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Und er lächelte

von

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Erinnerungen

„Andraste sei meine Zeugin, Wilmod!“ Cullen's Hände haschten nach den Armen des erschrocken, japsenden Anderen, als er ihn laut anblaffte, ja, beinahe schon schrie. Seine heisere Stimme bebte ebenso wie sein angespannter Körper, seine behandschuhten Hände krallten sich fest an dickes Rüstleder und unter grobem Stoff verborgenes Kettengewand, als er den eingeschüchterten Templerrekruten näher an sich heranzog „Ihr werdet mir die Wahrheit sagen. Sofort!“.

Die braunen Augen des Knight-Captain waren zu finsteren Schlitzen verengt und er presste seine Kiefer fest aufeinander, um weitere barsche Worte und wüste, für seinen Rang unangebrachte, Flüche daran zu hindern seine trockenen Lippen zu verlassen.

Wilmod winselte um Gnade, als Cullen an sich hielt ihn nicht sofort zu töten, ihm hier und jetzt den Schädel von den hängenden Schultern zu schlagen. Abscheulichkeiten schlug man die verpesteten Köpfe ab, um sie für ein und alle Mal unschädlich zu machen. Es half nicht ihnen die scharfe Klinge anderswo in die besessenen Körper zu treiben; eine Tatsache, die einem jeden Templer bereits zu Anfang seiner Ausbildung in der Obhut der Kirche beigebracht wurde.

Und wenngleich Wilmod ihn soeben aus glasigen Augen und völlig verängstigt anstarrte... er war eine Abscheulichkeit, ein Dämon. Ganz sicher.

Cullen hatte den schrecklichen Fall der Zirkels in Ferelden miterlebt, er hatte gesehen... nein, am eigenen Leib erfahren müssen, wozu wahnsinnige Besessene in der Lage sein konnten.

Er wusste, wie sie einen ansahen.

Er wusste, wie hinterlistig ihr fragwürdiges Handeln war, wie gespielt verschüchtert sie einem begegneten bevor sie gnadenlos zuschlugen, um Gedanken zu verseuchen und schlimmer.
 

Ein knappes, ungläubiges Kopfschütteln seitens Cullen folgte und einer seiner Mundwinkel zuckte kurz zur Seite, bevor er zu einer Antwort ansetzte. „Wenn das so einfach wäre...“ knurrte er dem Nervenbündel vor sich drohend entgegen und verstärkte seinen Griff um Wilmod's Oberarme so sehr, dass es vermutlich geschmerzt hätte, hätte der Rekrut kein schweres Kettenhemd getragen.

Er würde den dreckigen Dämon herauslocken, ohja, er würde ihn töten. Kein Bewohner des Nichts würde ihn mehr hintergehen, ihm falsche Bilder zeigen, ihn... ihn einsperren.

Cullen's Atem ging unregelmäßig und obgleich er sich dazu zwang Ruhe zu bewahren – oder es eben versuchte – raste sein Puls und er glaubte, ihm springe das Herz sogleich aus der Brust hervor.

Er würde niemals vergessen, was damals in Kinloch Hold passiert war. Uldred hatte sich als Maleficar entpuppt und finstere Kreaturen hervorbeschworen, den gesamten Magierzirkel mit seiner dunklen Blutmagie infiziert.

Abscheulichkeiten hatten den hohen Turm daraufhin überrannt und sich an Uldred gekrallt wie Raupen an einen Ast voller saftiger Blätter, hatten ihn in seinem Vorhaben unterstützt und nahezu verehrt. Denn er war der Stärkste von ihnen gewesen, hatte seine verbotenen Fähigkeiten jahrelang perfektioniert – und das unbemerkt.

Die Templer im Zirkel Ferelden's hätten wachsamer sein müssen; Cullen hätte vorsichtiger sein müssen und weniger... naiv.

Ja, er war naiv gewesen. Damals.
 

Die Dämonen sind überall, sie kriechen und schlurfen durch die langen Korridore der vielen Stockwerke des Turms und ihre widerlichen, zischenden Laute hallen in den hohen Steingewölben wider. Cullen weiß nicht, was vor sich geht; alles geschah so plötzlich.

Es war um die Mittagszeit passiert, beinahe alle Magier des Zirkels hatten sich in dem ausladenden Speisesaal befunden. Die Stimmung war eine Alltägliche gewesen: Beim Essen aufgebracht diskutierende Senioren hier, kichernde Magielehrlinge, die Verschwörungstheorien über die Kirche oder das Nichts aufstellten, da.

Und irgendwo inmitten des Trubels war Uldred gewesen. Er hatte sich irgendwann erhoben, gemächlich, als wolle er den Saal verlassen.

Doch das hatte er nicht getan.

Eine enorme, magiegeladene Druckwelle hatte nur wenige Sekunden später durch die Räumlichkeit gefegt und alle unvorbereiteten und nichtsahnenden Anwesenden, Magier wie auch Templer, mit sich gerissen.

Uldred's höhnendes Lachen hatte sich zwischen erschrockenes Geschrei und schmerzerfülltes Stöhnen gemischt, nachdem Cullen mit dem Rücken voran an die harte Steinwand des Saales gestoßen war. Der harte Aufprall hatte ihm den Atem geraubt und ihn zu Boden sinken lassen. Er hatte beinahe das Bewusstsein verloren, es erst nach vielen Momenten geschafft sich wieder auf die viel zu schweren Beine zu hieven.

Und nun war er hier. Irgendwo in den obersten Stockwerken Kinloch Holds läuft er, allein und um sein Leben, wie so viele andere seiner Brüder und Schwestern, die es schlussendlich nicht geschafft hatten.

Cullen hat in den letzten Stunden Viele sterben sehen. Er hatte vor Entsetzen geschrien, hatte sich einige Male fürchterlich übergeben müssen und panisch versucht hier heraus zu kommen. Doch der Turm war magisch versiegelt worden – niemand konnte nach draußen, niemand herein.

Auch Cullen würde sterben, würde kein Wunder geschehen.
 

Kurz vor der Kammer der Läuterung steht sie dann plötzlich vor ihm. Das Mädchen aus der Bibliothek, Solona.

Sie lächelt, kommt auf ihn zu und versichert ihm zu helfen, sagt ihm, es würde alles wieder gut werden und Cullen glaubt ihr sofort. Eine seltsame Ruhe überkommt den jungen Templer und sanfte Worte lullen ihn ein, ehe er nur ganz, ganz vage realisiert was geschieht.

Solona riecht gut.

Die junge Magierin, die eigentlich gar nicht mehr hier sein sollte, streicht ihm mit den zarten Fingern über die blutverschmierte Wange, als sie ihm beruhigende Worte zuflüstert und ihm verspricht ihn nicht mehr zu verlassen.

Doch... irgendetwas stimmt nicht.

Warum war Cullen hierher gekommen?

Wo war er?

Der Krieger spürt die zweite Hand der Frau an seinem Gesicht, sie will ihn daran an sich heranziehen und diese Begebenheit verschlägt ihm den schweren Atem. Der Mann hadert mit sich selbst und will seine rauen Hände an die Schultern Solona's legen, um sie daran von sich zu drücken, doch er schafft es nicht. Seine müden Gliedmaßen sind wie gelähmt, als er weiche Lippen spürt, die sich auf die seinen legen und er schließt die Augen in diesem so unwirklich erscheinenden Moment.

Ja, 'unwirklich'.

Die hübsche Magierin hatte den Turm vor einiger Zeit verlassen, um den grauen Wächtern beizutreten. Sie hatte keinen Grund dazu Cullen zu küssen... und er hatte Keinen dies zuzulassen. Er war ein Mann der Kirche, er hatte einen Eid abgelegt und lebte keusch. Niemand sollte ihn jemals wieder-

„Hiernach weißt du, wie du mit Solona umzugehen hast. Oder – naja - du hast sie vergessen, wer weiß?“ in der zuvor noch so hellen Stimme der Langhaarigen schwingt ein rauer Ton mit, als sie sich wieder von ihm löst. Sie klingt nicht mehr wie sie selbst, als sie nun leise in sich hineinlacht, eher wie-

Cullen schlägt seine geröteten Augen auf, als ihn die Erkenntnis trifft wie ein fester Schlag in das Gesicht. Ein verschmitztes Grinsen macht sich in dem Gesicht seines blonden Gegenübers breit, verleiht dem Ausdruck des verdammten Heilers etwas Spöttisches, Amüsiertes.

Er macht sich über den Templer lustig, hält ihn noch immer fest.

Cullen ringt mit sich, dann nach Atem, doch er scheitert an beidem.

Als Anders ihn loslässt, um seine blutbefleckten Hände zum magischen Angriff zu heben, weicht der Krieger völlig aufgebracht zurück, taumelt und stolpert dabei beinahe. Er will sich wehren, doch er verliert zuerst die Macht über seinen Körper, dann die Orientierung und zuletzt den aussichtslosen Kampf gegen dieses... Etwas, das sich unaufhaltsam in seinen schmerzenden Kopf frisst.
 

Als er wieder zu sich kommt, liegt er mit dem blassen Gesicht voran am kalten Marmorboden, gefangen in einem übernatürlichen Käfig aus pulsierender, dunkler Magie.

Allein.
 

Cullen bemerkte erst jetzt, dass er den Atem angehalten hatte. Noch immer blickte ihm Wilmod entsetzt entgegen, doch wehrt sich nicht gegen den festen Griff seines aufgebrachten Vorgesetzten.

Richtig, der Knight-Captain war hierher gekommen, um diesen Mann daran zu hindern eine Katastrophe – ähnlich der Kinloch Holds – auszulösen, nicht wahr?

Ja, er war hier, um den Dämon aufzuhalten, ihn zu eliminieren und zu handeln.

Cullen hatte versagt, damals in Ferelden. Doch das würde sich in Kirkwall nicht wiederholen. Er war nicht mehr naiv, er würde sich nie wieder manipulieren und einsperren lassen, niemals!
 

Der Templer wusste nicht, was er tat, als ein plötzlicher Impuls einen Ruck durch seinen Leib jagte und ihn dazu brachte zu handeln.

Cullen rammte dem zitternden Jüngeren vor sich sein gepanzertes Knie in die Magengegend. Nichts, das einem Gerüsteten große Schmerzen bereiten könnte und dennoch taumelte Wilmod zurück, krümmte sich und ging unter der Wucht mit der ihn der Knight-Captain getroffen hatte, zu Boden.

Der angeschlagene Rekrut hustete leise und senkte sein Haupt demutsvoll, doch Cullen zeigte keine Gnade. Die verdammten Magier hatten damals auch keine Gnade mit ihm und den anderen Ordensmitgliedern gehabt. Sie hatten seine Würde in den Wind geworfen und er hatte nicht gewusst, wie und ob er sie jemals wieder einfangen können würde; sie hatten ihn gebrochen und aus ihm das gemacht, was er nach der Misere im Zirkel Fereldens monatelang gewesen war: Ein psychisches Wrack, einen Mann, der sich nur aus Gründen des Glaubens nicht selbst umgebracht hatte, obwohl er den Erbauer in jener Zeit öfter angezweifelt hatte, als es ein Templer hätte tun sollen.

Und darum musste Wilmod sterben. Er und all seine Verbündeten, die anderen Abscheulichkeiten und Blutmagier Kirkwalls. Cullen würde sie ausmachen und der Erbauer sei sein Zeuge, er würde jeden und jede einzelne von ihnen höchstpersönlich hinrichten!
 

Die Hand des Knight-Captains, die sein Langschwert hielt, zitterte, als er seine Waffe auf den am Boden Kauernden richtete. Blanker Hass beutelte ihn, als er Luft holte, um zu einer letzten Drohung gegen den verhexten Ordensbruder anzusetzen. Doch eine aufgebrachte Frauenstimme schnitt Cullen das Wort ab und brachte ihn dazu völlig überrumpelt inne zu halten.

„Was geht hier vor?“ schnauzte ihm die kurzhaarige Dame entgegen und der Knight-Captain hob seinen Blick perplex an.

Er war so sehr auf Wilmod fixiert gewesen, dass er es überhaupt nicht bemerkt hatte, wie sich eine vierköpfige Gruppe genähert hatte. Doch ob er wegen deren Erscheinen dermaßen vor den Kopf geschlagen reagierte oder ob dies deswegen geschah, weil ihm soeben gewahr wurde, was er hier eigentlich tat, wusste er nicht.

Sein Schwert nicht sinken lassend, warf Cullen der Kurzhaarigen aus den Augenwinkeln einen knappen Seitenblick zu und zog die Augenbrauen verärgert zusammen.

Sein kritischer Blick blieb nur wenige Momente an der schwer bewaffneten Dame hängen ehe er von ihr fort glitt, hin zu ihren drei Gefährten.

Mit einem geistesabwesenden „Das ist eine Angelegenheit der Templer, Fremde.“ auf den Lippen musterte der verwirrte Knight-Captain die Gruppe im Rücken der vorlauten Magierin.

Eine rothaarige Kriegerin begleitete sie, Cullen glaubte sie schon einmal in der Oberstadt gesehen zu haben. Die Frau hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil sie ein Schild des Templerordens bei sich trug – weiß der Erbauer woher sie dieses hatte.

Neben ihr stand ein Elf mit unnatürlich heller Haarfarbe und auffälligen Tätowierungen an Gesicht und Armen – vermutlich zogen sich diese auch über seinen restlichen Körper. Im Gegensatz zu allen anderen wirkte er am ruhigsten und stand nur mit verschränkten Armen und kühler Miene da, schien auf Anweisungen oder irgendetwas zu warten, das ihn dazu zwingen würde zu handeln.

Und dann war da noch... Anders.

Cullen hinderte sich noch im letzten Moment daran den Namen des Abtrünnigen verwundert auszusprechen und ermahnte sich selbst dazu dem Blonden ebenso gespielt neutral und emotionslos entgegenzublicken, wie jener ihn in dieser Situation anstarrte.

Was machte Anders hier?

Warum war er noch in Kirkwall?

Wer waren diese Leute, die er begleitete?
 

Cullen kam nicht mehr dazu über die Motive Anders' nachzudenken, denn Wilmod erhob sich plötzlich wieder schwerfällig und verlangte durch sein auffälliges Verhalten nach der Aufmerksamkeit der fünf Anwesenden.

Der junge Templer lachte. Er lachte!

Und dann kam es Schlag auf Schlag. Er bediente sich nicht mehr vieler Worte, ehe er zum Angriff überging – zu einem Angriff, in dem er tatsächlich auf die Hilfe von Dämonen zurückgriff; und obwohl Cullen es befürchtet hatte, dass Wilmod mit finsteren, schwarzmagischen Machenschaften, zu tun hatte, stockte ihm der ungleichmäßige Atem erneut, als sich der Körper des kleineren Mannes im nächsten Moment veränderte.

Die metallenen Rüstungsteile am Leib des besessenenTemplers brachen auf und verwachsenes Fleisch quoll unter ihnen hervor. Die wahnsinnigen Augen des Rekruten wurden von hellem Feuer erfüllt, bevor sich sein bleiches Gesicht zu einer widerlichen, unmenschlichen Fratze verzog und es einem dadurch schwer machte zu glauben, dass dieses... Ding einmal ein Mensch, ein Kirchenangehöriger, gewesen sein sollte.

Der Knight-Captain erstarrte für nur wenige Bruchteile von Sekunden; diese kurze Zeit genügte Wilmod – oder dem, was von ihm übriggeblieben war – aber um zahlreiche Verstärkung aus dem Nichts herbeizurufen.

Ein entsetzliches Keuchen und lautes Schnarren erfüllten die Umgebung, als sich bucklige, grotesk verzerrte Kreaturen neben der Abscheulichkeit aus dem Erdboden schälten. Eine von ihnen kreischte laut und röchelte, jagte Cullen damit einen kalten Schauer über den Rücken und brachte die restlichen Anwesenden dazu unmittelbar zu ihren Waffen zu greifen.

Auch der Knight-Captain riss sein massives Schild vor sich und konnte so im letzten Moment verhindern, dass er von einer der riesigen, krallenbewehrten Pranken Wilmods getroffen wurde. Die schief gewachsene Pratze schlug schwer und von einem dumpfen Geräusch begleitet auf die erhobene Schutzwaffe des Templers nieder. Der Dämon hatte seine große Extremität dermaßen hart auf das abschirmende, dicke Metall niedergehen lassen, dass Cullen dadurch einige Schritte weit zurückstrauchelte. Doch der Krieger fasste sich schnell und holte zu einem heftigen Gegenschlag aus. Er versuchte die Magie, die dabei in der dünner werdenden Luft um ihn herum knisterte, zu ignorieren. Es war ihm nämlich nicht entgangen, dass sich auch Anders und dessen drei Gefährten in den Kampf gegen die wütenden Kreaturen gestürzt hatten und Cullen nun offenbar unterstützen wollten.
 

Sengende, magische Flammen rasten nur eine Armlänge entfernt an Cullen's Kopf vorbei und eine furchtbare Hitze schlug ihm davon ausgehend entgegen, während er mit seinem Langschwert gegen Wilmod ausholte und sie trafen die geifernde Kreatur hinter Letzterem. Der süßliche Geruch nach verbranntem Fleisch kroch dem Templer daraufhin in die Nase und drohte ihm den Magen umzudrehen; doch er behielt die Fassung eisern, verzog lediglich das Gesicht ein wenig angewidert.

Er war der Knight-Captain Kirkwalls. Ein brennendes Monstrum hatte ihn nicht anzuekeln; genauso wenig, wie ihn magiegeladene Geschosse, die nur knapp an ihm vorbeiflackerten, aus der Bahn werfen sollten; und so versuchte er sich so gut es ging auf das fuchtelnde Ungetüm vor sich zu konzentrieren, während ihm die restlichen Anwesenden den relativ ungeschützten Rücken freihielten.
 

Erneut hob Cullen seinen Schild vor sich, doch dieses Mal tat er dies nicht, um sich zu verteidigen, im Gegenteil. Mit nur wenigen Schritten Anlauf warf sich der Mann mit seinem Templerschild voran gegen den Dämon, der sich vor ihm aufgebaut hatte, und drängte ihn mit einem Schrei der Anstrengung auf den Lippen zurück. Die Kreatur jaulte erzürnt auf, als sie mit dem unförmigen Rücken voran an die rissige Felswand hinter sich gepresst wurde und bündelte Mana, um sich ihres Widersachers zu entledigen. Doch sie brauchte Zeit dafür; Zeit, die Cullen dazu nutzen konnte den Plan der Abscheulichkeit zu vereiteln.

Ein klein wenig wich er von dem Monster mit den glühenden Augenhöhlen zurück und rammte sein langes Schwert in den weichen Erdgrund neben sich, um seine rechte Hand für das Kommende frei zu haben. Eiliges Fokussieren und das Spreizen der Finger genügte und der Templer griff auf die wallenden Lyriumreserven in seinem Blut zurück.

Blau schimmernder Stoff des Nichts manifestierte sich dunstgleich in der Luft, die den Körper des Knight-Captains umgab und sammelte sich schließlich in Windeseile und in hoher Konzentration über seiner leicht erhobenen Hand.

Vielleicht konnte man das Hilfsmittel, das Cullen in dieser prekären Situation einsetzte, ja als Magie bezeichnen, als eine Art Zauber, wenn man denn wollte. Als Zauber, der bloß gegen magiebegabe Personen und Wesen wirkte – das jedoch äußerst effektiv.
 

Die Abscheulichkeit kreischte, als ihr große Lyriummengen gewaltsam entgegenschlugen und wand sich vergebens an der Felswand in ihrem Rücken während ihre mächtige, magische Aura plötzlich flackerte, wie ein Kerzenlicht in Sturm und Regen.

Eine Gelegenheit, die der Templer nicht vorbeiziehen ließ. Er griff jedoch nicht nach seiner Waffe, die nach wie vor aus dem Boden neben ihm ragte, sondern holte mit seinem Schild aus, um Wilmod dessen schmale Kante in den Leib zu rammen.

Das Metall verfehlte sein Ziel nicht und unter großer Anstrengung drückte Cullen es tief in das verseuchte Fleisch hinein, schlitzte den Körper der Abscheulichkeit mit einem festen Ruck nach oben hin auf.

Dunkles Blut und stinkende, warme Eingeweide quollen dem gerüsteten Mann entgegen, doch dieser befand sich in dem Moment in solch einem Adrenalinrausch, dass er nicht darauf achtete. Voller Abscheu dem Wesen aus dem Nichts gegenüber stemmte er sein gesamtes Gewicht gegen seinen Schild, um ihn unter einem schmatzenden Geräusch noch tiefer in den Körper der Bestie zu treiben und wich erst von der Kreatur ab, als sie nurmehr ein ekelhaftes Gurgeln von sich gab.
 

Schweiß tropfte dem Templer von der Stirn, als die Abscheulichkeit vor ihm langsam aber sicher in sich zusammensackte, doch er zögerte nicht, um hektisch nach seinem Langschwert zu greifen.

Cullen setzte einen seiner massiven Stiefel auf den Teil des zuckenden Wesens, der dessen Torso darstellen sollte, während er seinen Schild wieder ruckartig aus jenem herauszog.

Was folgte war ein Schlag mit der blanken Schnittwaffe, um den unnatürlich gewachsenen Kopf Wilmods sauber von dessen aufgeschlitzten Oberkörper zu trennen und dem Schrecken, der ihn umgab ein Ende zu bereiten.
 

Als sich Cullen nach vielen tiefen Atemzügen erst zu den restlichen Anwesenden umwand, fiel gerade eine Weitere der beschworenen Bestien aus dem Nichts in sich zusammen und hinterließ nur einen Haufen grauer Asche.

Der prüfende Blick des schwer atmenden Templers fiel sofort auf seinen alten Bekannten aus der Dunkelstadt; Anders schüttelte sich gerade magisches Feuer von den Fingern seiner linken Hand und schlug mit seinem mannshohen Stab in der Rechten beinahe zur selben Zeit zu, um ein grölendes Schattenwesen, das sich an ihn heranpirschen hatte wollen, verheerend und unter einem lauten Knacken am Schädel zu treffen.

Der Magier wusste sich seiner Haut offenbar zu erwehren und stand seinen Gefährten hinsichtlich dessen in nichts nach. Die enorme Energie, die sich in seinem viel zu dünnen Körper aufgebaut hatte und darauf wartete freigelassen zu werden, war für einen hochrangigen Templer mehr als nur deutlich zu spüren; sie stellte Cullen die Nackenhaare auf und brachte seine Mimik für einige Wimpernschläge lang dazu ein wenig zu entgleiten.

Irgendetwas stimmte nicht mit dieser pulsierenden Aura die den Magie wirkenden Blonden umgab. Irgendetwas, das es dem Krieger gerade nahezu unmöglich machte seine Augen von dem Heiler, der sich gerade unter einem Schlag eines Gegners wegduckte, fortzureißen.
 

Die Frau der Truppe fuhr mit gezogenen Dolchen zu Cullen herum, hielt inne und weitete ihre blauen Augen zu einem alarmierten Blick. Ihre Warnung an den Templer, der Anders nach wie vor wie gebannt anstarrte, kam jedoch zu spät.

Cullen wurde von einer beißenden, magischen Druckwelle erwischt und beinahe von den Beinen gerissen. Eines der sabbernden Monster hatte seine Aufmerksamkeit auf ihn umschlagen lassen und kam viel zu schnell auf ihn zu, als er versuchte wieder einen sicheren Stand zu erlangen. Helle Funken tanzten in seinem verklärten Sichtfeld umher und er konnte den eigenen, rasenden Puls in seinen Ohren pochen hören. Er wollte das plötzlich so schwere Schwert in seiner Rechten fester umschließen doch stattdessen fiel es ihm aus der Hand; er wollte seinen Schild zum Schutz vor dem kommenden Schlag der scharfen Krallen der Abscheulichkeit anheben, doch stattdessen schien ihn das Gewicht des Metalls gen Boden ziehen zu wollen.
 

Cullen blinzelte benommen und rang nach Luft; er spürte, wie ihm etwas Scharfes die seitlichen Schwachstellen seines Rüstzeugs zerriss, wie Lederschnallen durchtrennt und Kettenhemd aufgeschlitzt wurden, als bestünden sie aus Papier.

Wieder rief die Schurkin mit den dunklen Haaren etwas. Einen Namen. „Fenris!“ mit ihrem drängenden Unterton bat sie um Hilfe, um Hilfe für den strauchelnden, dummen Templer, der seine Deckung vernachlässigt hatte. Und tatsächlich war diese auch sogleich zur Stelle: Der weißhaarige Elf mit dem eiskalten Blick trennte der Abscheulichkeit, die Cullen bedrohte, einen Arm ab und verschaffte dem keuchenden Templer somit wertvolle Zeit.

Fenris hob noch einmal zu und das Monstrum keifte laut, ehe der Knight-Captain wieder dazu in der Lage war selbst zu agieren. Mit viel Mühe und einem brennenden Schmerz, der durch seinen Leib zuckte, bückte er sich nach seiner Waffe. Cullen schnappte nach Luft, als er weit ausholte, um der Abscheulichkeit den Todesschlag zu versetzen.
 

Der letzte der Dämonen fiel, als die anwesende Frau hinter ihm gewandt aus dem Schatten sprang und ihm mit einem ihrer Langdolche das Haupt abtrennte.

Mit einem triumphierenden, lauten Lachen auf den Lippen landete sie schließlich sicher auf ihren Füßen und wischte das Wundsekret, das an ihren verzierten Waffen klebte, an ihrer dunklen Hose ab.

Dann war es still.

Cullen fuhr sich mit einem seiner Arme über das Gesicht nachdem er sein Schwert zurück in die Scheide gesteckt und sein Schild geschultert hatte. Noch einmal atmete er tief durch, dann sprach ihn die Fremde auch schon an „Alles gut?“.

Anstatt der Schurkin zu antworten schüttelte Cullen seinen wirren Kopf nur ungläubig und knirschte mit den Zähnen. Die Worte, die seine Kehle daraufhin verließen klangen entsetzter, als er sie eigentlich hatte von sich geben wollen. „Ich wusste... ich wusste, dass er in etwas Finsteres verwickelt war. Aber das!“ stöhnte der Templer hervor und richtete seine leicht verengten Augen mit einem Gemisch aus Missmut und Ungläubigkeit auf die kurzhaarige Dame, die gerade die Stirn runzelte.

War so etwas denn überhaupt möglich?

Dass Dämonen einfach so Besitz von Nichtmagischen, von Templern, ergreifen konnten?

Bisher hatte er nur von besessenen Magiern gehört.

Oh, Erbauer steh ihm bei!
 

Der Krieger spürte, wie ihn ein erneuter, leichter Schwindel befiel und er ließ sich nieder, setzte eines seiner Knie auf den erdigen Boden und stützte seine Arme auf dem Zweiten ab. Cullen wendete seinen ratlosen Blick von der Frau ab, die sprachlos neben ihm stand und sich am Kinn kratzte und richtete ihn in die Leere vor sich.

„Ich hörte von Blutmagiern oder Dämonen in fester Form, die Andere in widerwillige Wirtskörper hineinbeschwören können...“ der Mann sprach nun leise und mehr zu sich selbst als mit der vierköpfigen Gruppe, die ihm beigestanden hatte.

Ohne sie hätte er den Angriff Wilmods vermutlich nicht überlebt.

Nur kurz senkte er seinen brummenden Kopf und schlug die glasigen Augen nieder, dann erhob er sich jedoch schon wieder schleppend. „Ich dachte nie, dass einer der Unseren dafür empfänglich sein könnte.“ gab Cullen zu und fasste sich dabei müde seufzend an die Schläfen.

Die Schurkin tadelte ihn dafür, dass er sich im Alleingang um Wilmod hatte kümmern wollen und sprach von Nachsichtigkeit.

Der einsichtige Templer nickte knapp - denn sie hatte recht. Es war töricht gewesen dem verhexten Rekruten alleine in die Wildnis zu folgen.

„Ich bin Knight-Captain Cullen.“ fügte er seinem schwachen Nicken schlussendlich noch hinzu „Seid bedankt für eure Unterstützung.“.

Es entging dem Krieger nicht, dass ein Schatten über das Gesicht des blonden Abtrünnigen der Gruppe huschte, als sich der Templer vorstellte und seinen Titel dabei nicht außer Acht ließ.

Ob Anders gewusst hatte, welchen Rang Cullen inne hatte?

Hatte er ihn für einen gewöhnlichen Ordensbruder gehalten oder war es ihm bekannt gewesen, dass sein alter 'Freund' aus Kinloch Hold die rechte Hand Meredith's darstellte?

Schwer zu sagen. Denn der Heiler zeigte neben seiner, sich verfinsternden Miene keine weitere Gemütsregung sondern wendete sich lediglich ein Stück weit ab.
 

„Ich habe Ermittlungen angestellt, weil einige unserer Rekruten vermisst werden. Wilmod ist als Erster wieder zurückgekommen.“ fing der angeschlagene Krieger an und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder zurück auf die Frau, die ihm mit fragendem Ausdruck im dreckigen Gesicht gegenüberstand.

Er riss sich dabei am Riemen, wollte sich nicht von dem... Kratzer an seiner Seite niederzwingen lassen und holte tief Luft. Er wusste nicht so recht, warum er plötzlich so viel redete, womöglich erhoffte er sich weitere Hilfe von dieser Fremden – und von Anders „Ich wollte die Sache in aller Ruhe mit ihm klären, ohne Aufsehen.“.

Tatsächlich zeigte sich die Schurkin mit dem wachen Blick als recht interessiert, fragte Cullen nach den ungefähren Beweggründen Wilmods. Der Knight-Captain konnte jedoch nur Vermutungen anstellen. „Wilmod war nie richtig... von den Regeln des Ordens überzeugt gewesen.“ seufzte der Templer hervor und wich den erwartungsvollen Augen der Anderen für wenige Sekunden lang aus. Er suchte nach Worten, gleichzeitig stieg in ihm aber wieder dieser eine, so tief sitzende Hass auf.

Wilmod war zu naiv gewesen. Zu unvorsichtig.

So wie Cullen es selbst einst gewesen war, richtig?

„Magier... können nicht unsere Freunde sein.“ presste der versehrte Krieger hervor und ballte seine Hände zu Fäusten. Sein Blick traf die dunkelhaarige Frau erneut und fixierte sie nun regelrecht, so, als wolle er es vermeiden den Abtrünnigen anzusehen, der mit in die Hüfte gestemmten Händen hinter ihr stand „Man muss sie stets beobachten-“.

„Ich habe Freunde unter den Magiern. Müssen die etwa auch 'stets beobachtet werden'?“ murrte die Frau Cullen mit hochgezogener Augenbraue entgegen, ehe er seine Ansprache beenden konnte.

'Freunde unter den Magiern'. Ja, augenscheinlich hatte sie das.

Der Knight-Captain schnaubte leise, als er es nicht verhindern konnte, dass seine schmalen Augen nun wieder nach Anders suchten.

Der blonde Magier sah jetzt nicht nurmehr finster drein, er wirkte richtig verärgert, sagte aber nichts. Offensichtlich war die vorlaute Schurkin die 'Anführerin' der kleinen Gruppe, zu der er ohne Zweifel gehörte und er überließ ihr das Reden.

Dies passte nicht zu ihm, dem ewigen Rebellen, dem chaotischen Zirkelflüchtling Fereldens.

Es passte genauso wenig wie sein restliches, ungewohntes Verhalten; die Aggression, mit der er Cullen in der Dunkelstadt begegnet war, die überschwängliche Hilfsbereitschaft seinen Patienten gegenüber, diese Aufopferung.

Wollte er mit Letzterem irgendetwas wieder gut machen? Wenn ja, was?
 

„Ich war während der Verderbnis im Turm des Zirkels in Ferelden.“ brummte der Templer mehr dem Blonden als dessen Freundin entgegen und wusste dabei gleichzeitig nicht, warum er seinen Ärger so plötzlich auf den verstimmten Heiler richtete.

Doch es tat gut. In diesem Moment jedenfalls.

„Ich habe gesehen, womit Vertrauen und Nachsicht seitens der Templer vergolten werden können.“ die behandschuhten Hände des Mannes waren noch immer geballt, zitterten beinahe, als er Anders anstarrte und gleichzeitig doch durch ihn hindurchsah.

Der Blonde war damals nicht da gewesen. Er war vor der Katastrophe aus dem Turm geflohen und hatte Cullen alleine zurückgelassen. Und er nahm es ihm übel, hasste ihn dafür; warum wusste der Krieger nicht genau, doch musste er das denn?
 

„Vertrauen und Nachsicht? So nennt ihr das also?“ die erzürnte Stimme Anders' riss Cullen wieder ein Stück weit fort von Kinloch Hold. Weg von den mächtigen Abscheulichkeiten, den vielen Toten und den krächzenden Dämonen, die versucht hatten in seinen viel zu schwachen Geist vorzudringen.

Der Templer presste seine Lippen leicht aufeinander und die Schurkin bedachte ihren magiebegabten Gefährten mit mahnenden Blicken.
 

„Die Alpträume von Uldreds Verkommenheit verfolgen mich bis heute.“

Cullen wusste nicht, wo diese Worte plötzlich herkamen und warum sie so... anklagend klangen. Es schien so, als habe er alles um sich herum vergessen, als bestünde seine momentane Welt nur noch aus dem blonden Magier, der ihm mit gerecktem Kinn und sturem Zorn in seinem Blick entgegensah.

Bis zu diesem Punkt jedenfalls.

Der Templer sah, wie Anders' harte Miene ein klein wenig bröckelte, als ihn die etwas gedämpfte Stimme Cullen's erreichte, wie ihm die blassen Lippen einen Spalt weit offenstanden.

Er sah, wie sich der Kopf des Abtrünnigen ein klein wenig schräg legte und er seine so trügerisch unschuldigen, braunen Augen etwas verengte; so, als habe er Probleme damit sein Gegenüber klar vor sich zu sehen.

Bedrückende Stille legte sich für nur wenige Momente lang über die Gruppe, die inmitten der leblosen Bestien aus dem Nichts, dem ganzen Blut und den abgetrennten Gliedmaßen stand. Und obgleich Cullen wusste, dass es sich nur um wenige Sekunden handeln musste, fühlte sich das betretene Schweigen an wie eine verdammte Ewigkeit.
 

„Wir suchen nach einem Mann namens Keran. Wisst ihr, wo er sich aufhält?“

Die anwesende Frau räusperte sich, bevor sie ihre Frage stellte, durchbrach die zähe Stille damit schließlich und wechselte ohne Umschweife das Thema. Vermutlich wollte sie einen drohenden Streit zwischen ihrem Heiler und dem Knight-Captain abwenden.

Doch hätten sie überhaupt gestritten? Anders sah wahrlich nicht mehr danach aus, als wolle er Cullen noch irgendetwas auf dessen mehr oder weniger stummen Vorwurf entgegnen. Zum ersten Mal seit sie sich kannten hatte es dem geschwätzigen Magier in der Anwesenheit des Kriegers die Sprache verschlagen.



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