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Pirate's Dreams

...might turn into nightmares
von

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Pattu

Ängstlich sah der kleine Schwarzhaarige ihn an, sagte aber kein Wort, und auch er wusste nicht, was er sagen sollte. Deshalb zog er es auch vor, den am Boden Kauernden einfach nur anzusehen.

Juri war erst seit ein paar Wochen auf dem Schiff, und er hielt sich aus den meisten Angelegenheiten raus. Als er gehört hatte, dass sie Zuwachs bekommen sollten, hatte er sich aber doch etwas anderes als eine Entführung vorgestellt. Und als man ihn zu dem Neuen geschickt hatte, hatte man ihm nicht gesagt, in welchem Zustand dieser war.

Er wusste nicht, was diesem angetan worden war, aber er hatte eine Vorahnung. Es war nicht schwer, aus dem Zustand des anderen etwas zu schließen, und wenn er richtig lag, war es auch nicht weiter verwunderlich, wie verängstigt der war.

Langsam setzte Juri sich auf den Boden und lächelte den offenbar Jüngeren leicht an. „Hab keine Angst vor mir“, flüsterte er und streckte eine Hand nach dem Schwarzhaarigen aus. „Ich bin Arzt. Mein Name ist Juri. Verrätst du mir deinen?“

„Tohya“, erwiderte der andere kaum hörbar.

„Ein schöner Name.“ Vorsichtig nahm er die Hand des Kleineren, sah diesen aber weiterhin direkt an. „Du kannst mir vertrauen und mit mir reden, Tohya. Ich will dir nichts tun. Wirklich nicht.“ Sanft strich er über die Hand des Jüngeren. „Sag es mir, wenn du etwas nicht möchtest. Solange du mich nicht zurückweist, gehe ich davon aus, dass es in Ordnung für dich ist.“

Verunsichert wich der andere seinem Blick aus, unternahm aber nichts gegen die leichte Berührung ihrer Hände. „Vertrau mir“, bat Juri wieder und legte sanft eine Hand unter das Kinn des Schwarzhaarigen, hob dieses etwas an.

„Vertrauen…“ Der Kleinere lächelte traurig. „Ich will nicht hier sein. Ich habe Angst. Wem kann ich denn wirklich Vertrauen schenken?“

„Mir. Wir können Freunde werden. Wenn du es zulässt. Ich würde dich jetzt gern in das Krankenzimmer bringen.“

Der Schwarzhaarige senkte den Blick. „Du kannst mich dazu zwingen. Wieso sollte ich also zustimmen?“

Flüchtig strich Juri dem Jüngeren über die Wange. „Ich werde dich zu nichts zwingen. Außerdem denke ich, dass ich dich nicht großartig untersuchen muss, aber ich biete es dir an. Eine kleine Auszeit.“

Kaum sichtbar nickte der andere. Langsam stand Juri auf und hob den schlanken Körper an. Der Kleinere war leichter als er erwartet hatte, aber für ihn war das nicht schlecht. Lächelnd bemerkte er, wie der andere sich an ihn schmiegte.

„Juri, was ist los? Warum nimmst du ihn mit?“, fragte Ray ihn misstrauisch.

„Er ist ziemlich geschwächt und klagt über Kopf- und Rückenschmerzen. Ich will ihn durchchecken“, erklärte er ruhig. „Vorsicht ist besser als Nachsicht.“

„Du willst ihn doch wohl nicht zum Weichei machen? Aber bevor er uns zusammenklappt, untersuch ihn eben.“

Juri nickte nur und drückte den schlanken Körper ein wenig enger an sich, brachte ihn dann vorsichtig in den Raum und legte ihn auf der Liege ab.

„Du hast gelogen“, flüsterte Tohya und sah ihn an.

„Sieht so aus“, gab er lächelnd zurück und kramte in einer Schublade. „Ich denke nicht, dass ich dich sonst hätte mitnehmen dürfen.“

„Aber wenn das rauskommt, sind wir am Arsch.“

Gleichgültig zuckte er mit den Schultern und setzte sich zu dem Kleineren. „Wortwörtlich“, stimmte er zu und strich diesem über die Wange. So sah es nämlich traurigerweise wirklich aus. „Wir müssen also dafür sorgen, dass es nicht rauskommt.“

„Was hast du vor?“

Ehrlich lächelte er den Jüngeren an, der misstrauisch zu ihm aufsah. „Nichts Konkretes. Wie wär’s, wenn du mir erst erzählst, ob dir etwas wehtut und wenn ja, was. Ich bin zwar auch eingeschränkt in meinen Möglichkeiten, dir zu helfen, weil wir nur das Nötigste an Medikamenten hier haben, aber ich will sehen, was ich tun kann.“

Vorsichtig setzte der andere sich auf und zog sich sein Shirt aus, woraufhin sich eine leichte Gänsehaut auf den schlanken Armen bildete. Zart strich Juri über die weiche Haut und betrachtete die unzähligen Verfärbungen. Es war nicht schwer zu erkennen, dass der Kleinere misshandelt worden war, und der Silberhaarige befürchtete wirklich, dass es nicht bei Schlägen geblieben war. Er verstand leider nur zu genau, was passiert sein musste. Nur war er sich nicht sicher, wie viel er für Tohya tun konnte.

Kurz entschlossen griff er nach einem Glas, das mit einem weißlichen Gel gefüllt war und verteilte etwas von dem Inhalt auf seinen Handflächen. „Halt still. Das wird ein wenig helfen. Die Schmerzen sollten zumindest erträglich werden, auch bei Berührungen.“ Erschrocken zuckte der schlanke Körper zurück, als er das kühle Gel auf der gereizten Haut verteilte. „Geht’s?“

„Kalt“, hauchte der andere und beobachtete misstrauisch seine Bewegungen. „Hast du auch Tabletten, die meine Erinnerungen auslöschen?“

Ruhig schüttelte Juri den Kopf und setzte sich hinter den Jüngeren, tastete behutsam dessen Schultern ab. „Nein, und selbst wenn wir so etwas hätten, würde ich es dir nicht geben. Entspann dich.“ Langsam strich er über die helle Haut, übte dann mehr Druck auf die verkrampften Muskeln aus und lockerte die Verhärtungen.

„Danke“, murmelte der Jüngere und entspannte sich immer deutlicher unter den Berührungen, lehnte sich letztendlich sogar ein wenig an ihn.

„Nicht dafür. Ich kann viel zu wenig tun, um dir zu helfen.“ Beruhigend streichelte der Größere die warme Haut und seufzte leise. „Lass es mich wissen, wenn du etwas brauchst.“

„Warum tust du das?“, fragte der Schwarzhaarige ruhig.

„Ehrlich? Ich weiß es nicht. Du hast mir leid getan, als du da so gesessen hast.“

„Ich will kein Mitleid“, erwiderte der Kleinere. „Ich will zwar hier weg, aber Mitleid hilft mir nicht. Durchstehen muss ich das alles hier trotzdem.“

Juri nickte und legte sein Gesicht an den Hals des Jüngeren, seine Arme um dessen Oberkörper und strich sanft über dessen Hand. „Musst du wohl, ja, und ich kann es dir nicht abnehmen, aber ich kann zumindest versuchen, dir zu helfen.“ Er spürte, wie sich der zierliche Körper anspannte. Langsam zog er sich zurück. „Entschuldige. Ich wollte dir keine Angst machen.“

Unsicher sah der Schwarzhaarige ihn über die Schulter an. „Schon gut. Du bist… warm.“

„Ich bin ein Mensch“, erwiderte er lächelnd und nahm eine Hand des anderen. „Genau wie du. Menschen brauchen Nähe. Mich… Ich wollte dich einfach nur kurz spüren.“

Der Jüngere nickte und drückte seine Hand, antwortete aber nichts weiter. Stattdessen lehnte Tohya sich an ihn und schloss die Augen. Überrascht legte Juri seine Arme um den schlanken Körper und sah in das friedliche Gesicht. Tohya war hübsch und er schien sich gerade ziemlich wohlzufühlen.

„Deine Kette ist schön. Warum trägst du zwei Anhänger?“, fragte er leise und strich dem anderen durch die Haare.

Tohya seufzte leise. „Der Sternzeichenanhänger gehört zu mir, so lange ich denken kann. Den anderen habe ich von meinem Freund… Ex-Freund bekommen“, antwortete der Jüngere.

„Du siehst nicht so aus, als wärst du darüber hinweg.“ Ruhig lächelte Juri den Schwarzhaarigen an, als der seinen Blick erwiderte.

„Na ja… Wir haben uns gestritten und er hat mit mir Schluss gemacht. Aber ich glaube nicht, dass er es wirklich so gemeint hat. Du weißt sicher, wie das ist, im Streit sagt man Dinge, die man nicht so meint. Nachdem er Schluss gemacht hat, bin ich abgehauen und dann… bin ich hier aufgewacht.“

Sanft strich Juri über den nackten Oberkörper des anderen und sagte nichts dazu. Sicher kannte er den Effekt, und so war es nicht nur in Beziehungen, aber es war wirklich schwer vorstellbar, mit Tohya streiten zu können.

Ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als der Jüngere gähnte. „Schlaf ruhig ein paar Stunden. Ich kann im Notfall immer noch sagen, dass ich dir ein Beruhigungsmittel geben musste.“

Der Jüngere nickte müde. „Gern. Schlaf lässt jeden Menschen alles Böse und Schlechte vergessen. Schlaf gibt Kraft.“

„Und du brauchst Schlaf“, beendete Juri den Redeschwall. „Dann hol dir jetzt, was du brauchst.“
 

Juri wusste nicht, wie viele Tage oder Wochen vergangen waren, seit Tohya auf dem Schiff war, und es spielte eigentlich auch keine Rolle, selbst wenn er wegen dem Schwarzhaarigen seltener arbeitete. Er hielt sich einfach nur gern bei dem Jüngeren auf und mittlerweile hatte sich eine mehr als ehrliche Zuneigung in ihm aufgebaut. So oft wie möglich holte er den anderen über Nacht zu sich und ließ ihn einfach nur schlafen, beobachtete ihn aber dabei. Er genoss es zu sehen, wie Tohya friedlich in seinen Armen lag und sich Kraft für die nächsten Tage holte.

Dem Silberhaarigen war klar, dass er in den hübschen Gefangenen verliebt war, und er wollte es diesem eigentlich nicht sagen, aber ein seltsames Gefühl zwang ihn mehr oder weniger zu reagieren. Er wollte den Kleineren nicht verletzen oder ängstigen, und so vertraut sie auch miteinander waren, er wusste nicht, wie Tohya zu seinem Ex-Freund stand. Er wollte zwar ihre Freundschaft nicht gefährden, aber er konnte es nicht mehr lange für sich behalten.

Leise seufzte er und legte den Kopf an die Wand, an der er auf der Liege sitzend lehnte. „Scheiße“, murmelte er und schloss die Augen. Der Kapitän würde ihn umbringen, wenn er ganz offiziell zu seinen Gefühlen stand, und an Tohyas Stellung als Stricher konnte er sowieso nichts ändern.

„Arbeit, Juri“, riss Jin ihn aus seinen Gedanken. Sofort rutschte er von der Liege und hielt kurz die Luft an, als er Tohya in dem schwachen Menschen, den der Blonde trug, erkannte. „Was ist passiert?“, fragte er dann und versuchte, den Puls des Kleineren zu fühlen.

„Er ist einfach umgekippt. Er war zuerst noch ansprechbar, konnte aber nicht aufstehen. Auf dem Weg hierher ist er dann bewusstlos geworden. Juri, was ist mit ihm?“

Der Arzt zuckte mit den Schultern. „Sein Puls ist in Ordnung. Ich würde einen etwas ungewöhnlich ausgefallenen Schwächeanfall vermuten, aber er wird es überleben. Ich kümmere mich um ihn.“

Jin nickte ihm zu und verließ den Raum. Er seufzte leise und strich dem Bewusstlosen über die Wange. „Was machst du nur für Sachen?“ Liebevoll küsste er den Kleineren auf die Stirn und holte eine Decke aus dem Schrank, um den zarten Körper warm zu halten. Schweigend setzte er sich dann neben den anderen und beobachtete ihn. Er konnte nicht sagen, wie lange es dauerte, bis der Schwarzhaarige sich regte, aber es ging ihm viel zu schnell.

„Shht… Ganz ruhig, Tohya. Du bist in Sicherheit“, redete er leise auf den Jüngeren ein und wartete, bis dieser ihn kurz darauf verklärt ansah. „Juri… Was ist passiert?“

„Wie viel weißt du noch?“, stellte er die Gegenfrage und strich dem anderen durch die Haare.

„Ich bin auf dem Boden gelandet und konnte nicht mehr aufstehen. Meine Arme und Beine haben sich ganz taub angefühlt. Jin wollte mich herbringen und dann ist alles weg.“ Unruhig sah der Kleinere zu ihm auf. „Ich dachte, ich müsste sterben. Was…“

Sanft drückte Juri die Hand des anderen. „Ich weiß nicht genau, was es ist. Um das herauszufinden, müsste ich eine Blutprobe untersuchen. Nur wollte ich das nicht ohne dein Einverständnis tun. Wie geht es dir jetzt?“

Der Jüngere seufzte. „Ich kann mich wieder bewegen, aber… würdest du trotzdem eine Blutuntersuchung machen? Und mich noch ein wenig hierbleiben lassen?“

Lächelnd nickte er und nahm dem Kleineren Blut ab, stellte die Probe dann in das dafür vorgesehene Schränkchen und klebte ein Pflaster über die kleine Einstichstelle. „Jetzt nur noch etwas warten. Tohya, mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich um dich, du bist bald wieder auf den Beinen.“

Der Jüngere seufzte leise und sah die Wand an. „Kann ich dir etwas Wichtiges sagen?“

Verwirrt beobachtete Juri, wie Tohya mit einer Ecke der Decke spielte. „Klar“, antwortete er und setzte sich neben den schlanken Körper. „Du kannst mir alles sagen, weißt du doch.“

Er sah, wie der Jüngere schluckte und dessen Hände zu zittern begangen, die dunklen Augen fixierten ihn erst kurz darauf.

„Ich glaube… Ich vermute, ich… habe mich in dich verliebt“, brachte der Jüngere zittrig hervor und wich seinem Blick wieder aus.

Ungläubig sah Juri auf den anderen. Das war komisch. In so einer unpraktischen Situation waren doch auch von Tohyas Seite Gefühle entstanden? Obwohl dieser so viel ertragen musste?

Sanft nahm er die Hand des anderen und strich über die weiche Haut, war aber immer noch nicht in der Lage, etwas zu sagen.

„Juri, sag irgendwas“, bat der andere und sah ihn flehend an.

„Was soll ich sagen? Dass ich dir genau das Gleiche beichten wollte?“, erwiderte er und küsste den Jüngeren auf die Stirn. „Du bist mir wirklich sehr wichtig.“

„Das heißt, du würdest trotz meiner Aufgabe…“, begann der Kleinere zweifelnd.

„Ich würde mit dir zusammen sein wollen, ja“, bestätigte er und drückte die Hand des anderen, „aber hier müssten wir es strikt geheim halten. Hier wären unsere Chancen begrenzt.“

Schwach lächelte Tohya ihn an. „Es muss ja keiner wissen. Ich… will dich nur bei mir haben, wenn es möglich ist.“ Langsam setzte der Jüngere sich auf. „Ich will, dass du… mir ein wenig den Rücken stärkst, wenn ich es brauche.“

„Immer. Doch sowieso schon.“ Leicht schloss er den zarten Körper in die Arme. Es war ein gutes Gefühl, die fremde Wärme so nah zu spüren. Aber er wollte zu seinen Gefühlen stehen dürfen, und das war leider ein Problem. „Wir müssen hier weg“, flüsterte er dem Schwarzhaarigen zu. „Wir müssen abhauen. Du musst abhauen und ich komme nach.“

„Hast du einen Plan?“, fragte der Kleinere und sah ihn skeptisch an.

Zärtlich strich Juri dem anderen über die Wange und hauchte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Nein. Wichtig ist, dass wir dich zuerst wegbekommen. Ich bin frei und kann jederzeit gehen, aber du musst fliehen.“

„Aber wir brauchen einen Plan für meine Flucht“, meinte Tohya. „Und wo, wann und wie wollen wir uns treffen? Wie soll ich dahin kommen? Und…“

„Shh“, brachte Juri den Kleineren zum Schweigen. „Wir lassen uns etwas einfallen. Wir kriegen das hin.“
 

Angespannt kritzelte Juri auf seinem Zettel herum. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Dämmerung anbrach, und pünktlich mit Einbruch der Dunkelheit würde Tohya versuchen zu entkommen. Er wusste nicht, was passieren würde, wenn der Schwarzhaarige erwischt wurde, und er wollte es auch gar nicht wissen. Im besten Fall würden sie diesen kurz und schmerzlos töten, im schlimmsten…

Juri seufzte. Es war nicht weit bis zur Küste einer kleinen Karibikinsel, und dort würde Tohya vorerst bleiben. Und so schnell es ging, würde er selbst sich ebenfalls auf den Weg dorthin machen.

Seufzend stand er auf und ließ sich auf die Liege fallen, legte einen Arm über seine Augen und bemühte sich, seine Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. Er machte sich nicht direkt Sorgen, aber das Risiko war groß und der Einsatz hoch. Dabei hatten sie seit über einem Jahr an dem Plan gearbeitet. Riku hatte von Anfang an von der Beziehung gewusst, und auch, wenn er nicht plante, mit dem Kleineren zu fliehen, brachte es ihm nichts, diesen zu verraten. Und der allerneuste Zugang wusste von nichts. Wataru war ein gewisses Risiko, wenn er um jeden Preis auch abhauen wollte, und aus dem Grund durfte der Braunhaarige auch keine noch so kleine Kleinigkeit erfahren.

Angespannt setzte er sich wieder auf und verließ dann den Raum. Die Sonne ging bereits unter und tauchte den Horizont in verschiedene Rot-, Rosa- und Orangetöne. Es war unheimlich zu wissen, um wie viel es an diesem Abend ging und doch das erste Mal ein ganz natürliches, wundervolles Bild als solches wahrzunehmen.

Langsam wurde es Zeit, sich wieder zurückzuziehen, um dem Jüngeren den freien Fluchtweg zu geben. Er durfte nicht zulassen, dass Tohya verschwand, wenn er es mitbekam. Er hatte es zwar mitgeplant, aber er hatte Pflichten zu erfüllen und hing auch noch an seinem Leben.

Still setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch und sah auf seine eigentliche Arbeit, für die er noch nicht einen Finger krumm gemacht hatte, weil er sich nicht mehr hatte konzentrieren können.

Verwirrt sah er nach ein paar Minuten auf, als Stimmen laut wurden. So war das nicht geplant gewesen. Normalerweise war um diese Zeit draußen nie etwas los. Er spürte wie Panik in ihm aufstieg. Was war nur plötzlich los?

Er zuckte zusammen, als er Tohya schreien hörte und verließ eilig den Raum. Er wusste nicht, wie der Fluchtversuch entdeckt worden war, aber an Deck herrschte ein heilloses Durcheinander.

„Bringt ihn zum Captain!“, hörte er Shauras Anweisung und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen. Das durfte eigentlich nur ein Scherz sein, aber er sah leider, dass es real war. Eilig machte er sich auf den Weg, den anderen hinterher. Er wusste nicht, was er tun sollte, aber er musste Tohya beschützen.

„Du wolltest abhauen?“, hörte er den Kapitän gefährlich ruhig sagen. „So ein Pech, dass es nicht geklappt hat. Ich bin mir sicher, dass du weißt, was jetzt kommt. Strafe muss sein.“

„Dann bring mich doch um!“, zischte Tohya erstickt zurück.

„Nein. Damit würde ich dir nur einen Gefallen tun. Ich weiß etwas Besseres.“
 

„Willst du auch mal, Juri?“

Ohne Zögern schüttelte er den Kopf und sah auf den zitternden, geprügelten Körper und die Tränen, die Spuren über Tohyas Wangen zogen. Er hatte das Gefühl, den Schmerz und die Angst des Schwarzhaarigen zu spüren, und es machte ihn wütend, ansehen zu müssen, wie dieser immer wieder gedemütigt und vergewaltigt wurde.

Verzweifelt atmete er durch, um die Übelkeit zu unterdrücken, und ballte die Hand zur Faust, um nichts Dummes zu tun. Er wollte seinen Freund beschützen, ihm helfen, aber er durfte nichts unternehmen. Vor allem war er allein sowieso nicht stark genug, um sich gegen den Rest der Crew zu stellen.

Leise drehte er sich um und verließ den Raum, lehnte sich draußen an die Wand und bemühte sich, die gepeinigten Laute des Jüngeren zu ignorieren. Er musste etwas gegen die Übelkeit unternehmen, aber bei der Ursache fiel ihm kein Mittel ein.

„Geht’s dir nicht gut?“

Still sah er Jin an. Die Frage erübrigte sich eigentlich, aber er durfte sich nichts anmerken lassen. „Mir ging’s schon besser“, beantwortete er die Frage ausweichend und sah in den dunklen Himmel. Er log immerhin nicht.

„Du siehst nicht gut aus. Vielleicht solltest du dich hinlegen und ausruhen.“

Ein ironisches Lächeln legte sich auf sein Gesicht und er hatte Mühe, ein trockenes Lachen zu unterdrücken. Sein Freund wurde seit Stunden gequält, wie sollte er sich da ausruhen? Auch wenn er wusste, dass es wahrscheinlich besser für ihn wäre, er würde nicht zur Ruhe kommen. Nicht bevor Tohya ruhig bei ihm schlief, und dass würde wohl noch ein Weilchen dauern.

„Jeder von uns kommt irgendwann an einen Punkt, an dem er hinterfragt, ob das, was wir tun, richtig ist. Du bist da keine Ausnahme. Aber etwas Verbotenes muss bestraft werden.“

„Unser Handeln ist falsch. Wir quälen und foltern, wir morden und rauben. Das alles ist verboten, also müssten wir bestraft werden, aber nichts passiert. Es mag sein, dass ich keine Ausnahme bin, aber ich sollte vielleicht der Erste sein, der den Arsch in der Hose hat, seine Meinung zu vertreten.“

Entschlossen zog Jin ihn hinter sich her in sein Schlafzimmer und verriegelte die Tür von innen. „Setz dich“, forderte der Blonde ihn auf.

„Jin, das ist sinnlos. Du wirst mich nicht davon überzeugen können, dass wir richtig handeln.“

„Das hatte ich auch nicht vor. Ich will ehrlich mit dir reden, ohne irgendwelche Zuhörer, die dich verpfeifen könnten. Es geht dir weniger um Grundsätze als um den Kleinen.“

Ungläubig sah er den Offizier an, ließ sich dann aber auf dessen Bett sinken und spielte mit seinen Fingern. „Hör auf, Müll zu labern“, meinte er etwas verunsichert. Er wusste nicht genau, wie viel Jin wusste oder ahnte, aber er durfte sich nichts anmerken lassen, auch wenn er wusste, dass er meistens ein grottenschlechter Lügner war.

„Juri, Klartext. Jetzt. Irgendjemand muss die Tür aufgeschlossen haben. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass du auf Tohya stehst. Du kümmerst dich viel zu gut um ihn, du bemutterst ihn fast. Also gehe ich davon aus, dass du ihm helfen wolltest, von hier zu verschwinden.“

Ertappt biss er sich auf die Unterlippe und stand auf, begann dann, im Raum herumzulaufen. „Stell dir vor, San wäre an Tohyas Stelle. Was würdest du tun? Und komm nicht an, dass es dir egal wäre! Ja, ich wollte ihm helfen, damit er wieder friedlich leben kann! Verdammt, Jin, ich liebe ihn! Wir sind seit fast eineinhalb Jahren zusammen und ich muss zusehen, wie er immer weiter zerbricht! Ist es strafbar, dem Menschen, den man liebt, helfen zu wollen?!“

„Komm runter, Juri.“ Besänftigend legte der andere ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich würde ebenfalls alles daran setzen, ihm zu helfen, wenn ich ihn lieben würde. Es war ein blöder Zufall, dass er entdeckt wurde, aber damit ist die Chance auf Flucht vorbei, zumindest vorerst, das weißt du. Du kannst ihm nicht helfen. Du kannst nur für ihn da sein, und nein, ich habe nicht vor, euch zu verraten.“

Zittrig atmete er durch und schloss die Augen. „Tohya ist am Ende seiner Kraft, ich kann ihm nicht mehr helfen. Ich kann nichts unternehmen, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er stirbt“, erwiderte er tonlos. „Ich kann es nicht ändern, auch wenn ich gern würde. Ich will ihn nicht verlieren, aber ich rechne jeden Tag damit, dass er tot aufgefunden wird. Ich habe Angst davor.“ Langsam ließ er sich wieder auf das Bett sinken und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Er war sich nicht sicher, ob er den Kloß in seinem Hals wieder loswerden würde, ohne zu heulen, und wenn er es nicht schaffte, musste der andere seine Tränen nicht sehen.

„Er wird dich nicht einfach so allein zurücklassen“, meinte der Ältere bestimmt und legte ihm einen Arm um die Schultern. „Er liebt dich und er weiß, dass du ihn liebst, aus dem Grund kämpft er. Du zwingst ihn mehr oder weniger dazu, nicht einfach aufzugeben.“

„Das kann aber keine dauerhafte Lösung sein“, erwiderte er, und leider war es die Wahrheit. Lange würden sie es nicht mehr durchhalten, er konnte nicht immer so für Tohya da sein, wie er es gern würde und der andere es brauchte, und Tohya war nach langer Gefangenschaft am Ende.

„Ich bringe ihn nachher zu dir“, meinte der Blonde und stand auf, zog ihn zur Tür. „Bis dahin kannst du nicht wirklich etwas für ihn tun. Ruh dich bitte aus. Er wird dich fit brauchen, nicht völlig angespannt und übermüdet.“
 

Fest drückte er den schlanken Körper an sich und strich durch die weichen, schwarzen Haare, warf Jin aber trotzdem einen wütenden Blick zu. Ihm war zwar klar, dass der auch nicht wirklich etwas dafür konnte, aber einer musste Schuld an Tohyas Zustand sein.

Jin erwiderte aber nichts und verließ einfach den Raum, wofür er auch relativ dankbar war. „Shht… Alles wird gut, Tohya“, flüsterte er dem Jüngeren zu und wiegte diesen beruhigend in seinen Armen. „Ich weiß, wie du gelitten hast. Es tut mir leid.“

Er hörte, wie der andere erstickt schluchzte. Kurz darauf konnte er in die vom Weinen geröteten Augen sehen. „Was tut dir leid?“, brachte der Jüngere hervor.

„Dass ich dir nicht helfen konnte. Tohya, glaub mir, ich liebe dich, aber ich konnte dich nicht beschützen. Es tut mir leid. Es tut mir wirklich nur so unendlich leid…“

„Klappe“, erwiderte der Kleinere forsch und wischte sich über die Augen, konnte aber nicht verhindern, dass ihm neue Tränen in die Augen stiegen. „Du hast mir nichts angetan! Du hast mich nicht gedemütigt und geschlagen… Du konntest nichts tun, und hättest du es versucht, hätten sie dich entweder auch so gefoltert oder gleich getötet… Du brauchst dich für nichts entschuldigen!“

Sanft streichelte er den Jüngeren und ließ diesen einfach nur weinen. Er wusste, dass er nichts tun konnte, und er versuchte es auch gar nicht erst. Jeder Versuch hätte die Situation nur noch schlimmer machen können, und er wollte eigentlich nur, dass es seinem Freund besser ging.

Er spürte, wie das Zittern nach und nach schwächer wurde und sich der fremde Körper immer weiter entspannte, und er wusste nicht, wie viel Zeit verging, bis der Atem des anderen ruhiger und gleichmäßiger wurde. Zwar liefen immer noch Tränen über das hübsche Gesicht, aber der Jüngere schien ansonsten vor Erschöpfung eingeschlafen zu sein.

Vorsichtig brachte er den zierlichen Menschen in sein Schlafzimmer und legte ihn auf dem Bett ab, zog ihn behutsam aus und begutachtete die Verletzungen, bevor er sich an die Versorgung machte. Egal, wie gewissenhaft er sich immer um die Wunden des Kleineren gekümmert hatte, dessen Körper zeigte die Spuren einiger Misshandlungen noch immer in Form von Narben und Brandmalen. Er hatte sich wirklich bemüht, die dauerhaften Schäden so gering wie möglich zu halten, wobei er nur die sichtbaren Wunden versorgen konnte. Die schlimmsten Verletzungen waren tief in Tohyas Seele verborgen, und dort kam auch der beste Arzt nicht heran. Wahrscheinlich würde jeder Psychologe sich nach der Diagnose die Haare raufen und sich fragen, wie ein Mensch in so kurzer Zeit so viel ertragen konnte und wie zerbrechlich die geschundene Seele sein musste.

Sorgfältig deckte Juri den Kleineren zu, setzte sich neben diesen und strich ihm über die Wange. Er musste sich an den Gedanken gewöhnen, Tohya früher oder später zu verlieren, wenn er diesen nicht auffangen konnte, und er wusste, dass er es tun musste. Der Jüngere lebte nur noch für ihn, also war es seine Pflicht, diesem zu helfen.

„Du kannst dich auf mich verlassen“, flüsterte er dem Schlafenden zu und küsste ihn sanft, bevor er sich auf die freie Bettseite legte und versuchte, doch noch etwas zu schlafen.
 

„Was machst du hier?“ Überrascht sah Juri den Schwarzhaarigen, der die Tür hinter sich schloss, an.

„Ich habe dem Vollidioten von Wachposten gesagt, dass du mich zu dir gebeten hast“, erwiderte diese schulterzuckend und setzte sich auf den Schreibtisch, vor dem er saß.

„Und was hättest du getan, wenn sie mich gefragt hätten und deine kleine Lüge aufgeflogen wäre?“ Lächelnd erhob er sich und legte seine Arme um den anderen.

„Du hättest mich nicht verpfiffen.“

Sanft lächelte er den Jüngeren an und küsste ihn dann. „Wahrscheinlich nicht“, gab er zu und strich dem anderen über die Wange. Es war ein gutes Gefühl, das Lächeln des Jüngeren zu sehen. Seit dem Fluchtversuch waren nur ein paar Wochen vergangen, aber Tohya sah wieder gesünder aus und schien sich ganz allgemein nicht unwohl zu fühlen, auch wenn er immer noch zu leiden hatte.

Juri war sich nicht sicher, wie viel von dem starken Verhalten echt und gespielt war, aber er musste dem Kleineren vertrauen. Das gehörte immerhin zu einer Beziehung, und er hatte es über Jahre geschafft, seinem Freund sein ganzes Vertrauen zu schenken. Tohya war immerhin auch alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. „Also, warum bist du heute Nacht hier?“, fragte er, um zum Thema zurückzukommen.

„Ich wollte gern bei dir sein und… Sag mal, findest du es nicht seltsam, dass ich mehr mit anderen Typen im Bett bin als mit dir?“

Er lachte leise. „Hm… Prinzipiell… Weißt du, wärst du frei und würdest es aus eigenem Wunsch so halten, wäre es seltsam, aber du bist die Zwangshure einer ganzen Crew, also eigentlich kein allzu großes Wunder.“ Tief sah er in die dunklen Augen. Bildete er sich den traurigen Glanz etwa nur ein?

„Es ist deprimierend, und auch deshalb will ich heute Nacht bei dir sein. Vorausgesetzt natürlich, du hast nichts dagegen einzuwenden.“
 

Juri brauchte eine Weile, um am Morgen wach zu werden, aber es schien keine Arbeit zu geben, also blieb er noch ein wenig liegen und rollte sich auf die andere Seite des Bettes, atmete tief den Duft des Schwarzhaarigen ein, der den Kissen noch immer anhaftete. Natürlich hatte Tohya bereits gehen müssen, aber er kannte es nicht anders.

Die Erinnerungen an die letzte Nacht zauberten ein leichtes Lächeln auf sein Gesicht. Es schien dem Jüngeren wieder gut zu gehen, und so war es wirklich schon besser. Sicher würde nichts perfekt werden, aber das Leben konnte weitergehen.

Langsam stand er auf und zog sich an, ging dann in seinen Arbeitsraum. Er musste leise lachen, als er den Kaffee neben seiner vom vorigen Abend noch anliegenden Arbeit sah. Das blonde Energiebündel von Koch dachte auch immer wieder an sein Wohl.

Verwundert sah er auf das Glas mit den Kapseln, das ebenfalls dort stand. Normalerweise stellte er gerade dieses Glas immer gut weg, aber er hatte am vorigen Abend die genauen Zusammensetzungen gebraucht. Er wusste nicht genau, was an den leicht bläulichen Kapseln so tödlich war, aber genau das wollte er auf jeden Fall herausfinden. Er kannte die Wirkung aus Berichten, aber wieso zwei bis drei Stunden nach der Einnahme nichts passierte und dann ganz plötzlich die Muskeln ihre Arbeit aufgaben, verstand er einfach nicht.

Schulterzuckend stellte er das Glas zurück in das Regal und trank einen Schluck Kaffee, sah nebenbei auf seine Notizen. Die Stoffe waren an sich harmlos, also musste es die Kombination und die Konzentration sein. Blöd nur, dass kein Labor vorhanden war. Streng genommen war es aber auch logisch, immerhin war er Arzt und kein Chemiker. Wieso aber hochgiftige Medikamente trotz der Tatsache, dass er alle gesund halten sollte, zum Inventar gehörten, verstand er auch nicht, aber man sollte nicht alles hinterfragen.

Er ließ sich mit einem schweren Seufzen auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch fallen und sah an die Wand. Sein Leben lief nicht schlecht, er hatte einen wunderbaren Freund, den er liebte, und auch wenn der ein Gefangener war, konnten sie zumindest ab und an zusammen sein. Besser ging es natürlich immer, und wenn er erst nach Verbesserungsmöglichkeiten suchte, fand er ganz bestimmt noch mehrere Punkte, aber Zufriedenheit war die Grundlage des Glücks. Man musste das, was man hatte, nicht kleiner und unbedeutender machen als es war.

Einige Minuten saß er einfach nur dort und versank in seiner kleinen Traumwelt, bis eine Stimmer ihn aus seinen Gedanken riss.

„Juri!“

Erschrocken sah er Tomo an, der Tohya schnell auf der Liege ablegte. Besorgt stand er auf und musterte den regungslosen Schwarzhaarigen, versuchte dabei, die aufkeimende Angst zu unterdrücken.

„Tu was, Juri! Die anderen meinten, er wäre einfach zusammengebrochen.“

„Raus!“, forderte er Tomo auf und griff in seine Schublade, kramte eine Spritze hervor und füllte sie mit einem stabilisierenden Mittel, injizierte es dem anderen und drückte auf den Brustkorb. „Mach keinen Scheiß!“, zischte er diesem zu und versuchte weiter, das stehengebliebene Herz wieder zum Schlagen zu bewegen. Tohya durfte nicht sterben. Panisch legte er sein Ohr auf dessen Brust, aber dessen Herz schlug immer nicht, und auch sonst war nichts zu hören. „Tohya!“, keuchte er verzweifelt und begann wieder mit einer Herzmassage, konnte aber nichts gegen die Tränen tun. Vor ein paar Minuten war doch noch alles in Ordnung gewesen und jetzt…

Jetzt schien Tohya nie wieder aufzuwachen. „Nein“, murmelte er und strich dem anderen über die Wange. Tohya durfte nicht tot sein, aber die Anzeichen waren mehr als eindeutig. „Nein… Tohya, das… kannst du nicht bringen…“ Mit zitternden Händen streichelte er den zarten Körper, ertastete dabei einen Zettel und zog ihn aus der Hosentasche des Kleineren. In der feinen Handschrift des anderen stand dort sein Name.
 

Lieber Juri,

ich weiß, dass du es nicht verstehen kannst. Ich habe es wirklich geschafft, dir und mir vorzuspielen, dass ich glücklich bin. Nur… So leicht ist es nicht.

Der Tod ist ein Kompromiss für andere, für mich die einzige Lösung. Ich kann nie mehr vergessen, was mir passiert ist, und auch du kannst es nicht ändern. Durch diese Entscheidung verhindere ich, dass sie mich weiter quälen können. Der Preis dafür ist aber, dass ich nie wieder bei dir sein kann.

Meine Entscheidung war keine spontane. Ich weiß seit Tagen, dass es keinen anderen Ausweg mehr für mich gibt. Ich habe es einfach für mich entschieden.

Es tut mir leid. Ich wollte dich damit nicht verletzen, aber ich kann es nicht ändern. Mach dir nur keine Vorwürfe. Die letzte Nacht habe ich übrigens wirklich genossen. Ich wollte eine schöne, letzte Nacht in meinem Leben haben.

Glaub daran, dass wir uns wiedersehen. Und vertrau darauf, dass ich glücklich bin. Ich kann immerhin nie mehr leiden, auch wenn der Preis hoch ist.

Es liegt wirklich nicht an dir. Du hast mir mit diesen komischen… Tabletten zwar unbewusst das Mittel gegeben, aber es ist nicht deine Schuld, dass du mich nicht retten konntest.

Ich möchte dich bitten, dass du meine Kette an dich nimmst. Ein letztes Geschenk, und leider auch das einzige, das ich dir geben kann.

Juri… Ich liebe dich. Das weißt du. Und daran wird sich nie mehr etwas ändern, es kann sich nie mehr etwas daran ändern. Behalte mich nur in deinen Erinnerungen.
 

Tohya
 

Zitternd atmete er durch und küsste den Schwarzhaarigen auf die Stirn, versuchte, den dumpfen Schmerz zu beherrschen. „Verdammt, Tohya… Wie kannst du das nur machen…“ Behutsam nahm er dem Jüngeren die Kette ab und hängte sie sich um, strich dann über die kühle Haut.

Zitternd legte er seinen Kopf auf die Brust des anderen und ließ seinem Schmerz freien Lauf. Es würde ihn niemand stören, wenn er sich jetzt von Tohya verabschiedete, weil ja niemand wusste, dass der andere schon nicht mehr zu retten war.

Innerhalb von Minuten, vielleicht auch Stunden, war seine Welt zerbrochen und er wusste nicht, ob und wie es weitergehen sollte.
 

„Juri. Warte kurz.“

Still drehte er sich zu Jin um und sah diesen an. Er war immer noch wütend und musste jeden Tag gegen das Bedürfnis, einen Amoklauf zu starten, ankämpfen.

„Lässt du mir eine andere Wahl?“, gab er aggressiv zurück.

„Nein, nicht wirklich. Können wir in deinem Arbeitszimmer ungestört reden?“

Er zuckte mit den Schultern. Umgehen ließ sich dieses Gespräch auf kurz oder lang wohl eh nicht mehr. Ruhig setzte er seinen Weg fort und ließ sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch sinken. „Also?“

„Du ziehst dich zurück. Du weist jeden von dir. Du hasst nur noch. Ehrlich, wie geht’s dir?“ Forschend sah der andere ihn an.

Ein ironisches Lachen entkam ihm. „Wie es mir geht? Mit dem Hass hast du recht, aber was erwartest du? Was würdest du mit demjenigen machen wollen, der San in den Tod treibt?“ Gequält schloss er die Augen und legte den Kopf in den Nacken. „Glaub mir, es ist wirklich so, dass du den Verantwortlichen am Liebsten umbringen würdest. Ich weiß nur, dass ich Tohya dadurch auch nicht wiederbekomme.“

„Es tut mir leid für dich, Juri, aber das war Tohyas Entscheidung und…“

„Fick dich“, unterbrach er den anderen trocken. „Du weißt nichts über ihn. Und du weißt nichts über mich.“

Der Ältere seufzte und strich ihm über den Kopf, weshalb er die Augen öffnete und diesen ansah.

„Juri, du kannst tun und sagen, was du willst, aber da ist weniger Hass und Wut als du zeigst. Da ist viel mehr Schmerz und Trauer, das ist normal. Hör zu, ich will dich nicht zum Reden zwingen, aber du kannst zu mir kommen.“

Seufzend stand er auf und kramte Tohyas Brief aus einer Schublade, setzte sich dann auf die Liege und legte seinen Kopf auf die angezogenen Knie. „Jin… Ich habe ihn geliebt, und er mich. In der letzten Nacht seines Lebens war er hier. Er war glücklich. Wie soll ich ihm je verzeihen, dass er sich umgebracht hat, als es besser wurde?“

Sanft strich der andere ihm über den Rücken. „Ach, Juri… Ich weiß, dass das nicht einfach ist, aber du musst es akzeptieren. Du kannst Tohya nicht mehr zurückbekommen.“

Still hielt er dem Älteren den Brief hin und versuchte, sein Schluchzen zu unterdrücken, konnte aber die einzelnen Tränen nicht aufhalten.

„Er hat dich geliebt“, meinte Jin nach ein paar Minuten und zog ihn an sich. „Wenn du Hilfe brauchst, komm zu mir. Und zu deiner Frage… Derjenige, der San auch nur indirekt umbringt, wird nie wieder glücklich werden. Wenn er das überhaupt überlebt.“
 

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Also... Ein ganzes Kapitel weit weg von Shin und Saga, aber tatsächlich wichtig, wenn ihr Juri verstehen wollt. Wer so etwas erlebt, will eine Wiederholung natürlich verhindern.

Juri kann einem wirklich Leid tun, Tohya aber erst recht. Und wenn man Tohya mit Shin vergleicht, sind die beiden sich in gewisser Weise schon ähnlich, demnach kann man Juris Sorge um unser Shin-chan ja auch nachvollziehen.

Aber ihr werdet sehen, wie es weitergeht, ich weiß es, weil ich fertig bin, aber ich bin brav. Und verrate auch bei Konzerten nicht.

Auch hier noch mal: Ihr dürft mich gern ansprechen, wenn ihr mich seht. Das nächste Konzert ist Megaromania in Bochum, da werde ich wohl mit einer Deutschlandflagge rumrennen. Und hey, ich habe türkis/blau-schwarze Haare, das sollte eigentlich genügen. Ich beiße niemanden, der mit mir redet. Das einzige Schlechte wäre, dass mir eventuell die eine oder andere nette Textstelle/Handlung rausrutscht, eventuell sogar die Pläne für den dritten Teil hier. D:
 

Das sollte jetzt aber auch genügen. Ich denke, dass jeder, der mich treffen will, irgendwann die Gelegenheit bekommt. Ich bin zwar meistens in Hamburg, fahre aber eben auch mal nach Bochum oder Köln. Wenn die Bands nicht zu mir kommen...
 

Ach ja, und wegen der Website und dem dortigen Upload: Da ist noch nicht einmal das erste Kapiten online. Das als Schnupperkapitel und die Lemons kommen da noch hoch, das Problem ist bei mir ganz klar die Zeit. Ich meine, hey, ich habe am Montag nach PLUNKLOCK Mathe geschrieben, demnach... Klausurensaison hat begonnen. Yay. -__-
 

Das sollte jetzt aber wirklich reichen und ich verabschiede mich bis nächste Woche.
 

Hikari



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  klene-Nachtelfe
2012-03-11T15:19:21+00:00 11.03.2012 16:19
Wirklich berührend und sehr ergreifend!!!
Einfach toll geschrieben und verpackt!
Mir fehjen irgendwie die passenden Worte!
WEITER SO!!!
LG -^.^-
Von:  Teiko
2012-03-09T22:21:02+00:00 09.03.2012 23:21
Wenn ich ehrlich bin, die Rückblende ist so mega traurig, dass ich bei der Scene wo
Juri versucht Tohya wieder zu beleben, fast angefangen hätte zu heulen! Die Beiden tun
mir so unendlich Leid.
Es ist einfach krass wie du das alles beschreibst, die inneren Konflikte und vor allem
Tohyas Gedanken im Brief und seine Gefühle dort. Natürlich auch die von Juri aber bei Tohya
hast du dir ja schließlich nicht sonderlich viele Möglichkeiten eingebaut seine Gefühlswelt zu erklären,
weshalb das ein extra großes Lob verdient hat!

Ich bin sehr gespannt, wie Shin auf die Geschichte reagiert *ihn schon mal in den Arm nehm*
Ich bin mir sicher, dass er genauso reagiert, wie ich es fast getan hätte.

LG
Teiko^^


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