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Lascivious Devil

Die Kinder einer Stadt
von

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Eustass Kid streckte sich ausgiebig und warf einen kurzen Blick zurück auf das Bett, in dem sich eine schwarzhaarige Frau genüsslich räkelte und ihre Blöße mit dem dünnen Laken bedeckte. Obwohl sie älter war als er umgab sie eine eigenartige, süffisante Schönheit. Der Hauch des Verruchten umwehte sie wie ein feines Parfum, welches ihn angesprochen und in den Bann kurzweiliger Leidenschaft gezogen hatte. Doch jetzt, da er bekommen hatte was er wollte, fand er sie so abstoßend wie tiefste Winternacht, wollte sie alsbald wie möglich von Bord bekommen. Dennoch ließ er ihr Zeit um sich für den nächsten Freier herzurichten.

„Zieh dich an!“, befahl er barsch und warf ihr das Kleid entgegen. Der bloße Gedanke an all die Männer, die sich vor ihm mit ihr vergnügt hatten und es nach ihm tun würden, ekelte Kid an. Käufliche Liebe war allerdings nicht das, was ihn wieder nach Aloris getrieben hatte. Er war hier aufgewachsen und wollte ein letztes Mal die süßlich schwere Luft riechen, den unmerklichen Gestank der Slums, welcher pestgleich durch die Straßen zog und leise Lebewohl sagen, denn bald würden sie Segel setzen und dem South Blue den Rücken kehren. Viel zu lange hatte er die Abreise verzögert, aber seine Mannschaft begann sich zu langweilen, drängte nach neuen Abenteuern auf der sagenumwobenen Grandline, an deren Ende Macht, Ruhm und Gold Rogers Schatz wartete. Die Gewässer des Südens waren keine Herausforderungen mehr.

Er war jetzt dreiundzwanzig. Ein ungewöhnliches Alter für einen Neuling, der sieben lange Jahre den Blue unsicher gemacht und Kraft gesammelt hatte. Alle Männer an Bord der Lascivious Devil waren ruppige Burschen mit einer unbändigen Kampfeslust und der kennzeichnenden Loyalität der Südländer, die sich gerne als Azurer bezeichneten wie die Farbe der seichten Küstengewässer rund um die vielen Inseln. Ein Stück Vertrautheit im Ungewissen, da Kid jederzeit auf sie bauen konnte.

„Mein restliches Geld, Kapitän!“, forderte die Dirne kühl und streckte die schlanke Hand aus. Grunzend schlenderte Kid zum Schreibtisch und öffnete eine darauf stehende Schatulle. Edelsteine, geprägte Münzen aus fernen Ländern und Schmuck lagen ungeordnet zwischen grünen Berryscheinen. So gesehen hatte sich das Hafenluder keinen Obolus verdient, aber der junge Mann war nicht geizig und drückte ihr ein saftiges Trinkgeld in die Hand: „Ich hoffe du hast mir nichts Bleibendes verpasst.“, wisperte der Rothaarige giftig und erntete ein schnippisches Hüsteln. Die wenigsten Frauen von Aloris gingen freiwillig anschaffen. Schicksalsschläge, gleich welcher Art, trieben sie dazu, da viele Menschen bettelarm waren. Aloris teilte die Gesellschaft, wie kaum eine andere Stadt im Blue, in zwei Sparten. Arm und Reich, Freier und Hure, Bettler und Fürst. Hier gab es kein Dazwischen, nichts was die Gegensätze abpufferte. Diese himmelschreiende Ungerechtigkeit gab der Hafenstadt einen ganz besonderen Reiz, auch wenn er traurig und beschämend war.

„Das beruht auf Gegenseitigkeit, Kapitän!“, schnurrte die Frau und entriss ihm das Geld, stopfte es sich in das Mieder, aus welchem ihre Brüste hervorquollen. Der Angesprochene gab ein belustigtest Glucksen von sich. Sie war sauber. Der Gesundheitspass, den die meisten Prostituierten - auf Anordnung der Gemeinde - mit sich herumtrugen, legte Zeugnis davon ab. Jeden Monat mussten sie sich einer Untersuchung unterziehen. Irrsinnigerweise war Hurerei die Haupteinnahmequelle der Stadt, weswegen Aloris etliche unschöne Kosenamen unter den Seefahrern hatte. Wobei Letztgenannte solch einen Pass dringend selbst benötigten.
 

Kid beschloss nichts zu erwidern, sondern ließ sich geräuschvoll in den Schreibtischstuhl fallen, warf die Beine auf die Tischplatte und schickte seine Gedanken auf Reisen. Vor ihm lagen unzählige, vergilbte Seekarten ihrer kommenden Reiseroute. Stunden um Stunden hatte er mit dem Navigator darüber gebrütet, fein säuberlich die Breitengrade und bekannten Untiefen eingezeichnet. Er ahnte hingegen, dass dies ein recht sinnloses Unterfangen war, da die Grandline so mache Überraschungen bereithielt auf die man sich einfach nicht vorbereiten konnte.

Verrufen als piratenverschlingendes Grab, bündelte die Grandline die stärksten Piraten der Welt in einem Meer und machte sie so zu einer extrem gefährlichen See. Der dauernde Kampf gegen feindliche Mannschaften, sowie ein extrem hohes Marineaufkommen sorgten dafür, dass die meisten Piraten bereits zu Anfang ausgesiebt wurden. Nur wer sich gegen diese Hindernisse behaupten konnte, hatte dort eine Chance. Dadurch überlebten nur die stärksten Piraten und sorgten so für das außerordentliche Niveau an Gesetzlosen. Auch wenn er keinen Schimmer hatte worauf der sich einlassen würde, wollte Kid mit seiner Crew dieses Wagnis eingehen, welches sie wohlmöglich für Jahre von ihrer Heimat trennen würde. Indes hatte er die Männer seiner Bande um Aufschub gebeten und Kurs auf seine Heimatstadt nehmen lassen. Er wollte nicht gehen ohne ein altes Versprechen eingelöst zu haben.
 

Der erhabene Moment der Normalität ließ euch von ausgekochten Überlebenskünstlern wieder zu unschuldigen Kindern werden, die unverdrossen über die verschiedensten Dinge plauderten.

„Du bist aus der Unterstadt, oder?“, harkte Kid nach als sich das Thema auf eure Herkunft änderte. Bedacht nicktest du und planschtest nebenbei mit der Hand im Wasser. Du warst mit sieben Jahren von deiner Mutter im Kinderheim abgegeben worden. Sie hatte einen Mann kennen gelernt und schämte sich mit einundzwanzig bereits ein Kind im Grundschulalter zu haben: „Mama hat bestimmt gedacht, dass ihr Neuer sie nicht mehr mögen würde, wenn sie mich hat.“, flüstertest du. Nach einem Jahr warst du geflohen. Gleichwohl sollte dich diese kurze Zeit für dein restliches Leben prägen.

„Was ist dir passiert?“, wollte dein Gegenüber wissen. Es war erschreckend wie trocken er danach fragte. Gewalt war Alltag in den Heimen und das war vielleicht das Grausamste an dieser grotesk einfachen Fragestellung. Reuig zogst du die Beine an den Körper und umschlangst sie mit deinen Armen.
 

Ein lautes Klopfen holte den jungen Mann in die Realität zurück. Erstaunt blickte er zur hölzernen Tür, hinter der die Stimme seines Vizekapitäns gedämpft um Einlass bat. Entnervt rieb Kid sich die Schläfen und griff nach der angebrochenen Flasche mit Rum: „Hatte ich nicht gesagt, dass ich nicht gestört werden möchte?“, maulte er nachdem Killer die Tür einen Spalt weit geöffnet hatte und seinen Kopf in den Raum steckte. Eigentlich besaß der Vize genug Anstand ihn in Ruhe zu lassen während sein Kapitän zu Gange war. Es musste sich demgemäß um etwas Wichtiges handeln.

„Kapitän, bitte entschuldige.“, räusperte sich der Blonde. Egal welche Gemütsregung sich in Killers Gesicht abzeichnete, so machte es die Maske unmöglich diese zu erkennen. Augenscheinlich war es ihm aber unangenehm. Kid hatte Killer auf dem Aimik Atoll aufgegabelt. Aloris war die Hauptstadt von Mara und lag etwas westlich von besagter Inselgruppe, die Kid´s erster Zwischenstopp war, nachdem er seinen Geburtsort verlassen hatte. In einem Wirtshaus war er mit der Löwenmähne im Verlauf eines gezinkten Pokerspiels aneinander geraten. Ein Wort hatte das andere ergeben. Die Bilanz des daraufhin ausgebrochen Handgemenges betrug sechstausend Berry Verlust für Killer, eine Teufelsfrucht für Kid, einen völlig aufgelösten Wirt, der um seine zertrümmerte Bar weinte und Ärger mit der dortigen Marine, vor der die beiden Streithähne letztlich flüchten mussten. Ja, aller Anfang war schwer.

„Spuck es schon aus, Killer!“, ermahnte Kid seinen Nakama.

„Hier will jemand anheuern.“, antwortete sein Vize beflissen und musterte das Flittchen von oben bis unten. Frauenbesuch war selten und bei ihrem leicht bekleideten Anblick regten sich durchaus gewisse Interessen. Der junge Kapitän nahm dies nur beiläufig wahr, denn Killers nichts ahnende Empfehlung ließ bei Kid sämtliche Alarmglocken lautstark schrillen. Es war befremdend, dass man um Aufnahme bei Piraten bat. Selbst der größte Vollidiot hätte erkannt, dass es sich bei der Devil nicht um ein normales Schiff handelte. Aloris verfügte über keinerlei Marine. Die Staatspolizei war gegenwärtig die exekutive Macht und vor dieser unterbezahlten und demotivierten Truppe brauchte sich die Mannschaft gewiss nicht zu fürchten. Nach oben buckeln, nach unten treten war ihr Motto. Für sie gab es leichtere Ziele als eine bis an die Zähne bewaffnete Piratenbande. Solange sich die Crew ruhig verhielt würde man um sie einen weiten Bogen machen. Viele Möglichkeiten, wer der Fürbitter war, blieben folglich nicht und Kid kannte nur eine Sorte von Einwohnern, die dreist genug waren unverblümt anzuheuern. Ihre Tricks waren ihm vertraut.

„Ist das so?“, schmunzelte Kid und kippelte mit dem Stuhl. Sein Blick glitt zu Killer, der geduldig auf einen Befehl wartete.
 

Euer Erzieher war ein strenger, älterer Herr, dessen stahlblaue Augen immer hinter einer getönten Brille versteckt waren. Dennoch stach dieses Blau durch die Gläser wie ein giftiger Pfeil. Fanatisch religiös wollte er die Mädchen deiner Gruppe durch militärisch anmutende Disziplin auf den Pfad der Tugend bringen, näher zu Gott, wie er gerne behauptete. Beständiges Arbeiten am eigenen Charakter, dem Befolgen strenger Regeln solltet ihr, beschmutzt durch die Erbsünde, euren Frieden mit dem Allmächtigen machen. Dein Tag begann mit kaltem Wasser, der Morgenandacht und der minutiös geplanten Einnahme des Frühstücks. Zu jeder vierten Stunde wurde gebetet und vor dem Abendessen gab es einen Gottesdienst. Spielzeug war rar und wurde penibel aufgeteilt. Lief etwas schief, ging etwas zu Bruch, war das Bett nicht ordentlich gemacht oder wagtet ihr gar zu murren, züchtigte er euch mit allem, was er in seiner Rage zu fassen bekam. Manchmal auch mit der blanken Faust.

Im Heim hattest du dir ein Stockbett mit einem Mädchen namens Sophia geteilt. Sie hatte lustige, blonde Flechtzöpfe, war immer fröhlich und konnte den Puppen tolle Frisuren machen. Du mochtest sie sehr. Die Puppe, mit der ihr spielen durftet, trug den Namen Lucy. Deine neue Freundin hatte sie so getauft und ihr beide liebtet Lucy über alles. Ihr wolltet sie so umsorgen, wie es echter Mütter taten… wie ihr euch immer umsorgt wissen wolltet und wetteifertet, wer denn nun die weltbeste Puppenmama war. Eines Tages, ihr spieltet mit Lucy im ummauerten Garten, brach ein Streit aus. Du wolltest ihr das grüne Kleidchen anziehen, aber Sophia bestand eisern auf das Weiße mit den roten Streifen. Keiner von euch wollte nachgeben und so begannt ihr an dem armen Püppchen mit aller Gewalt zu zerren. Ihre Arme flogen in hohen Bogen davon und der Körper fiel auf die Erde. Lucy´s Porzellankopf barst in tausend Teile und eh ihr euch versaht, stand der sadistische Pädagoge hinter euch. Deine liebe Sophia nahm die Schuld auf sich, obgleich das wenig nützte.

Man band euch am Mittag des nächsten Tages im Hinterhof mit den Händen an angespitzte Stöcke. Ohne Wasser, ohne Schutz vor der sengenden Sonne. Es war die grausame Art des Erziehers zu ermitteln, wer denn an dem Dilemma die Hauptverantwortung trug. Irgendwann kippte Sophia erschöpft vornüber…
 

Beunruhigt lief dein Gefährte vor dem Roof auf und ab. Für seinen Geschmack dauerte das viel zu lange und wäre er nicht so erpicht auf die Beute gewesen, hätte er sich aus dem Staub gemacht. Euer Zeitplan war durch die Warterei durcheinander geraten und dein Gefährte hoffte rechtzeitig eingelassen zu werden bevor du hier aufkreuztest. In der Regel hätte er schon vorgesprochen, das Blaue vom Himmel herunter gelogen und sich absichtlich so dämlich angestellt, dass man ihn einfach ablehnen musste.

Die Tür zum Deckhaus öffnete sich erneut und eine alte Bekannte schwebte mit unanständig wackelndem Hintern daraus hervor. Ein kaum merkliches Kopfnicken ließ ihn wissen, dass soweit alles glatt lief. Um sich vor dem Vizekapitän, welcher Salims spezieller Freundin auf den Fuß folgte, nichts anmerken zu lassen, stand er ein wenig stramm: „Fräulein.“, verbeugte er sich artig und wandte seine Aufmerksamkeit dem Maskenträger zu. Dieser zog sich den Kragen seines blauen Hemdes zurrecht: „Du musst dich gedulden.“, mit einer Kopfbewegung deutete er zu der Metze, die unter anerkennenden Pfiffen die Schiffsrampe hinab stieg, „Der Kapitän ist noch etwas indisponiert, wenn du verstehst was ich meine.“

„Oh ah…“, Salim tat auf peinlich berührt, wartete jedoch und versuchte gegen das ungute Gefühl und das ständig wachsende Misstrauen anzukämpfen. Er durfte nicht die Nerven verlieren, sonst wäre der Bluff aufgeflogen. Killer machte ihn, eben wegen dieser verfluchten Maske, nervös. Salim war in allen Belangen ein abgebrühter Hund, aber wenn man einer Person gegenüberstand aus deren Gesicht man keinerlei Regung ablesen konnte, fiel es schwer gefasst zu bleiben.

Die Minuten kleckerten dahin und dein Kumpan glaubte jeden Moment durchzudrehen. Er war ein alter Hase was das Plündern von Schiffen betraf, hatte viele seltsame Piratenbanden getroffen, doch diese hier schien nicht wie die üblichen Schwachmaaten zu sein. Die meisten Seeräuber waren einfältige Narren, die nicht viel im Oberstübchen hatten, dennoch meinten die Welt würde der Macht ihrer geballten Dummheit zu Füßen liegen. Mit dem Maul vorneweg lebten sie nur für den Augenblick, der ihnen die Freiheit gab sich über gesellschaftliche Normen hinwegzusetzen. Wenige handelten nach einem inneren Rechtsempfinden und wollte man es kleinlich sehen, waren die Piratenmannschaften des Blue nicht anders als du oder Salim. Ob nun die Tatsache, dass ihr sie ausraubtet, zu besseren Menschen machte war fraglich.
 

„Killer!“, eine strenge, herrische Stimme dröhnte unerwartet aus dem Roof, zerschmetterte mit ihrem rauen Bass die unbehagliche Stille, welche die Laute des Meeres und das dumpfe Stimmengewirr der Menschen am Hafen in sich aufzunehmen schien. Der Vizekapitän löste sich aus seiner Starre und hielt ihm die Tür auf: „Wollen wir?“

Argwöhnisch starrte Salim in den Raum, dessen halbdunkle Tücke nach ihm griff wie die Klaue eines Monstrums. Jetzt wusste er mit Sicherheit, dass der Coup danebengegangen war und eine fatale Wendung annehmen würde. Aus dem Zwielicht schnellte eine Hand und packte ihn grob am Kragen, zerrte ihn hinein in das lauernde Schwarz der Lascivious Devil.



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