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Dark Night's Kiss

von

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2. Kapitel

„Danke, Stella.“

Seine Assistentin stellte den frischen Kaffee neben seinen Akten ab, von denen er noch nicht einmal hochblickte, so vertieft war er in seine Arbeit. Daher bemerkte er zunächst nicht, dass Stella immer noch neben seinem Tisch stand. Offenbar auf etwas wartend.

Nun sah Cayden doch hoch und schob sich dabei seine Brille wieder weiter die Nase hinauf.

„Sonst noch etwas?“, wollte er höflich wissen und nahm es wie immer schätzend zur Kenntnis, dass seine Assistentin wartete, bis er Zeit für sie hatte, anstatt ihn zu unterbrechen. Die letzte Assistentin hatte diese Angewohnheit leider nicht gehabt. Was auch ein Grund war, wieso sie nicht mehr für ihn arbeitete.

Er konnte es nicht ausstehen, wenn man seine Gedankengänge unterbrach, sobald sie zu fließen begonnen hatten.

Er als Boss einer großen Firma war zwar selbst kein Künstler, aber er wusste sehr wohl, wie es war, wenn die Inspiration frei floss und wie schnell man diesen Zustand wieder zerstören konnte. So manche Ideen waren dadurch von seiner alten Assistentin förmlich im Keim erstickt worden, bevor er sie richtig hatte fassen können. Etwas, das weder gut fürs Geschäft, noch seine Stimmung war.

„Ich habe eine erste Bewerberin für die freigewordene Stelle von Nick Tompson gefunden.“

Cayden entging das aufgeregte Blitzen in Stellas schokoladenbraunen Augen nicht. Offenbar war sie froh, so schnell jemanden organisiert zu haben. Er wusste ja, wie schwer es war, auf die Schnelle gutes Personal zu finden, oder zumindest Annehmbares, ohne dabei eine Stellenausschreibung ausgehängt zu haben.

Er hätte nicht so schnell mit jemandem gerechnet, womit ihn seine Assistentin auf jeden Fall überrascht hatte.

„Meinen Sie, sie kommt in Frage?“, wollte er ihre Meinung wissen, da Stella seinen Geschmack in Sachen Personal kannte und er ihr daher die erste Auswahl auf jeden Fall überlassen konnte.

Nun breitete sich ein winziges Lächeln auf ihren Lippen aus, ehe sie ihm ein paar zusammengeheftete Zettel reichte.

Cayden nahm sie und überflog kurz den Lebenslauf, während er die beigelegten Arbeiten gründlicher studierte.

„Geben Sie ihr einen Termin“, meinte er schließlich, ehe er die Zettel langsam beiseitelegte.

„Montag. 8:00 Uhr. Ich werde die Bewerbung persönlich übernehmen.“

Offensichtlich verdutzt über die Tatsache, dass er das Bewerbungsgespräch einmal selbst durchführen wollte, nickte Stella schließlich zögerlich und ging dann zurück an ihren Arbeitsplatz, als er sich ohne weitere Erklärungen für seine sehr ungewöhnliche Entscheidung wieder seiner eigenen Arbeit widmete.

Noch einmal schweifte sein Blick kurz zu der ausgedruckten Bewerbung neben seinem Kaffee, ehe er die Tasse in die Hand nahm und seine Gedanken zu Zahlenkolonnen und Statistiken abschweiften.
 

***
 

Als der Wecker um halb sieben anfing in wechselnden Farben zu leuchten und schließlich auch ein leises Summen von sich zu geben, öffnete Emma ein Auge. Sie betrachtete das Farbenspiel eine halbe Minute lang und schob dann ihre Hand aus der mummelig warmen Decke hervor, um den Wecker abzustellen.

Kurz überlegte sie, ob die Zeit zum Aufstehen doch noch verhandelbar war, entschied sich dann aber trotz ihrer müden Augen dagegen. Sie hatte ohnehin nicht richtig schlafen können. Da machten jetzt zehn Minuten hin oder her auch nichts mehr aus.

Sie setzte sich im Bett auf, zog sich die Decke noch einmal bis zu den Schultern hoch und sah zum Fenster hinüber, wo dunstiges Licht wieder einmal Regen erahnen ließ. Also keine Haarspray-Frisur.

Mit einem missmutigen Ton schwang Emma die Beine aus dem Bett, schüttelte die hochgerollten Aufschläge der Pyjamahose nach unten und stieg in ihre Hausschuhe, bevor sie an den Schreibtisch ging.

Ihr Herz klopfte schon jetzt aufgeregt und ihre Fingerspitzen fühlten sich seltsam an, als sie die Unterlagen noch einmal durchblätterte, die sie zum Bewerbungsgespräch mitnehmen wollte.

Es schien alles da zu sein und mit einem unangenehmen Glucksen im Magen machte Emma sich auf den Weg unter die Dusche. Im Bad sah sie am herumliegenden Föhn, dass Kathy schon wach sein musste.

Oh man. Wenn dieser Job auch in derartig häufige Frühschichten ausarten sollte ...

„Vielleicht geh ich lieber gleich wieder ins Bett.“

Sie hatte den Job ja eigentlich auch gar nicht wirklich gewollt. Beworben hatte sie sich nur aus einer Mischung aus Langeweile und Neugier heraus. Und weil sie nicht im Geringsten daran geglaubt hatte, eine Antwort, geschweige denn eine Einladung zum Gespräch zu bekommen!

Grummelnd argumentierte Emma mit sich selbst hin und her, während sie duschte, sich die einzigen Klamotten anzog, die für so etwas Offizielles geeignet waren und sich die Haare machte. Ein ordentlich gewundener Knoten, der weder schlampig, noch zu aufgesetzt aussah. Kombiniert mit einer kleinen Spange, die ihren Pony im Zaum hielt, konnte sich das ganz gut sehen lassen. Genauso, wie das Augen-Make-up, das heute nicht ganz so dunkel ausfiel und den Hauch von Lipgloss. Der sowieso gleich wieder verschwinden würde, wenn sie es schaffte, etwas zu frühstücken.

Sie schaffte es zwar, musste sich selbst aber mit der Vorstellung dazu zwingen, wie peinlich ein knurrender Magen oder Mundgeruch bei ihrem Gespräch sein würde.

An der Bushaltestelle prüfte Emma zum dritten Mal, ob sie alles dabei hatte, schaltete ihr Handy auf lautlos und versuchte nicht so auszusehen, als würde sie zu ihrer eigenen Beerdigung fahren. Mein Gott, wenn es nicht klappte, war das auch okay. Schließlich war das eher ein Überfall gewesen, als eine geplante Jobsuche.

Wobei die Firma und die Stelle zugegeben ziemlich cool klangen. Musik, kreatives Gestalten, Verantwortung ... Und noch dazu vermutlich nicht schlecht bezahlt. Wenn alles passte und die Stundenzahl nicht zu hoch und nicht zu niedrig ausfiel, hätte Emma sich durchaus damit anfreunden können. Was ihre feuchten Handflächen leider nur zu stark bezeugten.

Verdammt, hoffentlich machte das nicht sofort einen schlechten Eindruck. Auf wen auch immer.

Denn Emma hatte in der Mail nur gesagt bekommen, dass sie um 8 Uhr im Foyer sein und sich dort bei der Rezeption anmelden sollte.

Fünf Minuten zu früh wünschte sie dem Mann, der dort im Anzug saß und auf kleine Schwarzweißmonitore starrte, einen guten Morgen.

„Guten Morgen. Mein Name ist Emma Barnes. Ich habe einen Termin.“
 

Stella wartete bereits am Aufzug auf Ms. Barnes. Paul hatte sie vom Foyer aus angerufen und sie angekündigt, wie er es bei den wichtigeren Kunden und Terminen machte.

Obwohl sie nicht glaubte, dass diese Bewerberin besonders wichtig war, wartete sie trotzdem auf die Frau, denn es kam nicht oft vor, dass ihr Boss ein Bewerbungsgespräch selbst durchführen wollte.

Eigentlich nur bei sehr wichtigen Posten innerhalb der Firma und dazu gehörte die Grafikabteilung mit den Printmedien nur insofern, wie es brauchte, um das Rad am Laufen zu halten.

Als die Fahrstuhltüren aufglitten, setzte Stella ein professionelles Lächeln auf, während sie beiläufig die mögliche Kandidatin musterte.

Hoffentlich hatte der beste Freund von Sean nicht total daneben gegriffen, aber das war anhand der Bewerbungsunterlagen nur schwer zu deuten gewesen. Wenigstens war sie pünktlich. Das war sie Nick Tompson schon einmal meilenweit voraus.

„Guten Morgen. Sie sind sicher Emma Barnes. Mein Name ist Stella Hopkins. Ich bin die persönliche Assistentin von Mr. Calmaro. Er erwartet Sie bereits.“

Stella schüttelte der Frau die Hand und führte sie aus dem Fahrstuhl den Flur entlang an den ganzen Arbeitsplätzen mit den Trennwänden vorbei.

Hier wirkte es mehr wie in einem Bienenstock, wenn alle zu ihrer Schicht erschienen, doch momentan war es dafür noch zu früh und man konnte auf den ersten Blick erkennen, dass jeder seinen Arbeitsplatz sauber hielt, und es nicht vollgestopft wirkte. Ganz im Gegenteil, seit der Komplettrenovierung und diverser Umbauten hatte man dank der riesigen Fenster am Ende des großen Raumes das Gefühl, endlich wieder Luft zu bekommen.

Ihr eigener Arbeitsplatz war durch eine Pflanzengruppe von den anderen getrennt, so dass offensichtlich wurde, dass sie nicht einfach nur zu den Arbeitsbienen gehörte, sondern einen gehobeneren Status besaß.

Ihr Schreibtisch, der gegenüber von Mr. Calmaros Bürotür stand, war im Gegensatz zur Fabrikware der anderen aus Edelholz und bekam am meisten Licht von allen ab, da er fast direkt neben dem Fenster stand. Die Aussicht war auf alle Fälle fantastisch, wenn sie mehr Zeit dazu gehabt hätte, sie zu genießen.

Keine zehn Schritte weiter befand sich eine kleine Küche, wo sie in regelmäßigen Abständen für den Koffeinhaushalt ihres Bosses sorgte. Natürlich konnten sich dort auch alle anderen Mitarbeiter Kaffee holen und sich zwischen den Arbeitszeiten Essen aufwärmen. Sie hatten sogar eine kleine Kochstelle dort.

Das allerdings würde Ms. Barnes nie erfahren, sollte aus dem Bewerbungsgespräch doch nichts werden und außerdem sah es in der Grafikmedienabteilung ohnehin etwas anders aus als in der Chefetage.

Vor der Tür mit dem eingravierten Messingschild, auf dem C. Calmaro stand, ohne klar zu definieren, wer das genau war, blieb sie mit der Kandidatin stehen, klopfte einmal kurz an und wartete auf das „Herein“.
 

Mit geschlossenen Augen polierte sich Cayden noch einmal mit seinem Brillentuch die rötlich getönten Gläser, ehe er sie sich wieder aufsetzte und sich einmal kurz in seinem prächtig ausgestatteten Büro umsah.

Die Farben des Parkettbodens, der weichen Perserteppiche, Kunstgegenstände an den Wänden und Blumen auf diversen Holzregalen und –schränken waren so, wie sie sein sollten, bis auf die Ränder seines Sichtfeldes, die von den Gläsern nicht abgedeckt wurden und in hellen, bis fast stechend weißen Pastelltönen erstrahlten. Doch das machte nichts, solange er das grelle Licht nicht in direktem Winkel in die Augen bekam.

Am Fahrstuhl konnte er die beiden Frauen hören, also legte er das Brillentuch zurück in sein Etui und legte die Tourneepläne von Blue Laguna zur Seite, unter denen sich die Bewerbungsmaterialien von Ms. Barnes befanden.

Als die beiden Frauen den Raum betraten, stand er mit einem freundlichen Lächeln auf und kam ihnen entgegen, um seine Bewerberin mit einem warmen Händedruck zu begrüßen.

„Guten Morgen, Ms. Barnes. Ich bin Cayden Calmaro. Der Kopf dieser Firma.“

Er deutete auf einen der beiden gemütlichen Stühle vor seinem breiten Schreibtisch.

„Setzen Sie sich doch bitte.“

Cayden setzte sich ebenfalls und schenkte seiner Assistentin einen kurzen Blick, damit sie noch blieb.

An Ms. Barnes gewandt, fragte er höflich. „Kaffee oder Tee, vielleicht?“
 

Immer noch kam sich Emma so vor, als würde sie nicht zu einem Bewerbungsgespräch, sondern zu etwas sehr viel Erschreckenderem gehen, während sie neben der perfekt gestylten Dame herlief. Die Frau mit den wohl perfektesten Fingernägeln der Welt hatte sich als Stella Hopkins und Assistentin von Mr. Calmaro vorgestellt. Und Emma bereute schon jetzt, dass sie nur wusste, dass dieser Name eines der beiden Cs war, die in der Abkürzung der Firma vorkamen. Sie bekam weder die tolle Aussicht noch irgendetwas Anderes mit, außer, dass der Teppich hellgrau und bestimmt unpraktisch war, weil er bei so vielen Angestellten schnell dreckig wurde.

Dann stand Emma vor einer Tür, was ihr hauptsächlich dadurch auffiel, dass die Präsenz von Mrs Hopkins an ihrer Seite auf einmal verschwunden war und auch nicht wieder zurückkehrte. Leider auch nicht, als sie in das etwa Turnhallen große Büro getreten waren und Emmas Hände nun wirklich zu schwitzen begannen.

Was bloß noch unangenehmer war, weil sie sonst am liebsten angefangen hätte zu schlottern. Bestimmt war es nicht kalt im Gebäude, aber ihre Nervosität fraß sich allmählich bis in ihre Knochen und wollte erst recht nicht weichen, als ihr Mr. Calmaro die Hand reichte.

„Guten Morgen. Freut mich, Sie kennenzulernen.“

Emma blieb bei der Tür stehen, bis der Boss ihr einen Stuhl angeboten hatte, und setzte sich erst anschließend hin, um dankend das heiße Getränk abzulehnen. Ein bisschen Wärme im Magen hätte ihr vermutlich gar nicht schlecht getan, aber sie wollte weder in die Verlegenheit kommen, sich die Lippen oder die Zunge zu verbrennen, noch wollte sie bei ihrem überdrehten Herzschlag noch Koffein in ihr Blut mischen.

Eigentlich wäre es ihr ganz lieb gewesen, wenn sie gleich wieder hätte gehen können.

Mr. Calmaro musste doch schon sieben Meilen gegen den Wind riechen, dass Emma hier nicht hineinpasste. Sie war ... irgendwie zu klein. Für das riesige Büro, für den Hünen von Boss und vermutlich auch für den Job, auf den sie sich in einem Anfall von Wahnsinn einfach beworben hatte.
 

Caydens erster Eindruck war, dass Ms. Barnes nicht in diese Abteilung passte. Zumindest kam es ihm so vor, dass schon allein der Stuhl für seine Gäste sie schlucken könnte, da das aber weder von Belang noch für eine gute Arbeit wichtig war, sah er darüber hinweg.

Immerhin sah sie nicht aus wie ein kiffender Student, der seine Kleidung aus der Wühlkiste hatte, so wie Nick Tompson. Was eine erfreuliche Verbesserung darstellte.

Nach dem er Stella mit der Bitte – er wolle nicht gestört werden, es sei denn Mr. Goldman meldete sich – weggeschickt hatte, richtete er seine ganze Konzentration auf die kleine Frau in der blauen Bluse, die farblich zu dem Steinen in ihren Ohrringen passten.

„Vielen Dank, dass Sie sich so früh für mich Zeit nehmen konnten“, begann er in unverfänglichem Tonfall, da er mit einem zitternden Nervenbündel nichts anfangen konnte und erst einmal ein bisschen das Eis brechen wollte. Was ihm aber vermutlich nicht wirklich gelingen würde.

Er war es natürlich gewöhnt, dass Leute in seiner Nähe und vor allem bei Bewerbungsgesprächen nervös waren. Was nicht hieß, dass es ihm vollkommen entging, wie sehr der Puls dieser Frau dicht unter ihrer Haut raste, oder der Geruch ihrer Nervosität vermischt mit einem pudrigen Duft seine Nase erfüllte.

Wenigstens badete sie nicht in Parfum und der Duft ihres Haarshampoos darunter war sehr angenehm.

„Um ganz offen zu sein, wir suchen dringend jemanden, der das Grafikteam in unserer Medienabteilung unterstützt, da wir derzeit voll ausgelastet sind.“

Cayden nahm die Bewerbungsunterlagen zur Hand und überflog sie noch einmal rasch, obwohl er schon längst alles Wichtige daraus gezogen hatte, was er so an Informationen erhalten konnte.

„Ihrer bisherigen Berufslaufbahn kann ich entnehmen, dass Sie offenbar sehr flexibel sind, was verschiedenste Arbeiten angeht. Da wir aber eine längerfristige Stelle als Vollzeitkraft anstreben, können Sie mir vielleicht sagen, weshalb Sie so oft die Stelle gewechselt haben?“

Denn wenn sich herausstellen sollte, dass sie mit den Kollegen nicht zurechtkam, oder einfach keine Ausdauer besaß, wäre das schon einmal ein herber Minuspunkt. Aber er wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Mehrmaliger Berufswechsel konnte vielerlei Gründe haben.
 

Mit dieser Frage hatte Emma gerechnet. Denn ihre Jobwechsel waren einfach zu auffällig, um darüber hinwegzusehen.

Kein Arbeitgeber wollte jemanden einstellen, der sich dann drei Wochen später wegen irgendetwas Banalem wieder verabschiedete. Was sie auch nicht vorhatte, wenn ihr die Arbeit bei C&C zusagen sollte.

Im – wenn auch sehr geringen – Vorfeld zu diesem Gespräch hatte man ihr verschiedene Dinge geraten, wie sie mit diesem 'Schwachpunkt' in ihrem Lebenslauf umgehen konnte. Emma entschied sich für die Variante, die ihr am meisten entsprach. Augen zu und durch.

„Es gab unterschiedliche Gründe dafür. Die letzten Male lag es hauptsächlich an meiner Zielsetzung, die sich im Laufe der Jahre verändert hat. Vor ungefähr einem Jahr habe ich mich entschieden, einen Abendkurs für kreative Medien und Gestaltung an der Universität zu belegen. Das hat zunächst wegen der Kosten den Job im Café ausgeschlossen, weshalb ich mich umorientiert habe. Zwar war die Bezahlung in der Restaurantküche etwas besser, hat aber auf Dauer auch wegen der Arbeitszeiten nicht gepasst. Bei meiner letzten Anstellung im Callcenter war ich sehr zufrieden, aber das Büro ist dem Outsourcing zum Opfer gefallen und niemand wurde in die neue Firma in Australien übernommen.“

Das entsprach alles der Wahrheit. Da Emma nicht vorhatte, dreckige Wäsche vor ihrem möglichen neuen Boss zu waschen, ließ sie die Tatsachen aus, dass man ihr in der Küche Geld für die 70 geleisteten Stunden in der Woche unterschlagen hatte und sie selbst für den letzten Monat überhaupt kein Geld gesehen hatte.

Emma sah den Mann mit einem freundlichen aber immer noch nicht wirklich aufgetauten Lächeln an. Wenn er sich jetzt schon gegen sie entschieden hatte, dann tarnte er es gut. In seinen Augen, die hinter einer getönten Brille steckten, konnte Emma überhaupt nichts lesen.
 

Das war interessant.

Cayden lehnte sich zusammen mit den Papieren in seinen Händen gemütlich in seinem Sessel zurück und dachte kurz darüber nach, ob das was Ms. Barnes ausstrahlte, sich mit dem deckte, was sie gesagt hatte.

Lügen durchschaute er für gewöhnlich sehr schnell, weshalb er sich sicher war, dass es der Wahrheit entsprach. Es würde auch ihre Musterarbeiten erklären.

Dass sie sich offensichtlich für genau diese Richtung interessierte, in die er sie brauchen könnte, war schon anhand ihres Tonfalls zu hören. Natürlich klang es ein bisschen auswendiggelernt, als spontan erzählt, aber das gehörte eben zu der Vorbereitung für ein Bewerbungsgespräch.

Ohne jedoch erst einmal laut ihre Worte zu analysieren und zu kommentieren beziehungsweise mit seiner Meinung zu versehen, legte er die Zettel beiseite und nahm seinen Kaffee zur Hand.

Er wusste, dass er dadurch nicht so wirkte, als würde er gleich das Gespräch beenden wollen und genau deshalb tat er es auch. Und weil er gerne heißen Kaffee mochte.

„Denken Sie denn, Sie könnten den Abendkurs mit einem Vollzeitjob bewältigen? Dazu muss ich sagen, dass Überstunden keine Seltenheit sein werden, aber natürlich alles mit Maß und Ziel und es gibt keinen Zeitausgleich, sondern die Stunden werden ausbezahlt.“

Zeitausgleich konnte er sich einfach nicht leisten. Sonst würde er schließlich keine Überstunden von seinen Mitarbeitern verlangen. Dafür hatte er einfach zu viel Arbeit.
 

Ja, das war das Risiko gewesen. Entweder hatte sie mit ihrem Interesse in genau die Richtung des Jobangebots argumentieren und sämtliche Fragen totschlagen können. Oder ... eben nicht.

„Da die Kurse nur dreimal die Woche stattfinden und das erst gegen 20 Uhr, sollte das kein Problem sein. Außerdem dauern die Semesterferien jeweils drei Monate, in denen ich Hausarbeiten nach freier Zeiteinteilung bewältigen kann.“

Als er nach einem Schluck Kaffee das mit den Überstunden erwähnte, wollte Emma schon zurückschrecken. Eigentlich hatte sie wenig Lust, sich nach Kathys Vorbild bis an die Grenzen zu schuften. Andererseits versprach der Job auch etwas für ihre Qualifikation, die sie später ihrem Abschlusszeugnis hinzufügen konnte.

Da sie schon ziemlich lange überlegte und dabei auch vergessen hatte, immer wieder Blickkontakt mit Mr. Calmaro zu halten, sah sie jetzt auf und konzentrierte sich wieder auf ihn. Immerhin hatte er sie indirekt etwas gefragt.

„Ich bin durchaus bereit, mehr zu arbeiten, wenn es erforderlich ist.“

Vielleicht ließ es sich ja so hinbiegen, dass sie die Überstunden flexibel anhäufen konnte. Immerhin war der Chef auch schon eine Stunde vor den Mitarbeitern hier.

„Wenn Sie erlauben, würde ich gern etwas zu der Stellenausschreibung fragen. Mrs. Hopkins war so freundlich mir eine kurze Liste, der generellen Voraussetzungen zu mailen. Allerdings war darauf nicht angegeben, ob es sich hauptsächlich um Print- oder auch um andere Medien handelt.“

Mit dem Aufbau von Internetseiten kam Emma zwar im Kleinen zurecht, aber die Website für so eine große Firma zu programmieren traute sie sich bei Weitem nicht zu. Wenn das zu den Anforderungen gehörte, würde sie Mr. Calmaro nicht anlügen, sondern einfach passen müssen.
 

Während sie nachdachte, nutzte er die Zeit, um sie gründlich und doch unauffällig erneut zu mustern.

Ihre Kleidung war sauber, auch wenn man erkannte, dass sie ganz bestimmt nicht von einer teuren Marke stammte, was natürlich auch bestätigte, dass sie in ihren letzten Jobs nicht sehr viel verdient haben konnte. Es war Cayden im Grunde egal, ob jemand Markenartikel am Leib trug.

Solange man sich zu präsentieren wusste, zählte das Budget nicht. Im Gegenteil war er sogar der Meinung, dass es ein nicht zu verachtendes Talent war, aus wenig mehr zu machen. Und in der Grafikabteilung wäre es ohnehin nicht von Bedeutung, ob man ein aufgemotztes Püppchen oder ein legerer Durchschnittstyp war. Ganz allein die Arbeit zählte. Für Präsentationen, Geschäftsessen, Festivitäten und derlei Dinge waren andere Leute zuständig.

„Die Überstunden können frei gestaltet werden. Solange die Abgabetermine fristgerecht eingehalten werden, ist das absolut kein Problem“, versicherte Cayden Ms. Barnes schließlich, damit sie nicht gleich das Gefühl hatte, er wäre ein eiskalter Sklaventreiber, der seine Mitarbeiter zu Tode schindete. Einzig und allein sein persönlicher Personalkreis, den er oft in Anspruch nahm, musste sich sehr stark ranhalten. Aber dafür gab es schließlich Urlaube, Boni und nützliche Weihnachtsgeschenke, um die Mühen auszugleichen.

Als sein Gegenüber ihm einmal direkt eine Frage stellte, richtete sich sein Blick interessiert und aufmerksam auf die hellbraunen Augen von Ms. Barnes. Er hatte noch nie Probleme damit gehabt, den Blickkontakt zu halten. Eigentlich war es meistens so, dass die anderen zuerst wegsahen, so sehr er das bei Gesprächen manchmal als unhöflich empfand. Aber gerade dann, wenn er seine Brille nicht aufhatte, konnte er es nur allzu gut verstehen.

„Selbstverständlich würden Sie eine gründliche Einschulung in die Arbeitsmethoden unserer Abteilung bekommen und ihren Fähigkeiten entsprechend auch weiter geschult werden, sollte es nötig sein. Anhand ihrer Musterarbeiten dürfte das allerdings kein Problem werden.“

Es war ein getarntes Lob, das er selbst nicht so ganz mitbekam, aber vielleicht lag es auch nur daran, dass er immer noch diese unzumutbare Arbeit von Nick Tompson im Kopf hatte. Dagegen sah alles andere einfach nur gut aus. Und zugegeben, ihre Arbeit war noch etwas holprig, aber da er sich selbst damit auskannte, sah er durchaus Potential, mit dem man arbeiten konnte.

„Wären Sie denn bereit, Ihre Fähigkeiten auch über die Printmedien hinaus auszuweiten?“
 

„Sicher, natürlich.“

Das war so schnell aus ihrem Mund gekommen, wie sie auf dem tiefen Bürostuhlmonster ein Stück nach vorne gerutscht war. Emmas Augen blickten kurz etwas schuldbewusst, bevor ihr Lächeln sie endlich auch erreichte.

„Ich meinte, natürlich lerne ich gern etwas dazu. Mit Print kann ich schon umgehen. Zumindest bin ich fähig das umzusetzen, was ich mir vorstelle. Aber ich würde mich freuen, wenn ich hier die Gelegenheit bekäme, mehr kennenzulernen.“ Und dabei auch noch Geld zu verdienen.

Etwas entspannter legte Emma ihre Handflächen auf die Oberschenkel, rutschte aber nicht wieder in den Sessel zurück, da sie nicht wollte, dass ihre Euphorie als Schauspiel gedeutet wurde. Denn das war sie keinesfalls gewesen. Es würde sie wirklich freuen, dazuzulernen. Dann konnte sie diesen Job mit den Kursen an der Uni ergänzen und bei beidem besser werden. Immerhin würde sie dann den Großteil des Tages sozusagen mit Üben verbringen.

Das erste Mal betrachtete Emma den Mann mit der rot getönten Brille ohne allzu große Scheu.

Er sah ... wie der Boss aus. Ganz eindeutig. Die Haltung, die Art, wie er die Hände auf der Tischplatte gefaltet hatte. Irgendwie passten die rot getönten Gläser seiner Brille nicht ganz zum Image des Saubermanns, aber sie lenkten ein bisschen von dem scheußlichen Gestell ab. Was auf jeden Fall ein Pluspunkt war.
 

Jahrelange Selbstdisziplin trug dazu bei, dass er nicht einfach seine Überraschung damit zeigte, in dem er eine Augenbraue fragend hochzog. Aber das hieß nicht, dass er nicht trotzdem über Ms. Barnes plötzlicher Reaktion überrascht war, zumal sie auch noch vollkommen echt gewirkt hatte.

Das anschließende Lächeln bestätigte es ihm nur noch, denn dieses Mal erreichte es auch die hellbraunen Augen seines Gegenübers.

Etwas, das er selbst schon so lange nicht mehr zustande gebracht hatte, dass man den Unterschied nicht einmal mehr bemerkte, da ihn dafür keiner gut genug kannte.

Eigentlich sollte er sich noch nicht festlegen, da er noch nicht einmal andere Kandidaten getroffen hatte, aber der süße, prickelnde Duft von Endorphinen in seiner Nase, der den bitteren Nervositätsgeruch langsam zu vertreiben schien, ließ ihn glauben, dass er die richtige Wahl treffen würde.

Trotzdem wog er in stummer Betrachtung die Vor- und Nachteile ab, die sein Gegenüber ihm bringen würde.

Sie hatte noch keine ersichtliche berufliche Erfahrung in dieser Tätigkeit oder gar seiner Branche. Keiner konnte ihm garantierten, dass ihr die Überstunden am Ende nicht doch zu viel sein würden, da nur wenige Menschen bereit waren, so viel zu arbeiten, wie er es tat. Auch wenn er das natürlich nicht in diesem Umfang verlangte.

Ihrem Erscheinen nach passte sie zwar nicht in die Chefetage, aber in die Medienabteilung würde sie reinpassen. Dort lief so gut wie jede Sorte von Kleidung und Menschenschlag herum, den man sich in so einer Firma vorstellen konnte.

Trotzdem … er war sich nicht sicher.

Nachdenklich nahm er noch einmal einen Schluck von seinem Kaffee, ließ die Flüssigkeit über seine Zunge rollen, ehe er den Blick wieder hob und Ms. Barnes durchdringend anblickte. Normale Menschen hätten dabei vielleicht über den Rand der Brille hinweggeblickt, doch er hob stattdessen das Kinn weiter nach oben, um sie direkt ansehen zu können.

„Können Sie mir ein bisschen etwas von sich erzählen? Wie würden Sie sich selbst beschreiben? Ihren Charakter, Interessen und Vorlieben?“
 

Wie sie sich selbst beschreiben würde?

Sowas fand Emma schon bei normalen Gelegenheiten wir Barbecues oder Geburtstagsfeiern doof.

Zu erzählen, was man so machte, kam nur gut rüber, wenn man es von der Leber weg aussprach und nicht, wenn man auf eine Frage besonders gut antworten wollte. Sich selbst positiv darzustellen hatte Emma noch nie gut draufgehabt. Hätte sie gestern nicht noch ein bisschen geübt, wäre das vermutlich jetzt der Sprung ins Klo gewesen.

„Ich würde sagen, dass ich ein sehr aufgeschlossener Mensch bin“, fing sie an und rutschte dabei ein bisschen weiter in den Besucherstuhl zurück, unterbrach aber den Augenkontakt mit Mr. Calmaro nicht noch einmal.

„Menschen sind mir wichtig. Einerseits als Freunde, andererseits kann man fast von jedem Menschen etwas lernen. Und wenn es nur über sich selbst ist.“

Vermutlich hatte sie sich die kurze Veränderung in seinen Augen nur eingebildet, aber Emma war auch wirklich auf der Hut, wenn sie so etwas offen aussprach. Die Meisten hielten sie für eine Esoterik-Spinnerin oder Schlimmeres, wenn sie so etwas zur Sprache brachte. Oder noch schlimmer mit Kräften der Natur und Symbolen anfing. Aber das gehörte zum Glück ohnehin nicht hierher.

„Außerdem bin ich gern kreativ. Vor Kurzem bin ich mit zwei guten Freunden in eine WG gezogen und wir arbeiten fast jeden Tag an kleinen Details, um die Wohnung herzurichten. Mir machen auch handwerkliche Sachen Spaß. Ich denke, man könnte mich vielseitig nennen. Ich probiere gern Neues aus.“

Was aber nicht hieß, dass sie wankelmütig war. Nur neugierig. Und man konnte sie unheimlich schnell –

„Ich mag Herausforderungen.“

Jetzt hatte sie sich das kurze Glitzern in der – vermutlich grünen – Iris ihres Gegenübers auf keinen Fall eingebildet. Emma reagierte mit einem Lächeln darauf.

„Das hören Sie bestimmt von jedem Bewerber. Ich gebe zu, dass ich es gerade auch deshalb laut ausgesprochen habe, weil es sich gut anhört. Aber außerdem ist es treffend für mich. Geben Sie mir ein Puzzle und sagen Sie mir, dass es in einer bestimmten Zeit nicht zu lösen ist. Und sofort erwacht meine Neugier und ich will es zumindest versuchen.“

Teilweise, um ihm zu beweisen, dass er Unrecht hatte. Aber das machte ja im Endeffekt keinen Unterschied.
 

Wie von selbst erschien ein kleines charmantes Lächeln auf seinen Lippen. Seine antrainierte Art auf etwas zu reagieren, das ihm in der Geschäftswelt an anderen Menschen gefiel.

Zugleich war es ein Ausdruck eines vielleicht etwas verdrehten Humors, den Ms. Barnes niemals nachvollziehen könnte. Denn sie konnte nicht wissen, dass sie mit ihren offenen Worten nur das bestätigte, was er anhand ihres Geruchs, ihrer Mimik und Gestik ohnehin erfahren konnte.

Dass sie zugab, sich einfach gut verkaufen zu wollen und dennoch die Wahrheit sprach, sagte vermutlich mehr über sie aus, als sie dachte.

Auf jeden Fall fiel ihm seine Entscheidung bezüglich ihrer Bewerbung immer leichter.

Nick Tompson war ein Stümper ohne Charakter und Anstand gewesen, der auch noch nie so etwas wie Verantwortungsgefühl gehabt zu haben schien.

Diese Frau hier konnte vielleicht noch nicht mit der nötigen Berufserfahrung aufwarten, aber zumindest war für ihn deutlich zu erkennen, dass sie sich reinhängen würde, egal wie schwer es am Anfang war und das war für ihn am Ende der ausschlaggebende Punkt.

„Es wird vielleicht kein Puzzle sein, das ich Ihnen aufgeben werde, aber wenn Sie an der Stelle interessiert sind, dann ...“

Sein Blick huschte zu seinem Telefon hinüber, wo ein kleines Lämpchen neben der Eins zu blinken begonnen hatte.

„Entschuldigen Sie bitte kurz.“

Cayden nahm den Hörer ab, ohne weitere Erklärungen abzugeben, dass es wichtig war.

„Ja?“

Wie erwartet, war Stella in der Leitung, die sofort und ohne um den heißen Brei herumzureden zur Sache kam.

„Soeben hat die Polizei hier angerufen. Es geht um Mr. Goldman. Er liegt mit einer Alkoholvergiftung im Southern Cross Hospital. Er gab Ihren Namen und die Nummer des Büros an.“

„Ich verstehe.“

Brad, du verdammter Idiot. Wenn du dich schon umbringen willst, dann mach es wenigstens richtig.

Cayden warf einen kurzen Blick zu Ms. Barnes hinüber.

„Übernehmen Sie bitte hier für mich, Stella. Ich werde mich um die Sache kümmern.“

Er legte auf.

„Entschuldigen Sie mich, bitte. Meine Assistentin wird Ihnen noch gerne die Medienabteilung zeigen und Sie mit der Abteilungsleiterin dort bekannt machen. Danach liegt es bei Ihnen, ob Sie die Stelle annehmen möchten. Von meiner Seite her würde ich Sie gerne für mindestens einen Probemonat bei uns an Bord wünschen.“

Er stand auf und ging zu seinem kleinen Garderobenschrank hinüber, um dort sein Jackett vom Kleiderbügel zu nehmen, hineinzuschlüpfen und es sich mit raschen Fingern zuzuknöpfen.

Gerade als er sich mit einem Händeschütteln von Ms. Barnes verabschiedete, kam Stella zur Tür herein.

„Ihr Wagen steht bereit“, war alles, was sie sagte, ehe er ihr dankend zunickte und auch schon aus dem Büro verschwand.
 

„Wenn Sie mir bitte folgen würden. Die Medienabteilung liegt ihm sechsten Stock.“

Stella war nichts von dem Notfall anzusehen, der einen langjährigen Bandmanager dieser Firma betraf. Stattdessen hielt sie ruhig ihre Materialien in der Hand, die ohnehin direkt in Beas Abteilung gebracht werden mussten. Da traf es sich, dass das genau ihr Ziel war.
 

„Oh. Okay.“

Vollkommen überrumpelt von der aufgekommenen Hektik, stand Emma vom Stuhl auf, zog sich die Bluse glatt und schüttelte dann Mr. Calmaros Hand, bevor er aus dem Zimmer rauschte. Nicht einmal ihr „Vielen Dank. Ich ... freu mich.“ bekam er noch mit. Aber dafür lächelte ihr Mrs. Hopkins freundlich zu und bat sie mit einer Handbewegung aus dem Büro, die so elegant wirkte, wie in einer Werbesendung.

Emma hätte sie zu gern gefragt, wie sie ihre Nägel machte. Denn sie sahen nicht so billig und aufgeklebt aus, wie das gerade in Mode war, sondern waren so kurz, wie die von Emma, aber eben ... verdammt toll.

Im Fahrstuhl stand Emma ruhig neben der Privatsekretärin und fragte sich, wie deren Tag wohl aussehen musste. Ob sie – wie in Hollywoodfilmen – immer schon vor ihrem Chef im Büro war, seinen Terminkalender auswendig kannte und zur rechten Zeit mit einer Tasse perfekt temperierten Kaffees in seinem Büro stand?

Ihr kleiner, forschender Seitenblick misslang, weil die Fahrstuhltüren auseinanderglitten und sie zusammen in ein weiteres Großraumbüro traten, wo gerade die ersten Angestellten ihre Plätze einnahmen. Hatte das Gespräch denn wirklich eine Stunde gedauert?

Eine Uhr an der Wand zeigte, dass dem nicht so war. Vermutlich waren das also Leute, die ihre Überstunden vor die eigentliche Arbeitszeit legten. Oder welche, die einfach früher nach Hause gingen.

Im Vorbeigehen grüßte Emma freundlich mit einem Lächeln oder Nicken und folgte Mrs. Hopkins vor ein kleineres Büro, wo gerade eine Asiatin ihren Mantel über einen Garderobenhaken hängte. Wow, hier schienen alle bei anderen Läden einzukaufen, als Emma es gewohnt war. Zumindest, was die Damen der höheren Posten anging.
 

„Guten Morgen, Bea“, begrüßte Stella, die Abteilungsleiterin, welche sich daraufhin sofort zu ihnen herumdrehte und freundlich lächelte, als sie Caydens Assistentin erblickte.

„Morgen, Stella. Na, wen hast du mir heute mitgebracht?“

„Das ist Ms. Emma Barnes. Cayden hatte gerade ein Vorstellungsgespräch mit ihr wegen des ehemaligen Postens von Nick Tompson. Wir sind hier, um ihr die Abteilung näher zu zeigen.“

Die braunen Augen der Asiatin wurden groß, ehe sie mit einem breiten Lächeln Ms. Barnes die Hand schüttelte.

„Freut mich Sie kennenzulernen. Wirklich. Ich bin Beatrix Anderson, aber Sie können ruhig Bea zu mir sagen. Tun ohnehin alle hier.“

Stella musste über Beas Offenheit schmunzeln. Aber nach Nick Tompson war das überhaupt kein Wunder. Sie war vermutlich über die Maßen froh, so schnell Ersatz gefunden zu haben, vorausgesetzt Ms. Barnes wollte die Stelle auch wirklich haben.

„Kann ich euch beide alleine lassen? Ich muss noch ein paar Botengänge erledigen und –“

Bea winkte ab, bevor Stella noch weitere Ausführungen vorbringen konnte.

„Kein Problem. Ich weiß schließlich, für wen du arbeitest. Dass du immer noch nicht das Handtuch geschmissen hast, wundert mich wirklich.“

„Ach, so schlimm ist es nun auch wieder nicht“, erwiderte Stella nachdrücklich, wirkte aber selbst nicht recht von ihren Worten überzeugt.

Bea zog lediglich ihre dünn gezupfte Augenbraue in die Höhe, verkniff sich aber jeden weiteren Kommentar.

„Na, dann lass dich nicht länger aufhalten. Sind das seine Notizen?“

„Ja. Viel Spaß beim Durchackern.“ Stella drückte der Asiatin den Papierstapel in die Hand und wandte sich an Ms. Barnes.

„Bea wird Ihnen alles zeigen. Sie haben natürlich Bedenkzeit, wenn Sie das wünschen, aber wir würden uns alle über eine rasche Antwort freuen. Sie haben ja meine Nummer, falls Sie noch einmal eine Nacht drüber schlafen wollen, ansonsten wird Bea alles Weitere erklären. Ich wünsche Ihnen noch alles Gute.“

Die Verabschiedung war kurz und bündig, ehe Stella genauso wie ihr Boss davon rauschte.

„Man wird’s kaum glauben, aber sie ist in Wellington geboren.“

Bea schüttelte den Kopf über die Hektik, die Stella bisweilen ständig umgab. Aber es war unvermeidlich, wenn man direkt mit Cayden zusammenarbeitete, dass etwas von ihm auf einen selbst abfärbte.

Kurz betrachtete sie das Papierbündel in der Hand, ehe sie Ms. Barns ansah.

„Kommen Sie, Emma – ich darf Sie doch so nennen? – wollen wir Ihnen doch mal den Mediendschungel schmackhaft machen.“
 

Es war wirklich etwas gewöhnungsbedürftig, dass hier alle immer davonzurennen schienen. Auch von Mrs. Hopkins hatte Emma sich nur ganz kurz und keinesfalls der Situation angepasst verabschieden können. Etwas unsicher, aber mit einem Lächeln wandte sie sich daher an die Person, die ihr als Nächstes vorgestellt worden war.

„Natürlich können sie mich Emma nennen. Das ist mir sogar sehr recht. Aber darf ich fragen, was Mrs. Hopkins genau gemeint hat? Kann ich einfach Ihnen sagen, ob ich den Job nehme? Will Mr. Calmaro meine Antwort nicht ... selbst?“

Okay, vermutlich war es ihm nicht ganz so wichtig, sie noch einmal zu sprechen. Die Stelle konnte nicht so groß sein, dass sich der Boss des gesamten Unternehmens um jeden Vorgang kümmerte. Andererseits hatte er sie auch selbst interviewt.

Irgendetwas schien hier gerade zu laufen, von dem Emma im besten Falle den Ansatz mitbekam. Aber das ging sie auch nichts an. Wenn sie Bea sagen konnte, ob sie die Stelle wollte, war das für Emma okay.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Koori
2012-02-25T18:07:48+00:00 25.02.2012 19:07
Wow, deine Geschichte wird immer interessanter :D

Ich find es super genial, wie du die Gedanken beschreibst...halt, muss ja in Mehrzahl schreiben XD Echt toll, wie ihr zwei die Gedanken beschreibt ^^ Man kann sich viel besser hineinversetzen, sich die Geschichte bildlich vorstellen *w*
Genausp beeindrucken mich die Gewohnheiten, wie sie handeln oder was sie mögen, hassen =v=
Cayden ist echt...wuhaaa >//< ich mag ihn XDD Emma ist so taff und sagt ihre Meinung, dass lieb ich an ihr!!
Auch sehr schön, dass du net von einem Punkt zum anderen springst, dir genug Zeit lässt und trotzdem spannend machst :D
Was mir noch gut gefällt, wie du die Gespräche hinbekommst und den Alltag, die Jobbeschreibungen o.o Ich beneide euch drum...oh ich komm immer wieder nur zur Einzahl XDD Daran muss ich auch noch gewöhnen ^^
Ehm deine Ens, beantworte ich noch Morgen, weil ich Heute leider nicht mehr viel Zeit hab und noch arbeiten muss u.u
Ach und die nächsten Kapitel kommentiere ich natürlich auch noch muhahaha
Wenn ich was anfange, dann mach ich alles, bis zum Ende ;D

sayo~~


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