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The Dark Heaven

Teil IV: Der Garten der Sünder (OS: Raphael, Jibril)
von

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Guilty Until Proven Innocent

Titel: Guilty Until Proven Innocent
 

Genre: General

Warning: Alternatives Universum, Interlude, Angst, Drama
 

Personen: Raphael, Jibril, Sevothtarte
 

Inhalt: Du hattest nie eine Chance. Ich möchte nicht einmal, dass du auch nur die geringste Chance bekommst. Dessen bin ich schuldig und du bist frei, dies ist meine Sünde zu nennen.
 

Kommentar: Dies ist einer Interlude, der zu meinem Gabriel / Dark Heaven Universum gehört. Er setzt an, nachdem bekannt geworden ist, dass man Jibril / Sarah anklagen wird. Für das bessere Verständnis sollte man vorher vielleicht „Bad Moon Rising“ und „Die, die aus dem Himmel kamen“ gelesen haben. Ansonsten verläuft diese Geschichte parallel zu Band 15 und ich möchte daran erinnern, dass zwar wir den weiteren Verlauf des Manga kennen, aber Raphael zwangsläufig nicht. Niemand wusste schließlich, das Sandalphon seine eigene Flucht aus der Wiege geplant hat.
 

Ich wünsche Euch jetzt viel Spaß beim Lesen

mangacrack
 


 

"I ask for patience to deal with the stupid people and courage to tolerate their ignorance,

because Lord knows if I ask for strength I will beat them to death."
 

~ Unknown
 


 

Raphael starrte auf den Brief und der braunen Haarlocke, die er enthielt. Selbst wenn er nicht sofort erkannt hätte, wem sie gehörten, so verrieten es ihm die wenigen Zeilen auf dem Papier, das dem Brief beigelegt war. Auch die elegante und geschwungene Handschrift darauf konnte die ausfallende Bedrohung nicht kaschieren. Sevothtarte scharfe und aufdringliche Art schwang in der Wortwahl mit und in dieser Minute kam Raphael nichts widerlicher vor, als diese schnöde Art ihm einen Befehl zu erteilen. Die Forderung im Brief war eindeutig, er sollte Jibril an ihrer Aussage vor dem Hohen Gericht hindern. Dafür würde Barbiel davon verschont werden, als Opfer der Himmelspolitik zu enden.
 

Das Mittel, welches das möglich machen sollte, war gleich mit dem Brief zusammen abgegeben worden. Ein weiterer Fehler, Raphael hätte die nötige Substanz selbst herstellen können.
 

Wie unvorsichtig, urteilte Raphael und griff nach der kleinen Phiole, um sie in seinen blassen Händen zu drehen. So fordernd und direkt dieser Brief war, erkannte er sofort, dass Sevothtarte höchst persönlich diese Droge besorgt hatte. Der Bote, der ihm das Paket überbracht hatte, war anhand seines Auftretens ebenfalls leicht zu zuordnen gewesen. Damit ließen sich eigentlich genügend Beweise zusammentragen.
 

Selbst die Tatsache, dass auf dem Brief keinerlei Spuren zu finden waren, da der Minister stets Handschuhe trug, wäre kein Hindernis. Die Phiole wäre Beweis genug, abgesehen von dem schwerwiegenden Fehler, dass das Briefpapier durch seine hohe Qualität praktisch das Siegel des Ministers trug. Auch der Bote war ein Zeuge, dessen Erinnerungen wertvoll und ausreichend, um Raphael die nötigen Informationen zu liefern, deren Auskunft ihm zuvor verweigert worden war.
 

Nachdenklich beugte sich Raphael über seinen Schreibtisch und faltete die Hände zusammen. Sich blindlings auf den Deal einzulassen und zu hoffen, dass Sevothtarte Barbiel wieder freigeben würde, wäre Irrsinn. Vergangene Vorfälle hatten bewiesen, dass seine geschätzte Beraterin in Gewahrsam bleiben würde, damit der Minister sich seiner Kooperation sicher sein konnte. Nicht Glück und Zufall würden bestimmen, wann er sie wiedersah. Er selbst würde das tun und wartete er zu lange, würde Sevothtarte sich Barbiel entledigen, doch das würde höchstens erst geschehen, wenn sich Wogen um die Gerichtsverhandlung geglättet hatten. Zeit blieb ihm also noch.
 

Der Fall eines ruhigeren Himmels würde so schnell nicht eintreten, dafür hatte es in der jüngsten Zeit zuviel Unruhen um die Rebellen, die Dämonen und in ihren eigenen Rängen gegeben. Maßnahmen mussten also ergriffen werden. Bald, da die Verhandlung so früh wie möglich abgehalten werden sollte. Schließlich war Jibril aus der Sicht des Minister schuldig und eine weitere, separate Anhörung war ausgeschlossen. Sevothtarte würde dafür sorgen, dass ein aus seiner Sicht zuverlässiger Richter an dem Tag das Amt bekleidete. Besser davon ausgehen, dass die Verhandlung eine Farce war und das Urteil bereits feststand.
 

Die Karten waren verteilt und das Spielbrett des Schicksals, das sich ihr Zuhause nannte, abermals am Zug. Jetzt musste Raphael sich nur noch entscheiden, um welchen Preis er pokerte.
 

Jibrils oder Barbiels Leben.
 

-
 

Erregt wanderte Raphael in seinem Haus umher. In sein Büro konnte er nicht zurückkehren, da dieses noch repariert wurde. Außerdem war Barbiel offiziell verhaftet worden, Minuten bevor er selbst mit Michael von der Erde zurückkam. Ihre Reise war nicht unbemerkt geblieben, doch dank Uriel wusste niemand, was sich zugetragen hatte. Nachdenklich kramte er eine seiner Zigaretten hervor und stellte sich an eines der großen Fenster, von wo aus er die weite Landschaft überblicken konnte. Unruhig zog er an dem Glimmstängel und blies langsam den Rauch wieder hinaus.
 

Keiner von ihnen beiden, weder Michael noch er selbst, hatten Widerstand geleistet, als sie Sarah abgeführt hatten, dass die Bevölkerung des Himmels für Jibril hielt. Nur, Sarah war ein Mensch und erinnerte sich an nichts. Ihr Augenlicht war zurückgekehrt, Raphael hatte es auf dem Rückflug überprüft. Somit war sie nicht hilflos genug, um ihm ein schlechtes Gewissen zu bereiten und ihn dazu zu bringen bei ihrer Rückkehr in den Himmel Widerstand zu leisten. Eigentlich sollte Jibril in der Lage sein auf sich selbst aufzupassen.
 

Aber das sie nicht erwacht, ist mir allerdings ein Rätsel, gestand Raphael sich ein und rauchte weiterhin seine Zigarette. Als Hohe Engel hätte sie weitaus bessere Chancen sich durchzusetzen, als als Mensch.
 

Allerdings hatte Jibril schon einmal gegen Sevothtarte verloren und war als hilflose Puppe im Wassergarten geendet. Da der Minister weder heute noch damals über die natürlichen Mittel verfügte, die dazu nötig waren, um das Gedächtnis eines Engels zu löschen und ihn als Mensch zu reinkarnieren, war der Prozess nicht angenehm für Jibril gewesen. Mochte der Schmerz intensiv genug gewesen sein, dass Jibril sich davor fürchtete, was sie bei einer Rückkehr in dem Himmel erwartete?
 

Für einen Moment fühlte Raphael Reue, als er sich in Erinnerung rief, dass er sich damals bewusst dagegen entschieden hatte, Jibril zu befreien. Doch dieser Zweifel weilte nur kurz, weil damals wie heute es ein und derselbe Grund war, warum er Jibril dem Schicksal überließ: sie sollte als Engel des Wassers genügend Macht haben, um mit jemanden wie Sevothtarte spielend fertig zu werden. Da der Minister dafür zu sorgen gedachte, dass sie während der Verhandlung mundtot blieb, war ein Indiz dafür, dass Sevothtarte Jibril mehr fürchtete, als sie sich selbst zutraute.
 

Schließlich weigerte sich Jibril nach wie vor sich ihrer Prüfung zu stellen.
 

Sie wird wahrscheinlich tatsächlich ein armes minderjähriges Menschenmädchen diesen Prozess mit all seinen Hässlichkeiten durchleben lassen, vermutete Raphael und drückte wütend seine Zigarette aus. Sie trägt die Verantwortung für Sarahs Schäden. .
 

Jibril würde doch nicht glauben, dass der Prozess des Himmlischen Gerichts keine Auswirkungen auf Sarah haben würde? Das Gewicht des Wissens von Höheren Mächten angeklagt und verurteilt zu werden, würde auf Sarahs Seele Spuren hinterlassen. Besonders, da Sarah wusste, dass es eine Sünde war den eigenen Bruder zu lieben. Ob sie trotz dessen glücklich war, spielte keine Rolle. Nicht, dass Raphael glaubte, dass diese Beziehung eine Zukunft hatte, dafür lebten der Messias und seine Schwester eine Lüge, welche sie derzeit noch als die Wahrheit betrachteten.
 

Denn nur weil Setsuna Sarah liebte, bedeutete dies nicht, dass Alexiel dasselbe für Jibril empfand.
 

Raphael verzog verächtlich den Mundwinkel und zog sich eine weitere Zigarette aus der Schachtel.
 

Es war ein typisches Beispiel für Jibrils herrliche Selbstverblendung. Bloß weil man zwei Lügen miteinander kombinierte, wurde daraus keine Wahrheit. Das Leben funktionierte nicht wie die Mathematik, aus zwei negativen Dingen wurde niemals etwas positives. , In diesem Fall blieb es bei den Gesetzen des Universums, wo die schreckliche, grausame Wahrheit als ein Sieb diente, um die Lügen von dem eigenen Verstand zu trennen.
 

Aber habe ich das Recht über sie zu urteilen, wenn ich mir doch selbst vormache, nicht die Ursache dafür zu sein, dass Jibril so ist wie sie ist, fragte sich Raphael und bemerkte nicht, wie die schwarze Asche zu Boden fiel.
 

Ein kalter, eisiger Schmerz legte sich über seine Brust und Raphael stockte der Atem. Röchelnd rang er nach Luft und hustete bis das perverse Gefühl der Schuld wieder abebbte. An die beißenden Klauen an seinem Herzen hatte er sich schon lange gewöhnt, doch es tat jedes Mal von neuem weh, wenn sie ihre scharfen Krallen in das empfindliche Fleisch bohrten und drohten ihn ausbluten zu lassen.
 

Raphael schloss die Augen und lehnte sich an die Wand neben seinem Fenster.
 

Gabriel ...
 

Den Namen zu denken tat weh und Raphael schaffte es nicht ihn auszusprechen. Seit er an dem Krankenbett gestanden hatte, darauf hoffend, dass in dem von ihm neu erschaffenen weiblichen Körper so etwas wie Wiedererkennung erblühen würde. Aber Jibril erinnerte sich an nichts. An gar nichts.
 

Gabriel war tot - ersetzt durch diese perverse Kreatur - deren Erschaffung Raphael sich selbst zu zuschulden hatte. Er hätte damals nicht auf Ärzte wie Belial hören, sondern auf seinen Instinkt vertrauen sollen. Aber selbst dann wäre es vielleicht nicht genug gewesen. Gabriels Seele antwortete nie, egal wie oft er versuchte, sie ins Leben zurück zu rufen.
 

Das ist Luzifers Schuld, wusste Raphael. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck öffnete er seine Augen. Wut stach aus ihnen hervor. Er war es, der Gabriel verwundet und vergiftet hat. War es dieser armseligen dunklen Kreatur nicht genug, dass er Michael zerstört hat?
 

Entschlossenheit erfasste Raphael und erbitterten Schrittes lief er über sein Anwesen, um sich für den Aufbruch bereit zu machen. Auf dem Weg zur Tür steckte er die Phiole ein, die ihm Sevothtarte hatte zukommen lassen, um sich zum Palast des Himmels zu begeben, den er in der Regel solange mied wie möglich. Sevothtarte hatte ihm nicht befohlen zu erscheinen, aber er wollte sehen, ob er nicht den Minister ein wenig mehr unter die Arme greifen konnte. Bereits einmal hatte er alles verloren, Barbiel würde er nicht im Stich lassen. Seine treue Beraterin würde sich eher das Leben nehmen, als zu zulassen, dass ihre Gefangenschaft ihm Schaden zufügte.
 

Jibrils alleinige Rückkehr hätte er verkraften können, aber mit ihr befand sich jetzt auch Alexiel wieder mit ihm Geschehen. Ihr Auftauchen war eine Erinnerung an ein Vergehen anderer Art, doch er bereute es nicht, dass er damals für ihre Verurteilung gestimmt hatte. Sie hatte es verdient gehabt, aber anders als Jibril hatte Alexiel Willen zum Widerstand bewiesen und dennoch ehrliche Reue gezeigt, dass sie gestand, dass der Einfall der Dämonen in den Himmel ihre Schuld war.
 

Das war es gewesen, dass ihn dazu bewegt hatte, Setsuna Mudo in seinen eigenen Körper zurückkehren zu lassen, der Messias würde mit Rosiel besser fertig werden als Alexiel.
 

Aber es war das verdammte Schwert, das ihn veranlasste in den Palast des Himmels zu fliegen, um bei dem Minister vorzusprechen. Luzifer war ein Übel und er würde nicht zulassen, er Michael an ihn verlor.
 

Diesmal könnte es hässlich werden, mutmaßte Raphael. Es war ein Wunder, dass Michael erst jetzt von dem Aufenthalt seines Bruders erfahren hat und ein weiteres Mal wird sich diese Begegnung nicht verhindern lassen.
 

Ganz zu schweigen davon, dass Raphael nicht wissen wollte, wie es diesmal endete. Michael hasste seinen Bruder, aber er wäre nicht in der Lage ihn zu töten. Aber es würde ohne jeden Zweifel zum Kampf kommen, fanden sich Luzifer und Michael von Angesicht zu Angesicht. Gabriels Einmischung hatte ihn einst das Leben gekostet, weil er versucht hatte, Luzifer zur Vernunft zu bringen.
 

Jibrils Verschwinden mit ihrer widernatürlichen Existenz mochte vielleicht verhindern, dass Michael und Luzifer erneut in einem tödlichen Kampf aneinander gerieten.
 

Für das Kämpfen war er nicht geschaffen, aber es gab noch andere Mittel und Wege, um das Schlimmste zu verhindern. Da Jibril nicht erwachen wollte, sollte es ihr auch nicht gestattet sein, es je wieder zu tun. Gleich ob man sie verurteilte, er hatte sie erschaffen und es war an der Zeit diesen Fehler zu korrigieren.
 

Du hattest nicht das Recht seinen Platz einzunehmen. Keineswegs werde ich Barbiels Leben für das deinige opfern, Jibril, bestimmte Raphael.
 

-
 

„Ich bin überrascht Sie hier zu sehen, Raphael-sama“, teilte ihm der Minister äußerst gezwungen höflich mit, nachdem Raphael in das Audienzzimmer gebeten worden war. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie derartig kooperativ sind.“
 

„Darf ich fragen, was Sie zu dieser Annahme geführt hat?, fragte Raphael zurück und schlug lässig die Beine übereinander, als er sich auf den weißen Sessel gegenüber von Sevothtarte setzte. „Bisher hatten wir immer eine ausgeglichene und professionelle Beziehung. Es ist mir nicht bewusst, dass ich ihnen je Anlass dazu gegeben zu Mitteln wie Erpressung zu greifen.“
 

Sevothtarte starrte ihn finster an, ehe er unter der Maske zu lächeln schien. Ihm war nicht wohl und Raphael wusste, dass der Minister ihn ebenso sehr fürchtete wie die restlichen Hohe Engel. Michael und seine Armee in Ruhe zu lassen zeugte davon, dass Sevothtarte seinen Posten nicht durch Dummheit erlangt hatte, sondern scharfsinnig genug war, das Militär und den Verfechter des Himmels nicht anzurühren. Wer sonst außer Michael sollte die Armee führen? Jibril zum Schweigen zu bringen, war ein kluger Schachzug, denn trotz dessen dass sie bloß ein Schatten von Gabriel war, reichte ihre scharfe Zunge aus, um den Minister bei einer Gegenüberstellung der Geschehnisse in Bedrängnis zu bringen.
 

Die Furcht vor ihm selbst war anderer Natur.
 

Schließlich haben sie mich nie darum gebeten ihre angeblichen Brandnarben zu heilen.
 

Sevothtarte – die Fähigkeiten des Heilers kennend – wusste, dass Raphael der Bitte die Entstellung zu heilen, nachkommen würde, sollte er sie je gestellt bekommen. Nur, um einen Blick auf das verhüllte Gesicht des Ministers zu werfen.
 

Genau das ist es, wovor du Angst hast. Raphael lächelte erwartungsvoll und herablassend wie ein Falke bei der Jagd.
 

Er brauchte keine Angst zu haben, direkt einem Element zu schaden konnte selbst der Minister nicht wagen. Besonders jetzt wo er Rosiel zum politischen Gegenspieler hatte. Jener würde sich dies zum Anlassen nehmen, um Sevothtarte einen erneuten Seitenhieb zu verpassen. Rosiels glamouröse Rückkehr war ein schwerer Schlag für ihn gewesen, die einfache Bevölkerung liebte den Anorganischen Engel. Die Rettung Metatrons während einer Ratssitzung war der zweite unangenehme Hieb.
 

„...der Überzeugung, dass es bei einer zweifelhaften Figur wie ihm besser ist auf Nummer Sicher zu gehen“, riss Sevothtartes Stimme Raphael aus seinen Gedanken. „Rosiel wird Jibrils Verhandlung dazu benutzen noch mehr Unruhe zu stiften. Wir dürfen nicht erlauben, dass er dieses wichtige Ereignis dazu benutzt den Hohen Rat zu entmachten. Bloß, um wieder alleine über Atziluth zu herrschen.“
 

„Absolut“, stimmte Raphael ehrlich zu, froh bei diesem Punkt nicht lügen zu müssen. Sevothtarte war jemand, der ihm dies angesehen hätte. „Daher wollte ich ihnen anbieten, die Anklage Jibrils untermauern zu dürfen.“
 

„Sie wären bereit auszusagen?“
 

Überrascht Sevothtarte hob beide Augenbrauen in voller Erwartung.
 

„Nicht direkt im Zeugenstand“, teilte Raphael entschlossen dem Minister mit, „Aber ich wäre bereit die Untersuchung von Sarah Mudos Leichnam zu übernehmen. Als Elementar mit einer persönlichen Bindung zu Jibril, wäre meine Aussage weitaus glaubwürdiger, als die eines Experten.“
 

Dessen Loyalität sich anzweifeln ließe, hing unausgesprochen im Raum.
 

Es bedurfte keiner besonderen Beobachtungsgabe: Sevothtarte entzückte diese Vorstellung. Den Grund für die öffentliche Anklage verstand Raphael nicht - außer als Versuch das öffentliche Image wieder aufzubessern – denn ohne Erinnerung an ihr Engel Dasein und ohne Beherrschung ihrer Kräfte wäre Jibril als Geisel weitaus wertvoller. Allerdings beunruhigten Sevothtarte die Rebellen und der Messias wohl mehr, als er es sich ansehen lassen wollte.
 

Kaum würde er sonst die Genehmigung für einen freien Zugang zur Erde so schnell unterschreiben.
 

Eine Vollmacht, erkannte Raphael, als er sich das Papier sorgfältig durchlas, das ihm Sevothtarte reichte. Damit ich meine Meinung nicht ändere.
 

Das würde er keineswegs nicht. Barbiel konnte auf sich selbst aufpassen, aber er würde ihr Leben nicht riskieren, um sie in einem fragwürdigen Zustand zurückbekommen. Wobei Raphael bezweifelte, dass Sevothtarte Ungehorsam wie Schläge oder Übergriffe erlaubte.
 

Lächelnd wedelte Raphael mit Erlaubnis zur Erde fliegen zu dürfen, um Sarah Mudos Leichnam zu bergen und bedankte sich bei dem Minister, ehe er das Büro verließ. Die nötigen Vorkehrungen würde er selbst treffen, dazu brauchte er keinen amateurhaften Aufpasser. Seine Aussage würde für die Verhandlung aufgezeichnet und vor Gericht abgespielt – auf das Rampenlicht durch das Interesse der Bevölkerung konnte gut verzichten – so hätte er so wenig direkten Kontakt wie möglich mit Jibril.
 

Wenn er Sarah kurz vor der Verhandlung die präparierte Medizin verabreichte, wäre dies das letzte Mal, dass er Jibril ins Gesicht blicken musste.
 

Es reicht endgültig, sann Raphael über sein Vorhaben nach. Sie hat genug Schaden angerichtet und wenn der Tod eines Elements verhindert, dass Michael so weit wie möglich von Luzifer fernbleibt, dann soll es mir Recht sein.
 

-
 

Der Wind teilte die Wolken unter ihm, als Raphael auf die Erde hinab stieg. Es brachte Bewegung in die eingefrorene Atmosphäre und erinnerte ihn daran, dass Adam Kadamon ihn vermutlich genau beobachte und als Engel der Zeit wusste, was er vorhatte zu tun. Da ihm der Eintritt in die Zeitbarriere gewährt wurde, nahm Raphael dies als Zeichen der Zustimmung. Seraphita mochte sein Augenmerk auf Rosiel und Alexiel richten, aber anders als die Elemente hatten diese Zwei das auch bitter nötig.
 

Schließlich fand Raphael das Menschenmädchen, dessen Tod die jüngsten Ereignisse erst in Gang brachte und Seraphita zum Handeln gezwungen hatte. Still und regungslos lag Sarah Mudo in der Lache ihres eigenen Blutes auf dem kalten Boden der dreckigen Fabrik, wo der Angriff sie niedergestreckt hatte.
 

Seine Flügel noch weit ausgebreitet und die seltene Gelegenheit nutzend, dass keine Bewegungen der Menschen den Luftraum störten, studierte Raphael das Gesicht von Jibrils Reinkarnation. Sie war jünger, als er sie sich vorgestellt hatte. Selbst ohne sie zu berühren, sah er mehr, als Sarah Mudo vermutlich je über sich selbst gewusst hatte. Das braun blonde Haar allein, dass sie sich mit ihrem Bruder teilte, zeigte wie weit Jibril doch in ihrem Wesen von Gabriel entfernt war.
 

Es ist die Farbe von nassem Sand ... nicht die des Wassers.
 

Sarah Mudo mochte ihr Schicksal nicht verdienen, aber Jibril - als ihre geistiger Mutter - konnte die Schuld nur bei sich selbst suchen. Sie hatte die Macht dazu allen Bedrohungen zu trotzen, aber nicht den Mut der Gefahr und ihren eigenen Fehlern ins Auge zu blicken. Hatte Jibril erwartet, dass sie mit Liebe empfangen werden würde, nachdem ihre Geburt jegliche Rückkehr Gabriels zu Nichte gemacht hatte?
 

Doch ist das ein Grund deine Enttäuschung an einem Menschenmädchen auszulassen, fragte ihn eine Stimme, die verdächtig nach der von Gabriel klang. Willst du Jibril dem Verlust ihrer Würde bezichtigen, um sich dann auf ihr Niveau herab zu begeben?
 

Raphael schnaubte, als er den schmächtigen Menschenkörper hochhob. Er konnte die Sünde der Inzucht fühlen, die daran haftete, aber sein Gewissen hatte Recht. Es gab die feine, dünne Linie zwischen richtig und falsch. Ihre Missachtung hatte einige gute Ärzte während des Ersten Großen Krieges in die Arme der Rebellen getrieben, weil sie sich maßlos in Forschungen stürzten, versuchten Kinder zu zeugen oder Tote zum Leben erwecken wollten. Wenn er beweisen wollte, dass er Recht hatte, musste er einen Weg wählen Jibril zu zerstören ohne Sarah schaden zu zufügen, die noch nicht tief genug gesunken war, um mit gleich mit verdammt zu werden.
 

Barbiel zuerst. Ganz gleich, ob ich riskiere, dass Sarah Mudo anstelle von Jibril verurteilt wird, die Vollstreckung bräuchte sowieso viel Vorbereitung, rechtfertige Raphael sein eigenes Handeln vor selbst, weil der Anblick des Leichnams des Menschenkindes in seinen Armen kaum ertrug. Aber Barbiel ist eine Begleiterin meines Weges, nicht nur ein Zugvogel während eines einzelnen Sommers. Sie werde ich zuerst retten und dann sehe ich, was ich noch für Sarah tun kann.
 

Als ihn im Himmel Sevothtartes Männer entgegen kamen und ihm mit einer elektronischen Aufzeichnung daran erinnerten, dass sich Barbiel immer noch in ihrer Gewalt befand, erkannte Raphael, dass seine Entscheidung Sarah Mudo strikt von Jibril zu trennen richtig gewesen war.
 

Vielleicht auch nur, weil es ihm so möglich sein würde, Sevothtarte eins auszuwischen, weil der die Signifikanz nicht verstand, die Erbarmen haben konnte.
 

-
 

„Raphael-dono, würden sie nun bitte ihre Aussage machen?“, forderte ihn der amtliche Gerichtsmediziner auf und deutete einem weiteren Engel mit Aufnahme des Hologramms zu beginnen.
 

„Natürlich“, murmelte der Windengel durch den Mundschutz, den er zu dem geschlossenen Laborkittel trug.
 

Sein blondes Haar fiel ihm nach Stunden der Arbeit ins Gesicht und der große Tank mit dem winzigen Embryo schwebte neben ihn, als er seine rechte Hand zeremoniell aufs Herz legte.
 

„Ich schwöre hiermit in Gottes Namen, dass diese Aussage der Wahrheit entspricht“, hallte seine Stimme in dem abgedunkelten Labor wieder, wo nur er selbst und Sarah Mudos Leichnam hinter ihn beleuchtet wurden, damit das Hologramm eine bessere Qualität erhielt.
 

„Dies ist Sarah Mudos Leiche, die wir von der Erde geboren haben. Auf Wunsch des Hohen Rates unterzog ich sie einer genauen Untersuchung. Dabei stellte sich heraus, dass Sarah Mudo schwanger ist.“
 

Der Tank mit dem Embryo summte laut in seinen Ohren, als er diese Worte sprach und er musste lügen. Zur Überraschung aller, war Sarah Mudo in der Tat schwanger gewesen. Das hatte Sevothtartes Attrappe überflüssig gemacht, aber besser fühlte sich Raphael deswegen trotzdem nicht, Sarah würde diese Nachricht wohl erst direkt während der Gerichtsverhandlung zu sehen kommen.
 

Mit klarer schneidender Stimme fuhr Raphael fort.
 

„Eine DNA-Analyse ergab eindeutig, dass es sich dabei um das Kind zwischen zwei eng verwandten Individuen handelt.“
 

Wieder keine Lüge und das beschäftigte Raphael am meisten. Das Kind hatte gelebt, wenn auch nur für kurze Zeit und es zeigte enthielt die DNA-Spuren der Engelsrasse. Engel durften keine Kinder bekommen, die Kombination des Blutes führte zu Schäden, aus denen meistens I-Kinder entstanden.
 

Jeder Engel, der nicht außerhalb des Bauches einer Mutter aus dem traditionellen EI schlüpfte, lebte entweder nicht lange oder wurde wahnsinnig. Die Gefallenen hatten bewiesen, dass Engel ohne das Eingreifen bei der Zeugung, so wie es im Himmel üblichen war, nur Monster hervorbrachten.
 

„Es lässt sich mit 99,7%iger Sicherheit sagen, dass Setsuna Mudo der Vater ist. Hiermit beende ich meine Aussage.“
 

Das Summen der Kamera verstummte und das Licht im Labor wurde wieder angeschaltete. Der Gerichtsdiener kam auf ihn zu um sich bei zu bedanken.
 

„Ich denke ihnen im Namen des Hohen Rates für ihre Unterstützung, Raphael-dono“, verkündete er und verneigte sich. „Ich möchte Sie bitten noch die nötigen Papiere zu unterschreiben. Die Beweismittel werden nun der Anklage zugeführt.“
 

„Sicher“, sprach Raphael knapp. „Ich würde gerne den Leichnam in meine Klinik bringen lassen, um die Sicherheit des Körpers zu gewährleisten.“
 

Der Gerichtsdiener sah ihn ein wenig misstrauisch an.
 

„Was denken Sie damit zu tun?“, fragte er.
 

„Es hat keine Vermischung von der DNA eines Menschen und eines Engels mehr gegeben, seit die Dämonen ihren Einfluss in Sodom und Gamorrah geltend gemacht haben. Zu dieser Zeit wurden alle Nephilim restlos vernichtet und ich wünsche zu wissen, ob das Kind eine Lebenschance gehabt hätte.“
 

Der Gerichtsdiener, weitaus jünger als Raphael selbst, gab sich schwer beeindruckt.
 

„Natürlich“, meinte er. „Ich werde Ihnen die Erlaubnis ausschreiben lassen, Raphael-dono. Wobei ich mir die Bemerkung erlaube, dass der Embryo als Kind zweier verwandter Individuen kaum überlebt hätte. Ohne das Eingreifen nach der Zeugung des Kindes wäre es wohl zu einem Monster heran gewachsen.“
 

„Vermutlich“, murmelte Raphael und zog sich endlich den Mundschutz vom Gesicht. „Ich bin dennoch neugierig.“
 

Er weigerte sich dies als Zufall zu betrachten. Nicht alle Geburten der auf der Erde üblichen Art gingen schief, ebenso wie nicht alle I-Kinder behindert zu Welt kamen.
 

Mehr störte ihn die vorangegangene Zeugung des Kindes. Sowohl Alexiel als auch Jibril waren Frauen und daher trotz ihrer derzeitigen Inkarnation in zwei getrennter Geschlechter nicht fähig Leben zu erschaffen. Jedenfalls nicht ohne eine mögliche dritte Partei, die entweder den Samen oder die Seele des Babys spendete.
 

Hinzukommt, dass Sarah technisch wieder am Leben ist, seit ihre Seele ihren Weg in Jibrils Körper gefunden hat, überlegte Raphael weiter, als er sich umzog, um nun endlich Sarah die Medizin zu verabreichen. Der Embryo war noch nicht alt genug, um eine eigene Seele zu besitzen, er hat sie sich mit Sarah geteilt. Damit ist Sarah immer noch schwanger, auch wenn sie durch den Wechsel ihres Körpers und das Entfernen des Embryos kein Kind mehr in sich trägt.
 

Er trat aus dem Labor heraus und wanderte die Gänge zu Sarahs Gefängnis hinunter. Dabei konnte er nicht anders, als dies als Zeichen zu sehen. Ein Puzzlestück mehr, dass derzeit keinen Sinn ergeben wollte.
 

„Der Embryo trägt dennoch auf gewisse Weise die Dna von Jibril und Alexiel in sich“, erwog Raphael. „Wobei Alexiels Erbe durch die Transformation in dem eindeutig männlichen Setsuna Mudo instabiler ist, als die von Jibril. Das würde für jedem mit einer Präferenz von Wasser den idealen Körper für eine Wiedergeburt beschaffen.“
 

Besonders wenn es keine menschliche Seele wäre, sondern ein Engel.
 

„Das ist kein Zufall“, murmelte Raphael, verstummte aber als in der Ferne die Tür zu Sarahs Gefängniszelle auftauchte.
 

Die Phiole wog nach seiner jüngsten Entdeckung weitaus weniger schwer in seiner Tasche. Weder Sarah noch Jibril waren hilflos und zumindest Jibril sollte sich der Bedeutung bewusst sein, was es hieß einen Abkömmling von sich selbst zu erzeugen. War sie doch nichts anders als ein Spross Gabriels.
 

Aber ich werde mich kein zweites Mal einmischen, dachte Raphael und schob die Zellentür auf, um in Sarahs erfreutes Gesicht zu blicken. Ich muss Jibrils Chancen auf ein neues Leben gar nicht vernichten. Das bringt sie ganz von alleine fertig.
 

Aber es würde ganz allein Sarahs eigene Entscheidung sein, ob sie sich mit in den Abgrund reißen lassen würde.
 

xxx
 

Endlich. Hier mit ist der Interlude über Raphael und Jibril zu Ende. Nicht der, den ich vorhatte als erstes zu veröffentlichen, aber er schrieb sich nun mal am leichtesten und passt auch besser zu „In my Time of Dying“. Die Sache mit der Geburt der Engel .... es wurde angedeutet, dass unter Engeln nicht üblich ist wie Säugetiere die Nachkommen lebendig zur Welt zu bringen. Früher sah die Evolution Eier als etwas ganz normales an und es harmoniert besser mit der undurchsichtigen Einstellung des Himmels zu Experimenten.
 

Raphael hingegen … ich hoffe man merkt, dass er Jibril zwiegespalten gegenüber steht, weil sie einerseits hasst, aber andererseits auch weiß, dass er für ihre Erschaffung erst verantwortlich ist.
 

mangacrack



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