Deutsche und italienische Brüder
"Das Zeug schmeckt Scheiße... Es sieht nach nichts
aus, der Geruch irritiert einen und glücklicher
fühle ich mich immer noch nicht. Also runter
damit.", murmelte Lovino und kippte die braune
Glasflasche erneut. Was für eine beschissene Idee
war es nur gewesen dieses Gesöff namens Bier zu
probieren? Es war genau das was dessen ach- so-
toller Hersteller auch war: beschissen. Und
trotzdem konnte er nicht anders als weiter an
dieser Flasche zu nuckeln.
Besorgt saß sein Bruder ihm gegenüber und
musterte seine Trinkerei eindächtig. Feliciano
trank auch hin und wieder mal ein Bier. War ja auch
verständlich, er lebte quasi bei dem Deutschen im
Haus. Aber er tat es nicht so übertieben wie sein
Bruder. "Eh... fratello... wieso trinkst du es, wenn es
dir nicht schmeckt?", murmelte er vorsichtig um
nicht von ihm angebrüllt zu werden.
Lovino öffnete die Augen, setzte die Flasche zur
Antwort bereit ab und nickte Feliciano kurz zu.
Statt seines forschen Tones, dem boshaften Blick
und dem genervten aufzucken seiner abstehenden
Locke, brachte er nur ein: "Weils so ist.", hervor
und setzte erneut an.
Feliciano senkte den Blick leicht. Er mochte es
nicht wenn sein Bruder ihn anbrüllte. Aber so
kommunizierte er immerhin mehr mit ihm, als wenn
er Alkohol jeglicher Art trank. "Vee...", gab der
Jüngere leise von sich und sah erneut zu seinem
Bruder auf, der dieses Getränk inzwischen zur
Neige getrunken hatte. Mit einem erleichtert-
endlich- fertig- zu- sein- Aah~ stellte er die leere
Flasche mit der Aufschrift "Gitburger" wieder auf
den Tisch zurück und verschränkte die Arme. Es
dauerte eine Weile, und Feliciano hatte fast in
Erwägung gezogen etwas sagen zu müssen, doch
dann sprach Lovino wieder. Gewohnt forsch,
gewohnt angepisst: "Es schmeckt scheiße. Warum
trinkt dieser Kartoffel Fresser das so gerne, mh?
Ich meine... -", der junge Italiener lächelte wieder,
als sein Bruder genervt zurück schoss. Wieder
neigte er den Kopf, stützte ihn lächelnd auf seinen
Händen ab und wartete brav bis Lovino fertig war
die Deutschen in den Dreck zu ziehen. Dann-
endlich- stand er wortlos auf, nahm die leere
Flasche an sich und verließ den Raum. Lovino hielt
die Arme immer noch verschränkt, knurrte nur
Beleidigungen vor sich hin als Ludwig, der
Hausherr, es tatsächlich wagte in seinem
peripheren Wahrunehmungsfeld aufzutauchen.
"Fick dich, Kartoffel Sack...!", murrte er leise und
ignorierte den fragenden Blick und das höfliche
Winken der Begrüßung.
Und plötzlich trudelte auch Feliciano wieder
herein: "Veee~! Aber ehrlich, ich bin so glücklich
dass du gekommen bist! Du kommst mich so selten
besuchen, vee~..."
"Ist ja auch kein Wunder!", rief Lovino aus und
stand auf um in Ruhe gestikulieren zu können: "Seit
du bei diesem Kartoffel Macho wohnst! Du weißt
doch genau wie ich über diesen Ar- "
"Fratello, bitte reg dich nicht auf...", unterbrach
Feliciano ihn flehend. Sieg, denn Lovino gab auf und
seufzte nur laut. Unter dem Lächeln seiner Bruders
biss er sich auf die Unterlippe und rauschte an ihm
vorbei: "Ich bin im sorgfältig von dieser
Schwuchtel gepflegten Garten!"
Feliciano zuckte kurz zusammen als die Tür
krachte, lächelte aber dennoch und tänzelte zu
Ludwig in die Küche, der gerade ins Wohnzimmer
geschallert hatte wer denn bitteschön sein letztes
Bier getrunken habe.
Tack!
"Scheiß Stein, geh mir aus dem Weg.", maulte
Lovino einen Stein an, den er in das äußert gepflegt
geschnittene Gras des Gartens gekickt hatte.
Deutsche Steine lagen genauso doof im Weg rum,
wie deutsche Möbel andauernd nach den Zehen
griffen oder deutsche Disney Vögel einen morgens
mit ihrem Gezwitscher weckten. JA! Lovino hasste
die Deutschen! Das hieß... eigentlich hasste er nur
Ludwig. Und der hatte eben das Glück die Nation
Deutschland verkörpern zu dürfen...
Er biss die Zähne zusammen, und dabei unsanft auf
seine Wange, aber das ignorierte er einfach. Das
war weitaus weniger schlimm als diese
allmonatlichen Besuche hier, die er meistens
gekonnt umgehen konnte. Aber er musste seinen
verdammt nutzlosen Bruder doch mal wieder sehen!
Letzten Endes musste er sich einfach eingestehen,
dass er ihn irgendwo... doch... entfernt... ein
gaaaaaanz klein wenig... lieb hatte.
Nachdem er diesen ausnahmsweise positiven
Gedanken an Feliciano verschwendet hatte, setzte
er sich auf eine der vielen Bänke und warf den
Kopf in den Nacken. Er wollte so schnell es ging
wieder weg von hier, weg von diesem Haus, weg
aus Deutschland, weg von Ludwig...
"Aaaaaah!", rief er aus um seinem Unmut Luft zu
machen. War ja keiner hier. Er schloss die Augen
kurz, ließ seine Atmung fließen und konzentrierte
sich auf das Summen fleißiger, deutscher Bienen
die ihre Pollen sammeln gingen... genug gelauscht. Er
öffnete die Augen wieder und starrte direkt in ein
Paar äußerst unnatürlich rötlicher Augen hinein. Zu
wissen wäre vielleicht gut, dass sich Lovino immer
vorstellte der Teufel habe lodernd rote Auge,
weswegen auch verständlich war dass er Gilbert,
der sich mit fragendem, frechen Grinsen über ihn
gebeugt hatte, mit einem: "HYAAAAAHHH!!!", der
Überraschung begrüßte.
Ein wenig verwirrt stutzte Gilbert, besah kurz die
Bierflasche in seiner Hand (ob er nicht doch eins
zu viel hatte und deswegen so aussah) und grinste
den Italiener erneut an: "Morgen!"
Lovino fasste sich rasch an das rasende Herz und
drehte sich zu dem immer noch Barbie spielenden
Preußen um: "Bist du des Wahnsinns?Cazzo...!
Nimm gefälligst diese albernen, roten Kontaktlinsen
raus, du Monster!"
Gilbert schmunzelte, schwang sich elegant über die
Rückenlehne der Bank und setzte sich neben
Lovino: "Das sind meine Augen, ob du's glaubst
oder nicht... guck nicht so. Ich weiß,meine
awesomeness ist erschreckend für die meisten, die
mich sehen. Aber glaube mir mein Freund, noch
halte ich sie in Grenzen."
"Halts Maul.", sagte Lovino nur scharf und musterte
den Preußen. Irgend woher kam er ihm bekannt vor,
nur woher?
"Wie? Ich lasse mir doch von einem Amateur- Feli
nichts sagen. Überhaupt, das Kostüm ist Mist!
Seine Uniform ist nämlich blau, so wie meine
awesome Uniform. Und wie zur Hölle sitzt dein
Scheitel? Und die Locke ist auch auf der falschen
Seite...", er nahm besagtes, abstehendes Haarteil
zwischen die Finger und zog daran: "Absolut fail
. Und süß wie Feli bist du auch nicht, du bist
eher so... sein böses Gegenteil!"
Verdammt, immer die Locke! Entsetzt krallte Lovino
seine Finger in die Hose und biss sich auf die
Lippen um die aufsteigende Röte zu verbergen.
Genervt patschte er schließlich Gilberts Hand weg
und sagte: "Mal ernsthaft, bist du so dämlich oder
tust du nur so? Sieht man das denn nicht? SIEHT
MAN ES NICHT?! Feliciano und ich sind BRÜDER!
Brüüüüüder!...", er tippte Gilbert gegen die Stirn:
"Vielleicht solltest du einfach mal deine wabbelige,
rosa, mit Zuckerwatte und Cartoons gefüllten
Gehirnzellen nutzen um-"
"Alter, komm runter! Ich weiß dass ihr Brüder seit,
man darf doch wohl 'nen Witz machen...", erklärte
Gilbert schnell und grinste weiter: "Dein Name ist
Lovino, mh? Ich habe dich eben ein Bierchen
kippen sehen.", und mit kippen meinte Gilbert
auch kippen.
Der Italiener schwieg den anderen ignorant an.
Verdammt, dieser Kerl war ja schlimmer als
Ludwig! Eigentlich ähnelten sie sich kein bisschen,
und doch war da irgendwas. Vielleicht lag es an dem
allgemeinen Bild: Ein Kerl mit einer Bierflasche in
der Hand. Aber das hieße dann ja auch dass Lovino
eben auch wie einer ausgesehen hatte... einer von
diesen Deutschen. Es schauerte ihm kurz über den
Rücken, dann schielte er nochmal zu Gilbert
hinüber und dotzte seinen Zeigefinger in dessen
Brust: "Richtig. Mein Name ist Lovino Vargas.
Meines Zeichens Vorsitzender des südlichen Teils
von Italien. Und ich habe dieses...", er ersparte es
sich, jetzt noch das Wort "dreckig" als
Beschreibung zu nutzen: "Bierchen gekippt, weil es
mir nicht geschmeckt hat und es schnell gehen
musste."
"Mh?", ein wenig ratlos sah Gilbert ihn an.
Gedankenverloren wanderte sein Blick zu der
Bierflasche in seiner Hand, dann grinste er Lovino
wieder an: "Verstehe ich nicht, Bier ist das beste
Getränk der Welt! Nebenbei, wieso trinkst du es
eigentlich, wenn du es nicht magst?"
"Das geht dich einen feuchten-"
"Außerdem, wenn es dein erstes war ist es doch
klar dass es dir nicht gefällt! Das mochte Feli auch
nicht, bevor er es mehrmals getrunken hat~"
"Was?"
Lovino hörte wohl nicht Recht. Sein kleiner Bruder
trank allen ernstes dieses verfluchte Gesöff?
Nein, niemals! Wie widerlich!
"Ja", fuhr Gilbert fort und schwenkte die Flasche
angeberisch: "Er mag Bier! Aber er lässt die Finger
davon, wenn es nicht unbedingt nötig ist, also keine
Sorgen!"
Skeptisch musterte er den Preußen. Dass Feliciano
Bier trank war... schlecht. Thema beiseite! Darüber
redete er später mit ihm. Jetzt galt erstmal etwas
anderes geklärt zu werden: "Was willst du
eigentlich von mir? Kommst her, erschreckst mich
und laberst über Bier...", Gilbert grinste ihn an.
Was für ein dreckiges Grinsen er doch hatte,
dachte sich Lovino mit einem Schmunzeln. So
ähnlich wirkte sein eigenes Grinsen nämlich auch
auf Antonio.
"Naja, so als Mitbewohner des kleinen Feli
interessiert es mich schon wie dessen Bruder so
drauf ist.", war die kurze Erklärung, gefolgt von
einem weiteren Schluck Bier. Nun war auch die
Flasche endlich leer. Gewöhnlicherweise dauerte
das nie so lange, aber immerhin unterhielt er sich
ja auch mit jemandem. Lovinos Reaktion aber war
ihm ein wenig unklar. Erst wurde er fragend
gemustert, als habe er sich ein Tattoo auf die
Strin getackert. Dann kam Lovino näher ran und
ging sofort erschrocken auf Abstand: "Sa- sag mal
bist du etwa mit diesem Kartoffel Fresser
befreundet?", rief er ungläubig aus. Obwohl das
nahe lag, wenn auch Gilbert in dessen Haus wohnte.
Ein wenig verwundert über diese Reaktion hob
Gilbert eine Augenbraue, schmunzelte und
tätschelte Lovinos Schulter: "Komm runter. Nur
weil ich sein Bruder bin, heißt das nicht dass ich
genauso bin wie er. Ich bin sehr viel... awesomer
! Verstehst du? Du bist Feliciano nämlich auch
nicht gerade ähnlich."
Sein Bruder. Dieser seltsame, rotäugige und weiß
haarige Typ war also der Bruder dieses... gnarf.
Kaum vorstellbar, so wie er sich verhielt (er nahm
erstaunlich oft das Wort awesome in den
Mund). Er hatte diesen hoffnungslosen Fall von
Selbstliebe schon oft bei Antonio zu Hause
gesehen, aber nie groß nachgefragt. Es reichte
schon wenn er Francis kannte.
Nachdem Gilbert also fertig war damit anzugeben
wie toll er doch war (wobei Lovino eigentlich nur
mitbekommen hatte wie awesome er doch
eigentlich ist) verlangte man ihm ab von sich zu
erzählen. Doch alles was er Gilbert schenkte, war
ein teilnahmsloser Blick.
Was gab es schon zu erzählen? Er war Felis
Bruder, das sollte diesem Kartoffel Hirn wohl
reichen.
"Ich gehe jetzt.", gab er kurz bekannt, dann stand
er von der Bank auf und rauschte an Gilbert vorbei.
Doch dieser Preuße wäre nicht er selbst, wenn er
das auf sich sitzen lassen würde: "Stehen bleiben!",
sagte er deshalb und griff ein wenig unsanft nach
Lovinos Arm. Noch ehe er reagieren konnte, hatte
Gilbert schon gezogen (was mussten Deutsche auch
so stark sein?!) und Lovino drehte sich, stolperte
über die eigenen Füße und sah seine Nase schon
auf den Boden plätten. Doch nichts dergleichen
geschah. Das einzige, was seine Drehung bewirkt
hatte, war gewesen, dass er nun unfreiwillig auf
Gilberts Schoß saß.
"Was zur Hölle sollte das denn werden?!", rief er
entsetzt aus und versuchte erfolglos aufzustehen.
"Wie verdammt beschissen ist das denn?", dachte
er entsetzt, als er plötzlich bemerkte dass er sich
zu allem Überfluss auch noch auf Gilberts Hand
gesetzt hatte. Mit hasserfülltem Blick wandte er
sich Gilbert zu, der ebenso perplex zu sein schien
wie er eben.
"Absolut... unawesome...", dachte sich der
Preuße errötend und zog die Hand wieder zu sich
um Lovino von sich schubsen zu können. Doch da
war der Italiener schon wieder aufgestanden und
durchbohrte ihn mit tötenden Blicken.
"Das war ein Versehen, okay?", verteidigte sich
Gilbert rasch und stand ebenfalls auf. Mit einer
laschen Handbewegung wischte er sich imaginären
Staub von der Hose (oder Lovinos Bazillen... was
auch immer darauf nicht zu sehen war).
"Ein Versehen...!", wiederholte der
temperamentvolle Italiener genervt und fasste sich
an die Stirn. Wie konnte man nur so dämlich sein?
Gilbert nickte zustimmend: "Ein Versehen! Und
jetzt habe ich vergessen was ich von dir wollte, toll
gemacht!", er biss beleidigt die Zähne zusammen
und griff nach der leeren Bierflasche.
"Verfluchter Italiener.", murrte er und widmete
Lovino keines Blickes mehr.
"Verfluchter Deutscher.", knurrte Lovino ihm
hörbar hinterher.
Auf der Terrasse standen Ludwig und Feliciano und
sahen sich das ganze an. Fast schon belustigt
kicherte Feliciano, als habe er alles gehört. Er sah
seinen Freund Ludwig grinsend an und sagte: "Ist
das nicht toll? Unsere Brüder verstehen sich!"
Ein wenig zweifelnd an dessen Aussage, hob Ludwig
eine Augenbraue. Doch er wollte Felicianos Illusion
vom Frieden in ihren Familien lieber nicht
zerstören und schwieg einfach.
"Ich bin nicht nur deutsch...", sagte Gilbert
und drehte sich wieder zu Lovino um: "Ich bin
preußisch du- "
"Preußisch, mh? Ist Preußen nicht den Bach runter
gegangen?", lachte Lovino frech und duckte sich
noch im selben Moment, als die leere Bierflasche
auf sein Gesicht zu steuerte. Eine nicht sonderlich
spektakuläre Prügelei entbrannte.
Feliciano und Ludwig standen immer noch da und
sahen sich das alles interessiert an. "Sieh nur,
jetzt spielen sie! Ich hätte nie gedacht dass Lovino
noch so kindisch sein kann, vee~"
Ludwig fasste sich an die Stirn. Und sowas hatte
ihm im zweiten Weltkrieg den Rücken gedeckt...:
"Feliciano, ich gehe wieder rein. Antonio müsste
bald wieder zurück sein, dann kannst du die beiden
holen gehen. Lass sie so lange einfach... weiter
spielen."