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Ein wichtiger Zug

von

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Schatten der Vergangenheit

"Wieder einer dieser immerzu gleichen Abende", dachte sich Charles, während er vor dem Kamin in seinem Arbeitszimmer saß. Das Feuer knisterte und sprang unentwegt zwischen den heiß gewordenen Steinen, doch hatte es dennoch keine Chance den Raum vollends zu wärmen. Von draußen schoss der kalte Wind durch das geöffnete, reich verzierte Fenster an der Ostseite des Raumes. Der Rahmen schlug ob des Windes mehrfach gegen das äußere Gemäuer, immer und immer heftiger, als ob es Charles mit verzweifelten Hilferufen dazu bringen wollte, es doch endlich zu verschliessen. Es interessierte ihn schlichtweg nicht. Er genoss es sogar dort zu sitzen, mal mit der Wärme der Flammen in seinem Gesicht, mal mit der scharfen Kälte des Windes umtost. Für ihn verstummte das Fenster, ganz genau so wie das gesamte Zimmer für ihn verstummte. "Wieso?", das war der Gedanke, der ihm einzig und ohne Gegenwehr durch den Kopf schoss, wann immer er allein war und das kam in den letzten Wochen und Monaten erschreckend häufig vor. Charles ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Degen, für ihn nunmehr bloße Dekoration, hingen funkelnd an der Wand und drohten geradezu ein Stechen in seiner Brust hervorzurufen, so vorwurfsvoll und unbenutzt waren sie. Eine Flasche Wein auf dem Arbeitstisch, der in Papier unterzugehen drohte, stand noch dort. Der Korken war am unteren Ende längst eingetrocknet, die Flasche schlecht verschlossen und der Garant für einen herben Geruch auf dieser anderen Seite des Raumes. Das schlimmste und schönste war aber das Schachbrett neben der Sitzecke gleich aufseiten des Kamins. Voller Tatendrang standen sie da, diese Springer und Türme. Gefüllt mit dem Elan eines meisterhaften Spiels, welches seit zwei Wintern in der Erstarrung lag. Mit einer selbstverständlichen Erhabenheit sicherten die Figuren ihre Felder, gleichwohl sie im Staub zu ersticken drohten. Ihren inneren Glanz konnte ihnen nichts nehmen, ihren äußeren durfte niemand wiederherstellen. Charles' Sicht verschwomm, als er das Schachbrett betrachtete. Seine Augen brannten und ein salziger Geschmack benetzte seine Lippen. Ein kleines Rinnsal floss hernieder, vorbei an den Nasenflügeln, die sich so gern wieder einer Tasse Tee gewahr wären, über die Lippen und an den Mundwinkeln entlang, die sich stehts nach oben zu streben bemühten und doch des nachts verharrten in Zweifeln und Schmerz. Wie gern hätte er endlich seinen Zug gespielt. Diesen einen, der ihn schon so lange verfolgt und von dem er sich gänzlich sicher war, dass er ihn zum Sieg führen würde. Sieg. Ein merkwürdiges Wort. Was gab es denn zu gewinnen? Genugtuung? Nein. Schlicht eine neue Partie und das war alles, was Charles sich im Moment sehnlichst wünschte. Aber diese Partie würde nicht heute Abend starten und wohlweißlich auch nicht morgen. Bald war das Wort, welches sich wie Balsam anfühlte, eines der wenigen, die nicht im Halse brannten wenn er sich umschaute und laut nachdachte. Charles blickte mit halb verschlossenem Blick wieder in das Feuer, welches nun schon merklich kleiner brannte und gegen die Dunkelheit und Kälte kaum noch bestand hatte. "Endet irgendwann die Zeit jeder Flamme?", fragte er sich und legte Holz nach, nur um sich zu beweisen, dass es nicht so sein müsse. Ein leises Klopfen war an der Tür zu hören. "Herein", sprach Charles und wischte sich mit dem Ärmel seiner Jacke durch das Gesicht, während er sich reusperte um wieder gefasst zu klingen. Es war Julia, die ihren Kopf vorsichtig durch die Tür streckte und schließlich eintrat. "Professor, ich hoffe ich störe Sie nicht", murmelte sie und hielt den Knauf der Tür in der Hand, bereit wieder zu gehen falls es nötig wäre. "Nein nein meine Kleine, komm nur herein", war seine Antwort und er drehte seinen Rollstuhl in ihre Richtung. "Was kann ich denn für dich tun?", fragte er und war froh wieder selbstsicherer zu klingen. "Ich hatte einen schrecklichen Traum, so anders als meine üblichen, wollte aber niemanden wecken und bin ein wenig spazieren gegangen. In Ihrem Zimmer war noch Licht, also dachte ich mir ich klopfe einfach mal an. Das ist alles noch so neu für mich". "Du bist eine begabte Telepathin und deine Kräfte entwickeln sich gerade. Ich verstehe sehr gut, dass dich das an manchen Tagen und Nächten nicht zur Ruhe kommen lässt. Warst du im Traum eines anderen?", fragte Charles und erfreute sich an der neu auflodernden Wärme des Feuers. "Ich ... Vielleicht, es tut mir so Leid Professor, das wollte ich nicht", sagte Julia und sie fing etwas an zu zittern. "Das ist in Ordnung, du musst es erst noch lernen, dich gegen all diese Einflüsse zu wehren. Es ist nicht leicht mit so vielen Gedanken umgeben zu sein und dann auch noch die eigenen zu haben. Was hast du gesehen?". "So vieles und alles wie durch einen Schleier, ständig wechselten Zeit und Ort aber immer war ich einfach ... traurig. Ich wollte weinen und dann wachte ich auf ... und weinte schon längst", antwortete Julia.

"Setz dich", sagte Charles und deutete mit einer offenen Hand auf einen freien Sessel am Kamin.

"Was du gesehen hast, waren wahrscheinlich die Träume aller anderen in deiner näheren Umgebung. Dein Körper muss sich erst an deine Kräfte gewöhnen, vor allem aber dein Geist. Deshalb hast du alles wie durch einen Schleier gesehen, in einem steten Wechsel und in solch erschreckender Weise. Als erstes empfängst du immer die einfachsten aller Gefühle, Gedanken und Träume. Angst, Freude, Wut und Liebe ..." "Und Traurigkeit", fügte Julia schnell hinzu. "Und Traurigkeit, ja. Aber es wird sich bessern, du wirst sehen. Wenn dich diese Gefühle erreichen und du denkst, sie rühren nicht von einem dir ureigenen Traum, dann versuche an eine deiner Erinnerungen zu denken. Konzentriere dich auf sie und du verlässt die Gedankenwelt des Anderen. Fühle es aber wie einen Wechsel des Ortes. Wenn du versuchst das Jetzt zu überlappen, dann wird diese Erinnerung zum Traum aller in deiner Umgebung.", riet Charles ihr und schaute nachdenklich zu einem Porträt über dem Kamin.

"Das klingt alles ganz schön kompliziert. Ich hoffe nicht, dass ich etwas peinliches Träume und jeder am nächsten Tag davon erzählt", sagte Julia schmunzelnd. "Vielen Dank Professor", fuhr sie fort und wollte ihm zum Dank beim Aufstehen ihre Hand auf die seine drücken. Doch just als sie ihn berührte, fuhr wieder diese Traurigkeit durch all ihre Glieder. Sie fiel zurück in den Sessel und die Tränen rannten über ihre Wangen hinweg. Charles brauchte nicht mehr als einen Augenblick um zu verstehen was geschah und rollte sofort neben ihren Sessel. "Julia, es tut mir Leid", schoss es aus ihm heraus. Er konzentrierte sich und berührte ihre Stirn, um den traurigen Gedanken zu bannen. Julia war noch kurz benommen, dann schaute sie den Professor an. "Es tut mir so Leid Professor, ich wollte das nicht", beteuerte sie und nahm ein Taschentuch für die Tränen heraus. "Julia, es war mein Fehler. Ich hätte wissen müssen, dass ich deine Gedanken leicht überlagern würde, wenn ich nicht aufpasse in deiner Nähe." Julia brachte den Mut für eine Frage auf: "Wer ... wer ist dieser Mann neben Ihnen auf dem Portrait? Ich habe ihn gesehen in Ihren Gedanken. Was ist nur geschehen?", fragte sie immernoch sichtlich verwirrt.

"Das ist eine lange Geschichte und keine, die eine junge Frau zu so einer Stunde noch hören müsste. Aber bevor du darauf bestehst und ich weiß, dass du darauf bestehen wirst, kann ich dir einen kleinen Teil davon offenbaren. Dieser Mann war ... ist mein bester Freund. Wir fingen gemeinsam an diese Schule hier zu planen und wollten einen Platz für all jene schaffen, die solch besondere Fähigkeiten wie wir besaßen. Aber mit den Menschen hat er leider sehr schlechte Erfahrungen gemacht und er musste vieles durchleiden, was man nicht einmal seinem schlimmsten Feind aufbürden würde. Ich dachte damals, ich könnte ihn retten vor diesen Schatten und ihm den richtigen Weg aufzeigen, aber die Wunden waren wohl zu tief. Nie stand ich irgendjemandem näher, doch umso schlimmer war es dann, als ich bemerkte, dass er zunehmend seinem Hass nachgab. Er beschritt einen Pfad, auf dem ich ihm nicht folgen konnte und wollte. Seither versuche ich ihn zu finden, mit ihm zu sprechen und ihn endlich nach Hause zurückzuholen". "Professor, wenn jemand einen verlorenen zurückholen kann, dann sind Sie das. Wenn Sie nach all der Zeit nicht bereit waren ihn aufzugeben, dann hat er sie auch auf keinen Fall vergessen. Können Sie ihn nicht im Traum besuchen?", fragte Julia. "Leider nein, er schirmt seine Gedanken mir gegenüber ab. Der Helm, den er unserem schlimmsten Feind abnahm, wurde zu seinem Markenzeichen und ich befürchte Erik wird ihm zunehmends ähnlicher.", sagte Charles und sank tiefer in seinen Rollstuhl. Die Nacht stand nun in vollster Pracht vor den Fenstern und der Vollmond schien direkt ins Zimmer. Der Wind legte sich und das offene Fenster beendete seinen Kampf um Beachtung. Friedlich aber unwirklich tanzten die kleinen Schatten vor dem Kamin umher und das Blau des Mondes und das Rot des Feuers schienen sanft ineinander überzugehen. "Erik ist also sein Name ... Professor, er wird zurückkehren. Sie haben viele gerettet, auch den einen werden Sie noch retten", sagte Julia und lächelte Charles an. "Danke Julia. Dabei dachte ich eigentlich, dass der Professor den Schüler belehren soll und nicht umgekehrt", bemerkte Charles und lachte leise. "Wir sollten nun schlafen gehen", setzte er hinzu und wünschte Julia eine gute Nacht nach all dieser Aufregung. Charles fuhr hinüber in sein Schlafzimmer und als er schließlich lag, schaute er hinüber zu seinem Nachttisch. Die Vorhänge zugezogen war nicht sehr viel sichtbar, doch aber die Form seines Weckers, der ihn jeden Morgen unnachgiebig aus dem Bett klingelte. Daneben eine kleine Vase mit einer Blume, die er zu seinem Geburtstag vorgestern geschenkt bekam. Das wichtigste jedoch war ein kleines Foto von ihm und Erik, aufgenommen voller Stolz vor dem Gebäude, in dem er nun schlief. Er würde zurückkehren, irgendwann. Als ihm diese Worte durch die Gedanken schlichen fühlte Charles etwas von der Last abfallen und schließlich versank er in seinen Träumen.

Der Wecker blieb seinem Herren natürlich treu und klingelte pünktlich um 7 Uhr morgens. Wie oft hatte sich Charles schon gewünscht ihn mit Telekinese in seine Schranken zu weisen oder zumindest ergründen zu können, ob es dem Wecker Spaß mache ihn so unsanft in den Tag zu reißen. Freitag, ein durchaus schöner Tag kann man sagen, denn nur zwei Klassen warteten auf seinen Unterricht. Am Nachmittag würde er sich mit Hank treffen und einen Kaffee trinken, während der Abend eine Filmvorführung an der Schule mitsich brachte.

Auf dem Weg zum Unterricht schaute sich Charles wie so oft die Schule an und schwelgte in Gedanken daran, was diese Gemäuer wohl schon alles erlebt haben mögen. Jeder Bogen, jeder einzelne Stein scheint seine eigene Geschichte zu haben. Diese Gedanken waren aber schnell verworfen, als ein Alarmsignal ertönte. "Das war es wohl mit meinem Freitag", dachte sich Charles und begab sich schnellstmöglich in den Kommunikationsraum. Welches Gefühl er dabei hatte, war schwer zu sagen. In den ersten Wochen nach dem Verschwinden von Erik, hatte er immer wieder gehofft, er würde zu einem Ort abberufen, an dem seltsame magnetische Aktivitäten vor sich gingen. Gleichfalls freute er sich aber auch, wenn dem nicht so war, da es hieß, dass Erik noch keinerlei Schritte unternommen hatte um seine Kräfte in irgendeiner Weise zerstörerisch einzusetzen. Das Signal wurde von S.H.I.E.L.D. gesandt, das Briefing war wie eh und je kurz und knapp, denn die Regierung hielt nach wie vor wenig davon mit Mutanten zusammenzuarbeiten. Auf der anderen Seite sahen sie jedoch ein, dass durchaus seine Vorzüge hatte. Wäre der Vorfall ein normaler Bankraub gewesen, hätte sich wohl kaum jemand bei Charles gemeldet. Aber die Tatsache, dass der Tresor allein durch konzentrierte Strahlung aufgeschweißt wurde und dass die Wachleute berichteten von einem Tornado gegen die Wand geschleudert worden zu sein, gab den Behörden zu Denken. Sofort machte sich Charles daran die Lage zu analysieren, während er Hank, Banshee und Havok zum Ort des Geschehens entsandte. "Das sind alle rekevanten Daten die wir vom Überfall haben Xavier", donnerte Fury über den Komlink, "viel mehr kann ich Ihnen nicht geben!". "Dieses Ziel macht doch absolut keinen Sinn, die Bank gehört zwar zu den größten, nicht aber zu den wohlhabendsten im Raum New York. Wer auf diese Weise in Bank einbrechen kann, der kann auch jede andere ohne Probleme ausrauben. Fury, wer ist der Besitzer?", fragte Charles eindringlich. "Mal sehen ... Smith, verstorben. Die Bank ging an einen unbekannten Teilhaber über.", war die knappe Antwort. "Nicht Smith Fury, Schmidt ... Erik versucht die letzten Überreste von Shaw auszulöschen". Als Charles es aussprach, traf ihn der Einfall selbst wie ein Blitz. Deshalb war Erik so lange untergetaucht, er brauchte die Zeit um all die Informationen zu beschaffen. Bei dem Überfall ging es nicht um das Geld, sondern um den Teilhaber. Erik will wissen, wer noch in Verbindung steht zu Shaw. Charles wusste, dass es noch nicht zu spät war ihn von einem Blutbad abzuhalten, aber auch, dass Erik gefährlich nah daran war es auszuführen. Sofort kontaktierte er sein Außenteam und erklärte ihnen alles, was er wusste. Es dauerte noch eine Weile bis sie vor Ort waren, aber sofort machte sich Hank daran die Bank nach Spuren zu untersuchen. Eine Gebäudehälfte lag vollkommen in Schutt und Asche, die tragenden Stahlpfeiler waren nach außen verbogen und in dem Tresor klaffte ein gewaltiges angeschmolzenes Loch. "Verdammt nochmal, ich weiß garnicht ob ich den Mutanten finden will", entfuhr es Banshee als er das riesige Loch im Tresor sah. "Solltest du Angst haben, wenn wir auf ihn treffen, dann ist dein mädchenhaftes Geschreie wenigstens zu was zu gebrauchen", merkte Havok schroff aber lächelnd an. "Du bist doch nur neidisch, dass er coolere Kräfte als du haben könnte", winkte Banshee ab.

"Schluss jetzt Leute", unterbrach Hank "Ich konnte mit meinem Radiographen die Signatur von dem Energiestrahl isolieren, wir können uns also auf die Jagd machen". Sofort machten sie sich auf zurück zum Flugzeug und folgten Hanks Radiographen. "Charles, hast du alles verfolgt?" - "Ja Hank, ich habe mir die Sache durch deine Augen angeschaut. Es waren mindestens zwei und einer davon dürfte Erik gewesen sein. Hast du es auch bemerkt?", fragte Charles. "Du meinst, dass nicht einmal alle Schließfächer im Tresor geöffnet wurden? Ja, scheinbar fand er relativ schnell, was er gesucht hat". Charles faltete besorgt die Hände in seinem Schoß und dachte nach. Warum hielt er sich nur so an seiner Rache fest? In der Schule weiter zu warten hatte für Charles keinen Sinn mehr, er bat Moira mit ihm zusammen dem Team zu folgen. "Die Signale werden deutlicher, wir nähern uns dem Mutanten. Aber hier in der Nähe ist nur Barnegat Bay, was sollte Erik dort nur wollen?" - "Hank, die Frage ist eher wen!". Von Weitem konnte Banshee bereits eine Rauchwolke ausmachen, die von einer kleinen Ansammlung von Hütten aufstieg. Er schwang sich aus dem Flugzeug und schoss geradewegs auf den Rauch zu. Als er ankam schrie er so stark, dass die Flammen erstickten und sich auflösten. Hank und Havok landeten das Flugzeug und eilten zu Banshee. "Ist hier jemand?", schrie Havok und alle drei schauten sich um. Hank hörte ein leises Wimmern und sah ein kleines Mädchen zusammengekauert neben einer der unversehrten Hütten. "Geht weg ihr bösen Männer", schrie die Kleine. "Alles in Ordnung, wir tun dir nichts", versicherte Banshee und streckte ihr eine Hand aus. "Und du lügst auch nicht?", wimmerte sie. "Nein, versprochen", lächelte er und die Kleine nahm seine Hand. "Kannst du uns sagen, was hier passiert ist?", fragte Havok sie, während Hank sich weiterhin im Hintergrund hielt und den Schauplatz untersuchte. Es gab ohnehin nur zwei mögliche Reaktionen. Entweder sie wollte ihn als Kuscheltier behalten, oder sie würde schreckliche Angst haben vor seinem etwas anderen Aussehen. "Zwei Männer und eine Frau, sie haben etwas in der Hütte von Onkel Barney gesucht, dann hat einer geschrien und auf einmal brannte alles. Meine Mama ist einkaufen, ich hab solche Angst", schluchzte sie. "Alles wird wieder gut", sagte Banshee und legte seine rechte Hand auf ihren Kopf "Schön tapfer bleiben. Wer ist denn eigentlich dieser Onkel Barney?". "Den nennen wir hier alle so. Er ist eigentlich ein netter Kerl, aber so selten da und wenn, dann sitzt er draussen und trinkt Kaffee, den ganzen Tag lang. Das letzte Mal war er irgendwann letzte Woche da, seitdem ist er verschwunden", meinte das kleine Mädchen und hatte sich schon etwas beruhigt. "Haben die bösen Männer mit jemandem gesprochen?", fragte Havok und suchte in seinem Anzug nach einem Bonbon, er selbst mochte diese Zuckerbomben doch auch so gerne und wollte ihr eines geben. "Nein, sie klopften ganz fest gegen die Tür und als keiner aufmachte hat ein dicker Kerl solange getreten, bis die Tür umfiel. Dann sind sie rein und der Dicke hat rumgebrüllt. Sie kamen raus und hatten einen Rucksack von Onkel Barney in der Hand. Dann hab ich mich wieder versteckt und es hat ganz laut geknallt", antwortete sie und bekam ein Bonbon, das Havok endlich aus einer seiner Taschen fischen konnte.

Indes kamen auch Charles und Moira an. Charles bat sie, sich um das Mädchen zu kümmern, bis ihre Mutter zurückkehrte und schloss sich den anderen dreien an. Hank ludt die neue Signatur in sein Gerät und sie flogen los, bevor noch mehr Unheil angerichtet werden konnte. "Sie ist doch nur ein Kind Erik, wie konntest du sie so erschrecken?", fragte sich Charles und dachte an Eriks sonst so warmes Lächeln. Es war ihm auch nach all der Zeit unmöglich gewesen, ihn in irgendeiner Weise als böse in seiner Vorstellung aufleben zu lassen. Das Signal wurde zunehmend stärker, Charles nutzte die letzten verbliebenen Flugminuten, um sich von Fury über diesen Onkel Barney informieren zu lassen. Offenbar war er der Stiefbruder von Sebastian Shaw und lebte nun unter anderer Identität in den Vereinigten Staaten, den Grund kannte nicht einmal Fury. Er und Shaw hatten wenig miteinander zu tun, wenn man der Biographie Glauben schenken durfte. Als Eigner der Bank war er auch nicht eingetragen, ihm gehörte lediglich ein Schließfach, den Besitz selbst lehnte er ab. "Charles, der Radiograph dreht fast durch, ich glaube wir sind da", sagte Hank und landete das Flugzeug nahe Cookstown. "Ich spüre nur einen Mutanten. Entweder Erik und ein Telepath sind die Begleiter, oder es gibt mittlerweile mehr von diesen Helmen", meinte Charles und war sich sicher, dass nur Ersteres in Frage käme. "Was zur Hölle sollte Erik in diesem Nest wollen? Hier ist doch nichts!" moserte Banshee und schaute sich um. Außer einem kleinen verschlafenen Städtchen, Straßen und Bewaldung war hier wahrlich nicht sehr viel zu sehen. Ruhig schauten die vier sich die Umgebung genauer an, überlegten was diesen Ort mit Barney in Verbindung bringen konnte. "Was, wenn Barney davon wusste, dass jemand auf der Suche nach allen Verwandten von Shaw ist?", fragte Havok. "Du meinst er ist auf der Flucht?", fügte Hank hinzu. "Naja, Sinn machen würde das schon. Trenton Airport ist nicht gerade der größte Flughafen und vielleicht genau deshalb die richtige Addresse um vor jemandem zu fliehen, der ein ganzes Flugzeug mit einem Fingerzeig vom Himmel holen kann", antwortete Banshee den beiden. Schockiert rief Charles "Dann haben sie ihn sicher hier abgefangen. Wir müssen uns beeilen und diesen Irrsinn aufhalten." Kaum hatte Charles diese Worte ausgesprochen, da hörten sie einen Mann in der Ferne rufen. Er konzentrierte sich auf die Stimme und lokalisierte ihn sogleich. Die Gruppe folgte Charles Richtungsangaben und sie erreichten eine kleine Lichtung im Wald vor Cookstown. Ein Mann, offensichtlich Barney schwebte in der Luft, gehalten von zwei metallenen Fesseln an seinen Handgelenken, die einmal so etwas gewesen sein mussten wie Stäbe von einem Stahlgitter. "Erik!", brüllte Charles als er seinen Freund dort stehen sah und betrachtete schockiert den armen Mann in der Luft. "Was soll dieser Wahnsinn? Dieser Mann hat nichts getan!". "Hallo Charles", sagte Erik und fuhr fort "Nichts getan? Nichts getan? Dieser Mann ist der Bruder von Shaw, genauso ein menschenverachtender Himmelhund. Er verdient dieses Leben nicht. Er hat so viele genommen, nun nehme ich seines!". Die blanke Wut war Erik in sein Gesicht geschrieben, fast fort waren die bekannten Gesichtszüge und Ausdrücke. Neben Erik standen ein äußerst dicker Mutant und Emma Frost, beide lächelten, als sie Charles' Gruppe erblickten. "Erik, es ist noch nicht zu spät mein Freund, noch hast du niemanden verletzt! Ich verstehe deinen Schmerz, deine Wut, aber das hier ist doch kein Ausweg. Dieser Mann hat nichts getan, seinen Stiefbruder kaum gekannt. Willst du es ihnen jetzt gleichtun und auch ganze Familien auslöschen?", fragte Charles eindringlich. "Er ist genauso ein kranker Wissenschaftler wie sein Bruder, auch er kam aus Deutschland hierher. Er hatte ein Schließfach bei der Bank, war sogar als Eigner ausgewählt!", rief Erik und schaute Barney an, der vor Schreck keinen Ton und keine Bewegung mehr zustande bringen konnte. Lethargisch schaute er Erik an und tausende von Gedanken schossen ihm durch den Kopf. "Erik, Erik! Ich habe seine Gedanken gelesen schon seit wir hier angekommen sind. Er war Wissenschaftler, ja, aber kein einziger starb durch seine Hand. Im Gegenteil, er hat viele Menschen gerettet, indem er sie für Versuche orderte und sie niemals durchführte.", sagte Charles und seine Augen begannen zu tränen "Bitte, lass ihn frei". "Alles Lügen Charles, wieso sollte er dann unter anderem Namen hierher kommen?", war Erik's einzige Reaktion. "Weil er sich vor der Vergangenheit schützen musste Erik. Glaubst du die Überlebenden des Regimes hätten keine Rache geschworen gegen solche 'Verräter' wie ihn? Er wollte mit den Shaws nichts mehr zu tun haben, lehnte den Besitz ab und alles was in dem Schließfach liegt, sind alte Familienfotos, auf denen Sebastian zu sehen war. All das hat er in dieser Bank verschlossen und vergessen. Bis du seinen Stiefbruder ermordet hast und er erneut um sein Leben fürchten musste. Tu es nicht Erik", flehte Charles seinen Freund an. "Ich ... was wollte ich hier nur ... tun?", brach Erik's Stimme und er ließ Barney langsam zu Boden sinken. Die Fesseln lösten sich von seinen Händen und lagen ohne jede Bewegung neben ihm. "Emma, Sprawl, verschwindet von hier ... Vergesst die Aktion." sagte Erik und ging langsam in die Knie, als ob der Helm und alle Gedanken in seinem Kopf unendlich schwer wären. "Emma, wieso hast du mich belogen? Du sagtest er sei schuldig", fragte Erik bestürzt. "Magneto, sie haben doch alle Schuld, sie alle wollen uns nur vernichten und leiden sehen, es war zu deinem Besten", war Emmas Antwort. "Unschuldig oder Schuldig, sie sind doch eh nichts wert", hängte Sprawl an. Erik ballte seine Hände zu Fäusten "Verschwindet ... beide ... jetzt. Oder ihr werdet es bereuen". Er erhob sich und alles metallene in der Umgebung begann sich zu bewegen, zu vibrieren wie Erik's eigene Wut. Sprawl und Emma zögerten erst, rannten dann aber so schnell sie konnten und verschwanden im Wald. Charles näherte sich Erik und legte seine Hände auf Erik's geballte Fäuste. Alles begann sich wieder zu beruhigen, so auch er selbst. Tränen tropften auf Charles' Hose, doch es waren nicht seine eigenen. "Ich ... will nicht wie sie werden" sagte Erik mit leiser Stimme und sank erneut nieder, direkt vor Charles. Hank, Banshee und Havok eilten zu Barney und kümmerten sich um ihn, bevor sie ihn zum Flugzeug trugen. "Es ist alles gut mein Freund, du hast niemanden verletzt", beruhigte Charles Erik. Er setzte seinen Helm ab, fühlte sich befreit von einer schrecklichen Last und nahm Charles' Kopf in seine Hände, drückte seine Stirn gegen die seines besten Freundes und flüsterte "Danke", nicht mehr und auch nicht weniger als das. Sie verharrten so für einige Sekunden, bis Charles anfing zu sprechen. "Erik, komm mit uns. Komm mit in deine Zuhause". Auch Charles liefen nun warme Tränen über die Wangen. "Bald mein Freund, ich muss einiges wieder gut machen. Ich habe so viele Fehler gemacht", brach es aus Erik heraus. "Aber sie alle haben dich viel gelehrt. Komm bitte bald zurück", schluchzte Charles. "Sehr bald Charles, sehr bald", lächelte Erik und stand auf, er schwebte nun ein paar Zentimeter in der Luft. "Ach und Charles? Falls du immernoch vorhaben solltest deinen Turm auf H4 zu schieben, so kann ich dich nur warnen", sagte Erik lachend und schwebte langsam in Richtung Küste. "Er kommt wieder, er kommt wirklich wieder", sagte Charles zu sich selbst und fühlte sich befreit. Er hob Erik's Helm auf und beschloss ihn bis zu seiner Rückkehr zu verwahren. Immerhin wollte er ihm ja beweisen, dass auch in einem fairen Spiel der Turm nicht seine einzige Möglichkeit war.



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