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Innerer Zerfall

Wandel~ Die andere Sicht (Hizumi)
von

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Kapitel 1.1

Gelangweilt warf ich meinen Kugelschreiber auf den Schreibtisch vor mir, drehte mich samt Bürostuhl zum Fenster. Heute wollte mir auch gar nichts gelingen. Allen vor ran diese Präsentation an der ich gerade arbeitete. Zu dem hatte ich Kopfschmerzen und der Lärm, der in einem Großbüro herrschte, tat auch nicht gerade zur Linderung bei.

Ich hasste diese Spießigkeit, die ich hier Tag ein Tag aus ertragen musste. Vor allem dieses verdammte Namenschild was ich zu tragen hatte. Ich fragte mich echt wofür das gut war. Wer meinen Namen wissen musste, der tat es bereits und die anderen? Was hatte es mich zu interessieren ob die mich per Name ansprechen konnten? Richtig, überhaupt nicht.

Schwach seufzte ich, griff zu meinen Schläfen und massierte sie leicht. „Yoshida-san, machen sie da etwa eine Pause?“
 

Mein Chef stand auf einmal in meinem Büro, ich hatte gar nicht mit bekommen wie er den Raum betreten hatte und zu dem war sein Blick auch nicht sehr viel versprechen. Okay, um ehrlich zu sein, hatte ich ihn auch noch nie ohne seine mürrische Mimik gesehen.

Manchmal fragte ich mich ob er nicht auch anders schauen konnte. Ob er zuhause auch so war?

Ich schüttelte meinen Kopf und setzte mich wieder richtig an meinen Schreibtisch. Was hatte ich denn da eben für einen Gedanken gehabt? Als ob mich das wirklich interessieren würde. Schreckliche Vorstellung.
 

Normalerweise ließ er mich dann, mit einem zwar argwöhnischen Kommentar in Ruhe, aber er tat es. Nur, wie sollte es anders sein, heute nicht.

Kurz klopfte mein, wie er es so gerne sah, Herr und Gebieter gegen eine der beiden Klappwände, die mein >persönliches Büro< darstellten. „Ich frage mich wirklich wie Sie es geschafft haben, sich diese Wände zu verdienen. Vielleicht sollten wir besser eine wieder abbauen, damit Ihr Einsatzwille und Bereitschaft zur Arbeit wiederkehrt. Oder was meinen Sie?“

Ihr müsst wissen, dass diese Kunststoffwände wie eine Art Auszeichnung waren. Denn nicht ohne weiteres bekam man sie und wenn man nur eine verlor…verlor man auch sein Gesicht. Und genau deshalb musste auch sie behalten. Schnell entschuldigte ich mich, versicherte meinem Abteilungsleiter das ich alles dafür geben würde damit die Firma weiterhin ihr Ansehen nicht verlieren würde. All diese geheuchelten Worte von mir schienen ihm zu gefallen, denn relativ schnell war ich wieder alleine.
 

Wenigsten das klappte, wenn schon nichts anderes. Richtig, gehört vieles klappte in mein Leben nicht.
 

Ich war seit 2 Monaten solo. Nicht das mich das stören würde, aber meine beiden Freunde schienen scheinbar was dagegen zu haben. Sie hetzten mich von einem Date zum nächsten. Natürlich wusste ich, dass sie es nur aus Freundschaft zu mir taten, dass sie mich gerne glücklich sahen. Aber ich hatte einfach keine Lust dazu, mich ständig mit irgendwelchen >Idioten< zu unterhalten oder sie mir gar vom Leibe zu halten. Es kotze mich regelrecht an!

Nun sicherlich fragt ihr euch warum ich das alles über mich ergehen ließ und das zu recht. Es ist so, dass ich es nur aus Freundschaft zu ihnen tat. Sie gaben sich nämlich immer so viel Mühe für mich einen, nein den richtigen, Mann zu suchen. Das ich es damit honorieren wollte. Ich hatte sie unendlich lieb.
 

Der Tag zog sich wie zähes Kaugummi hin und mit dieser verdammten Präsentation war ich auch nicht wirklich weiter gekommen. Als es endlich Siebzehn Uhr war, eigentlich hätte ich ja jetzt Überstunden machen müssen, hatte meine Stimmung den Tiefpunkt erreicht und so mit packte ich meine Sachen zusammen.

Zudem war ich auch in guten zwei Stunden mit meinem Kumpel Karyu verabredet und dafür musste ich mich zusätzlich noch umziehen. Ich wollte endlich, diese gottverdammte Firmenuniform loswerden und dazu kam noch, dass ich mich mit ihm an einem Bahnhof treffen wollte, der sich außerhalb der Stadt befand.
 

Etwas zu früh erreichte ich dann endlich dieses Provinznest und musste mich unweigerlich fragen, was Karyu hier wollte. Ehrlich auf diesem >Hauptbahnhof< gab es tatsächlich Zwei Bahnsteige und einen kleinen Kiosk! Das war doch Wahnsinn; nicht wahr? Diese fundamentale Größe …

Ich schüttelte meinen Kopf und wünschte mich zurück in die Großstadt. Es war so furchtbar hier und noch furchtbarer wurde es, als Karyu anrief. Er entschuldigte sich das er noch gute dreißig Minuten brauchen würde. Falls es Jemand nicht mit bekommen hat, dreißig Minuten! Was sollte ich denn solange hier tun? Die Auswahl der Zeitschriften im Kiosk zählen? Oder vielleicht mir den bescheidenen Zugfahrplan anschauen? Innerlich verfluchte ich diese ganze, beschissene Welt und platzierte mich zwischen den beiden Fahrkartenautomaten, die unschuldig im Bahnhofsvorraum standen. Von hier aus konnte ich zu einem durch das Fenster die zweispurige Hauptstraße betrachten >wohl bemerkt jeweils eine Fahrbahn, für eine Richtung!< und zum anderen die einzige Treppe die zum Ausgang führte.
 

Ich hoffte inständig, dass bald ein Zug einfahren würde und ich mir diese armen Kreaturen, die hier hausen mussten, ansehen konnte. Ja, dass war wie im Zoo für mich, nur das die halt nicht hinter einer Absperrung waren.

Tatsächlich musste ich auch nur eine gute viertel Stunde warten und da hörte ich sie auch schon nach oben stampfen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf gleich freute. Eigentlich fehlte nur noch Popcorn zur Freakshow. Ob ich schnell noch mal welchen im Kiosk kaufen sollte?

Mit der Entscheidung besser hier stehen zu bleiben, da der Kiosk sicherlich eh keinen hatte, begann die Show auch schon.

Die ersten kamen nach oben und tatsächlich einer sah schlimmer als der andere aus. Hieß es nicht immer jede Provinz hat auch ihre Schönheit? Tja, entweder war er gerade nicht anwesend oder es gab hier durchweg nur Hackfressen und unmodische Menschen.

Wer sich gerade fragt warum sich ein Mann wie ich damit auskennt, dem sei gesagt: ich arbeite in einer Modefirma und muss mich jeden Tag damit beschäftigen. Wahrlich kein Traum von mir, aber besser als am Hungertuch zu nagen.

Also gut, zurück zum eigentlichen Thema. Bis jetzt hatte ich nur Männer in meinem Alter beachtet. Schließlich gehörten sie zu meinem Beuteschema.

Ich weiß das ich im Büro noch gesagt hatte, ich sei ein glücklicher Single, doch wenn mir Jemand geeignetes über den Weg laufen würde, würde ich zugreifen.

Jedenfalls wendete ich mich nun dem langweiligen, weiblichen Geschlecht zu. Auch nicht besser, vor allem die beiden Teenager, die sich gerade über mich unterhielten. Wenn ich eins an diesen, eigentlich an allen, Weibern hasste, dann war es das sie mich entweder so süß fanden oder das sie über mich lästerten. Ich mein, na und, dann schminkte ich mich halt und sah auch allgemein anders in meiner Freizeit aus. Aber das war doch kein Grund, ihre Abneigung, laut kund zutun. Schließlich konnten sie es ja auch leise tun. Und zu dem ersten Schlag sag ich mal gar nichts. Ich will und wollte nicht klein und niedlich sein. Es wunderte mich überhaupt nicht, dass ich mit denen nichts anfangen konnte und wenn ich Karyu immer so sah. Jedem kurzen Rock oder tiefen Ausschnitt, besser noch beides zusammen, lechzte er hinter her. Einfach widerlich…

Und dem kleinen Gör, was mich gerade mit großen Augen anstarrte, hätte ich auch am liebsten entgegen geschrien, dass ich kein Alien war.

Warum konnte ich nicht aussehen, wie ich wollte, ohne dabei ständig angestarrt zu werden? Konnte mir das vielleicht mal Jemand erklären?

Na gut, es war halt so und ich musste mich einfach mit der allgemein verbreiteten Intoleranz abfinden.
 

Wieder ließ ich meinen Blick über den Bahnhofsvorraum gleiten. Mittlerweile war er leer und Karyu war immer noch nicht in Sicht. Hatte ich eigentlich erwähnt, dass ich die gesamte Situation ätzend fand?

Meine Stimmung war eigentlich schon auf dem Nullpunkt angelangt, und ja das war tiefer als der Tiefpunkt, als mein Handy vibrierte und mir deutlich machte das ich eine SMS bekommen hatte. Missmutig las ich sie und hätte darauf hin am liebsten mein kleines, technisches Wunderding in die nächste Ecke geworfen. Die Nachricht stammte von Karyu und in ihr stand, dass es ihm furchtbar leid tun täte aber er käme fünfzehn Minuten später und das hieß insgesamt musste ich hier noch gute fünfundzwanzig Minuten herum stehen. Na, wunderbar. Kurz stieß ich einen Fluch aus und steckte das Handy weg.

Was sollte ich jetzt großartig tun? Die nächsten Dorfdeppen konnte ich erst wieder in Zehn Minuten auslachen, da kam nämlich der Zug aus der Stadt an.

Den Sekundenzeiger der Bahnhofsuhr beobachteten >kann sich Jemand vorstellen wie aggressiv einen so was macht? < war auch irgendwann diese Zeit vorbei.

Wieder nichts Ansehnliches dabei, dachte ich mir noch so und wollte mich gerade zum Fenster drehen, als ich sah wie ein Typ in meinem Alters alleine die Treppe hinauf stieg. Eigentlich passte der gar nicht in mein Fangschema. Ich mein stellt euch das mal vor, der trug ein blassgelbes Hemd, eine schlichte Jeans und einfache Turnschuhe, sein Gesicht konnte ich nicht sehen. Denn dieses war leicht gesenkt, seine etwas längeren, schwarzen Haare verdeckten zudem noch den Rest seiner Augenpartie. Tja, und von seiner Körperhaltung möchte ich gar nicht erst anfangen. Der sah aus wie ein getretener Hund. Furchtbarer Kerl, eigentlich zum schütteln und wegschauen.

Eigentlich, denn ich konnte es nicht. Mit Argusaugen beobachtete ich diese kümmerliche Gestalt, fuhr mir mit einer Hand zu meinem Gesicht, um mich zu vergewissern ob ich auch ja meinen Mund geschlossen hatte. Zum Glück war er geschlossen, dass war ja schon mal wenigstens etwas.

Dennoch fragte ich mich gerade, warum sich meine Füße jetzt selbstständig machten. Ich wollte eigentlich gar nicht zu diesem Kerl rüber gehen. Was sollte ich auch da? Aber meine Füße waren da, warum auch immer, anderer Meinung.

Nun stand ich vor ihm. Was sollte ich sagen? Und vor allem warum war ich wegen einem mir völlig fremden so nervös? Fragen über Fragen rasten durch mein Gehirn, doch eine Antwort gab es nicht. Und als er dann kurz hochblickte, sich entschuldigte und mir aus dem Weg ging, war mein Gehirn…leer. Ganz ehrlich ich dachte an nichts mehr und ich bekam zudem Angst vor mir selbst. Denn so eine Seite kannte ich gar nicht von mir.
 

Tja und so begann dann auch das ganze Dilemma.
 

Bereits am nächsten Tag stand ich wieder auf diesem Bahnhof. Ich wusste nicht wieso und weshalb oder ob er überhaupt hier vorbei kommen würde. Immerhin konnte es ja auch ein Zufall gewesen sein. Aber nein, ich stand und stand hier herum und das seit geschlagenen drei Stunden. So langsam glaubte ich echt, dass ich sie nicht mehr alle hatte. Und dennoch verharrte ich weiterhin der Dinge. Denn wenn der schon verzweifelt und traurig so gut aussah, wie sollte es dann erst sein, wenn er lächelte? Ja, ich will ihn einmal lächeln sehen und dann würde sich mein Verstand auch beruhigen und ich würde nie wieder hier her kommen.
 

Leider war dieses nicht der Fall, denn als ich am dritten Tag wieder am gleichen Ort stand, sah ich ihn seit der ersten Begegnung, wieder. Zu erst sah er wieder so aus wie ich ihn in Erinnerung hatte. Aber dann lief ein kleiner, blonder Mann auf ihn zu und mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Und spätestens jetzt, wo ich so etwas fühlte wie Eifersucht, war mir klar, dass irgendetwas nicht mit mir stimmte. Ich schlug mir die Hände vors Gesicht, schloss meine Augen, erhaschte aber vorher noch ein Blick auf sein lächelndes Gesicht. Na toll, warum musste er unbedingt noch lächeln, bevor ich meine Augen hätte schließen können? Innerlich verfluchte ich die gesamte Welt, während ich seinem Gespräch lauschte.

„Kenji!“

Kurz war ein poltern zuhören, wo genau dieses herkam wusste ich nicht, traute mich aber auch nicht nach zuschauen. Doch seine…liebliche…Stimme verriet es mir nun.

„Oh man, Ai! Musste das jetzt sein?“

„Sorry…“

„Ist schon gut, aber könntest du jetzt von mir runter gehen?“

Kurz lachte er und ich verfiel ihm immer mehr. Ja, man konnte es wirklich verfallen nennen, denn ein anderes Wort für das, was ich gerade empfand, gab es wohl nicht. Langsam ließ ich meine Hände wieder fallen, so hoch war das verlangen sein Antlitz zu sehen, in mir gewachsen.

Und er? Er schaute zu mir, ließ seine Augen abschätzig über mich gleiten, um sich dann wieder an seinen Freund zu richten. Ich verstand nicht warum, er mir gerade solche Blicke zugeworfen hatte. Sein Freund sah nicht anders aus, als ich. Auch er war geschminkt, trug dunkle Kleidung.

Aber wusstest du was, Kenji, es war mir so was von egal, was du gerade in mir gesehen hattest. Denn ich wusste, dass ich dich kennen lernen musste.
 

Die nächsten Tage verbrachte ich auch weiterhin auf dem Bahnhof, dieses Gefühl was in mir im Bezug auf ihn aufgekeimt war, gedeihte weiterhin. Es war quasi wie ein Tumor tief in mir, der zusätzlich Metastasen überall in meinem Körper ausstreute.

Die Frage war nun, wie ich es anstellen sollte ihn kennen zulernen. Auch wenn ich eigentlich immer vor Selbstbewusstsein nur so strotzte, so konnte ich die Distanz, die uns umgab, nicht überwinden.
 

Einmal folgte ich ihn in einem gewissen Sicherheitsabstand zu seinem alten, rostigen Honda, sah zu wie er einstieg. Doch anstatt los zu fahren, legte er stattdessen sein Gesicht aufs Lenkrad. Ich sah wie sich seine Schultern im gleichen Rhythmus hoben und senkten.

Weintest du etwa, Kenji?

Wie sehr ich es mir auch in diesem Moment wünschte einfach an seine Scheibe zu klopfen, um ihm meinen Trost an zu bieten, so tat ich es nicht. Viel mehr ließ ich meinen Blick sinken und trabte zurück zum Bahnhof.
 

Am liebsten würde ich mich einen meiner Freunde anvertrauen. Jetzt zum Beispiel war eine sehr gute Gelegenheit dazu, denn Karyu saß neben mir. Langsam fing ich an hin und herzurutschen und beobachtete dabei meinen guten, alten Freund, wie er Chips in sich hineinschüttete. Leider, musste ich gestehen, denn es wahrlich kein schöner Anblick. Kurz schaute ich weg, als er nun auch noch einen unappetitlichen Laut von sich gab. Es war echt zum Haare raufen mit ihm, warum benahm er sich bloß immer wie ein Schwein, wenn ich alleine mit ihm war? Na ja, wenigstens jammerte er noch nicht rum, dass er so Magenschmerzen hätte und der oberste Knopf seiner Hose war auch noch geschlossen. Mein Glück.

Noch einmal holte ich tief Luft, rief mich zu Ordnung und nahm meinen gesamten Mut zusammen.

„Karyu, ich hab ein Problem.“

„Wann hast du mal keins?“

„Ich mein es ernst!“

„Okay, dann erzähl mal…“

Zuerst erzählte ich es ihm etwas zögernd, doch dann sprudelte es nur so aus mir heraus. Alles, jedes kleinste Detail erzählte ich ihm und sah zu wie seine Augen immer größer wurden.

Als ich endete, fragte er mich nur ob ich Fieber hätte. Worauf ich ihn nur verwirrt anschauen konnte, warum sollte ich Fieber haben?

„Na ja, entweder hast du gerade Fieberwahn oder du hast deinen Verstand verloren. Ich mein, hallo, Hiroshi, du kennst den Typen doch gar nicht und trotzdem läufst du den jeden Tag hinter her.“

„Aber… Ach, Mensch, ich weiß es doch auch nicht. Er hat es mir einfach angetan. Ich glaube wenn ich mich trauen würde mit ihm zu reden und kennen zulernen, dann würde sich das sicherlich legen.“

„Du bist so ein Freak, weißt du das eigentlich? Aber okay, ich helfe dir einmal mit ihm zu reden und dann vergessen wir das Thema >Kenji< ganz schnell wieder.“

„Aber ich will ihm dabei nicht gegen überstehen.“

„Wie willst du dann mit ihm sprechen. Ich mein…wie soll das sonst gehen?“

„Telefon?“

„Hast du die Telefonnummer?“

„Nein.“

„Ach jetzt verstehe ich, ich soll sie dir besorgen.“

Freudig nickte ich, denn ich wusste das Karyu es schaffen würde. Er hatte schon einmal anhand eines Autokennzeichens, die Telefonnummer von irgendeinem Mädel herausgefunden. Warum also nicht auch bei Kenji? Schnell sprang ich auf, lief zu meiner kleinen Anrichte um den Zettel mit seinem Kennzeichen heraus zusuchen. Doch ich fand ihn nicht, fluchend riss ich die nächste Schublade auf und hörte während dessen mein Freund wimmern „Ist mir schlecht. Verflucht sein diese Chips.“

>Tja, mein lieber immer das gleiche mit dir, ne?< Kurz grinste ich sarkastisch, als ich dann endlich besagtes Schriftstück fand. Freudig hielt ich es dann auch zu gleich Karyu unter die Nase.
 

Drei Tage später, hielt ich dann Kenjis Adressenauszug in der Hand und las es bestimmt zum Zehnten male durch. Obwohl dort nur der Name, die Adresse sowie die Telefonnummer vermerkt waren.

Falls sich jemand fragt, ob ich in den vergangenen Tage auch am Bahnhof verbracht hatte. Dem sei gesagt…sicher! Wo denn sonst?
 

Karyu hatte sich zu dem eben, mehr oder weniger, freiwillig verabschiedet und so griff ich mit zitternden Fingern zum Telefon. Was war eigentlich, wenn er gar nicht so war, wie ich ihn in meiner Fantasie vorstellte? Erst jetzt stellte ich mir ernsthaft diese Frage. Ich mein es konnte doch auch sein, dass er ein totales Arschloch war.

Egal, wenn es so war, dann war es so.

Ich weiß nicht wie oft ich mich verwählt hatte, als ich endlich seine Stimme vernahm. Sie klang so brüchig und…ärgerlich? Wieso war sie auf einmal so verärgert? Doch dann bemerkte ich meinen Fehler, denn bis jetzt hatte ich geschwiegen. Schnell, bevor er noch auflegen konnte presste ich ein: „Hallo. Könnte ich vielleicht Oota, Kenji sprechen?“ hervor.

Doch als ich seine Antwort darauf hin vernahm, brachte mich das noch mehr aus dem Konzept. Wieso fragte er mich nach Überstunden? Oh mein Gott, ich hörte mich ja wohl nicht an wie sein Chef, oder? Also wenn ich mit Jemanden reden müsste, der sich wie meiner anhören würde. Ne, lieber nicht dran denken.
 

„.... Also wer sind Sie und verdammt noch mal woher kennen Sie meinen Namen?“ ertönte es dann ziemlich schnell vom anderen Ende.

Okay, jetzt brauchte ich eine Ausrede. Ich hatte mir zwar den ganzen Tag die diversesten ausgedacht, aber jetzt waren sie natürlich alle weg. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn mein Gehirn anständig arbeiten würde. Hallo, Hiroshi an Gehirn, bitte einmal einschalten!

„Ich habe deine Nummer von einem gemeinsamen Freund bekommen.“ Nein, das war ja wohl die bescheuertste Ausrede die ich hätte haben können und sein Räuspern klang jetzt auch nicht gerade Vertrauens erweckend. Besser, ich würde jetzt einen Rückzug machen und alles noch mal in Ruhe überlegen. Denn jetzt wusste er ja noch nichts von mir und so war ein zweiter Versuch kein Problem. „Es tut mir leid, wenn ich dich belästigt habe oder so. Auf Wiedersehen.“

Gerade wollte ich den Telefonhörer von meinem Ohr entfernen und auf die kleine, rote Taste drücken, als ich ein „Hy, warte mal!“ vernahm. Zögerlich führte ich es zurück zu dem Ort, wo führ es für vorgesehen war. „Ja?“

„Tut mir leid, wegen eben, aber wer hat dir denn meine Nummer gegeben?“ Kenji hörte sich auf einmal wie ausgewechselt an und ich schöpfte neue Hoffnung. „Schon gut…“ Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie niedlich seine Stimme war. Aber da war doch noch was, ach ja, wer hatte mir bloß seine Nummer gegeben? Suchend schaute ich mich um, ich brauchte schnell einen Namen. Mein Blick blieb schlussendlich auf der Tageszeitung hängen. “… also das war…ähm… Mamorou. Ja, genau der war es.“ Ich hoffte inständig, dass er jetzt nicht gemerkt hatte, dass ich gelogen hatte. Mir war nämlich durch aus bewusst, dass es gelogen geklungen haben musste. Allerspätestens wenn er niemanden mit dem Namen kennen würde.

„Ach so, von ihm hast du sie. Darf ich fragen wieso? Ach, und wie heißt du eigentlich?“

Hatte ich mich wirklich noch nicht mit Namen vorgestellt? Oh, man dieses Gespräch brachte mich ehrlich gesagt vollkommen aus dem Konzept. Um mein Gehirn wieder auf die Sprünge zu helfen, schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Vielleicht half das ja?

„Oh, sorry, Yoshida, Hiroshi. Sag bloß du kannst dich nicht mehr an mich erinnern? Wir hatten uns auf der Party letztens so gut unterhalten.“ Na ja, ein wenig hatte es geholfen, denn Party klang ja immer gut. Schließlich ging jeder am Wochenende abends aus. Als Kenji mich aber dann fragte worüber wir uns unterhalten hatten, konnte ich zu dem etwas glänzen. Okay, es war nicht viel, ich mein ich wusste ja nur über sein Auto Bescheid. Aber das war doch immerhin schon mal etwas, oder?

Doch schneller als ich gehofft hatte, verabschiedete sich mein Kopf wieder in der Versenkung. Denn ich konnte mir ein: „Ja, genau. Aber du sahst auch an dem Abend so nachdenklich und traurig aus. Äh… verstehe mich jetzt nicht falsch, dass geht mich natürlich nichts an. Aber du hast gesagt wenn wir uns irgendwann mal wieder miteinander Unterhalten, willst du es mir erzählen und ich soll dich daran erinnern. Nicht das ich so was, also, ähm…ja.“ nicht verkneifen.
 

Ich fragte mich, genau das, schon seit dem ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Irgendwas machte ihn fertig, sonst hätte er auch nicht im Auto geweint. Ja, ich weiß, dass ich das nicht hätte fragen dürfen, dass es nach hinten hätte losgehen können. Aber das tat es ja nicht, viel mehr erzählte er es mir gerade.

Mein einziger Gedanke während dieser Schilderung war ausschließlich Verfluchungen gegenüber seinem Arbeitskollegen. Wie konnte man meinen Kenji nur so fertig machen?
 

Wir telefonierten jetzt bestimmt schon zwei Stunden lang, die mir aber wie zehn Minuten vorkamen. Ich liebte es ihm zu zuhören, seiner Stimme zulauschen. Am liebsten hätte ich stundenlang weiter mit ihm geredet, aber dann meinte er, er müsse langsam mal ins Bett. Mir passte das natürlich überhaupt nicht, doch was sollte ich sonst großartig machen, außer Kenji nach einem Date zu bitten? Richtig, nach einem Date. Konnte ich das jetzt wirklich machen? Ihn einfach so fragen…

„Hättest du vielleicht Lust mit mir mal was trinken zu gehen?“ Ich tat es einfach. Wenn er nein sagen würde, wäre ich zwar am Boden zerstört, aber ich musste halt dann damit leben.

„Ja, sehr gerne.“ Hatte Kenji gerade ja gesagt? Er hatte es, innerlich quietschte ich und verabredete mich für den kommenden Samstag. Wir würden ins Paradise Thunder gehen.

Kurz überlegte ich, nach dem das Gespräch beendet war, ob ich wirklich mit ihm dahin gehen sollte. Schließlich wollte ich Kenji nicht gleich am Anfang verschrecken. Nach langen hin und her überlegen entschied ich mich schlussendlich doch dafür. Sein Freund hatte auch so ausgesehen, wie die meisten, die im diesem Club verkehrten.
 

Als einer der glücklichsten Menschen auf Erden schmiss ich mich auf mein Bett und streckte alle Viere von mir. Unweigerlich musste ich mir vorstellen wie der Abend wohl werden würde. Vielleicht mochte er mich ja auch leiden? Konnte doch gut angehen.

Auf jeden Fall musste ich noch Zero und Karyu anrufen, dass sie mich in seiner Anwesenheit in Ruhe lassen sollten. Obwohl ich sie wirklich gerne mochte, konnten sie ziemlich aufbrausend sein und ich wollte ja nicht, dass mein Date gleich einen schlechten Eindruck bekam. Nein, die konnte er immer noch kennen lernen.
 

Samstag. Ich hatte mir doch tatsächlich Arbeit mit nach Hause nehmen müssen, denn ich hatte in den letzten Tagen so überhaupt nichts auf die Reihe bekommen. Wen wunderte es aber auch, in Drei Stunden hatte ich ein Date. Ein Date mit Kenji! Wer sich da konzentrieren konnte, hatte meiner Meinung nach keine Augen im Kopf.

Ach, verdammt, ich hasste diese Präsentation, die noch immer an mir hing wie eine Klette. Konnte das denn nicht Jemand anderes machen? Kurz legte ich meinen Kopf neben die Tastatur, da ich die ganze Nacht über nicht geschlafen hatte, um mich nur kurz aus zu ruhen. Als ich, aber dann das nächste Mal auf die Uhr schaute, bekam ich einen riesen Schreck. Ich hätte doch beinahe verschlafen.
 

Fertig gestylt und für den Abend bewappnet, eilte ich die Straßen entlang. Ich hoffte und bettete, dass er noch immer am verabredet Treffpunkt stehen würde und das tat er auch. Denn mein Blick auf meine Armbanduhr, zeigte mir zu dem im nächsten Moment auch, dass ich pünktlich war. Mein Glück, es konnte jetzt wirklich nur noch in schöner Abend werden.

Nur leider verhielt er sich etwas komisch als, er mich sah. Kurz blickte ich an mir runter, sah ich irgendwie eigenartig aus? Ne, nicht wirklich, schwarzes Hemd, schwarze Hose und mein Taschenspiegel hatte mir vor fünf Minuten auch verraten das meine Make-up saß, wie es sitzen sollte. Also warum zum Kuckkuck, starrte Kenji auf den Boden? Und hielt er gerade wirklich die Luft an?
 

Ah, jetzt blickte er wieder hoch. Sicherlich hatte ich es mir nur eingebildet. Warum sollte er sich auch so verhalten?

„Hy, Kenji. Alles klar?“

Nichts, er schwieg einfach nur. Selbst eine Begrüßung bekam ich nicht von ihm. Stattdessen musterte er mich von oben nach unten, und ich hoffte das es ihm gefiel was er sah. Ab und zu bekam ich dann doch ein Nicken als Antwort und als mein Gegenüber mir wieder ins Gesicht schaute, konnte ich mir ein: „Du bist heute nicht gerade gesprächig, was? Oder hab ich dir einfach die Sprache verschlagen?“ nicht verkneifen. Und was soll ich sagen? Seine Antwort war so süß, er war sogar leicht rot angelaufen. Also auf jeden Fall schien es so im Dämmerlicht.



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