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Trust me

Eternal Chronicles
von

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Recherche aus zweiter Hand

Konaras Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf, auch nicht, als ich ein paar Stunden später ins Wohnheim zurückkehrte. Die restliche Zeit hatte sich unser Gespräch nicht mehr um die Ereignisse im Park gedreht, sondern um wesentlich andere Dinge. Dennoch war es mir immer im Hinterkopf geblieben, und kaum war ich wieder im Wohnheim angekommen, immerhin direkt gegenüber des Parks, kehrte es wieder in mein Bewusstsein zurück.

Laut Konara gab es Gerüchte im Internet, die darüber sprachen, was sich dort abspielte und dass die Leichen keine Menschen waren. Etwas, das mich aber ein wenig irritierte. Zum einen fragte ich mich, woher jemand diese Informationen denn haben mochte oder wieso er so etwas ins Internet stellen sollte – und dann war für mich noch die Frage nach der wahren Existenz dieser Nicht-Menschen. Sicher, ich wusste ja bereits, dass Lakaien im Park umherstreiften und andere angriffen, aber diese konnten nicht die erwähnten unmenschlichen Leichen sein, einfach nur aus dem Grund, dass sie sich auflösten, wenn man sie tötete, ich hatte es selbst gesehen. Gut, so oft war das noch nicht geschehen, aber es genügte mir, um sicher zu sein. Deswegen war ich bislang davon ausgegangen, dass es normale Menschen waren, die ihnen zum Opfer fielen, warum auch immer die Lakaien sie angreifen sollten. Aber wenn die Gerüchte stimmten …

Sind die aufgefundenen Leichen von anderen Leuten, die so sind wie Shou und ich?

„Du meinst Shinkenträger?“, fragte Isolde.

Obwohl ich glaubte, inzwischen an ihre Anwesenheit gewöhnt zu sein, zuckte ich zusammen, als ihre Stimme durch meine Gedanken hallte, auf eine Frage antwortete, die ich nicht einmal ausgesprochen hatte. Würde ich mich jemals daran gewöhnen, dass sie immer anwesend war?

„Es ist natürlich möglich, dass die anderen auch Shinkenträger sind, aber möglicherweise sind das auch alles nur Spinnereien von Leuten, die sich erklären wollen, warum die Polizei keine Lösung findet.“

Menschen neigten dazu, Gerüchte in die Welt zu setzen, das war mir auch klar, damit war ich oft genug selbst konfrontiert worden. Aber konnten sie wirklich derart wild werden, dass sie sogar so etwas hervorbrachten? Dieses paranormale Gerede über einfach verschwindende Leichen konnte nicht mehr normal sein, dafür musste es einen genauen Grund geben.

„Es wäre leichter, wen du das irgendwie selbst nachrecherchieren könntest.“

Aber wie sollte ich das anstellen? Ich besaß keinen eigenen Computer hier, kein Handy, das hier in Japan internetfähig war – ich hatte auch nie Interesse daran besessen, ich konnte Besseres mit meiner Zeit anfangen – und ich war sicher nicht bereit, mich für derartige Recherchen an einen öffentlichen PC zu setzen, ganz zu schweigen davon, dass ich nicht einmal wüsste, wo ich anfangen sollte. Nein, es musste eine andere Möglichkeit geben.

„Theoretisch wäre es am Einfachsten, wenn du Shou fragst. Von ihm weißt du immerhin, dass er auch ein Shinkenträger ist, er weiß vielleicht mehr.“

Eher esse ich Glassplitter zum Frühstück.

Ich hoffte, dieser Gedanke war intensiv genug, dass Isolde gar nicht erst auf die Idee käme, ihn noch einmal vorzuschlagen. Solange sie sich nicht einen anderen Träger aus dem Ärmel ziehen konnte, wollte ich am liebsten gar nichts mehr in der Richtung hören.

Glücklicherweise kam Isolde aber auch gar nicht mehr dazu, noch etwas zu sagen, da eine andere Stimme plötzlich erklang: „Yo, Lea!“

Wie elektrisiert wandte ich ruckartig den Kopf in Sorluskas Richtung. Seine Zähne schienen regelrecht zu leuchten, als er mich glücklich angrinste, unbeeindruckt von meinem, hoffentlich, finsteren Gesichtsausdruck.

„Mein Name ist nicht Lea“, erwiderte ich mit Nachdruck und einem Knurren.

Aber Sorluska, der selbst einer Bestie glich, war davon nicht im Mindesten beeindruckt, sein Grinsen schien sogar eher noch breiter zu werden, als glaubte er, meine schlechte Laune sei ein Zeichen meiner Sympathie ihm gegenüber. „Wir haben uns schon gewundert, wo du einfach hinverschwunden bist nach der Schule.“

Waren etwa plötzlich alle der Meinung, man müsse mich überwachen? Womit hätte ich denn eine solche Behandlung überhaupt verdient?

„Das ist meine Sache“, erwiderte ich entsprechend kühl. „Ich bin keine Gefangene und kann tun, was ich will. Danke sehr.“

Sorluska zuckte mit den Schultern, sein Grinsen erlosch endlich. „Wir haben uns nur ein wenig Sorgen gemacht, das war immerhin dein erster Morgen mit einer Leiche.“

Die Art, wie er das letzte Wort betonte, gab mir zu denken. Vielleicht wusste er mehr? Oder Thalia? Die beiden waren schon länger hier, besaßen vielleicht Internetzugang irgendwo oder waren öfter in Gespräche mit anderen Schülern. Sie mussten doch irgendetwas wissen.

„Das war nicht so schlimm“, erwiderte ich.

Sorluska zog eine Augenbraue nach oben. „Oi? Dafür warste heute morgen aber sehr blass.“

Ich ärgerte mich darüber, dass ihm das aufgefallen war, aber ich konnte schlecht darauf eingehen, dass es eher Schuldgefühle gewesen waren. Statt ihn darauf hinzuweisen, dass seine Aussprache gerade sehr zu wünschen übrig ließ, was es für mich noch schwerer machte, ihn zu verstehen, ging ich lieber auf etwas anderes ein: „Wo ist denn Thalia?“

Vermutlich funktionierte das geplante Gespräch zusammen mit ihr besser. Sorluska deutete mit dem Daumen über seine Schulter. „In ihrem Zimmer. Was? Lust auf Frauengespräche?“

Wie gern hätte ich ihm irgendetwas über den Kopf gezogen, aber das kam leider nicht in Frage. Gedanklich machte ich mir aber eine Notiz, damit ich es bei Gelegenheit nachholen könnte. „Nein, ich dachte mir nur, wenn wir hier schon zusammen in einem Haus leben, sollten wir vielleicht auch ein wenig enger zusammenrücken.“

Daran lag mir zwar nicht wirklich etwas, aber das musste ja keiner der beiden wissen und Sorluska schien über diese Aussage sogar reichlich zufrieden. Sofort winkte er mich mit sich, so dass wir zusammen Thalias Zimmer aufsuchten.

Der Raum entsprach von der Größe her etwas meinem, ein kleiner, quadratischer Raum – aber die Einrichtung war ein wenig anders. Bei jemandem wie Thalia hätte ich etwas Nüchternes erwartet, vielleicht sogar etwas Langweiliges, aber ich wurde überrascht. Der Futon war zusammengerollt und lag direkt an der Wand, möglichst weit entfernt, um nicht zu stören, der Spiegel wurde von einem schmalen gestrickten Schal geschmückt. Auf dem Brett oberhalb des Waschbeckens befand sich neben Zahnputzbecher, Zahnbürste und -pasta, auch eine Haarbürste und ein Deodorant, dessen Geruch ich nicht anhand der sehr eigenwilligen japanischen Namensgebung ausmachen konnte. An der Wand gegenüber war ein weiteres Regalbrett angebracht, auf diesem befanden sich mehrere Bücher auf Griechisch, deren Bedeutung ich nicht entziffern konnte, aber allein von den Bildern auf dem Umschlag ging ich davon aus, dass es sich dabei um Strickanleitungen handelte, was ich absolut nicht mit Thalia in Einklang bringen konnte. Auf dem kleinen niedrigen Tisch lag eine seidene Zierdecke, darauf thronte eine einfache Glasvase in der sich ein farbenprächtiger Blumenstrauß befand. Aber das eigentlich Schockierende befand sich neben dem Tisch: Es war Thalia, die gerade mit gelöstem Gesicht am Stricken war.

Einen solchen Anblick hatte ich sicher nicht erwartet, deswegen war ich umso überraschter, Sorluska nutzte die Gelegenheit, um mich niederzudrücken, damit ich gegenüber von Thalia sitzen konnte. Sie schenkte mir ein kurzes Lächeln über ihre Strickarbeit, ließ das Klappern der Nadeln aber nicht einmal unterbrechen. „Da bist du ja wieder. Wo warst du unterwegs?“

„Ich war mit Kashi-san essen“, antwortete ich ihr. „Und ihr? Seid ihr die ganze Zeit … hier gewesen?“

„Das machen wir meistens.“ Sorluska setzte sich neben mich. „Gibt ja auch nicht viel zu tun hier.“

Abgesehen von den Clubs und dem Lernen gab es da wohl tatsächlich nichts, was man noch machen könnte. Außer man beschäftigte sich mit derartigen Hobbies.

„Geht keiner von euch ins Internet?“, hakte ich nach, um direkt meinem Plan nachzugehen.

Thalia schüttelte desinteressiert mit dem Kopf, aber Sorluska nickte grinsend. „Manchmal schon. Ich muss ja wissen, was in meinem Heimatland abgeht.“

„Hast du da mal nach Nachrichten bezüglich der Fälle im Park geschaut?“

Keiner der beiden schöpfte wohl nur den geringsten Verdacht, denn während Thalia nicht einmal die Miene verzog, antwortete Sorluska vollkommen arglos: „Klar doch. Aber da findest du nur einen Haufen Zeug, der totaler Schwachsinn ist. Ich meine, hallo, die Leichen sollen keine Menschen sein? Das ist doch dämlich.“

„So etwas gibt es nur in schlechten Filmen“, stimmte Thalia ihm zu.

„Habt ihr jemals eine der Leichen gesehen?“

Die beiden beäugten mich irritiert, als sei ich nicht mehr bei Sinnen – und hätten sie von Isolde gewusst, wären sie sicher auch davon überzeugt gewesen.

„Natürlich nicht“, sagte Thalia. „Es ist immer schon abgesperrt, wenn wir morgens aufwachen.“

„Aber wer findet sie dann?“

Es war zwar früh hell, aber es kam mir seltsam vor, dass wirklich Leute derart früh durch diesen Park gehen sollten, denn das Abriegeln nahm immerhin sicher auch Zeit in Anspruch. Vielleicht gab es auch Polizisten, die dort regelmäßig patrouillierten, um genau derartige Fälle in den Griff zu bekommen. Oder es gab jemand anderen, der die Fälle meldete.

„Wen kümmert's?“, fragte Sorluska. „Sie sollten lieber endlich mal die Täter finden.“

„Hat einer von euch mal gehört, wie die Leichen aussehen sollen?“

Beide zuckten gleichgültig mit den Schultern, aber Sorluska neigte gleich darauf den Kopf. „Ich hab mal was gehört. Ein Typ aus der Schule hat mal angeblich eine der Leichen gesehen, es war eine rothaarige Frau, die er nicht kannte.“

Gab es Lakaien mit roten Haaren? Isolde bestätigte das mit einem leisen Laut, der gleichzeitig sehr nachdenklich schien. Ich fragte nicht nach weiteren Details, das könnte ich später immer noch tun, nun musste ich erst einmal Thalias Bedenken zerstreuen. Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an, das Stricken war inzwischen eingestellt. „Warum interessiert dich das alles so sehr?“

„Ist das ein Witz?“ Diese Gegenfrage war unhöflich, aber in meinen Augen angebracht. „Wir wohnen direkt gegenüber von diesem Park. Da ist es doch naheliegend, sich mal über solche Dinge zu informieren.“

Inzwischen sogar ohne den Wunsch, das meinen Eltern zu schreiben, damit sie mich wieder zurückholten. Ich wollte nur noch wissen, was eigentlich vor sich ging und ob ich etwas dagegen ausrichten konnte.

„Manchmal ist es besser, nicht so viel zu wissen“, erwiderte Thalia kühl. „Dann hat man auch weniger Möglichkeiten, in Schwierigkeiten zu geraten.“

„Das denke ich nicht“, konterte ich. „Man gerät lediglich in andere Schwierigkeiten.“

Ich war immerhin schon mittendrin, obwohl ich gar nichts wusste. Also wäre es für mich doch praktischer, wenn ich mehr wüsste, dann wäre es mir auch möglich, dem entgegenzuwirken.

Sorluska stieß ein schnaubendes Lachen aus. „Da haste recht, Leana.“

Netterweise sagte er nun meinen vollständigen Vornamen, nicht mehr nur diese Verstümmelung, die ich niemandem erlaubte. Zufrieden blickte ich zwischen den beiden hin und her. „Also? Gibt es noch mehr Dinge, die ich wissen sollte?“

Thalia seufzte schwer. „Sicher ist dir schon aufgefallen, dass man nachts manchmal Lichtblitze aus dem Park sehen kann. Aber niemand kann sich dieses Phänomen erklären.“

Ich konnte es, aber ich durfte es nicht sagen. Vermutlich glaubten sie mir das ohnehin nicht, deswegen behielt ich es ebenfalls für mich.

„Die habe ich auch schon gesehen.“ Ich erinnerte mich noch gut an meinen ersten Abend, an dem mir dieses Blitzen aufgefallen war. „Und sonst?“

„Sonst nichts“, sagte Thalia entschieden. „Wir haben noch keine misstrauenserweckenden Personen gesehen, auch noch keinen Mord beobachtet, wir leben hier ziemlich friedlich.“

„Und langweilig“, schnaubte Sorluska.

Mehr bekäme ich von ihnen wohl nicht mehr zu hören, aber immerhin wusste ich nun, dass diese Gerüchte wirklich im Internet umgingen. Ich fragte mich nur immer noch, woher sie kamen, wenn doch kaum jemand wirklich über irgendetwas Bescheid wusste. Vielleicht sollte ich doch noch mit demjenigen reden, der die Leiche gesehen haben wollte.

„Es könnte sich bei dieser um Yaga handeln.“ Wieder dieses seltsame Rauschen bei einem von Isoldes Worten. „Deswegen müssen wir wissen, wie sie aussieht, damit ich es bestätigen kann.“

Sofern es sich dabei wirklich um immer dieselbe Leiche handelte. Aber wenn sie ohnehin kein Mensch war, stand die Chance gut. Jedenfalls wenn die Gerüchte stimmten. Das galt es ja, herauszufinden.

Ich wandte mich wieder Sorluska zu. „Wer ist denn der Kerl, der eine der Leichen gesehen hat?“

Thalias Schmunzeln war für mich nur aus dem Augenwinkel zu sehen, Sorluskas Grinsen weckte kein gutes Gefühl in mir.

„Die Antwort wird dir bestimmt nicht gefallen“, sagte er, was meine Stimmung nur weiter drückte, da ich bereits eine Ahnung hatte, wie die Antwort aussah – und leider musste Sorluska diese auch sofort bestätigen: „Es war Zetsu Akatsuki, der meinte, er hat mal eine der Leichen gesehen.“



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