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Dark Night's Kiss

von

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18. Kapitel

Obwohl es sehr viele neue Eindrücke in dem Babyladen gegeben hatte, war Cayden doch froh, als sie endlich in einer Umgebung für Erwachsene saßen und dabei zusahen, wie ihr Essen vor ihren Augen zubereitet wurde.

Er selbst hatte sich Nudeln mit Gemüse bestellt und war nicht unbedingt erfreut darüber, als er schließlich eine Schüssel mit einem Berg von Nudeln darin hingestellt bekam.

Wer in Gottes Namen sollte das alles essen können?

Doch anstatt sich seine leichte Missbilligung anmerken zu lassen, nahm er die Stäbchen in die eine und die Schüssel in die andere Hand und drehte sich leicht zu Emma herum, damit er sie ansehen konnte.

Dann würde eben etwas stehenbleiben, außerdem sah er durchaus so aus, als wäre er ein großer hungriger Mann, der zwei von diesen Portionen wie nichts hätte verdrücken können. Er konnte es dem Koch also nicht übel nehmen, dass er ihm nur etwas Gutes tun wollte.

„Wie schmeckt Ihnen die japanische Küche?“, wollte er wissen, da das Essen hier doch irgendwie anders war, als es in Wellington serviert zu bekommen. Natürlich konnte man in diversen Restaurants wirklich ausgezeichnet Chinesisch und Japanisch essen, aber wie viele konnten es zuhause ebenso gut nachkochen? Ihm zumindest würde die Geduld für die vielen raffinierten Details fehlen, welche die Japaner für ihr Essen aufwandten.

 

Staunend sah sie dabei zu, wie der Koch mit einem riesigen Messer auf den unschuldigen Tofu einhackte, bevor er in den Wok zu den Sprossen und dem Gemüse wanderte und dann auch noch herumgeschwenkt und in die Luft geworfen wurde.

Emma lief das Wasser im Mund zusammen, als sich der Geruch nach Gewürzen noch stärker ausbreitete und sie erkennen konnte, dass ihre Portion dem fertigen Zustand immer näher kam.

Sie war unglaublich froh, dass der Japaner es gut mit ihr meinte und zwei Tofuwürfel nah daran waren, aus dem sehr vollen Schälchen zu fallen.

Oh man, sie hatte so einen Kohldampf!

Beim Frühstück hatte sie vor Nervosität kaum etwas hinuntergebracht, und seit sie mit Calmaro unterwegs war, hatte sie nicht gewagt, ihren Schokoriegel auszupacken, den sie für echte Notsituationen aus der Minibar entführt und in ihre Handtasche gepackt hatte.

Wie hätte das denn auch ausgesehen, wenn sie im Einkaufszentrum plötzlich angefangen hätte, Schokolade zu mampfen. Zumal sie keinen zweiten Riegel hatte, den sie Calmaro der Form halber hätte anbieten können.

Vorsichtig zupfte sie mit den Stäbchen den obersten Tofuwürfel von dem Schälchen, steckte ihn sich in den Mund und jubilierte gleichzeitig mit ihrem glucksenden Magen, als die süßsauere Soße sich auf ihrer Zunge ausbreitete. Mmh ... lecker!

Mit glücklichem Lächeln drehte sie sich ein Stück zu Calmaro herum, dem sie erst antwortete, als sie ordentlich heruntergegessen hatte.

Emma lernte ja dazu. Außerdem entging ihr nicht, wie langsam ihr Boss aß. Immer nur in winzigen Häppchen, die er so lange kaute, dass sein Magen bestimmt gar nicht viel davon abbekam, wenn er endlich schluckte. Bestimmt war er deshalb so schlank.

Verstohlen musterte Emma ihn kurz und zog dann ihren eigenen Bauch ein bisschen ein, der für ihren Geschmack zu sehr in den Vordergrund rückte, wenn sie auf einem Barhocker saß. Womöglich sollte sie sich an dem orientieren, was ihr Chef so aß?

Oh, scheiß drauf.

Sie hatte so einen Hunger! Und außerdem war es verdammt lecker!

Zumindest das sagte sie ihm auch.

„Ich finde es toll. Gestern habe ich schon original japanisches Sushi probiert. Unglaublich. Und dabei haben wir zu Hause ja auch wirklich Glück, was frischen Fisch angeht. Ich denke mal, das ist einfach die Umgebung. Das Flair hilft.“

Sie grinste, bevor sie sich wieder einen Bissen gönnte.

„Schmeckt Ihres?“

 

„Oh ja, es ist sehr gut. Ich persönlich finde die Gewürze, welche die japanische Küche verwendet, sehr geschmackvoll. Überhaupt alles, was mehr in die fernöstliche Richtung geht, daher noch einmal vielen Dank für das Curry. Es war sehr lecker.“

Cayden nahm noch einen genießerischen Bissen, kaute, bis er jeden noch so kleinen Geschmacksimpuls herausgekostet hatte, ehe er hinunterschluckte.

Essen war für ihn etwas, auf das er nie verzichten könnte. Nicht etwa alleine, wegen des Energiewerts, den ihm jede Mahlzeit bot, sondern allein wegen all der verschiedenen Geschmacksrichtungen, die man ohne Essen gar nicht wahrnehmen könnte. Manche Speisen waren sogar so gut, dass man fast einen Orgasmus im Mund davon bekam. Einfach göttlich!

„Und es schreckt Sie nicht ab, rohen Fisch zu essen? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe Sushi wegen des Geschmacks sehr gerne, aber wenn zum Beispiel Leute so von Kaviar schwärmen, kann ich das nicht nachvollziehen. Ich meine rohe Fischeier? Da sind mir gebratene Heuschrecken noch lieber.“

 

„Sehr gern.“

Wenn er immer noch an das Curry dachte, musste ihm das wirklich ziemlich gut geschmeckt haben. Oder die Überraschung darüber, dass sie ihn einfach so damit überfallen hatte, war hängen geblieben. Warum Calmaro sich daran erinnerte, war Emma eigentlich egal. Solange es eine positive Erinnerung war – und das schien der Fall zu sein.

„Nein.“

Emma sah auf ihre Schüssel und überlegte kurz.

„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, warum. Denn eigentlich bin ich kein großer Fischfan. Wo mein Mitbewohner in Lobeshymnen aufgehen und einen ganzen Fisch auf den Grill werfen kann, denke ich nur immer an die Gräten und dass es mir zu sehr nach Salzwasser schmeckt. Zu ... naja ... fischig. Wie gesagt, ist eben nicht gerade meins. Aber bei Sushi ist das irgendwie was Anderes. Vielleicht, weil es gar nicht nach Fisch schmeckt.“

Sie hob eine Augenbraue und aß langsam weiter, während sie in gegebener Pause auch den Rest seiner Fragen beantwortete.

„Kaviar zu essen, kann ich mir nicht recht vorstellen. Das finde ich schon deshalb irgendwie abartig, weil es nun einmal Eier sind. Und wird der nicht sogar vom noch lebenden Stör genommen?“

Emma schauderte bei dem Gedanken.

„Haben Sie denn schon mal gebratene Heuschrecken probiert? Ich wollte schon immer mal zum Freaky Food Festival in Auckland – oder wie es genau heißt. Da kann man sowas ja einfach mal testen. In Schokolade gibt es die Insekten ja auch. Würde mich schon interessieren.

Was seltsames Essen angeht, kann ich zum Beispiel frittierten Schokoriegel nicht empfehlen. Das hab ich schon gegessen. Bei frittierter Pizza hab ich aber gepasst.“

 

„Vielleicht sollten Sie einmal Süßwasserfische probieren. Es gibt Forellensorten, die haben so große Gräten, dass man sie als Stockfisch auf einem Stock brät und man sie einfach so davon herunter essen kann, ohne ständig eine kleine Gräte in den Mund zu bekommen.“

Aber was den Geschmack von Sushi anging, gab Cayden ihr recht. Es schmeckte nicht wirklich nach Fisch, sondern einfach nur … unbeschreiblich. Vor allem mit den verschiedenen Beilagen war es eine delikate Speise.

„Wenn Sie mich fragen, finde ich es überhaupt abartig, Tierkinder zu essen. So etwas wie Lammkeule, Kalbsbraten oder in diese Richtung, finde ich einfach nur grausam.“ Wobei er hier nicht die Art erwähnen wollte, mit der viele Tiere gehalten und getötet wurden. Das war kein Gespräch, das man am Tisch und beim Essen führen sollte.

Cayden nahm nachdenklich einen weiteren Bissen und spürte bereits, wie er langsam satt wurde, obwohl er die Schüssel vielleicht zu einem Viertel geleert hatte.

„Ich wusste gar nicht, dass es in Auckland so ein Fest gibt. Und auch wenn ich noch keine Heuschrecke im Schokoladenmantel probiert habe, hört es sich doch sehr interessant an. Vor allem die Sache mit der Schokolade.“

Er lächelte etwas verschmitzt, weil er nicht leugnen konnte, dass er Schokolade in den verschiedensten Ausführungen liebte.

„Aber um zu Ihrer Frage zurückzukommen, ich habe schon gebratene Heuschrecken gegessen. Genauso wie Larven, Puppen, Termiten und andere Sachen, die viele Menschen als eklig ansehen würden. Aber wenn man einmal darüber hinweg sieht, was man da eigentlich genau isst, schmeckt es richtig zubereitet wirklich gut und es ist im Grunde genommen vor allem in den ärmlicheren Ländern logisch, sich an die Insektenküche zu halten, wo Fleisch von Säugetieren unerschwinglich wäre. Zudem weisen zum Beispiel Termiten mehr als das doppelte so viel Eisen in gleicher Menge wie mageres Rindfleisch auf und Insekten enthalten viele wertvolle Aminosäuren, haben zudem einen hohen Proteinwert und nur einen äußerst geringen Fettanteil. Eigentlich das ideale Nahrungsmittel, da Insekten bis auf das ewige Eis überall in der Natur vorkommen.“

 

Emma lachte.

„Sie hören sich ein bisschen so an, als würden Sie dieses Gespräch nicht zum ersten Mal führen.“

Das Gefühl hatte sie in seiner Gegenwart schon mehrmals gehabt. Gerade so, als hätte er immer die perfekte, geschliffene Antwort parat und würde nie von etwas überrascht. Manchmal wirkte das ein bisschen ungelenk und einstudiert, selbst wenn Calmaro das mit dem einen oder anderen Lächeln wieder gut machen konnte. Außerdem glaubte Emma nicht, dass er auf wirklich alles so eine Antwort parat hatte. Vielleicht bewegte er sich einfach gern in ruhigen Gewässern und konnte Menschen so leiten, dass er nie auf Themen stieß, die ihn unvorbereitet trafen.

„Ehrlich gesagt würde ich sowas schon gern mal probieren. Zwar könnte ich mir vorstellen, dass ich dann doch kneife, wenn die gegrillte Larve sich erst meinem Mund nähert, aber trotzdem ...“

Wieder musste sie lachen. Diesmal über sich selbst.

„Was ich aber gern versuchen würde, wäre gegrillte Schlange. Als Kind hab ich furchtbar gern diese Abenteuerdoku im Fernsehen gesehen ...“

Sie grübelte und tippte sich dabei mit den Stäbchen an die Unterlippe.

„Hm ... mir fällt der Titel nicht ein. Na, jedenfalls war da ein Mann in OZ unterwegs und hat sich öfter mal von Larven – roh und gegrillt – und Schlangen oder Ähnlichem ernährt. Das scheint mir irgendwie nachzuhängen.“

Sie wunderte sich schon wieder, dass ihr Begleiter so aussah, als würde ihm das Essen nicht schmecken. Er hatte es kaum angerührt und auch jetzt ruhten seine Stäbchen.

„Sehen Sie eigentlich überhaupt fern? Einmal von Börsenkursen und Nachrichten abgesehen?“

 

Emmas Lachen verursachte ihm eine prickelnde Gänsehaut auf den Armen, was sie zum Glück nicht sehen konnte, da er immer noch seine Jacke trug, dennoch musste er sich von ihrem Mund losreißen, als sie weiterzusprechen begann.

Leicht irritiert über seine Reaktion nahm er den Faden des Gesprächs wieder auf und bekam gleich den nächsten gefühlsmäßigen Stups verpasst.

Zuerst sah er sein Gegenüber nur an, ehe er etwas unsicher, und gespielt zerknirscht, lächelte.

„Oh nein. Ich hab’s schon wieder getan, oder?“

Lächelnd schüttelte er den Kopf über sich selbst und fuhr fort, bevor Emma ihn verwirrt ansehen konnte.

„Ich meine, dass ich so klinge, als würde ich einen Vortrag halten. Es tut mir leid. Aber ich kann Ihnen versichern, dieses Gespräch habe ich noch nicht allzu oft geführt und es ist garantiert nicht meine Absicht wie ein Redner zu klingen. Aber ich garantiere, wenn Sie mir etwas von Themen erzählen, von denen ich nicht die geringste Ahnung habe, werde ich Sie vermutlich einfach nur verständnislos ansehen und brav nicken.“

Nun grinste er doch ein bisschen.

„Okay, vielleicht nicht ganz so extrem, aber Sie wissen, was ich meine.“

Als Emma sich mit den Stäbchen nachdenklich an die Unterlippe tippte, während sie über den Namen des Filmes nachdachte, der offenbar irgendeine Abenteuerdoku sein musste, konnte Cayden nicht anders. Er musste ihren Mund anschauen, und zwar dieses Mal so deutlich und bewusst, wie er ihren Mund vermutlich noch nie angesehen hatte.

Emmas Lippen waren voll, sinnlich geschwungen und das Gesamtbild ergab einen Mund mit dem man so einiges anstellen woll–

Cayden räusperte sich leise, um eine Grund zu haben, seinen Blick von Emma zu nehmen und steckte sich noch einen Bissen in den eigenen Mund, obwohl er bald das Gefühl hatte, zu platzen. Sehr viel mehr ging bei ihm nicht mehr rein.

„Nein. Zumindest nicht, seit ich die Firma gegründet habe. Aber davor war ich auch an alle möglichen Dokumentationen interessiert, genauso wie Fachzeitschriften und Vorträgen. Und sehen Sie gerne fern, einmal von Abenteuerdokumentationen abgesehen? Vielleicht irgendwelche Filme?“

 

Ein breites Grinsen schlich sich in ihr Gesicht, obwohl Emma erst jetzt merkte, dass sie ziemliches Glück gehabt hatte. Den Kommentar hätte Calmaro ihr auch ganz schnell krummnehmen können. Aber scheinbar war sie nicht die Erste, die über seine glatte Art zu sprechen gestolpert war.

„Ach, machen Sie sich nichts draus.“

Lächelnd winkte sie ab.

„Ich weiß tatsächlich, was Sie meinen. Manchmal hat man auch das Bedürfnis, sich einem bestimmten Thema einfach zu entziehen. Da ist freundlich zu lächeln und nicken die beste Variante an Reaktion, die ich kenne. Nur dumm, wenn einen dann jemand etwas fragt.“

Diesmal wandelte sich ihr Lächeln ins Verschwörerische und Emma schob sich noch einen ziemlich großen Würfel Tofu in den Mund und gleich zwei glasierte Minikarotten hinterher.

„Welche Fachzeitschriften denn? Ich lese zwischendurch ganz gern die National Geographic. Deren Reportagen und Dokus sehe ich mir auch gern im Fernsehen an. Hauptsächlich, wenn etwas über Tiere läuft. Und sonst ... sehe ich eigentlich nicht sooo viel fern. Dafür schauen wir in der WG oft DVDs. Alles Mögliche: von Actionfilmen angefangen, über Liebesschnulzen, bis zu Fantasy. Auf Komödien stehe ich nicht so. Da kann ich meistens einfach nicht mitlachen.“

 

Cayden zuckte leicht mit den Schultern.

„Eigentlich so ziemlich jede Fachzeitschrift, die es gibt.“ Vor allem nicht nur beschränkt auf die englischen Zeitschriften, sondern Zeitschriften rund um den Erdball. Eine Tatsache, die er besser unerwähnt ließ, da es vielleicht verraten hätte, wie viele Sprachen er in Wirklichkeit tatsächlich sprechen, aber vor allem auch lesen und schreiben konnte. Die meisten davon fehlerfrei und fast ohne Akzent.

„Sie interessieren sich also sehr für Tiere. Das kann ich verstehen. Es gibt so viele verschiedene Tierarten auf der Welt, mit den unterschiedlichsten sozialen Gewohnheiten, Lebensarten, Überlebenstaktiken und die Brautwerbung einiger Tiere finde ich auch sehr ausgefeilt und spannend.“

Es folgte noch ein Bissen, den er winzig klein kaute und dann gezwungenermaßen auch hinunter schluckte.

„Interessant. Ich hätte eigentlich angenommen, dass Sie Komödien mögen. Dass dem nicht so ist, hätte ich nicht gedacht. Und warum finden Sie die meisten davon nicht zum Mitlachen? Bei einigen kann ich es natürlich verstehen, wenn es ins Übertriebene geht, aber bei den anderen …“

 

„Dann mögen Sie auch so richtig technisches Zeug? Sie hatten ja schon erwähnt, dass sie viel Elektronik zu Hause haben. Sowas wie die neueste Generation Fernseher, PC und Garagentoröffner? Oder auch andere Sachen?“

Damit hatte Emma eher weniger am Hut. Sie war nur froh, wenn das funktionierte, was sie brauchte. Schnickschnack war ohnehin meistens zu teuer. Aber das war vermutlich nicht Calmaros Problem.

„Ich habe einmal ein tolles Buch über die Entwicklung der Tiefsee gelesen. Das kann ich nur immer weiter empfehlen. Es war leicht verständlich, trotzdem nicht langweilig und stellenweise sogar witzig. Wenn es Sie interessiert –“

Emma ließ den Rest des Satzes im Sande verlaufen. Keine Zeit. Das würde die Antwort sein. Daran sollte sie sich einfach gewöhnen.

Im nächsten Moment hob sie sehr interessiert die Augenbrauen und sah ihn unverhohlen neugierig an.

„Ach ja? Wieso dachten Sie denn, dass ich Komödien mag? Sehe ich nicht aus, wie ein Actionjunkie?“

Sie lächelte warm, da sie ihm das bestimmt nicht übel nahm. Emma lachte nun einmal gern, da war das ein naheliegender Schluss gewesen.

„Das kann man schlecht erklären, finde ich. Meistens sind mir die Filme, die als tolle Komödien angekündigt sind, einfach zu flach. Da kommt bei mir mehr der Hang zum Fremdschämen auf, als wirklicher Spaß. Ich finde eher skurrile Sachen witzig.“

 

„Wenn Sie das Buch meinen, das auch ich für eines der Besten in diesem Gebiet halte, dann habe ich es bereits gelesen. Trotzdem vielen Dank. An Wissen bin ich immer interessiert.“ Selbst wenn er sich das Buch zunächst nur kaufen und es erst Jahre später lesen würde.

Sein Lächeln vertiefte sich, während sein Nacken zu kribbeln begann, als Emma ihm diesen komplett neuen Blick schenkte, den sie ihm noch nie geschenkt hatte.

„Um ehrlich zu sein, Sie sehen aus wie eine Frau, die man nicht leicht einschätzen kann. Ich weiß, dass Sie fleißig sind. Sich mit allen Kollegen gut verstehen und gewissenhaft arbeiten. Ich weiß, dass Sie oft und gerne lachen und auch andere mit ihrer Art anstecken können und ich weiß, dass Sie vor neuen Aufgaben nicht zurückschrecken, weshalb ich glaube, dass Sie auch durchaus abenteuerlustig sind. Ein Actionjunkie würde daher ebenso naheliegen.“

Cayden bemerkte gar nicht, wie sein Dauerlächeln, inzwischen seine Augen vollkommen in Anspruch nahm und wie er sich auch auf nonverbaler Ebene immer weiter für Emma und das Gespräch zwischen ihnen beiden öffnete.

Da er sich davor hütete, noch mehr zu essen, weil ihm nicht auch noch schlecht werden sollte, stocherte er nur noch darin herum. Zudem konzentrierte er sich ohnehin viel lieber auf ihr Gespräch.

„Also, wenn Sie sagen, dass Sie skurrile Sachen witzig finden, nehme ich an, dass Sie auch Horrorfilme nicht allzu ernstnehmen. Wobei ich hierbei eher diejenigen mit irgendwelchen Monstern und Sagen meine. Ich persönlich finde nichts an einer hirnlosen Handlung, in der irgendein gestörtes Individuum Leute abschlachtet. Zumal die heutige Technik das alles schon so unglaublich echt aussehen lässt.“

Für einen winzigen Augenblick huschte ein dunkler Schatten über seine Augen, denn er wusste, wie solche Sachen in Wirklichkeit aussahen, und fand es daher erschreckend, dass man so etwas bereits im Fernsehen serviert bekam, während die meisten Menschen doch keine Ahnung über wahres Leid und Schmerz hatten.

Doch so schnell dieser Gedanke auch gekommen war, so schnell verschwand er auch wieder.

„Für was für eine Art von Fantasy interessieren Sie sich denn üblicherweise?“

 

„Danke. Das ... ist eine sehr nette Einschätzung.“

Und das machte sie gerade irgendwie verdammt nervös. Ungefähr in dem Maße, in dem sie auch der Tanz mit ihm auf der Spendengala nervös gemacht hatte. Mit einem prickelnden Unterton, den es auch damals hatte und von dem Emma wusste, dass er nicht gut sein konnte. Zumindest nicht im Bezug auf den Mann, der vor ihr stand.

„Hm.“

Sie wedelte als Übersprungshandlung mit den Stäbchen in der Luft herum, während sie leicht den Kopf schüttelte.

„Nein, diese Thriller-Blut-Fetzen sind nichts für mich. Mir reicht es manchmal schon bei Krimis, die ich lese. Da geht mir teilweise die Phantasie durch. Wobei ich zum Beispiel Zombiefilme tatsächlich nicht ernstnehmen kann.“

Sie sah ihn unter gesenkten Wimpern an und lächelte.

„Was aber nicht heißt, dass ich nicht jedes Mal erschrecke, wenn die Regisseure es geplant haben.“

Von dem Thema, das ihr gerade unglaublich weit weg schien, ließ sich Emma bestimmt nicht den Appetit verderben. Ihre Schüssel war fast leer, obwohl sie so viel quasselte. Aber vielleicht hätte sie sich verbieten sollen, sich mit Calmaro zu vergleichen.

Ein einziger Blick auf seine Portion – die fast überhaupt nicht geschrumpft war – vermittelte ihr sofort ein schlechtes Gewissen.

So wurde sie ihren breiten Po niemals los!

Mit einem winzigen Seufzen sah sie auf ihren Essensrest, das leckere Tofustückchen und riss sich dann zusammen, indem sie ihre Schale auf die Bar stellte und damit ihr Essen für beendet erklärte.

Um sich davon abzulenken, dass sie gern noch mehr gegessen hätte, ging sie lieber auf Calmaros Frage ein.

„Oh, ziemlich viel in Richtung Fantasy. Ich mag echte Heldengeschichten – sowas wie Herr der Ringe, was in anderen Welten spielt. Aber auch Vampirsachen. Dracula fand ich schon als Teenager toll! Und diesen Film mit Tom Cruise und Brad Pitt „Interview mit einem Vampir“. Gott, da hab ich als Teenie-Mädel geschmachtet! Jetzt steh ich eher auf die bösen Jungs. Naja ... Sie wissen schon. Frauen bleiben ihr ganzes Leben lang auch irgendwie 'Mädels'.“

 

Cayden nickte auf genau die Art, wie sie sie vorhin noch angeprangert hatten.

„Genauso wie Männer auch immer irgendwie kleine Jungs bleiben.“

Er sah Emma nicht an, sondern kramte nachdenklich mit seinen Stäbchen in seiner Schüssel herum, pickte sich doch noch einen kleinen Pilz heraus, den er sich in den Mund steckte, nur allein um sich durch das Kauen noch ein bisschen mehr Zeit zu verschaffen.

Er wusste nicht genau, was er von Emmas Ansicht über Vampire halten sollte, zumal das ja gerade doch noch irgendwie eine recht dürftige Erklärung war. Aber sie stand auf böse Jungs …

War nur die Frage, in welchem Sinne böse. Da gab es ebenfalls mehrere Abstufungen davon, bevor man jemanden als wirklich schlecht bezeichnen konnte.

„Hm … Entschuldigen Sie meine Neugier, aber das hat mich als Mann schon immer interessiert“, log er glatt ohne mit der Wimper zu zucken, weil er ihr nicht einfach die Wahrheit sagen konnte.

„Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie als junge Frau von toten Männern geschwärmt, die – laut Anne Rice – impotent sowie kalt wie Stein sind und noch dazu jede Nacht mehrere Menschen leersaugen? Oder ist es eher die Faszination der ewigen Jugend und Schönheit?“

Cayden fragte sich insgeheim, ob man ihn in irgendeiner Realität ebenfalls als bösen Jungen bezeichnen konnte und ob Emma Vampire nur deshalb mochte, weil sie glaubte, sie wären nichts weiter als mystische Figuren aus Legenden.

Es war tatsächlich genial, dass seine eigene Art für die ganzen falschen Vampirannahmen verantwortlich war, damit ihre Identität noch besser geschützt war, wenn sie schon nicht verhindern konnten, dass man über sie sprach.

So war es leicht, als Mensch durchzugehen, wenn man unter dem Sonnenlicht wandeln konnte, während alle Menschen glaubten, Vampire würden dann sofort zu Staub zerfallen oder in Flammen aufgehen.

Trotzdem fand er gerade das so seltsam an der menschlichen Faszination über Vampire. Schließlich war an einem impotenten, mörderischen, blutgeilen Kerl, der kalt wie Stein war, nicht wirklich etwas Sinnliches dran. Oder er bekam da einfach irgendwie die Pointe an der ganzen Sache nicht mit.

 

„Sie lesen Anne Rice?!“

Diesmal dauerte es, bis Emmas Lachen sich zu einem glucksenden Kichern heruntergeschraubt hatte und sie sich leicht mit der Hand auf die Lippen drückte, um sich weiter zu beruhigen. Laut los zu lachen war in Japan – zumindest in der Öffentlichkeit eines Restaurants – wohl nicht so wirklich angesehen. Dumme Touristen.

„Nein, um Gotteswillen. Wie gesagt, Dracula war ja eher mein Vorbild, was den 'Vampir' angeht. Er war auch nicht tot, sondern zu ewigem Leben verdammt, weil er mit Gott gebrochen hat. Weil ihm – so wie er es verstanden hat – seine große Liebe durch Gottes Willkür geraubt wurde. Romantisch bis zum Herz erweichen. Außerdem war Dracula in seiner jungen Form recht attraktiv und keinesfalls impotent.“

Zumindest hatte Bram Stoker das bestimmt nicht andeuten wollen, als der Vampir im Park über Lucy 'hergefallen' war und sie sich danach für ihre 'Hingabe' geschämt hatte.

„Was die Jugend und Schönheit angeht ... Ich glaube, dass man sich trotz dieser Dinge nach hunderten von Jahren ziemlich einsam fühlen müsste. Ich meine, es muss ziemlich traurig sein, wenn alle Freunde oder auch Geliebte irgendwann sterben und man bleibt allein zurück und muss von vorn anfangen.“

Emma sah in sein Gesicht und fand eine verschlossene Miene vor. Etwas, das ihr sofort und sehr nachhaltig den Mund schloss, wäre es nicht um einen Themenwechsel gegangen, den sie aber mit klopfendem Herzen und sehr viel weniger Enthusiasmus über die Lippen brachte.

„Mögen Sie denn auch andere Sportarten? Außer Schwimmen?“

 

Wie zuvor schon angemerkt, war es unmöglich, sich Emmas Lachen zu entziehen, auch wenn er der Grund ihrer Erheiterung war.

Cayden musste trotzdem grinsen und er fühlte sich auf merkwürdige Art beruhigt, das Emma Vampire für romantisch und all das Drum und Dran hielt, anstatt einfach nur nach den Lektüren von Anne Rice zu gehen. Die er persönlich höchstens historisch interessant fand und auch in Sachen der gepeinigten Seelen der Vampire sehr oft ins Schwarze traf, aber ansonsten gab es bessere Autoren von Vampirromanen.

Der leicht schmunzelnde Zug um seine Lippen erlosch, als Emma weiter ihre Ansicht der Dinge darstellte und nun dieses Mal ziemlich deutlich ins Schwarze traf, was ihn persönlich anbelangte. Etwas das ihm ganz und gar nicht behagte und doch nicht gänzlich missfiel, weil sie es irgendwie zu verstehen schien. Auch wenn sie diese Art von Drama niemals so nachvollziehen konnte, wie er selbst es tat.

„Ja, durchaus. Sogar sehr viele Sportarten.“

Cayden hatte kein Problem mit dem Themenwechsel und er nahm ihn auch voll und ganz auf.

„Von Skifahren, Snowboarden, Tauchen und Fallschirmspringen angefangen, über Kanufahren, Segeln, Joggen bis hin zu Bogenschießen, ein paar Kampfsportarten und Yoga. Reiten ist auch einer meiner meist begehrtesten Favoriten. Oder war es. Das alles liegt schon länger zurück.“

Viel zu lange.

„Und was weckt Ihr Interesse so? Einmal von Sport abgesehen. Irgendwelche Hobbys?“

 

Nun war Emma ganz froh, dass Calmaro nicht darauf bestand, sie nach ihren sportlichen Hobbys auszufragen. Denn viel hätte sie da leider nicht zu berichten gehabt.

Kathy wollte sie zwar immer einmal wieder dazu überreden, zum Hot Yoga mitzukommen, aber Emma war bis jetzt immer eine gute Ausrede eingefallen. Außer Tanzen und Skifahren machte sie einfach nicht viel und auch nicht sehr gerne Sport. Man konnte sogar sagen, Emma hielt sich für einen durchaus faulen Menschen, was Sport anging.

„Bei mir sind es die üblichen Verdächtigen. Wie ich Ihnen schon mal erzählt habe, gehe ich gern ins Kino und ich lese viel. Kreuz und quer. Teilweise auch ziemlich viele Jugendbücher, aber dann auch wieder Sachwissen oder Krimis. Wobei ich im Moment nicht so gerne Krimis lese. Das kommt immer in Wellen. Mal lese ich viele, dann wieder eine Zeitlang fast überhaupt keine.“

Gerade kam einer der Kellner und holte Emmas Schale ab. Auch Calmaro reichte dem Mann sein Geschirr und Emma bat ihren Chef, dem Japaner zu sagen, dass das Essen wirklich unglaublich lecker gewesen sei. Das Lächeln und das höfliche Nicken, das sie daraufhin erntete, freute Emma.

„Was meinen Sie, sollen wir zum Hotel zurück spazieren?“

 

Es war vielleicht keine Seltenheit, aber doch immer wieder einmal ungewohnt für Cayden, dass er sich auch in Zeiten von Arbeit mit einem außerfamiliären Menschen so lange und einfach unterhalten konnte wie mit Emma.

Normalerweise trat irgendwann ein Moment ein, in dem einfach immer öfter Schweigen aufkam und man die Lücken fast schon mit verbaler Gewalt zu füllen versuchte. Was meistens ein Problem war, wofür Cayden sich verantwortlich fühlen musste, da er selten etwas von sich preisgab. Obwohl genau die Dinge, die er Emma so leicht erzählte, wirklich keine Gefahr für ihn darstellen konnten. Schließlich passte er bei allem auf, was er sagte.

Auf jeden Fall gestaltete sich der Nachhauseweg zum Hotel als auch weiterhin interessant und kam zu einem überraschenden Abschluss, als Emma ihn doch tatsächlich fragte, ob er nicht Lust hätte, morgen mit ihr die Tempelanlagen zu besichtigen.

Cayden hatte nur kurz gezögert und an den Stapel von Arbeit gedacht, den er in seinem Zimmer herumliegen hatte, ehe er ihr zusagte.

Er war nicht oft in Tokio und schon gar nicht in Begleitung mit einer Person, der er ununterbrochen zuhören könnte und von der er immer seltener die Augen lassen konnte.

Ja, Emma war ein Mensch, aber sie war auch eine Frau, und obwohl er sich gerne etwas anderes glauben machen wollte, war auch er nur ein Mann, der sich ab und zu nach etwas sehnte.

Es war nicht das, woran man sofort bei diesem Gedanken denken würde, obwohl er sich schon einmal vorgestellt hatte, wie Sex mit Emma sein könnte. Nein, es war einfach ihre Nähe und das Gefühl nicht ständig alleine und irgendwie – isoliert zu sein.

Bei ihr hatte er nicht das Gefühl, als müsse er ständig beweisen, was für ein knallharter Geschäftsmann er war. Er musste sich auch nicht zwingend ihrer positiven Ausstrahlung verweigern, sondern ließ sich sogar immer wieder davon beeinflussen. Er lächelte, wenn ihm danach war und nicht, wenn es angemessen gewesen wäre. Er durfte in ihrer Nähe wieder ein Stück der sein, der er einmal war, ohne ständig Angst haben zu müssen, dass er es irgendwann hundertfach zurückbekam.

Nur allzu schnell hatte er vergessen, dass er ihr Boss und sie seine Assistentin war und es eigentlich nicht so zwischen ihnen sein sollte.

Cayden genoss es einfach und ging schließlich mit einem willkommenen Gefühl von Vorfreude auf den nächsten Tag ins Bett.

Wenigstens einen Tag lang, wollte er nicht an die Arbeit denken müssen und was das alles für Pflichten mit sich brachte. Morgen würde er, soweit er das überhaupt konnte, etwas von seinem Workaholictum im Hotelzimmer lassen und stattdessen einfach abwarten, was der Tag bringen würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Koori
2012-10-22T12:02:51+00:00 22.10.2012 14:02
Cayden hat anscheinend nie wirklich richtig viel Hunger xD Ob er wirklich so schlank is, nur weil er so langsam isst, wäre mal eine interessante Frage. Genauso was mich immer wieder fasziniert, sind die Gespräche was die Beiden haben. Im Grunde ganz normal, alltägliches und doch irgendwie besonderes. So jemanden zu finden, der einfach zu einem passt, gibt es wohl nicht oft.
Schön auch wie ihr normale Reaktionen der Menschen miteinbezieht, wenn man sich von einem Thema entziehen will und nur höflich lächelt oder nickt.
Richtig gut, finde ich dass ihr sogar Horrorfilme, Action, Fantasyfilme und sowas einbezieht, auch dass es in dieser heutigen Zeit schien, da Herr der Ringe und Interview mit einem Vampir in den letzten Jahren produziert wurde. Allein das sie Graf Dracula mag xD
Das man hier auch bissl über frühere Vampire erfahren kann, ist toll, sowas gefällt mir richtig gut und was ihr alles recherchiert habt, wahnsinn!!
Uwah, Emma ist eine tolle Frau, sie macht sich sogar mehr Gedanken über die Vampire, versteht es wenigstens etwas. Sie denkt nicht nur, dass Vampire schön und jung sind, alles was dazu gehört, sie schaut hinter die Fassade.



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