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Die Klingen des Kaisers

von

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Partner

Graf Uther ging langsam durch den Palast. Nachts hatte er wie üblich als Geheimdienstleiter gearbeitet, aber selbst sein gewöhnlich so kurzer Schlaf im Morgen hatte ihn geflohen. Er hatte einen Fehler begangen, das sagte ihm sein Gefühl – und er war niemand, der so etwas nicht bereinigen wollte. Allerdings war durchaus fraglich, wie sich Dagobert dazu stellen würde.

Im letzten Vorraum, dem ersten, in dem er als Kaiserbruder angehalten wurde, sagte er nur knapp: „Ich bitte Seine Hoheit um unverzügliche Audienz.“

Der Sekretär nickte nur und verschwand hinter den Türen. Wann immer Uther diese Bitte stellte – es war noch nie in den fast fünfzig Jahren vorgekommen, dass sie ihm verweigert worden wäre. Auch jetzt musste Kanzler Godomar das Feld räumen und warf nur einen besorgten Blick auf den Grafen – er wusste um dessen Tätigkeit.

Dagobert erhob sich: „Uther, komm, setzen wir uns an den Kamin, dort ist es wärmer – und ich fürchte, dein Herkommen verheißt nichts Gutes. Du siehst abgehetzt aus....“ fügte er besorgt hinzu.

„Eine durchwachte Nacht. - Markward gab dir gegenüber an nach Tailina zu reisen und du hast es ihm bewilligt.“

„Mir erschien ein Bruderbesuch.....Moment. Er gab es nur an. Wohin ist er?“ Dagobert mochte versuchen ein liebevoller Vater zu sein – seinen Verstand schaltete er deswegen noch lange nicht ab.

„Pavero. Ich habe Michel hinterher geschickt. Es ist von sicher großem Interesse, was Markward von Konstantin will.“

„Unterstützung für seine Thronfolge. Konstantin ist sozusagen der letzte männliche Verwandte für ihn, außer seinem Bruder, den er hat. Zwar sind beide nun Bischöfe aber er will wohl sichergehen.“ Und Dankward hatte ja schon abgelehnt je Kaiser werden zu wollen.

„Ja, vermutlich. Nur, was mich vergangene Nacht um den Schlaf brachte: Markward hat eine persönliche Aversion gegen Michel. Dieser muss, da ihn auch Konstantin kennt, unter seinem richtigen Namen auftreten. Ja, auch Michel mag Markward nicht, aber er ist ein Profi.“

Der Kaiser zog die logische Schlussfolgerung: „Das heißt, du möchtest Sarifa bei Anawiga abziehen und ihm hinterher senden? Uther, ich schätze dich und ich bin der Letzte, der nicht weiß, was du für mich getan hast und immer noch tust. Aber Anawiga ist schwanger.“

„Du willst nächste Woche doch sowieso auf die Reise gehen, diese Hofjagd, und sie mitnehmen. Rund um euch wird es vor Menschen und Leibwachen wimmeln. Und es wird niemandem auffallen, wenn sie dein Zimmer bei Nacht teilt. - Ich habe Sarifa selbst zu Anawiga befohlen und ich würde dich nicht um sie zurück bitten, wäre sie nicht die Einzige, die das schafft. Ich möchte weder dass Markward oder Konstantin, geschweige denn aber auch Michel, mitbekommen, dass sie im Hintergrund agiert.“ Außer, natürlich, ein Notfall traf ein, dann war es wohl kaum zu verhindern.

Dagobert atmete tief durch als er seine Hände auf die Tischplatte legte. „Du fürchtest, Markward könne, aus Politik oder schlicht Abneigung, Michel eine Falle stellen, ihn in ein Duell ziehen oder sonst etwas, das Konstantin das Recht gibt ihn zu verurteilen. - Seit wann hast du solche Furcht vor Markward?“

„Seit er diesen Chilperich hat und noch jemanden, den ich nicht herausfinden kann. Markward selbst ist nicht sonderlich intelligent aber ehrgeizig, in aller Regel eine fatale Mischung. Hat er aber auch noch kluge Berater wird es wirklich schwierig.“ Uther seufzte ein wenig: „Ich musste mir in meinem Beruf angewöhnen Namen rot durchzustreichen und mir war immer klar, dass das auch bei Michel passieren kann. Aber, bitte, Dagobert, nicht, ohne dass ich versucht habe, das, was ich als Fehler erkannt habe, auszumerzen.“

Der Kaiser nickte und stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und klingelte. Dem unverzüglich eintretenden Diener befahl er, die Kaiserin und Prinzessin Sarifa zu holen.

Uther schwieg überrascht. Erst, als sie allein waren, fragte er: „Du willst es beiden sagen?“

„Das Notwendige, ja. Beide sind intelligente junge Frauen und, wenn ich eines gelernt habe: solche Leute arbeiten besser, wenn sie Bescheid wissen.“
 

Nur kurz darauf wussten Anawiga und ihre Kämmerin, dass Markward gelogen hatte und zu Cousin Konstantin gefahren war, und Sarifas Partner hinterher gereist war, wohin auch diese zur Sicherung sollte. Sie hatten die seltene Ehre erhalten an dem Tischchen mit Dagobert und Uther zu sitzen.

„Markward,“ seufzte die Kaiserin, die diesen Namen langsam nicht mehr hören konnte: „Ja, natürlich werde ich ohne....meine Dame besonders aufpassen. Und ich bin durchaus erfreut, Euer Zimmer teilen zu dürfen, mein Gemahl, mehr von Eurer Gegenwart zu haben.“

Sarifa dagegen erkundigte sich bei ihrem Auftraggeber: „Auch mein Partner soll nicht wissen, dass ich ihn beschatte.“

„Nein,“ erwiderte Uther: „Womöglich entstammt mein Bedenken wirklich nur einer schlaflosen Nacht. Er soll nicht glauben, dass ich ihm nicht vertraue. Nur, für den Fall der Fälle – ein Helfer im Hintergrund schadet nie. Er reiste gestern mit einer Eilkutsche ab. Markward hatte eine Woche Vorsprung, und ich vermute, er wird ihn so gut es geht einholen wollen. Ihr bekommt noch Bankbriefe, damit sollte es Euch möglich sein, von hier bis Pavero die jeweils schnellsten Kutschen zu beschaffen.“

„Weitere Anweisungen?“ erkundigte sich die Assassine sachlich und den anderen Dreien am Tisch wurde etwas kühl.

Hastig sagte der Kaiser: „Nur eine: keine Toten.“ Das fehlte noch, dass er seinen eigenen Sohn oder auch seinen entfernten Cousin den Messern der jungen Dame vor ihm aussetzte. Sie würde sie umbringen, dachte er resigniert, und vermutlich keine Sekunde zögern. Assassinen erledigten ihren Auftrag immer und unter allen Umständen, hieß es. Nein, die Hilfe für Michel war eine Sache – das Andere wäre wegen Hochverrates eine Sache für den Henker. Aber noch hatte Markward keinen derart schwerwiegenden Fehler begangen und der geplagte Vater hoffte eigentlich schwer, dass es dabei bleiben würde.
 

Uther behielt Recht: nur einen Tag später als Michel traf Sarifa in Pavero ein, allerdings nicht mit der Eilkutsche. Diese hatte sie an der letzten Station verlassen und sich stattdessen dort zwei Pferde besorgt. Sie sollte Michel zwar nur beschatten, fand es jedoch besser beweglich zu sein. Und im Notfall auch für ihren Partner gesorgt zu haben.

Sie war nicht die geübteste Reiterin und hatte zunächst einige Probleme, bis sie herausfand, wie man ritt und ein Handpferd führte. Außerhalb der grauen Stadtmauern von Pavero ließ sie sie im Wald verborgen zurück, gut angebunden, aber die Trensen entfernt, so dass sie weiden konnten, ehe sie einen Bauern, der in die Stadt fuhr, mit einigen Münzen überredete, sie mitzunehmen. Schließlich besaß sie einen Passierschein der kaiserlichen Kanzlei, der ihr jederzeit Ein- und Auslass durch alle Tore des Reiches sicherte. Auch hier wurde kaum ein Blick darauf geworfen, zumal der lange graue Umhang die Tatsache verbarg, dass sie seltsame Kleidung, einen Brustpanzer und Stiefel trug.
 

Nach einem kurzen Dank an den Bauern sprang sie von dem Karren und sah sich rasch um. Michels Angewohnheit und Rolle kennend, fiel es ihr nicht schwer, den Goldenen Hirschen zu finden und in einer beiläufigen Unterhaltung zu bestätigen, dass er wirklich hier abgestiegen war. Dabei fiel ihr auf, dass drüben am und im Bischofspalast reges Treiben herrschte. Kutschen, schwer beladen mit Fässern und allerlei Gütern fuhren vorbei. Sie ging hinterher. Tatsächlich. Sie waren für den Bischof bestimmt und wurden an einer Hintertür ausgeladen. Das sah nach einem Fest aus und Michel würde doch sicher daran teilnehmen. Bald ging die Sonne unter.....

Sie suchte sich eine ruhige, unbeobachtete Seitenstraße, ehe sie an einer Wand emporkletterte, um auf die Dächer zu gelangen. Behutsam schlich sie dort im Schatten der Kamine und vereinzelten Dachgärten, auf denen Wäsche zum Trocknen hing, entlang, ehe sie sich an den Kamin des Goldenen Hirschen setzte, bemüht, von keinem Dachgarten, aber auch nicht vom Bischofspalast gesehen zu werden. So zog sie sich die Kapuze ihres grauen Umhangs über den Kopf und wartete geduldig, eins mit den länger werdenden Schatten.
 

Später entdeckte sie ihren Partner, der über die Straße zum Palast ging, offenbar eine Einladung vorwies, wie sicher hundert andere Leute auch. Tatsächlich. Da fand wohl heute ein großer Empfang statt – für Markward oder Michel? Oder war es hier einfach so üblich?

Sie beobachtete gelassen, wie hell das Licht in dem größeren Saal dort drüben war – obwohl es noch Winter war, war die Temperatur hier im Süden doch auch schon nachts so erträglich, das man auf die schweren Vorhänge verzichten konnte. Überdies würden die Kerzen und Menschen den Raum zusätzlich aufheizen.

Die Zeit schritt voran, und sie erkannte, dass immer wieder einzelne Gruppen, wohl Familien, ihre Kutschen vorfahren ließen und sie bestiegen. Die Lichter im großen Saal wurden dunkler, erloschen. Nur in einigen Zimmern des Bischofspalastes brannte noch Licht, vielleicht Markward und der Bischof? Übernachtungsgäste? Der Empfang schien jedenfalls vorbei zu sein. Das andere Licht dort unten waren wohl die Küchenräume, in denen nun geputzt und aufgeräumt wurde.
 

Sarifa wartete weiter - wurde nervös. Sicher, Graf Uther hatte ihr gesagt, sie solle unauffällig bleiben, weder Michel noch Markward dürften bemerken, dass sie ihren Partner beschattete, aber...

Ja, aber. Wo steckte er? Es war schon weit nach Mitternacht und alle anderen Gäste waren gegangen. Warum also kehrte Michel nicht zu seiner Unterkunft zurück? Übernachtete er im Palast, um etwas herauszufinden? Eher unwahrscheinlich, dazu hätte ihm doch jeder Vorwand gefehlt, wenn er schon direkt gegenüber wohnte.

Die Assassine beschloss nachzusehen. Er war ihr Partner.

Sie überprüfte in einer kurzen Kletterpartie sein Zimmer. Nicht, dass sie einen Fehler begangen hätte. Es war leer. Wo also steckte er?

Leider war der Bischofspalast ausnehmend gut bewacht, so dass ein Einbruch kaum ohne weitere Erkundigungen gelingen dürfte. Nun, sie musste irgendwie hinein. Warum nicht den direkten Weg nehmen? Sie zog die Kapuze enger um ihren Kopf und den bodenlangen Umhang fester, als sie sich dem Tor näherte. Die beiden Wachen dort sahen sie nur mit gewissem Interesse an. Sollte sie sie beseitigen? Aber das würde auffallen. Und welche Geschichte sollte sie ihnen erzählen?

Als sie vor dem Wächter stand war es der reine Instinkt, der sie ehrlich sagen ließ: „Ich möchte mit dem Bischof sprechen.“ Zur Not bekam sie eben in wenigen Stunden, am Morgen als erste Person Audienz.

„Oh, natürlich,“ erwiderte der Posten mit einem eigenartigen Lächeln: „Ich begleite Euch zu den nächsten Posten, ma donna.“

Irritiert, aber zufrieden, folgte sie dem Mann. Falls es eine Falle wäre, könnte sie sich wehren.

Allerdings stieg ihre Verwunderung von Posten zu Posten, die sie alle weiter begleiteten, immer dieses seltsame Lächeln dabei.
 

Endlich stand sie allein in einem Zimmer. Einem Schlafzimmer, wie sie rasch entdeckte. Es musste sich um das Schlafzimmer des Bischofs handeln. Jetzt begriff sie auch die Wachen. Deren Verhalten ließ deutliche Rückschlüsse auf dessen Lebenswandel zu – nur keine keuschen.

Sie musste nicht lange warten, ehe Bischof Konstantin den Raum betrat. Etwas verwundert schloss er die Tür: „Welche reizende Überraschung, meine Liebe. Ich kann mich gar nicht erinnern jemanden herbestellt zu haben.“

Er wollte näher gehen, als er einen festen Zug an seiner Robe spürte. Erstaunt sah er an sich hinunter – und erschrak zutiefst. Ein Messer steckte zwischen seinen Beinen, hatte seine Kleidung und auch ihn an die Wand genagelt – und seine empfindlichste Körperstelle um Millimeter verfehlt. Noch ehe er reagieren konnte, stand seine Besucherin vor ihm und er spürte kalten Stahl an der Kehle.

„Nicht doch, Bischof,“ sagte Sarifa freundlich: „Ihr werdet nicht schreien. Falls Ihr danach Lust verspürt, so kann ich Euch versprechen, dass es ein äußerst kurzer Schrei werden wird.“

Er versuchte seinen Stolz zu wahren – aber mit zwei Klingen an derart sensiblen Stellen war das gar nicht so einfach: „Wer...seid Ihr?“ brachte er hervor und versuchte unter die Kapuze zu blicken.

„Ich bin eine Assassine.“

Konstantin schluckte trocken. Er hatte von diesem Volk gehört, wenn auch geglaubt, es sei ausgestorben. Und er wusste, dass nichts und niemand einen Assassinen von dem Weg zu seinem Ziel abhalten konnte: „Bin....bin...ich Euer Ziel...?“ Irgendwie schaffte er es diese Worte hervorzustoßen: „Warum?“

Sarifa erkannte den Mut im Angesicht des Todes an, ehe sie schlicht meinte: „Nein. Ihr steht mir nur im Weg.“

Ein zittriges, erleichtertes Aufatmen: „Oh...ich...ich würde Euch gern aus dem Weg gehen...“ beteuerte er aufrichtig.

„Gut.“ Sarifa drückte die Klinge einen Millimeter weiter in seine Haut: „Dann werdet Ihr mir sicher eine Frage beantworten. Anschließend gehe ich und wir scheiden als gute Freunde.“

„Ja, natürlich....“ Der Bischof war in Panik. Nie zuvor hatte er den Tod derart vor Augen gehabt – oder eher nicht, denn das Messer zwang ihn zur Decke zu blicken.

„Heute war ein Mann namens Michel de la Montagne bei Euch. Wo ist er jetzt?“

„Warum...?“ Konstantin brach ab, da er spürte, wie die Klinge in seine Haut schnitt und der erste feine Blutstropfen rann: „Er...er ist..im Kerker.“

„Wie unschön für Euch,“ sagte sie kalt, ohne erkennen zu geben, dass sie das besorgt machte.

„Was...was wollt Ihr von ihm...?“

„Er ist meine Zielperson.“ Und das war nicht gelogen, wenn auch zweideutig, das gab sie gern zu.

„Ich...wenn Ihr wünscht...ich gehe mit Euch hinunter, dann...dann könnt Ihr Euren Auftrag erfüllen.....“

„Natürlich,“ meinte sie zynisch: „Ich gehe freiwillig in Euren Kerker. - Nein. Ihr werdet unverzüglich Anweisung geben ihn aus der Stadt zu bringen. Dann kann ich mich um ihn kümmern.“

„Ja, natürlich.....“

„Ich habe Euer Wort, Bischof!“ Sie zog zu seiner unbedingten Erleichterung den Dolch zwischen seinen Beinen hervor, ohne den an der Kehle freilich wegzunehmen.

„Ja, wie Ihr wünscht.... Das Südtor...“

„Gut. So will ich Euch glauben.“ Sie wich zurück: „Falls Ihr mich betrügen wollt, wäre das ein ziemlich dummer Fehler. Ich komme jederzeit an Euch heran, wie Ihr gesehen habt.“ Mit einer raschen Handbewegung zerschnitt sie den Wandteppich neben ihm.

Der Bischof nickte nur. Dass sie soeben ein Kulturgut von hunderttausend Gulden vernichtet hatte, sollte er ihr besser nicht sagen. Das war eine Warnung gewesen – und es war nur Geld. Als er blinzelte, war sie weg.
 

Michel hing keuchend in seinen Fesseln. Das war härter, als er es sich vorgestellt hatte – und er hatte nicht gewusst, dass eine solche Tortur derartige Schmerzen verursachen konnte. Ob je jemand erfahren würde, was aus ihm geworden war? Noch hatte er es vermocht seine Rolle zu spielen, nichts als den hochmütigen Landadeligen darzustellen, aber die Arroganz hatte ihn schon lange verlassen. Nur die Tatsache, dass er IHN nicht verraten wollte, hatte ihn noch zum Schweigen gebracht. Aber wie viel würde er noch ertragen können? Oder müssen?

Er sah unwillkürlich auf, als der Verhörleiter mit Schergen herankam.

„Nehmt ihn!“ befahl dieser.

Michel konnte ein eiskaltes Gefühl im Magen spüren, als sie ihn losbanden und ihm die Hände auf den Rücken fesselten. Er fiel fast hin, durch das stundenlange Stehen, den scheinbar endlosen Schmerz. Was kam nun? War es für heute vorbei? Für diese Nacht? Oder wartete auf ihn etwas noch Schlimmeres? Ein schwarzer Sack wurde ihm über den Kopf gestülpt und um seinen Hals festgebunden.

Angst.

Etwas anderes konnte er nicht mehr denken. Panische Angst.

Trotzdem war er Profi genug unterbewusst aufzupassen. Ein Kellergang, Treppen, dann Geräusche wie von rauschenden Bäumen, Kiesel unter seinen Schuhen, dann kühle Frischluft an seinem bloßen Oberkörper, die auch durch den Sack drang. Sie brachten ihn aus dem Bischofspalast. Nur – wohin?

Straßenpflaster. Immer wieder wurde er weiter geschubst, fiel oftmals fast hin, wurde gerade noch abgefangen. Keine Vögel, also musste es noch dunkel sein.

Jemand sagte: „Öffnet die Pforte, Befehl des Bischofs!“

Eine Tür knarrte leise.

Wohin brachten sie ihn?

Die Straße wurde ungepflastert und ihm wurde klar, dass er sich nun außerhalb der Stadt befinden musste. Ja, wenn er sich konzentrierte – da waren Bäume, die im Nachtwind sich bewegten. Gab es eine Chance zur Flucht?

Zum ersten Mal seit Stunden überprüfte er seine Fesseln. Aber die Stricke waren fest gebunden und es waren mindestens vier Mann um ihn.

„Hier, das müsste reichen,“ sagte der Anführer.

Wollten sie ihn hier umbringen? Michel spannte sich an, obwohl er gleichzeitig dachte: was für ein sinnloser Aufwand.

„Viel Spaß, Kumpel. Dein Tod wird gleich kommen!“ Jemand stieß den Gefangenen voran.

Michel fing sich gerade noch vor dem Stürzen, während er bereits hörte, dass die Wachen gingen. Was nun? Gefesselt, halbnackt und ohne Orientierung in einem nächtlichen Wald zu stehen war nicht besonders prickelnd. Und was sollte das heißen: sein Tod würde gleich kommen? Gab es hier Wölfe oder kam ein Henker?

Er hörte leise Schritte und spannte sich unwillkürlich erneut an.

Eine Hand fasste seinen Oberarm und er richtete sich auf - bereit für den tödlichen Stoß.
 

Sarifa bemerkte es und wusste, warum sie ihn bewunderte. Ihre Schuld, sie hätte es gleich sagen müssen. So meinte sie, während sie ihm die Schlinge vom Hals nahm und den Sack abstreifte: „Man kann dich wirklich keine zwei Tage allein lassen!“

„Mein Engel,“ sagte er nur heiser, aber darin lagen alle Emotionen eines Mannes, der dem alten Herrn mit der Sense gerade entkommen ist.

„Es tut mir Leid, ich war etwas spät dran,“ erklärte sie und schnitt seine Hände los. Sein Rücken sah ja übel aus – das waren gut vierzehn Löcher, als ob ein großer Dorn drin gesteckt hatte – natürlich so, dass es nicht tödlich wurde. Das müsste man desinfizieren und er würde kaum lange reiten können, abgesehen von allem Anderen, was sie ihm womöglich angetan hatten.

In seiner rauen Stimme lagen noch immer die Schreie der letzten Stunden: „Sagen wir es so, du hast mich aus dem Kochtopf geholt als er schon über dem Feuer hing.“ Er rieb seine taub gewordenen Handgelenke: „Dafür werde ich dich in meinem Testament bedenken.“

„Vergiss es bloß nicht.“ Sie lächelte

Er gab das erleichtert zurück, froh, wie selten zuvor in seinem Leben: „Kaum. - Aber, wieso bist du hier?“

„Äh...Graf Uther machte sich Sorgen und schickte mich dir hinterher. Und da du nicht in deinen Gasthof zurückkehrtest, fragte ich den Bischof mal wo du steckst.“

Michel holte tief Atem: „Lebt er noch?“

„Ja.“

„Dann wird er uns verfolgen lassen....“ Und das hier war immer noch Pavero, unterstand seiner Rechtsprechung.... Angst schwappte wieder in ihm hoch.

Seine Partnerin sah das nüchterner: „Kaum. Ich habe ihm einen Wandteppich im Wert von hunderttausend Gulden, schätze ich, zerstört. Er wird wissen, dass ich keine Einmischungen in meine Angelegenheiten mag.“ Sie drehte sich um: „Ich habe Pferde besorgt. - Kannst du bist dahin laufen?“

Michel fiel dazu nur eines ein: „Du bist ein Genie.“

„Danke. Sag es nur öfter, dann fange ich an, es zu glauben. Wie bist du denn eigentlich in die Klemme gekommen?“

„Markward,“ gestand er, wenn auch unwillig.

Also hatte Graf Uther durchaus Recht gehabt. Dennoch wiederholte sie fast ungläubig: „Der älteste Sohn des Kaisers?“ Der sollte andere Probleme haben.

„Ja.“
 

Während des langsamen, mühseligen und schmerzhaften Ritts durch die Nacht erzählte er.

Sarifa holte tief Luft, als er geendet hatte: „Du bist wütend auf ihn, aber mit Recht, würde ich sagen. - Würde es dich trösten, wenn ich ihn umbringe?“ Er ging ihr auch schon länger auf die Nerven.

„Weißt du, mein aggressiver Engel, er ist dumm, lästig, hinterhältig und ich mag ihn wirklich nicht. Aber er ist nun mal der älteste Sohn des Kaisers und das macht ein Attentat auf ihn ziemlich unmöglich.“

„Ja, ich sehe es ein.“
 

Say that somebody tries to make a move on you

in the blink of an eye I'll be there too

and they better know why I'm gonna make them pay

till their dying day

I got a license to kill

Gladys Knight: James Bond- License to kill
 

**
 

Das nächste Kapitel zeigt die Folgen dieser Nacht....



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Teilchenzoo
2012-11-21T19:28:45+00:00 21.11.2012 20:28
Gott sei Dank. Das hätte sehr schnell sehr böse enden können. Michels Bericht wird bitter für den Kaiser, soviel ist sicher. Klar, viele Herrscher murksen ihre Rivalen ab, aber souverän ist das nicht. Umso enttäuschender, wen nes der eigene Sohn ist, der so handelt.

Sarifa ist mittlerweile ein Profi, wenn ich mir ihre Herangehensweise so angucke. Das hat sie geschickt gehandhabt. Ihr Glück ist ihr auch hold =). Immerhin ist es bei Folter immer so eine Sache, ab wann man zu spät ist.

Ich hoffe nur, Uthers Instinkt verlässt ihn so schnell nicht.
Von:  fiZi
2012-11-15T07:53:24+00:00 15.11.2012 08:53
Gefällt mir sehr gut, wie sich alles zum Guten gewendet hat, Dank Uthers Instinkt. Ich hoffe, ihm fällt auch die Falle auf, die ihm gestellt wurde, und er schafft es irgendwie, den Gegner zu überlisten.
Ich vermute, dass Michel erstmal aus dem Verkehr gezogen wird, zum einen, damit er sich erholt, zum anderen, damit man ihn als Trumpf hat, den man einsetzen kann, wenn es der Gegner am wenigsten erwartet. Es hat seine Vorteile, wenn alle glauben, man sei tot ^^

Bini schon sehr auf die Fortsetzung gespannt.

Liebe Grüße

Anne
Von:  Krylia
2012-11-13T21:28:45+00:00 13.11.2012 22:28
In dieser Nacht war Sarifa tatsächlich Michels Engel. Sein Schutzengel. Wenn auch ein bisschen spät dran. :)


Bin ja mal gespannt, wie sie das mit Michels Überleben erklären, spätestens wenn Markward und er wieder aufeinandertreffen.


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