blitzschnell fuhr löste sie ihre andere Hand, mit der sie sein Handgelenk gepackt hatte, und griff in ihren Ausschnitt. Einen Wimpernschlag später hatte Takuya, der angstvoll die Augen aufriss, den Lauf einer Waffe an Schläfe gepresst. „Wenn du auch nur einen Ton von dir gibst, knall ich dich ab.“, zischte Etsuko. „Wenn du auch nur einen Ton von dir gibst, knall ich dich ab.“

Phase 3 – Exekution.

„Takuya? Wo steckst du?“ Eine wohlbekannte Männerstimme durchbrach die lähmende Stille und ließ Etsuko in derselben Sekunde, in der sie abdrücken wollte, zur Salzsäule erstarren.

Shinichi Kudo. Wie hatte er sie so schnell gefunden? Verärgert lugte sie hinter der Hütte hervor.

Kudo war immer noch ein Stückchen entfernt von ihnen und sah sich suchend zwischen ein paar Autos um. Gleich würde er das Toilettenhaus entdeckt haben. Wenn sie jetzt schoss, würde er sie sofort bemerken und dann war alles zu spät. Sie mussten hier weg. Sie packte Takuya noch fester und zerrte ihn weg. Suchend sah sie sich um. Ihr Auto war in unerreichbarer Ferne und es wäre wohl auch alles andere als klug sich darin mit dem Jungen erwischen zu lassen. Eine Krähe schrie neben ihr auf und erhob sich in die Luft, die Blätter, aufgewirbelt durch ihren Flügelschlag raschelten. „Takuya?“ Verdammt, wo sollen wir hin? Ihr Blick fiel auf einen Krankenwagen in der Nähe. Shinichis Schritte wurden nun stetig lauter, er hatte die Toiletten entdeckt. Jetzt oder nie. So schnell es ging, rannte sie zum vollkommen freistehenden Krankenwagen, den strampelten Takuya immer noch fest gepackt, die Pistole bedrohlich an seinem Kopf klebend. Gerade, als sie ins Fahrerhaus sprang und den Zündschlüssel umdrehte, sah sie, wie Kudo auf sie zu sprintete. Ihr stockte der Atem. Hatte er sie gesehen? Würde er nun eins und eins zusammenzählen? War das Spiel womöglich schon gelaufen?

„Nein.“, fauchte sie und drückte Takuya unsanft auf den Beifahrersitz. „Nicht so.“

Mit quietschenden Reifen wendete sie den Krankenwagen und steuerte ihn, den Fuß fest auf dem Gaspedal, auf die Ausfahrt zu. Kudo starrte einen Augenblick lang noch verblüfft auf das Fahrzeug, dann bemerkte sie jedoch im Rückspiegel, wie er sich wieder fasste, zu einem Wagen rannte und sofort losfuhr. Er folgte ihr. Ein amüsiertes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Na gut, falls das wirklich das Finale sein sollte, sollte es wenigstens unvergesslich werden…
 

Als sie auf viel zu schnell auf die Straße bretterte und einige Autofahrer wütend hupten, weil sie ihre Spur nicht sauber einhielt, schaltete sie hastig ihr Blaulicht ein. So würde Kudo ihr zwar leichter folgen können, aber das Risiko im Verkehr stecken zu bleiben fiel schon mal weg, was ihre Chancen größer machte, zu entkommen. Das Gaspedal voll durchgedrückt raste sie die Hauptstraße entlang. „Du bist keine Fee.“ Der Junge zitterte am ganzen Leib, unfähig, sich zu bewegen. Nur seine großen Augen starrten sie anklagend an. „Du bist eine Hexe, eine böse Hexe!“

Sie lachte trocken.

„Kleiner, du wirst noch lernen, so etwas wie das Böse gibt es auf der Welt nicht. Das ist nur eines der dummen Märchen, die sie Kindern erzählen, damit sie nichts tun, was ihnen nicht in den Kram passt.“ Mit einer ruckartigen Bewegung riss sie das Lenkrad herum und bog in eine Seitenstraße ein. Im Augenwinkel sah sie, dass Kudo ihr noch auf den Fersen war, den Blick starr auf sie fixiert. Nun war er der Jäger.

„Aber warum tust du das?“ Sie lächelte grausam. „Weißt du, es gibt nun einmal Menschen, die unbedingt die Welt brennen sehen wollen.“ Erschrocken sah er sie an und schwieg eine Weile, bis er schließlich gleich nach einer scharfen Linkskurve seine Sprache wiederfand.

„Mir ist schlecht.“, wimmerte er.

Etsuko löste eine Hand vom Lenkrad und griff nach der Waffe, die vor ihr auf der breiten Ablage gelegen hatte, weit genug weg, damit Takuya sie mit seinen kurzen Kinderärmchen nicht greifen konnte. „Schnauze.“, mit einem Klicken entsicherte sie die Waffe. „Ein Mucks und du bist tot.“ Takuya begann heftig zu schluchzen und vergrub sein Gesicht in den Armen. Er murmelte etwas, das undeutlich nach Mama klang. Etsukos Augen wanderten wieder auf die Straße vor ihr, gerade rechtzeitig um haarscharf einem parkenden Auto auszuweichen. Das war knapp, der Junge stört, aber ich kann ihn nicht erschießen, sonst verliere ich womöglich die Kontrolle über den Wagen und dann ist alles zu spät. Ich muss zuerst Kudo abhängen. Sie manövrierte den Wagen geschickt durch die schmale Straße und bog seitlich wieder in eine größere ein, wohlwissend, dass sie Kudo mit so kleinen Spielereien nicht beeindrucken konnte. Sie brauchte eine bessere Strategie.

Oder Glück. Wie so oft in ihrem Leben bewies sich nun, dass sie sich auf den Zufall, der ihr Verbündeter und zugleich ihr ärgster Feind war, verlassen konnte.

Direkt vor ihr fuhr ein Krankenwagen mit Blaulicht aus der Ausfahrt eines Häuserblocks, zu ihrer Verblüffung folgte ein Feuerwehrwagen. Erst jetzt bemerkte sie die Flammen und den dampfigen Rauch, der bedrohlich, wie schwarzer Atem aus den Fenstern eines höheren Stockwerkes kroch.

Ein Brand. Mit einem überlegenen Grinsen gab sie erneut Gas und fuhr dem Krankenwagen hinterher. Als dieser die Spur wechselte, steuerte sie ihren Fluchtwagen genau neben ihn. Vielleicht würde die Täuschung funktionieren. Inständig hoffte sie, dass Kudo sich nicht das Kennzeichen gemerkt hatte. Er war schon weit abgeschlagen, da das Feuerwehrauto kurz die Straße blockiert hatte. Erleichtert atmete sie auf.

Der Polizist konnte die Kennzeichen von dort aus nicht sehen. An der nächsten großen Kreuzung lenkte sie den Wagen genau in die gegengesetzte Richtung, in die der andere Krankenwagen mit Sirenengeheul verschwand.

Bitte fahr dem Falschen hinter her, komm schon Kudo, mach einen Fehler. Etsuko bog hastig in einige kleinere Straßen ein, damit er sie aus den Augen verlor und sich auf den anderen Wagen konzentrierte und gelangte schließlich in eine verlassene Gegend am Stadtrand von Tokio. Mit einem erleichterten Seufzer stellte sie den Wagen direkt neben einer verfallenen Ruine und einer großzügig ausgehobenen, schlammigen Baugrube ab, die trostlos und leer wie ein riesiges Grab wirkte, so ganz ohne Menschen und Maschinen, die ein Haus aus dem Boden wachsen lassen wollten, um ihm neues Leben zu verleihen. Gab es einen besseren Ort für ihr Vorhaben?

Das Gelände gehörte zu einer alten Fabrik, in der es einen schweren Unfall aufgrund von Missachtung der Sicherheitsvorschriften gegeben hatte, weshalb man sie schließlich abgerissen und den Vorstand zur Anklage gebracht hatte.

Die Gegend, immer noch von den Spuren ihrer Vergangenheit gezeichnet, war wie leergefegt. Langsam löste sie ihren Blick von der Landschaft, der fast einen verträumten Ausdruck angenommen hatte und wandte ihn, mit neugewonnener Kälte und Entschlossenheit, Takuya zu. Die Waffe in ihrer

Hand schien regelrecht zu glühen, fast so, als würde das grausame Metall Vorfreude empfinden.

„Hast du Angst?“

Etsuko strich über die Wange des Jungen, der sie mit riesigen Augen und winzigen Pupillen anstarrte, als wäre er tatsächlich in der Lage zu erfassen, was der Tod wirklich bedeutete. „Weißt du, ich bin doch eine Fee, denn ich bin gnädig und erlöse dich schnell, ohne dass du unnötig leidest.“

Ihren leicht zynischen Tonfall bemerkte der kleine Junge nicht. Schmerzerfüllt schrie er auf, als sie ihn unsanft am Arm packte und aus dem Wagen zerrte. Draußen angekommen schleuderte sie ihn zu Boden, sodass er direkt neben der Grube mit einem dumpfen Pochen wie von einem verzweifelten Herzschlag auf der matschigen Erde landete. Aus der Ferne waren dumpfe Schritte zu hören, unwirklich wie die eines Gespenstes, das mit klappernden Ketten nähertrat. Ich muss mich beeilen… „Wie arrogant von dir.“ Etsukos Augen blitzen. „Ein größeres Grab als alle anderen zu verlangen. Aber so seid ihr Kinder, nicht wahr? Egoistisch und selbstverliebt, kleine Narzissten, die niemals an andere denken, aber keine Sorge, ich verspreche dir, ich werde niemandem sagen, dass du unartig warst.“

Sie beugte sich über den Jungen und hielt ihm die Waffe an den Kopf. Warum eigentlich der Kopf? War das Herz nicht viel passender? Ihr Waffenarm bewegte sich langsam und lautlos wie eine Viper und hielt direkt über seiner Brust an. Ein Schuss, wie ein tödlicher, blutiger Kuss, direkt ins Herz, auf das alles Leben schwindet. Gab es eine machtvollere Poesie? „Schlaf schön, mein kleiner Takuya“

Ihr Schuss durchschnitt die Stille, grausam wie ein Messer, das durch menschliches Fleisch schneidet.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Shunya
2012-01-21T00:31:37+00:00 21.01.2012 01:31
Wow, das Kapitel ist echt der Hammer! Wie Etsuko sich den kleinen Takuya geschnappt hat und dann noch diese wilde Verfolgungsjagd. Die war echt spannend!!! *o*
Ich finds echt mies, dass Etsuko nicht mal vor Kindern zurückschreckt. Die ist echt eine Teufelsbrut. <.<
Bin schon gespannt, aufs nächste Kapitel!!!


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