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Die Notlandung

von

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Two

Alles in Toris sträubte sich dagegen, die Treppe hinunter zu steigen und wieder zu Ivan zu gehen. Allerdings musste er zurück, versuchte er sich selbst zu überzeugen. Er konnte es nicht riskieren, dass Ivan die Geduld verlor und ihn womöglich suchen kam. Was, wenn er dabei Alfred entdeckte? Was, wenn...

Er hörte ein Knacken und erstarrte in der Bewegung. War das eine Tür gewesen? War Ivan ihm hinterher gekommen, oder... erschrocken sah er nach vorn und stellte fest, dass es im Flur schon beunruhigend dunkel war, obwohl es noch Nachmittag war. Er sollte das Licht anmachen, dachte Toris und tastete sich vorsichtig weiter die Treppe hinunter, eine Hand an der Tapete. Niemand war zu sehen. Hier war niemand, dachte er mit wild schlagendem Herzen. Nicht einmal in der düstersten Ecke neben dem Wandschrank, in der sich irgendetwas zu bewegen schien... wach auf, Toris! Als ob Ivan hinter dir herschleichen würde wie irgendein Nachtgespenst, und das mitten am Tag!

Er trat von der letzten Treppenstufe und holte tief Luft. Also schön. In diesem Haus gab es nichts bedrohliches außer Ivan, aber der saß noch in der Küche. Toris würde jetzt erst einmal in sein Schlafzimmer gehen und das Bett beziehen, wie er es gesagt hatte, und danach würde er Ivan wieder unter die Augen treten müssen. Aber erst danach, Toris, also entspann dich gefälligst.

Er betrat sein Zimmer, in dem es ebenfalls zu dunkel war für seinen Geschmack. Wie konnte es schon am Tag so dunkel sein? Er warf einen Blick auf die dicken Wolken draußen, die grau und bedrohlich über dem Land hingen, und schaltete das Licht an. Dadurch wurde es zwar nicht viel heller, stellte er fest, aber es half, ihn zu beruhigen. Als er die Hand wieder vom Schalter zurück zog, bemerkte er, dass sie zitterte. Dabei wollte er nicht zittern. Zittern war etwas, was man in Ivans Haus tun konnte, aber er war nicht in Ivans Haus! Sollte er sein Zittern etwa nie mehr loswerden? Er wollte sich entspannen, er wollte normal sein. Er wollte...

Wieder dieses Knacken, draußen auf dem Flur. Als würde jemand über den Boden laufen, dachte Toris. Als würde... nein, er wollte nicht nachsehen. Es war nichts, gar nichts. Alles war in Ordnung. Wenn er jetzt nachsah, ob da etwas war, würde er seine Fantasie nur beflügeln. Er durfte dem Drang nicht nachgeben, weiter dieses kindische Spiel zu spielen. Ivan saß immer noch in der Küche und trank seinen Kaffee. So energisch wie möglich ging er zum Bett hinüber und schlug die Decke auf. Einfach ignorieren. Seine Hände zitterten noch immer und er ballte sie wütend zu Fäusten. Mach dir nicht ins Hemd, Toris! Was soll denn passieren? Wovor hast du Angst?

Er wusste nicht, wovor. Aber er wusste, dass.

Ohne es recht zu wollen, drehte er sich langsam um, ging wieder zur Tür und sah auf den Flur. Nichts rührte sich. Aber es war so dunkel, dachte Toris und tastete nach seiner Brust. Sein Herz pochte schmerzhaft schnell. Wer konnte wissen, was sich im Dunkeln verbarg? Er hasste die Dunkelheit. Seit wann war es nur so dunkel in diesem Haus? Es war sein eigenes Haus, er liebte es so sehr, wie man ein Haus eben lieben konnte. Wieso kam es ihm plötzlich so fremd vor?

Hinter ihm knarrte etwas, leise, aber vernehmlich. Seine linke Hand verkrampfte sich um den Türrahmen und er spürte, wie die Härchen in seinem Nacken sich sträubten. Jemand war in seinem Zimmer. Jemand... Er wollte sich nicht umdrehen. Er sollte es tun, um sich zu vergewissern, dass da niemand war. Aber er wollte sich nicht umdrehen.

Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Was ist nur los mit dir, Toris? Alles ist völlig normal, du kennst dieses Haus, jeden Winkel. Du weißt, dass hier nichts ist... aber eben darüber war er sich plötzlich nicht mehr sicher. War das hier noch sein Haus, das er kannte?

Das Knarren erklang noch einmal, und er fuhr zusammen und rannte. Ohne nachzudenken und ohne sich umzusehen, Gott bewahre!, stürzte er auf den Flur und rannte. Irgendwo hin, wo es sicherer war. Nur weg hier. Nur...

„Toris?“

Die Stimme ließ ihn zusammenzucken und in der Bewegung einfrieren. Er fühlte sich, als sei sein Herz für einen Moment stehen geblieben und würde nun noch schneller schlagen, noch schneller, um die versäumten Schläge wieder aufzuholen.

„Toris?“, erklang die Stimme noch einmal. „Ist alles in Ordnung?“

Zitternd drehte er den Kopf. Die Tür zur Küche. Ivans Stimme, die dahinter erklang. Er wollte nicht zu Ivan, aber hier bleiben wollte er auch nicht. Sein Haus war nicht mehr seines. War es etwa nicht Ivan, der ihm hinterher geschlichen war? Aber was war es dann gewesen?

Schluckend ging er zur Tür, öffnete sie und betrat die Küche. Ivan saß am Tisch, eine leere Tasse vor sich, und lächelte Toris an.

„Da bist du ja wieder. Ist alles in Ordnung?“

„Selbstverständlich“, sagte Toris und erwiderte das Lächeln. Alles war in Ordnung. Oh, das Fenster! Sicher war es nur das Fenster in seinem Zimmer gewesen, das geknarrt hatte. Das tat es ja manchmal, nicht wahr? Und die anderen Geräusche musste er sich eingebildet haben. Sowieso, wieso vertat er seine Zeit mit so etwas? Er hatte Wichtigeres im Kopf, er musste dafür sorgen, dass Alfred nichts passierte. Alfred war in Sicherheit, solange Toris die Nerven behielt. Und wie gut er das konnte, hatte er ja eben unter Beweis gestellt...

Ach was. Er musste einfach so tun, als wäre nichts. Ivan hatte keine Ahnung, was los war. Er griff nach seiner Kaffeetasse, nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Kalter Kaffee.

„Ich habe überlegt, eine Runde ums Haus zu drehen“, sagte Ivan, während Toris sich wieder ihm gegenüber hinsetzte. „Du hast da ein paar sehr schöne Sonnenblumen in deinem Garten, Toris.“

„Ja... sie haben sich selbst ausgesät“, erklärte Toris und lachte. Da er zu nervös war, um Ivan in die Augen zu sehen, ließ er den Blick ziellos durch den Raum schweifen. Nichts anmerken lassen. „Die Vögel haben im Winter das Vogelfutter verstreut, und dabei...“

Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Auf der Arbeitsfläche unter dem Schrank lag Alfreds Päckchen mit dem Kaffee. Aber er hatte es weggeräumt, dachte Toris und spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er hatte es versteckt. Ganz sicher.

„Ich habe mich gefragt“, fuhr Ivan einfach fort, der anscheinend nichts bemerkt hatte, „ob es in diesen Breitengraden eigentlich auch so kalt wird. Zu Hause friert es längst wieder, zumindest in der Nacht.“

„Ja... es wird recht kühl in der Nacht“, sagte Toris, stellte seine Tasse ab und bemerkte, dass seine Finger zitterten. Was tun? Das offensichtlich amerikanische Päckchen noch einmal verstecken oder Ivans Aufmerksamkeit in irgendeiner Weise davon ablenken?

„Ich hoffe, wir werden es hier drinnen warm genug haben.“

„Natürlich werden wir das. Der Ofen funktioniert einwandfrei.“

Ivan lächelte. „Das freut mich. Es gibt doch nichts Schöneres als einen Kamin, nicht wahr, Toris? Hast du einen?“

„Ja“, antwortete Toris zögernd und umklammerte die Tasse. „Im Wohnzimmer.“

„Wie schön“, sagte Ivan und strahlte ihn an. „Dann werden wir heute Abend ein Feuer machen, ja?“

„Das... wäre möglich, aber dazu müsste ich zuerst Holz hacken.“

„Oh, und du hast sicher viel zu tun, nicht wahr? Du musst packen... und deinen letzten Tag hier solltest du noch genießen, das hast du dir verdient. Ich kann das Holz hacken.“

Langsam hob Toris den Kopf und starrte ihn an. Ivan erwiderte seinen Blick arglos und lächelte.

„N-nein... machen Sie sich keine Umstände. Ich kann das selbst erledigen.“

„Nein, Toris. Ich falle dir sowieso schon genug zur Last.“

„Aber nein, Sie brauchen das wirklich nicht zu tun!“, beteuerte Toris etwas schrill und stand auf. Seine Knie zitterten. „Ich mache es selbst! Es ist in Ordnung!“

Ivan legte den Kopf schief und sah ihn an. Was war das in seinem Blick? War es Misstrauen? Wusste er längst, was oder besser wen Toris vor ihm versteckte? War das alles nur ein Spiel, das er spielen würde, bis es ihm zu langweilig wurde? Toris' Herz raste in seiner Brust. Er jedenfalls würde dieses Spiel nervlich nicht mehr lange aushalten.

„Keine Widerrede“, sagte Ivan entschieden und runzelte leicht die Stirn. „Ich gehe.“

Er würde hinaus gehen, er würde hinter den Stapel Holz schauen, und dort würde er ein etwas verbeultes Blechschild sehen. Ein Schild aus einem Flugzeug. Ich bin Amerikaner und spreche Ihre Sprache nicht. Ich hege keine bösen Absichten gegen...

„Verzeihen Sie mir“, brachte Toris hervor und umklammerte seine Tasse. „Es tut mir Leid.“

„Was?“, fragte Ivan. „Was tut dir Leid?“

Am liebsten hätte er geschrien, Sie wissen es doch, Sie wissen es schon längst, aber er konnte nicht. Seine Kehle war staubtrocken. Er hätte Alfred besser verstecken müssen, er hätte Ivan von Anfang an die Wahrheit sagen müssen, er hätte Alfred am besten gar nicht erst finden dürfen – alles, damit er nicht am Ende wieder da stand und ihm nichts mehr blieb, wie es schon entschieden zu oft vorgekommen war. Nichts mehr, um sich zu verteidigen, zu entschuldigen, nichts außer der eigenen Schutzlosigkeit. Es war, als wäre er nackt.

Er wollte schreien, doch er konnte nicht. Stattdessen ließ er die Kaffeetasse aus seinen zitternden Fingern rutschen. Sie zersprang in einer Explosion aus Flüssigkeit und Scherben auf dem Boden.
 

Alfred lauschte in das Haus hinein, doch er hörte keinen Laut. Sein Kopf hatte zu schmerzen begonnen und auch in seinen gebrochenen Arm kam langsam wieder Gefühl, worauf er lieber verzichtet hätte. Was ging hier vor? Ivan war zu früh gekommen, schön und gut, schlechtes Timing war eben seine Stärke. Aber was sollte jetzt passieren? Würde Toris es schaffen, dicht zu halten, nicht die Nerven zu verlieren? Immerhin war er ein sensibler Kerl, dachte Alfred. Das hatte Ivan damals auch gesagt. Andererseits, was verstand Ivan schon von dem, was in Toris vorging? Verdammter Ivan. Die Wurzel allen Übels. Grund seiner schlaflosen Nächte. Wie viel schöner die Welt doch wäre, wenn es Ivan nicht gäbe.

Vorsichtig versuchte er, sich aufzusetzen, aber auf den linken Arm konnte er sich nicht stützen und der rechte war kraftlos und bebte unter ihm. Außerdem bekam er allein von der Bewegung noch größere Kopfschmerzen. Seufzend ließ er sich wieder zurück sinken und starrte an die Decke. Es sah aus, als könne er nicht mehr tun, als zu hoffen. Hoffen, dass alles wieder in Ordnung kommen würde, dass Toris einen Weg finden würde, ihn an Ivan vorbei aus dem Haus zu schmuggeln. Und dann? Was sollte Alfred dann tun? Sich ohne Toris' Hilfe durch ein Land schlagen, dessen Sprache er nicht sprach?

Es wirkte wie eine Aufgabe für einen echten Helden, dachte Alfred und seufzte. Zum ersten Mal regten sich leise Zweifel in ihm, ob der Held dieser Aufgabe gewachsen war.
 

„Toris? Was ist denn los? Was hast du?“

Toris hatte keine zwei zusammenhängenden Worte mehr herausgebracht. Er hatte geschluchzt und gezittert und irgendetwas von Entschuldigung und Verzeihung gestottert. Besorgt hatte Ivan ihn in den Arm genommen, und als auch das nicht half (Toris schien dadurch noch stärker zu zittern als zuvor, was Ivan sich nicht erklären konnte), hatte er Toris in sein Zimmer gebracht. Er wusste, wo es lag, er war ja nicht zum ersten Mal hier.

„Wirst du vielleicht krank, Toris? Ich habe gehört, es geht eine Grippe um. Vielleicht bist du einfach ein bisschen fertig mit den Nerven, ist es das?“

Denn anders konnte Ivan es sich nicht erklären, dass Toris mitten am Tag ohne Zusammenhang in Tränen ausbrach. Das tat Raivis mit hübscher Regelmäßigkeit, aber doch nicht Toris. Bei Raivis lag es daran, dass er ein kleiner Junge war und kleine Jungen nun einmal oft weinten, und manchmal lag es auch daran, dass Ivan ihn ein bisschen geärgert hatte. Nur ein kleines bisschen. Aber nein, Toris tat so etwas nicht.

„Vielleicht wirst du krank, Toris“, sagte Ivan, drückte ihn auf das Bett und klopfte sein Kissen auf. „Da ist es gut, dass du bald wieder nach Hause kommst, nicht wahr? Wahrscheinlich regt es dich zu sehr auf, hier zu sein. Wenn du wieder zu Hause bist, kann ich mich um dich kümmern, und dann wirst du ganz schnell wieder gesund. Du wirst schon sehen.“

Toris blinzelte zu ihm auf. Noch immer hatte er Tränen in den Augen, aber er sagte nichts mehr. Ivan lächelte ihn mitfühlend an und zog die Decke über ihn. Danach stand er auf, um das Licht zu löschen und die Läden vor dem Fenster zu schließen. Wenn jemand krank war, musste es dunkel sein, fand Ivan.

„So. Das wird schon wieder, Toris. Ich werde dir einen Tee machen, ja? So macht man das, wenn jemand krank ist. Keinen dummen Kaffee, sondern Tee.“

Toris gab eine Art Wimmern von sich.

„Was ist denn los, Toris?“, fragte Ivan besorgt und trat wieder zu ihm. „Was hast du?“

„Der... der Kaffee...“, stotterte Toris.

Ivan zog die Augenbrauen hoch. „Amerikanischer Kaffee. Ich habe es bemerkt.“ Er schüttelte tadelnd den Kopf. „Ich möchte gar nicht wissen, wo du ihn herhattest, Toris. In meinem Haus wird so etwas nicht getrunken, das ist ja hoffentlich klar.“

„Natürlich.“

„Dass du dir in deiner repräsentativen Stellung so etwas erlaubst... Du weißt doch, dass du deinen Kindern immer mit gutem Beispiel voran gehen solltest“, sagte Ivan ernst. „Nun gut, in deiner freien Woche werde ich wohl noch mal ein Auge zudrücken können. Dass mir so etwas aber nicht zur Gewohnheit wird, Toris. Hast du irgendetwas gegen einheimische Produkte?“

„Natürlich nicht“, flüsterte Toris.

„Gut!“, sagte Ivan glücklich. „Sehr gut. Ich werde dir eine Tasse Tee kochen, damit du wieder gesund wirst. Und morgen gehen wir zusammen nach Hause, ja?“

Toris nickte stumm, und Ivan lächelte ihm noch einmal zu, bevor er hinaus ging. Gut, dass er früher gekommen war als geplant, dachte er. So konnte er einmal sehen, was Toris so trieb, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Amerikanischer Kaffee... wozu brauchte Toris so etwas? Wo hatte er es her? Ach was, es spielte keine Rolle, dachte Ivan. Toris war ein lieber Junge, ein braver Junge. Einen so kleinen Ausrutscher konnte er ihm gerade noch verzeihen. Sie hatten doch alle ihre Vorlieben und ihre Schwächen, nicht wahr? Wenn es zum Beispiel in Ivans Garten plötzlich keine Sonnenblumen mehr geben würde, wäre er vielleicht auch so verzweifelt, dass er sie von Alfred kaufen würde, wenn der welche hätte.

Alfred. Ivan verzog die Lippen und machte sich auf den Weg in die Küche. Verdammter Alfred. Die Wurzel allen Übels. Grund seiner schlaflosen Nächte. Wie viel schöner die Welt doch wäre, wenn es Alfred nicht gäbe.
 

In der Küche schüttete er den Rest des kalten Kaffees in den Ausguss und setzte Teewasser auf. Während er wartete, bis es kochte, überlegte er, ob er nicht noch etwas für Toris tun konnte. Immerhin mussten sie morgen wieder abreisen, und es wäre schlecht, wenn Toris' Zustand sich bis dahin weiter verschlechtern würde. Sein Boss sah es nicht gern, wenn Pläne nicht eingehalten wurden, dachte Ivan mit einem aufkeimenden schlechten Gewissen. Er musste morgen mit Toris pünktlich am Bahnhof sein und den richtigen Zug nehmen. Alles andere würde nur zu Problemen führen.

Kurz entschlossen stand Ivan auf. Als er das letzte Mal krank gewesen war, hatte er gefroren, daran erinnerte er sich. Sicher konnte es nicht schaden, wenn er es Toris so warm wie möglich machte. Ob es hier noch mehr Decken gab? Im Wohnzimmer vielleicht, oder unter dem Dach. Ja, das war eigentlich eine gute Idee. Hatte Toris nicht gesagt, er würde das Bett neu beziehen? Er sollte sich das einmal ansehen, dachte Ivan und wandte sich zur Treppe. Und außerdem sah es nach Toris' plötzlichem Schwächeanfall ganz so aus, als würde Ivan selbst unter dem Dach schlafen müssen, wie er es schon angeboten hatte. Es konnte nicht schaden, sich die Sache anzusehen.
 

Alfred war noch immer allein mit seinen Gedanken. Die von Wolken verhangene Sonne stand schon tief über den Bäumen, die er durch das Fenster sehen konnte. Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Wenn Toris es nur schaffte, bis zum Abend dicht zu halten, würde alles gut gehen. Alles würde gut werden, dachte Alfred und seufzte leise. Etwas anderes als ein Happy End wäre einem Helden wie ihm ja wohl nicht zuzumuten.

Er merkte auf, als Schritte die Treppe herauf kamen. War Toris schon wieder hier? Vielleicht hatte er Essen dabei. Das wäre gar nicht schlecht, dachte Alfred und zupfte sein Kissen zurecht. Er konnte so viel Kraft wie möglich gebrauchen, wenn er es schaffen wollte, schnell wieder auf den Beinen zu sein und zu fliehen. Es konnte nicht schaden.

„Hey, Toris. Hat er...“

Die Worte blieben Alfred im Hals stecken und er hätte schwören können, dass sein Herz für einen Moment aussetzte. Es war nicht Toris. Warum war es nicht Toris?

Einen Moment lang starrten Ivan und Alfred einander mit großen Augen an. Keiner von beiden hatte den anderen hier erwartet, dachte Alfred. Wer wohl von dem plötzlichen Auftauchen des anderen mehr überrascht war? Ivan sah ihn jedenfalls an, als sei er sich noch nicht sicher, ob er es mit einem Hilflosen, einem ebenbürtigen Gegner oder einem Hirngespinst zu tun hatte. Diesen Überraschungsmoment musste er nutzen, rief Alfreds Instinkt. Er wollte die Decke beiseite werfen, aufspringen und fliehen, doch unglücklicherweise versuchte er, seinen linken Arm zu benutzen, um sich von der Decke zu befreien. Ein brennend heißer Schmerz zuckte von seinem Ellbogen bis in seine Schulter und pochte in seinem Brustkorb weiter. Er schrie auf und versucht im selben Moment erfolglos, sich daran zu hindern. Ivan hörte zu.

„Alfred“, sagte Ivan.

Alfred ließ den Kopf wieder in sein Kissen fallen und versuchte, zu Atem zu kommen. Er durfte nicht liegen bleiben. Er musste hier weg. Am besten würde er Toris auch noch mitnehmen, schließlich wäre es alles andere als heldenhaft, seinem Retter so wenig Dankbarkeit zu zeigen und ihn einfach seinem Schicksal zu überlassen. Aber noch immer schmerzte sein Arm und davon ausgehend seine gesamte linke Körperhälfte so stark, dass an Aufstehen nicht zu denken war. Von Fliehen ganz zu schweigen. Was versuchte er sich eigentlich einzureden? Er konnte kein Held sein. Diesmal nicht.

Aber er wollte ein Held sein, dachte Alfred verbissen und starrte Ivan an, der seinen Blick mit großen Augen erwiderte. Noch immer sah er weder offen schockiert noch wütend noch nach irgendeiner anderen Emotion aus, die Alfred hätte erkennen können. Anscheinend war Ivan schlicht überfordert mit der Situation. Dieser Eindruck verstärkte sich, als Ivan ohne ein weiteres Wort einen Schritt zurücktrat und die Tür wieder zuschlug.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Gingerred
2012-01-05T01:08:01+00:00 05.01.2012 02:08
Mir ist während des Lesens die ganze Zeit nicht aufgefallen,dass ich aufgeregt wie ein Bekloppter mit meinen Beinen gewippt hatte...
Was zur Hölle.
Dabei lese ich gar nicht so gerne FF's mit Toris und Alfred~ ´w`
Aber jedes Mal,wenn ich beginne etwas von dir zu lesen,verfalle ich der Geschichte so dermaßen dass ich erst am Ende bemerke dass ich gar nicht geplant hatte es zu lesen.
Heißt also,dass du deine Sache mal wieder gut gemacht hast =w=b

Liebe Grüße,Gingerred~
Von:  blooodymoon
2012-01-04T20:15:37+00:00 04.01.2012 21:15
1. O.O Ich bin wirklich überrascht, ich hätte nicht gedacht, das Ivan Alfred findet.
Also das war das letzte, was ich erwartet habe.

2. Diesmal fande ich es um einiges bedrückender und horrormässig als bevor!
Ist dir ziemlich gut gelungen.
Das ganze Knarren und das er hinterher realisiert, das es warshceinlich das Fenster war. Super geschrieben und umgesetzt!
Oder das mit dem Kaffee.

2. Armer, armer Toris!
Ich mein, es ist einfach super der ganzen Psychodruck, den er am Ende nicht standhalt. Wie ich dir schon so oft gesagt habe, sehr realitisch und deshalb super!
Wie du das ganze rübergebracht hast war auch super!
Aber irgendwie scheint Furtuna gegen ihn zu sein, dass das Schild direkt hinterm Holzscheid ist.
Am besten fande ich die Zusammenbruchszene, weil es musste irgendwie kommen, bei so viel Pyschodruck, vorallem den er sich selbst macht.

3. Ivan.
Ivan war super!
Ich mein, eigentlich ist klar, dass er kein Plan hat, aber wie du ihn beschrieben hast, wie er reagiert.
Oder das mit dem Kaffee, es gab ja nicht nur eine Chance, an solchen Kaffe zu kommen damals. Wer würd wegen Kaffee drauf kommen, das Alfred in seinem Vorgarten abgestürtzt ist.
Oder wie er sagt, dass Toris ein Vorbildfunktion sein sollte, ihm aber verzeicht. Sehr schön IC.
Aber am aller besten fande ich, dass Ivan total überrascht und überfordert mit der Situation war (Alfred konnte sich auf die Möglichkeit ja noch 1 Stunde vorher einstellen), ich mein was soll er shcon machen. Das er einfach die Tür zuknallt, einfach genial.
(Ivan rennt danach gleich erstmal zu Toris rennt und ihn fragt/schüttelt was das soll und dass es ja gar nicht real, weil Toris ihn ja sonst veraten hätte, sein kann und er sich es bestimmt nur eingebildet hat und er eine Bestättigung von Toris will.)

4. Alfred war aber auch herrlich IC.
Ja er ist der (Möchtegern)-Held.
Aber überraschenderweise sieht er diesmal sogar ein, dass er es nicht schaffen kann ein Held zu sein.

5. Also insgesamt hat mir das Kapitel super gefallen!
Ein paar Stellen waren einfach genial vom Inhalt, als auch von der schreibweise!
Und tut mir Leid, dass ich jetzt erst kommntiere, aber die letzten Tage habe ich mich mit Fairy Tail vollgezogen und hab mich nicht in der Lage gefüllt ein anstendiges Review zu schreiben. -.-
Auf jeden Fall habe ich alles so geschrieben, wie ich es direkt nach dem Lesen empfand, das betrifft vorallem Punkt 1.
Also ich frei mich auf jeden Fall aufs letzte (oder vorletzte, Zero gibs ja auch noch ;) ) Kapitel!

GLG tzuki



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