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Schnee

Tripelpunkt Teil 1
von

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Nordwind

Kapitel 5: Nordwind
 

Kai fühlte sich merkwürdig befreit. Als hätte er eine Schlinge durchgeschnitten, die sich in den letzten Wochen immer enger um seinen Hals gezogen hatte. Ihm war als spürte er die Stellen an seinem Hals noch, an denen bis vor kurzem dieses Seil gescheuert hatte. Er fuhr sich mit der Hand unter seinen Schal und massierte sich leicht den Nacken. Es kam nicht oft vor, dass er Emotionen auch körperlich wahrnahm, nicht in solchem Ausmaß.

Kai hielt seine Hände vor sich und schaute auf sie hinab, sie zitterten leicht, die Anspannung fiel ab.

Er ging den unbeleuchteten Flur zurück ins Wohnzimmer. Max und Tyson, immer noch zu sehr mit sich selbst beschäftig, hatten seine Abwesenheit noch nicht bemerkt. Er ging durch den Raum und löschte die Kerzen. Kai glättete seine Decken und legte sich hin, die Arme hinter dem Kopf verschränkt ließ er seine Gedanken schweifen und hörte nur halb den Albereien von Max und Tyson zu.

Das Feuer im Kamin strahlte eine angenehme Wärme aus und der süßliche Rauchgeruch der gelöschten Kerzen hing in der Luft. Die brennenden Holzscheite knackten und Kai glitt langsam in einen traumlosen Schlaf hinüber.
 

Eine graue Eule rutschte nach einem missglückten Jagdversuch über die vereiste Oberfläche eines Sees, ehe sie sich wieder elegant in die Dunkelheit der Nacht erhob. Der kalte Nordwind wehte die Spuren des Tieres auf dem Eis mit pulverigem Schnee zu, bevor der graue Vogel wieder vollends von der Nacht verschluckt wurde; und die Teichoberfläche lag erneut unberührt und verschleiert glitzernd im Mondlicht da.

Der Nordwind strich über die Wipfel der schneebedeckten Bäume. Eine Böe riss einige Eiskristalle mit sich und wirbelte sie durch die Nacht, trieb sie in den Himmel hinauf und ließ sie zur Erde stürzen, als machte es ihm Freude mit ihnen zu spielen. Noch einmal wirbelte er sie, wie ein geübter Gaukler, in einem großen Bogen umher, bevor sie sich sanft auf dem Rahmen einer Fensterbank niederließen und mit dem darauf vorhandenen Schnee verschmolzen.

Die Nacht und der Wind zog die Wärme aus den unbeheizten Räumen und füllte sie mit klammer Kälte.
 

***
 

Das gedämpfte Geräusch einer Autohupe holte Kai aus dem Schlaf. Er blinzelte und sah sich um. Das kalte Licht der Morgensonne fiel gleißend hell durch das große Fenster in das Wohnzimmer. Die Vorhänge zur Veranda waren nicht geschlossen und er konnte hinaus in die strahlend weiße Landschaft blicken, die so unberührt vor ihm lag.

Kai setzte sich halb auf und die Decke rutschte ihm in den Schoß. Jemand hatte sie in der Nacht über ihn gelegt. Er betrachtete die schlafenden Gestalten seiner Freunde. Max und Tyson hatten sich im Schlaf in grotesk verdrehte Positionen gerollt, um es sich auf der zu kurzen Couch bequem zu machen. Der Boden war zwar hart gewesen, aber so wie seine beiden Freunde da lagen, glaubte Kai das bequemere Lager für die Nacht gehabt zuhaben.
 

Ray hatte sich in der Nacht direkt neben ihn gelegt.

Kai verdrängte die aufkeimenden Hoffnungen Rays Gefühlen ihm gegenüber, die sich mit dieser Geste verbanden. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf seine Züge schlich. Auch wenn nur die Nähe zum Feuer Ray angelockt haben mochte, es war doch ein angenehmes Gefühl ihn nur eine Armeslänge entfernt zu wissen.

Kai streckte sich. Er bemerkte jetzt erst, dass es im Wohnzimmer angenehm warm war, obwohl das Feuer in Kamin erloschen war. Eine kleine Stehlampe in der Ecke brannte. Ihr Licht schien kümmerlich und schwach gegen das gleisend helle Morgenlicht an; doch sie hatten wieder Strom.

Erneut nahm Kai das gedämpfte Geräusch der Hupe wahr.

Vorsichtig stand er auf und schlich leise durch das Zimmer um die Anderen nicht aufzuwecken. In der Ecke schaltete er die Stehlampe aus.

Im Flur zog er sich seinen Mantel über und ging nach draußen um nachzusehen wessen Auto gehupt hatte.
 

Die Morgenluft war eiskalt und klar. Sie prickelte in seinen Atemwegen, als er einmal tief durch die Nase einatmete. Kai hob die Hand zum Gruß als er Koba, den Hausmeister, sah, der mit seinem klapperigen Auto die Straße bis zur Hütte hinauf von Schnee frei geräumt hatte. Nur ein schmaler Streifen zwischen Haus und Straße war noch dick beschneit. Der alte Mann hielt das Auto an und Kai stapfte durch den Schnee auf die frei geräumte Fläche hinaus.
 

„Alles okay bei euch? Habt ihr die Nacht gut überstanden?“, fragte der alte Mann und reichte Kai ein in braunes Papier gepacktes Bündel aus dem Wagen.
 

Kai nickte.
 

„Ich habe euch etwas zum Frühstück mitgebracht.“, Koba deutete auf das Bündel, das er Kai gereicht hatte. Was auch immer dort eingewickelt war, es war noch warm und roch verlockend. Nach dem mehr als dürftigem Abendessen gestern, stellte Kai im Moment allerding auch keine besonders hohen Ansprüche.

Er bedankte sich und der alte Mann wendete den Wagen um davonzufahren.
 

***
 

Tysons Stöhnen riss Ray unvermittelt aus dem Schlaf. Alarmiert sah er sich um.
 

„Was ist los?“
 

„Mein Rücken tut weh.“, sagte Tyson gähnend und rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Seite. Er sah übernächtigt aus und hatte offensichtlich mehr als schlecht geschlafen. Ray ließ sich zurück auf seine Decken sinken. Auch er selbst hatte keine besonders lange Nacht gehabt.
 

Ray drehte seinen Kopf ein stückweit und spähte zu Kais Schlafplatz hinüber. Dessen Nachtlager war bereits leer. Natürlich.

Kai. Er war der Grund gewesen warum Ray sich die Nacht mit Grübeleien um die Ohren geschlagen hatte. Ray hatte sich sogar kurzzeitig gefragt, ob ihm seine Fantasie nur einen Streich gespielt hatte und er die ganze Unterhaltung in ihrem dunklen Schlafzimmer nur geträumt hatte, so abwegig erschien im das, was passiert war.

Fast wünschte er sich, es wäre so.

Ray erinnerte sich an seine eigenen Gedankengänge, die er gehabt hatte, als er mit Kai allein in der Quelle gesessen hatte.

„Küss mich!“ , hatte er gedacht. Doch auch diese Situation erschien ihm so fremdartig und fern.

Es war zum Haare raufen. Da hatte er die ganze Nacht Zeit gehabt, um über alles nachzudenken, nur um zu dem Schluss zu kommen, dass er gar nichts wusste. Weder ob er etwas für Kai empfand, noch was jetzt mit ihrer Freundschaft passieren sollte … immerhin waren sie ja Freunde gewesen.

Aber das Schlimmste war, dass er nicht wusste, wie er sich Kai gegenüber jetzt verhalten sollte. Schließlich war er ihm ja so etwas Ähnliches wie eine Antwort schuldig, zu der er gestern ja viel zu überrumpelt gewesen war.

Ray seufzte und stand auf.

Es war angenehm warm, was ihn darauf schließen ließ, dass sie wieder Strom hatten. Er wollte duschen, bevor Tyson oder Max auf die gleiche Idee kamen.
 

Kai betrat mit von der Kälte gerötetem Gesicht das Haus, hängte seinen Mantel an den Haken und streifte sich die Handschuhe ab.

Er hatte die letzte Stunde damit verbracht ihr Auto von der Schneelast der vergangenen Tage zu befreien. Er mochte körperliche Anstrengung in jedweder Form, vor allem da er in den letzten paar Tagen zum Nichtstun verdammt gewesen war.

Er schüttelte sich ein paar Eiskristalle aus den Haaren und ging in die Küche. Das in braunes Papier eingewickelte Päckchen von Herrn Koba stand noch unangetastet auf dem Tresen. Kai hatte die Hoffnung gehegt, dass die Anderen inzwischen aufgestanden seien und sich vielleicht bereits um das Frühstück gekümmert hätten, doch seine Hoffnungen wurden enttäuscht.

Er gab einen missmutigen Laut von sich und stellte den Wasserkocher an um wenigstens Tee zu zubereiten.
 

Ray betrat frisch geduscht und angezogen die Küche, stockte als er Kai sah und wäre am liebsten wieder heimlich verschwunden, wenn der Russe seine Anwesenheit nicht schon längst bemerkt hätte.

Ray hatte gehofft eine solche Situation, in der er mit Kai allein war, noch eine Weile hinaus zögern zu können. Doch nun standen sie sich hier gegenüber und Ray hatte noch keine Ahnung, was er jetzt tun wollte. Er sah Kai an, der ihn angespannt musterte und scheinbar darauf wartete, dass Ray den ersten Schritt tat.

Ray sah wie ein paar Eiskristalle in Kais Haar schmolzen. Kai war attraktiv, keine Frage. Er hatte auch irgendetwas in seiner Art, dem man sich nur schwer entziehen konnte.

Doch Ray traute sich selbst nicht mehr. Die Liebeserklärung von Kai hatte seine Sicht auf die Dinge gewandelt. Als würde er die Welt auf einmal durch ein Kaleidoskop betrachten, hatten sich die Dinge verändert. Kai war für ihn nicht mehr derselbe Mensch, den er gestern Morgen noch zu kennen geglaubte hatte.

Ray zuckte leicht zusammen, als er bemerkte, dass er Kai die ganze Zeit über unverhohlen angestarrt hatte.
 

„Morgen.“, stammelte Ray, obwohl er wusste, dass seine Begrüßung viel zu spät kam um noch halbwegs normal zu klingen.
 

„Morgen.“, sagte auch sein Gegenüber und der sanfte Tonfall in Kais Stimme vermittelte Ray das Gefühl eines Déjà-vu des gestrigen Gesprächs.
 

„Ich wollte Frühstück machen. Herr Koba hat uns was vorbeigebracht.“, Kai nickte in Richtung des in braunes Papier eingewickelten Päckchens.
 

„Hmm, ich helf dir.“

Ray war froh sich beschäftigen zu können um die unangenehme Situation zu überspielen.
 

„Hast du gut geschlafen?“, fragte Kai Ray, während der Russe ein paar Teller aus dem Schrank nahm. Ray, dessen Gesicht, durch die geöffnete Schranktür von Kai nicht zu sehen war, hielt in seiner Bewegung inne und kniff die Augen fest zusammen.

Ray hätte am liebsten geflucht. Er befürchtete, dass Kai sich Hoffnungen machte, weil er sich gestern Nacht doch noch neben den Russen gelegt hatte um die Wärme des Kamins zu nutzen. Ray knirschte leise mit den Zähnen, er hätte sich doch denken können, wie diese Geste auf Kai heute Morgen gewirkt haben musste.
 

„Ja.“, sagte Ray gedehnt und ihm fiel auf einmal auf, wie ungewöhnlich lange Kai schon in dem Schrank mit den Tellern klapperte und sich somit hinter der geöffneten Tür verbarg. Ray fasste sich ein Herz, es war nur fair Kai reinen Wein einzuschenken, damit er sich keine Hoffnungen machte.

„Ich habe gut geschlafen. Ich hoffe es war in Ordnung, dass ich mich neben dich gelegt habe. Ich wollte nicht das du dir deswegen …. Nicht dass du denkst, dass …“
 

Ray konnte Kais Gesicht nicht sehen, merkte aber wie das Rückgrat des anderen sich bei jedem Wort mehr versteifte. Kai hatte verstanden welche Bedeutung in Rays Worten mitschwang.

Vielleicht gab es Dinge, die lieber unausgesprochen blieben.

„Ich liebe dich nicht.“, war eindeutig so eine Sache, obwohl es Ray für sich selbst wohl eher als: „Ich denke nicht, dass ich dich liebe.“ formuliert hätte.

Momente vergingen, dann schloss Kai die Schranktür, seine Augen hatten jeden Anflug von Sanftheit eingebüßt. Es war wieder der kalte Blick des jungen Mannes, den Ray noch vor zwei Tagen zu kennen geglaubt hatte.
 

Ende
 


 

Kein Happy End, ich weiß. Das war zwar von Anfang an nicht so geplant, hat sich aber zum Schluss doch jetzt so ergeben. Wahrscheinlich erfolgt demnächst eine Fortsetzung der Geschichte, die sich inhaltlich komplett anschließt. Titel soll "Regen" sein, sie wird auch fünf Kapitel lang werden und vom Stil her ähnlich aufgebaut sein wie diese Geschichte.

Ich fand es nur erst einmal für mich richtig, hier einen Schnitt zu machen. Ich komme mit dem Schreiben der Kapitel nicht hinterher und bin mit mir selbst nicht zufrieden, wenn ich im letzten Kapitel merke, dass ich im ersten Kapitel vielleicht besser noch etwas verändert hätte, damit die Geschichte in sich stimmiger gewesen wäre.

Wenn die Fortsetzung kommt , wenn das Komplettpaket steht, und regelmäßig Kapitel hochgeladen werden können.
 

Soviel dazu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von: abgemeldet
2012-05-31T15:27:18+00:00 31.05.2012 17:27
Irgendwann hatte ich ein paar Kapitel dieses Ff schon einmal geslesen O_o Ich vermute mal ich habe dann wegen dem sad End aufgehört ... aber da es ja jetzt eine Fortsetzung gibt habe ich noch Hoffnung *__* Du hast einen schönen Schreibstil, es macht Spaß die Kapitel zu lesen ... und ich finde du bringst Reis Verwirrtheit und Kais Verhalten sehr gut rüber!

*zur Fortsetzung husch*
Von:  xXNoMoreSorrowXx
2012-04-18T21:13:02+00:00 18.04.2012 23:13
Schöne Story.
Ich mag auch die Abschnitte wo du die Landschaften beschreibst sehr gern,man kann sich richtig in diese schöne Eiswelt hineinversetzen.Dafür Daumen hoch.
Leider wie schon vorher gesagt, so Abrupt zuende.
Ich hoffe Aufjedenfall auf eine Fortsetzung.

lg.NoMoreSorrow
Von:  Minerva_Noctua
2012-03-26T12:37:10+00:00 26.03.2012 14:37
Das Kapitel war ja abrupt zu Ende.
Aber es hat mir gefallen.
Ich war nur überrascht, dass Rei sich über seine Gefühle so gar nicht im Klaren war. Im letzten Kapitel hat er sich ja so benommen, als wolle er unbedingt vermeiden, dass Kai erfährt, was er empfindet.
Aber die Aussicht auf eine Fortsetzung freut mich sehr^^!
Wäre schön, wenn du Bescheid sagst, sobald das erste Kapitel da ist:)
Die Stimmungen hast du recht gut beschrieben.
Nur den Absatz mit der Eule hätte ich gleich zu Anfang gesetzt. Wirkt recht verloren so mitten drin.
Die Kapiteltitel waren ebenfalls gut ausgewählt^^.
Weiter so!

Bye

Minerva
Von:  blackangel_tsukuyomi
2012-03-25T19:55:20+00:00 25.03.2012 21:55
Ich bin auch schon auf die Fortsetzung gespannt.
Kannst du mir Bescheid sagen,wenn es da ist?
Danke im voraus.^^

Das Ende ist echt fies,man konnte wirklich die Kälte von Kais Augen spüren.Brr...
Du hast diese üble Stimmung ziemlich gut beschrieben.
Wie es jetzt wohl weitergeht?
Sind sie jetzt erst mal keine Freunde mehr?
Kai wird doch sicher erst mal Abstand haben wollen?
Aber das wird ja alles noch geklärt.^^

Bis zum nächsten Mal.

LG

Von:  Alex_Dryden
2012-03-25T10:11:22+00:00 25.03.2012 12:11
Ok...
jetzt bin ich auf die Fortsetzung gespannt...
Ich fand das Ende auch ok so...war auch recht unerwartet und das war toll..
Ich hätte nicht gedacht dass Ray das nicht erwidert, weil es kam doch schon so rüber...

Aber die Stelle wo du geendet hattest ist schon fies ne...der Blick von Kai zum Schluss ist schon hart, deswegen mach schnell weiter mit einer Fortsetzung^^

Bey Guave_Lexi
Von:  LellaTheDarkAngel
2012-03-25T09:24:24+00:00 25.03.2012 11:24
ich stimme usagi zu es muss nicht immer happy ends geben
ich mag happy endszwar aber auch..
sad ends sind echt klasse
ich in kleine dramatikerin^^

ih find die story auf jedne fall gut^^

LG Lella
Von:  usagi_san
2012-03-25T09:06:06+00:00 25.03.2012 11:06
heyho^^

na es muss ja nich immer ein happy end geben ;)

da bin ich mal gespannt was du für eine fortsetzung bringen wirst^^.

gutes kappi, nur ich finde grade auf den letzten zwei seiten hast du Rays Namen viel zu oft geschrieben.
da hättest du ruhig mal schreiben können "der Chinese", "der schwarzhaarige" oder sowas in der Art. *zwinker*

LG usagi^^~


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