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Die Klingen des Kaisers

von

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Bei Hofe

Michel de la Montagne betrat die große Empfangshalle des kaiserlichen Palastes mit einer Gruppe junger Edelmänner, wenngleich niemand derart viel Zierrat an sein Wams genäht trug und wohl auch niemand es gewagt hätte, selbst hier ein weißes Taschentuch in der Hand zu halten. Während er die gut vierzig Meter über den Mosaikboden zum anderen Ende schritt, wo sich die halbkreisförmige Nische befand, in der der Stuhl des Kaisers stand, betrachtete er unwillkürlich den Raum, in dem er doch schon so oft gewesen war.

Es war eine dreischiffige Halle, deren weitaus größter Raum im Mittelteil lag, von den Seitenschiffen durch Säulenreihen aus farbigem Marmor abgetrennt. Oberhalb der Säulen endeten die Seitenschiffe bereits, während sich über dem Mittelteil ein weites Dach aus goldbemaltem Zedernholz spannte. Jeweils oberhalb einer Säule und unterhalb des Dachbeginns lagen die einzigen Fenster des ansonsten nur Fackeln in wertvollen Glasbehältern erleuchteten weiten Raumes. Die Außenseite der beiden Schiffe war mit Fresken geschmückt, die nun jedoch kaum zu erkennen waren, drängten sich doch dort bereits vornehm gekleidete Damen und Herren. Natürlich. Niemand bei Hofe wollte den Einzug des ältesten Sohnes, des womöglich nächsten Kaisers, verpassen.
 

Eigentlich war es fast klar, warum der gute Markward derart arrogant war, dachte Michel unwillkürlich. Und er gab ehrlich zu, dass nicht allein das sein Problem mit dem war. Dankward war vergnügungssüchtig und nutzte seine Stellung schon seit einigen Jahren diesbezüglich aus. Er war anscheinend jung und dumm genug anzunehmen, dass Macht mit Reichtum und Vergnügen gleichzusetzen war und hatte keine Ahnung von der mühevollen Arbeit eines Herrschers. Gut. Dumm und vergnügungssüchtig war eines – dumm und ehrgeizig wie Markward etwas anderes. Natürlich hatte Markward die schulischen Leistungen erbracht, die von ihm gefordert wurden, aber ihm fehlte einfach eine gewisse Schlauheit, eine Raffinesse, die für einen Mann auf dem glatten politischen Parkett eines Kaiserhofes, geschweige denn beim Rennen um die Macht lebenswichtig war. Wer in den Ring stieg um die Krone zu bekommen, musste wissen, dass er dabei mit seinem Leben spielte. Und Michel hatte schon seit mehr als zehn Jahren die Befürchtung, dass Markward sich weder auf sich selbst noch seinen Bruder bei einer möglichen Regierung verlassen könnte – und dass Dagobert und Uther diese Ansicht teilten.

Michel sah nun lieber geradeaus, zu dem Halbrund, das dem Kaiser vorbehalten war. Für Besucher und Höflinge galt eine unsichtbare Schranke davor, nur angezeigt durch die beiden Säulen, die die Apsis zur Halle hin begrenzten.

Dagobert saß dort im Hofgewand, zwar in Wams und Beinlingen, wie es modern war, aber darüber einen an den Rändern mit Gold bestickten bodenlangen roten Umhang, gefärbt aus Purpurschnecken, wie es allein dem Kaiser zustand. Eine Krone in seinem grauen Haar benötigte er nicht. Die Kaiserin, die links neben ihm stand, hatte über ihren blonden, teilweise emporgesteckten Locken dagegen einen Reif aus filigranem Gold angelegt, zusätzlich zu ihrer Kleidung aus Brokat und Taft Zeichen ihres Ranges. Rechts neben dem Kaiser, wie auch Anawiga zwei Schritte hinter dem Stuhl, wie es das Protokoll verlangte, stand Graf Uther. Über seinem dunkelblauen Wams lag die Goldkette mit dem kaiserlichen Hausorden – und wohl nur wenige in der Halle wussten, dass er ihn nicht wegen seiner Bruderschaft erhalten hatte, sondern wegen seiner stillen Verdienste um das Reich.

Michel überlegte prompt, ob Markward den subtilen Hinweis verstehen würde – dies war eigentlich der Platz des Thronfolgers. Das höfische Protokoll konnte sehr genau sein und manchmal grausam – aber Uther stand dort gewiss auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers.

Aber er verneigte sich lieber tief vor Dagobert, weniger vor der Kaiserin und dem Grafen, wie es üblich war, ehe der Kaiser etwas winkte, und sie sich zu dem anderen Zuschauern in der Halle zurückziehen durften. Sicher waren heute hier fast fünfhundert Menschen anwesend, eher mehr.

Er nickte dem einen oder anderen Bekannten zu, lächelte hier und da – und erstarrte unmerklich, als er entdeckte, wer nun den Saal betreten hatte. Einige Leute hatten bereits bemerkt, dass etwas ungewöhnlich war, denn das leise Stimmengewirr verschwand kurz, ehe hastiges Getuschel zu hören war.

Denn Stallmeister Charibert, einer der engsten Vertrauten des Kaisers, nach Uther und dem Kanzler als Heerführer wohl der mächtigste Mann des Reiches, war eingetroffen – mit einer jungen Dame an der Hand, die hier nie zuvor erschienen war.

Während die Zuschauer noch rätselten, ob es sich um eine neue Frau oder seine Tochter handelte, war Michel mehr als überrascht, seine Partnerin hier so in der Öffentlichkeit zu sehen, noch dazu in einem überaus vornehmen Überkleid aus Seide, das er noch nie an ihr gesehen hatte. Die weiten Ärmel berührten fast den Boden – das war ein Stil, der dem Hochadel vorbehalten war. Der Schmuck um ihren Hals war auch mehr als prunkvoll, hätte er wetten sollen, hätte er auf die kaiserliche Schatzkammer als Ursprung getippt. Charibert wollte sie also dem Kaiser offiziell vorstellen – und das sicher auf Uthers Bitte. Nur, warum?

Immerhin erklärte das den seltsamen Brief ohne Unterschrift, den er heute morgen vor seiner Tür gefunden hatte: bei Fragen seid verwitwet.

Nun ja, Sarifa war durchaus, gerade in der kaum drei Tage entfernten Marche, als seine Ehefrau aufgetreten, und auch, wenn es mehr als unwahrscheinlich war, dass sich der Landadel nach Paradisa begab, so war es doch besser vorsichtig zu sein, und sich eine, wenn auch dünne, Geschichte bereit gelegt zu haben. Das war immer das Risiko bei Fällen, die im eigenen Umland passierten. Zugegeben, auch bei anderen. Das war grundsätzlich die größte Bedrohung bei verdeckten Ermittlungen.

Er betrachtete Sarifa, die mit geziemender Verlegenheit aber unbestreitbarer Eleganz neben dem Stallmeister herschritt. Wohl kaum einer in der kaiserlichen Halle ahnte, dass die Anmut ihrer Bewegungen nicht von den Übungen mit einem Tanzmeister herrührten, sondern aus anderweitigem Training stammten. Und dass diese junge, dunkle Schönheit aus dem Süden mit Abstand die gefährlichste aller Frauen hier war.

Nein, sie machte keinen Fehler, dachte er, als sie vor dem Kaiser knickste, ein wenig stolz auf seine Schülerin. Dennoch hätte er fast aufgestöhnt, als er die silberne Spange erkannte, mit denen sie ihre Haare aufgesteckt hatte – ihre Wurfklinge. Und den Leibwachen des Kaisers war sie entgangen. Nett. Nun ja, eine Assassine war wohl nie unbewaffnet und seit dem Abenteuer von Emsby war er der Letzte, der ihr irgendwelche dekorativen Klingen verbieten würde.

Dagobert sagte formell: „Ich freue mich, Euch zu sehen, Charibert. Würdet Ihr mir die junge Dame in Eurer Begleitung vorstellen?“

Der Stallmeister ließ die Hand der jungen Dame los: „Sarifa ist eine...alte Bekannte von mir, Durchlauchtigste Hoheit. Sie stammt aus dem Königreich Cinquanta.“ Es war das südlichst gelegene Königreich, über das Kaiser Dagobert gebot, auf drei Seiten vom Meer umgeben, von Bergketten durchzogen, und eigentlich keiner der Anwesenden war je dort gereist. Zu friedlich war der Süden, zu weit entfernt. „Ihr Vater, und nach dessen Ermordung nun ihr Onkel, sind der Fürst ihres kleinen Volkes, das Eurer Durchlauchtigsten Hoheit und auch König Elymian ergeben ist.“

„Ich hörte davon. Willkommen, Prinzessin Sarifa, an meinem Hofe,“ erwiderte der Kaiser huldvoll.

Michel schluckte etwas. Prinzessin Sarifa? Schön, sie hatte ja gesagt, ihr Vater und jetzt ihr Onkel seien die Anführer der Assassinen – irgendwie hatte er nie weitergedacht, dazu war ihr Verhalten eindeutig zu unhöfisch. Gut, korrigierte er sich, für nordische Verhältnisse. Aber sie hatte offenkundig dazugelernt, versank noch einmal tief vor Dagobert im Knicks, ehe sie Charibert seitwärts folgte. Langsam begriff er auch, was Uther beabsichtigt hatte. Durch die Vorstellung bei Hofe war sie einigen bekannt und konnte daher auch im Palast aus- und eingehen, ihn und Uther leichter aufsuchen. Und als junge Dame auch hier Ermittlungen durchführen, die ihnen als Männern unmöglich waren. Andere Aufträge würden sie schließlich eher nach auswärts führen. Und die Vorstellung durch Charibert war so etwas wie der Eintritt in die gute Gesellschaft – niemand würde nun ihren Prinzessinentitel oder ihre Herkunft anzweifeln. Womöglich fand sie sogar einen Ehemann – eine Tatsache, die ihn ein wenig wurmte, wie er feststellen musste. Hoffentlich machte sie jetzt nichts falsch. Sie durften sich nicht kennen, wenn sie sich trafen.

Aber er stellte rasch fest, dass er kaum in ihre Nähe kommen würde. Eine Menge Neugierige schwirrten um sie und Charibert hatte alle Hände voll zu tun, ihr unauffällig Beistand zu geben.

Das änderte sich allerdings schlagartig, als draußen zwei Posaunenstöße erklängen – das Willkommen für den ältesten Sohn des Hauses.
 

Nur kurz darauf betrat Markward, gefolgt von den fünf Herren die seine Entourage bildeten den Saal. Er war in dunkelgrün gekleidet, ein samtenes Wams und ebensofarbige Strumpflinge mit Ledersohlen. Auf den schmalen Kronreif, den er in Aquatica auf seinen halblangen, blonden Haaren getragen hatte, hatte er wohlweislich verzichtet. Selbstbewusst schritt er durch die Mittelhalle – und beobachtete durchaus aufmerksam, wer den Kopf neigte – und wer nicht. Dann jedoch verbeugte er sich tief vor seinem Vater.

„Willkommen zurück, Markward,“ sagte Dagobert freundlich, der die Hoffnung auf ein friedliches Familienleben nicht aufgeben wollte. „Ich hoffe, deine Reise war interessant und hat dich viel gelehrt.“

„Ja, in der Tat, mein Kaiser und Vater. Ich würde Eurer Hoheit gern von den Eindrücken berichten.“

Freundlich und formell, dachte die Kaiserin. Er ist nicht mehr so impulsiv wie vor drei Jahren. Nun, er würde viel gesehen haben, mehr, als sie es je können würde. Da konnte man sicher viel lernen.

„Ich grüße auch Euch, Hoheit,“ meinte Markward mit einer leichten Verneigung zu ihr, ehe er kurz zögerte: „Oder soll ich Euch Frau Mutter nennen?“

Eine Falle, dachte Anawiga jäh alarmiert, auch, wenn sie nicht wusste, worin sie lag. War es, weil sie zu spüren glaubte, wie sich Dagobert anspannte? So lächelte sie ein wenig ihrem Stiefsohn zu, ehe sie zu ihrem Gemahl blickte: „Ich weiß bedauerlicherweise nicht, wie es im Kaiserreich gehandhabt wird....“

Dagobert hätte nie offen gezeigt, dass er erleichtert war, aber um dem Jungen wieder die Grenze aufzuzeigen, blieb nur eine Lösung: „Nun, schon um die jeweilige Stellung zu betonen: ja, rede sie mit Frau Mutter an.“

„Wie Euer Durchlauchtigste Hoheit wünscht....“ Markward verneigte sich erneut: „Ach, verehrter Onkel.....“

Sarifa hatte das Zwischenspiel ein wenig verwundert zur Kenntnis genommen. Aber da sie trotz der Menschen um sich ihren Partner im Auge behielt, war ihr das kurze Anspannen seiner Wangenmuskeln nicht entgangen, als er die Zähne zusammenpresste. Also war das, was der Kaisersohn gesagt hatte, falsch oder töricht. War Markward dumm oder sollte es eine Provokation sein? Die Höflinge um sie bewahrten ein gleichmütiges Gesicht – die beste Taktik bei einer Konfrontation zwischen Kaiser und seinem möglichen Nachfolger, aber sie warf Graf Uther einen Blick zu.

Der bemerkte es ebenso wie Michel und beiden war klar, dass die junge Dame nicht ohne Grund mit ihrem Haar spielte. Nickte Uther, so war Markward tot. Der Assassine würde es wie jedem Angehörigen ihres Volkes gleich sein, wenn sie bei diesem Attentat selbst umkam. Der Graf schüttelte daher kaum merklich den Kopf, für die meisten anderen Anwesenden ein sanfter Tadel der Höflichkeit.

Aber er sagte nur höfisch-geübt: „Willkommen zuhause, mein lieber Neffe. Ich bin sicher, du hast viel zu erzählen, ich hoffe auch mir. Man lernt im Leben draußen doch mehr als aus Büchern.“

Markward neigte zustimmend den Kopf. Ah ja. Vater hatte prompt reagiert, als er auch nur den Anschein erweckte immer noch auf die Kaiserin zu stehen. Nun gut. Er hatte bereits gehört, dass die Ehe wohl nicht nur auf dem Papier bestand, entgegen seiner Erwartung, wie er zugab, immerhin war Dagobert doch schon ein alter Mann. Aber es war ein Fakt der Vergangenheit. Und ihm selbst gehörte die Zukunft.

Dagobert winkte etwas: „Ich bin sicher, viele möchten sich mit dir unterhalten.....“

Das war das Zeichen, die strikte Hofordnung aufzulösen, in der Halle herumzuspazieren, Bekannte zu treffen. Auch Anawiga mischte sich unter die Höflinge – Uther war bereits wie üblich verschwunden. Natürlich drängten sich viele um den zurückgekehrten Kaisersohn. Michel nutzte dagegen die Gelegenheit, seine Partnerin zu suchen.

„Ah, eine neue Schönheit am Hofe,“ sagte er in der Art seiner Tarnung und obwohl Sarifa nur zu gut wusste, dass es gespielt war, hätte sie fast das Gesicht verzogen, zumal er wieder mit diesem Taschentuch wedelte. Immerhin hatte er das Parfüm gewechselt.

So neigte sie jedoch nur lächelnd den Kopf: „Treffen wir uns später?“ murmelte sie, um lauter fortzufahren: „Danke, ich habe kein Interesse.“

„Oh, wie überaus bedauerlich, meine Teure. - Komm zu mir,“ ergänzte er leise, während er sich bereits abdrehte um einer anderen Dame Komplimente zu machen.
 

Viel später warf sich Markward nachlässig in seinen Hocker am Schreibtisch in den ihm zugewiesenen Räumen und sah zu dem Mann vor ihm auf, während er die Hände hinter dem Kopf verschränkte.

„Nun, es lief doch alles gut, Chilperich.“

Sein Kämmerer, keine zehn Jahre älter als er, mit dunkelbraunen, schulterlangen Haaren und grauen Augen, nickte: „Bis auf Euren Faux-pas mit der Anrede der Kaiserin.“

„Ich wollte wissen – und habe gesehen, wie der alte Herr darauf reagiert. Nun gut, ich lasse die Finger von ihr. Andere Mütter haben auch hübsche Töchter – und Kaiserinwitwen können auch in einem Kloster leben.“

„Seid nicht voreilig,“ mahnte Chilperich: „Noch lebt Euer Vater und wenn jemand Euch so sprechen hört...“

„Ja, ich gebe zu, dass Vater recht gesund wirkt. Und des lieben Dankwards Schicksal zeigt, dass er durchaus bereit ist auch gegen seine Söhne weit zu gehen. Du hast Recht.“ Zuerst hatte Markward Chilperich nicht vertraut, als er ihn mit den anderen Herren vom Kaiser zu seinem vierzehnten Geburtstag zugewiesen bekommen hatte, dem Tag seines Erwachsenwerdens. Keine Lehrer mehr sondern nur Begleiter. Aber bald hatte er festgestellt, dass der Mann, der seine Finanzen verwalten sollte, ihm gegenüber loyal war, die kleinen Dinge abseits der Wege dem Kaiser verschwieg und bald auch die größeren. Chilperich hatte ihm klar erklärt, dass er hoffte, eines Tages die Nummer Zwei zu werden, der Kanzler – was Markward beruhigt hatte. Er traute niemandem, der nicht eigennützig zu handeln schien. Und da sein Kämmerer aus bürgerlichen Kreisen stammte, würde er nie mehr werden können als die Nummer Zwei, besaß er doch keine Hausmacht, keine Anerkennung, kein Heer.

„Und vergesst nicht, dass Euer Vater schon mit vierzehn Jahren bereit war, seinen Cousin hinrichten zu lassen.“

„Schon gut, ich passe auf. Ich werde den braven Sohn spielen, nichts tun, was Vater nicht will, mich in die Verwaltung einarbeiten lassen....“

„Soll ich einen Mann auf Graf Uther ansetzen?“

Markward war ernstlich erstaunt: „Chilperich – auf Onkel Uther? Der ist ein Bücherwurm und sitzt nur in seinem Zimmer herum. Ab und an schickt ihn Vater auf Reisen, damit er wohl nicht vollkommen verstaubt.“

„Bedenkt, dass er heute auf dem Platz stand, der Euch zustehen würde, nach dem Protokoll.“

„Gleich. Er ist nur zwei oder drei Jahre jünger als Vater und kinderlos. Kein Problem. - Oh, weißt du vielleicht, wer das hübsche Kind war, das da heute dauernd neben Charibert stand? Seine neue Frau?“

„Nein, eine Bekannte. Prinzessin Sarifa, so wurde sie heute vorgestellt, weit aus dem Süden.“

„Unerfahren bei Hofe, also.“

Der Kämmerer wusste sich das Lächeln zu deuten: „Stallmeister Charibert hat das Ohr des Kaisers – und wird es kaum gern sehen, wenn Ihr seinem Schützling den Hof macht.“

„Ach, ein wenig Tändelei, dagegen kann er nichts sagen. Gut. Sieh zu, dass du einen Spion auf Onkel Uther ansetzt. Wenn der mal sein Zimmer verlassen sollte.... Morgen habe ich einen Termin, da wird er auch dabei sein. Vater möchte, dass ich ihm und dem Rest der Familie von meinen Reisen berichte.“

„Was Ihr natürlich tun werdet – mit einigen Auslassungen.“

„Die Besuche bei den Herzögen und auch bei Cousin Konstantin werde ich wohl unterschlagen, ja. Es könnte doch Misstrauen erregen. - Charibert kenne ich. Er ist der Anführer des Heeres. Kanzler ist ja wohl immer noch der alte Godomar. Du lieber Himmel, der muss doch schon an die Siebzig gehen!“

„Er ist sechzig, Markward. Fünf Jahre älter als Euer Vater,“ erlaubte sich der Vertraute den Hinweis: „Und seit dreißig Jahren Kanzler.“

„Er wird es wohl auch bleiben bis Vater oder er das Zeitliche segnet. Nun gut. Du hast doch noch immer Leute an Anawiga dran?“

„Eine ihrer Hofdamen berichtet mir regelmäßig, ja. Bislang scheinen die Nächte Eures Vaters mit ihr keine ...Folgen gezeitigt zu haben.“

„Gut. - Dann geh, Chilperich.“

Der Kämmerer gehorchte, ohne sein Lächeln zu zeigen. Sein Herr würde mehr als zufrieden mit dieser Entwicklung sein. Sein Auftrag hatte gelautet das Vertrauen des möglichen zukünftigen Kaisers zu erlangen, den jüngeren Kaisersohn zu verführen, um diesen elegant aus dem Weg zu schaffen. Markward sollte Kaiser werden, das war der Wunsch seines Herrn, je eher, desto besser. Nicht ohne Eigennutz. Dagobert war ein deutlich schwereres Ziel als dieser überhebliche Junge. Er selbst würde einen Spion auf Uther ansetzen und dann ausführlich Bericht über das Gespräch mit Herzog Pippin der Westmark und auch den Einzug in Paradisa schreiben und abschicken. Dann würde sein Gebieter weitere Pläne machen. Markward war die Fliege im Netz einer Spinne.
 

„Du gestattest mir doch meine Überraschung, Partnerin,“ begann Michel, als diese ihn abends bei sich aufsuchte: „Nicht nur, dass du bei Hofe eingeführt wirst, nein, gleich auch noch von Charibert und als Prinzessin.“

Sarifa zuckte ein wenig die Schultern: „Graf Uther ließ mir ausrichten, dass es wichtig sei. - Habe ich einen Fehler begangen?“

„Nein. Du warst formvollendet – und sehr charmant. Ich möchte wetten, dass da einige Männer auf dich hoffen.“

„Danke.“

Sie lächelte, aber er wusste, dass sich das nur darauf bezog, dass sie keinen Fehler begangen hatte. Eitelkeit war ihr relativ fremd. „Der gute Graf hat nicht zufällig erwähnt, warum es wichtig ist?“

„Stallmeister Charibert sagte nichts davon. Und er richtete mir das nur aus.“

„Moment. Sag jetzt nicht, Charibert sei bei dir aufgekreuzt!“

„Nein, wir trafen uns im Stall. Ich sah doch nach meinem Sabri. - Warum wäre es so ungewöhnlich, wenn er zu mir käme?“

Er überlegte kurz, wie er das seinem ahnungslosen Engel erklären sollte: „Sarifa, er ist ein vielbeschäftigter, einflussreicher und mächtiger Mann, es...ja, es wäre sehr ungewöhnlich.“

„Was war eigentlich so schlimm daran, dass Markward fragte, ob er die Kaiserin mit Frau Mutter anreden sollte? Immerhin sind sie doch fast gleich alt, da kommt er sich wohl eigenartig vor.“

Sie besaß keine Kenntnis von höfischen Finessen, da würde er ihr wohl noch so einiges erklären müssen: „Wenn es das nur wäre....Er wurde auf diese lange Bildungsreise geschickt, weil er eben die Ehefrau seines Vaters....äh...sehr gern sah.“

„Ich glaube nicht, dass er das noch tut. Er hat später mit allerlei jungen Frauen herumgemacht.“

Michel seufzte: „Deine Wortwahl! Er hat nicht mit ihnen herumgemacht – und schon gar nicht in aller Öffentlichkeit. Das war Tändelei, Spiel.“

„Verzeihung. Es ist sehr anstrengend immer aufpassen zu müssen, dass man nichts Falsches sagt.“

Wem sagte sie das: „Oder tut. Ich hatte beim Empfang mal kurz den Eindruck, als ob du zum Messer greifen würdest.“

„Ich wusste nicht, wie arg es ist, was Markward da sagte. Mir kam es harmlos vor, aber alle spannten sich an. Darum dachte ich, dass es vielleicht eine sehr große Beleidigung wäre.“

„Keine Beleidigung, aber eine gewisse Provokation, ja. Aber sie wurde dann ja dezent umschifft.“

„Wirst du noch verfolgt? Ich war vorsichtig, sah aber niemanden unten.“

„Nein, ich habe auch niemanden bemerkt. Womöglich wurde ich als harmlos eingestuft.“

„Nun, ich hoffe ich auch.“

„Ja.“ Und Michel dachte an die Wurfklinge in ihrem Haar.
 

Vier Männer trafen sich in einem nüchternen Arbeitsraum des Palastes. In der Mitte befand sich ein großer Tisch, auf den Zwei jede Menge Papiere, Akten legten. Der dunkel Gekleidete von ihnen war Graf Lothar, der Leiter der kaiserlichen Polizei, der andere Kanzler Godomar, der als Zeichen seiner Amtswürde über dem orangenfarbenen Wams eine goldene Kette mit mehreren kleinen Münzen daran trug. Der Kaiser und sein Bruder seufzten unhörbar, aber Dagobert winkte den Beiden sich zu setzen. Sie hätten nicht ohne Grund eine derart kurzfristige wichtige Sitzung beantragt.

Der Kanzler begann: „Euer Hoheit, Graf Uther....Es geht um einen Mann namens Mario de Bellisario. Er lebt bei Piedamonte, im Königreich von Pisan, auf der Burg seiner Familie. Die örtliche Polizei hat ihn im Verdacht, der Kontaktmann zu den meisten Meuchelmördern zu sein, die im Reich herumlaufen. Angeblich soll er auch die Bezahlung für sie weiterleiten. Das heißt, er müsste im Besitz einiger, wenn nicht fast aller Namen sein.“

„Aber?“ fragte Dagobert prompt.

Graf Lothar blickte auf die Akten: „Ich setzte drei Männer auf ihn an. Einer fand Zugang zu ihm und kehrte nicht zurück, die anderen beiden kamen erst gar nicht soweit. Dann versuchten wir es nochmals – von den beiden Männern fehlt jede Spur. De Bellisario scheint ein überaus vorsichtiger Mann zu sein.“

„Ihr wollt also meine Leute?“ erkundigte sich Graf Uther.

„Ja. Vielleicht eine undichte Stelle bei der Polizei, vielleicht extreme Vorsicht des Verdächtigen...ich weiß es nicht. Jedenfalls hat sich nun etwas in der Sache getan. Es gelang meinen Leuten eine Frau zu verhaften, eine bekannte Meuchelmörderin, ihr Name ist Amalaswintha Krenska, nennt sich aber meist donna de Cyr. Das war gestern Abend. Bei sich trug sie ein Einladungsschreiben de Bellisarios. Aus diesem kann man lesen, dass er sie nicht persönlich kennt, aber für eine bestimmte Tätigkeit anheuern wollte. Und soweit ich weiß, verfügt Ihr mindestens über eine junge Dame.“

„Überaus riskant,“ erwiderte der Kaiser: „Es ist möglich dass Bellisario sie kennt, dass er sie auch nur prüft....“

„In der Tat,“ meinte Graf Lothar: „Aber wir haben alles zusammengetragen, was wir konnten. Und mit fünf Toten bezahlt.“

„Es wäre wichtig, Euer Hoheit, dass wir diese Meuchelmörder in den Griff bekommen,“ erklärte der Kanzler: „Das war doch auch schon lange Euer Wunsch.“

Dagobert sah zu seinem Bruder: „Deine Meinung?“

„Ich werde mir die Akten durchlesen,“ sagte Uther: „Und danach meine Leute fragen, ob sie den Auftrag übernehmen wollen.“

Godomar blickte ihn erstaunt an: „Ihr fragt Eure Männer, ob sie wollen?“

„Wenn es bereits Tote gab halte ich es für notwendig. Ich schicke niemanden ungewarnt in ein offenes Messer. Und dieser Auftrag wäre eines. Ich vermute doch nicht, Graf Lothar, dass Eure Männer Anfänger oder Stümper waren.“ Uther klang kalt und der Polizeichef schüttelte nur den Kopf.
 

**

Ein neuer Auftrag..Und Sarifa hat wohl in Markward einen neuen Verehrer. Ob das eine so gute Idee Uthers war...?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Krylia
2012-06-28T15:46:31+00:00 28.06.2012 17:46
Oh je. Ich glaube, diese Rolle wird Sarifa nicht gefallen. Eine Meuchelmörderin zu spielen...
Was tut man nicht alles für das Kaiserreich.

Und Markward als Verehrer? Hmmm.....
Von:  Teilchenzoo
2012-06-27T14:28:53+00:00 27.06.2012 16:28
Hm. Da kommt einiges auf unsere Freunde zu. Markward merkt nicht, wie er gelenkt wird, aus lauter Eitelkeit. Sarifa macht ihre Unerfahrenheit bei Hofe noch zu schaffen, auch wenn sie sich gut schlägt. Michel weiß nicht, wo das hinführen soll. Das ist keine ideale Basis.
Es ist gut, wenn Markward um Sarifa herumschwarwenzelt, jedenfalls im Sinne der Überwachung. Dann ließe sich der Maulwurf besser finden. Ihre Sittsamkeit wird ja hoffentlich nicht auf die Probe gestellt, nicht dass sie noch handgreiflich wird.
Ob Anagiwa oder besser: ob Uther wohl weiß, wo markward so alles seien Spione hat? Ich hoffe es ...

Und ob dieser neue Auftrag gut geht?


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