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Time Began To Play

HP/LV, DM/HG
von

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Waiting For You

Ähm.... hallo.

Ich weiß, es ist lange (zu lange) her und ich habe auch keine wirkliche Entschuldigung dafür (außer ein Kreatief und mehrere technische Schwierigkeiten...). Es war nie meine Absicht gewesen, euch so lange warten zu lassen und ich hoffe, dass es auch nicht wieder vorkommen wird.
 

Besonders danken möchte ich an dieser Stelle KISHIRA_22 und Saku-nee-chan, die immer ein offenes Ohr (bzw. Auge) hatten, wenn ich mich wieder über dieses Kapitel aufgeregt habe, sandy325, die mir dabei geholfen hat, wieder zu dieser FF zurückzufinden und Robino, meine zauberhafte Beta, deren Timing sicher vom Schicksal selbst geleitet wird (oder ist es am Ende die Zeit?). Ohne euch wäre dieses Kapitel wahrscheinlich niemals beendet worden. *knuddel*
 

Und natürlich geht mein Dank an Euch, die Leser, Reviewer und all jene, die diese FF immer noch auf ihrer Favoliste haben. Ich kann nicht in Worte fassen, wie wunderbar ihr seid!

Doch genug der langen Vorrede, viel Vergnügen mit:

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Waiting For You
 

London, 6 Monate zuvor
 

Draco hätte niemals damit gerechnet, Hermione so wiederzusehen.

Auf einem Schlachtfeld auf der gegnerischen Seite, den Zauberstab zum tödlichen Schlag erhoben und auf ihn gerichtet: Ja.

In einer Muggelbuchhandlung mit nachdenklicher Miene und ohne ihn zu bemerken? Nein.
 

Trotzdem stand sie dort neben einem großen Regal und blätterte in einem dicken Band, den er selbst vermutlich niemals in die Hand genommen hätte. Ihr Anblick traf ihn wie ein Blitz und es fiel ihm nur schwer, sich von ihrem Anblick loszureißen. Trotzdem beobachtete er sie, während er langsam zwischen den Regalen hindurch schritt.
 

Er hatte kein Recht auf ihre Aufmerksamkeit. Er war es gewesen, der sie verstoßen hatte (für keine geringere als Pansy und auch das nur, um es seiner Familie Recht zu machen), also musste er sie in Frieden lassen und sich auf sein eigenes Vorhaben konzentrieren. Ein Vorhaben, das ihn hierher geführt hatte... in eine Buchhandlung. Eine Muggelbuchhandlung. Fernab aller Magie.

Was hatte ihn nur hierher getrieben?

Ein Impuls, vermutete er, ein Gefühl, das ihm gesagt hatte, dass er in diese Richtung gehen sollte. Genauso wie er sich nun sicher war, dass er hier sein musste. Auch wenn der Grund ihm ein Rätsel war.
 

Wahrscheinlich war es das Schicksal, das ihn quälen wollte (immerhin war es süchtig nach Unterhaltung) oder es handelte sich um eine andere, genauso starke Macht, die ihn wieder auf Hermione treffen ließ. Wessen Wille es auch gewesen war, er wollte gerade den Laden wieder verlassen, als sie aufblickte und ihn entdeckte.

Spätestens jetzt hätte er seine Beine in die Hand nehmen sollen, um zu seiner Mutter und seiner Verlobten zurückzukehren. Stattdessen zwang er sich zu einem Lächeln und trat einen Schritt auf die junge Frau zu. „Hallo Hermione“, sagte er leise, während sie ihn nur mit großen Augen ansah. „Es ist lange her.“
 

Als Antwort verpasste sie ihm eine Ohrfeige.
 

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Seine Wange pochte immer noch, als sie etwa eine halbe Stunde später gemeinsam in einem unauffälligen Café ein paar Straßen weiter saßen. Draco konnte kaum seinen Blick von ihr abwenden, während er an seiner Tasse Kaffee nippte. Sie wirkte blass und müde, trotzdem war sie ihm nie schöner vorgekommen.
 

„Das hier bedeutet nicht, dass ich dir verzeihe“, sagte sie irgendwann, ohne von ihrer eigenen Tasse aufzublicken. Sie hatte ein Muggelgetränk bestellt, dessen Namen er zuvor noch nie gehört hatte, aber ihrem zufriedenen Gesicht nach zu urteilen, musste es ziemlich gut schmecken. „Oder dass ich mich von dir zu irgendetwas breitschlagen lasse. Ich bin nur hier, weil ich den Latte so sehr mag.“
 

Er schmunzelte. „Natürlich. Etwas anderes wäre mir niemals in den Sinn gekommen.“

In Wahrheit konnte sie ihm nichts vormachen. Auch wenn sie sich über ein Jahr nicht mehr gesehen hatten, kannte er sie nach wie vor besser als jeder Andere und deshalb wusste er, warum sie wirklich hier war.

Merlin, er hatte sie vermisst.
 

Allein ihr gegenüber zu sitzen und sie einfach nur ansehen zu können, genügte, um etwas von der Anspannung, die ihn seit Harrys Verschwinden überallhin verfolgte, abfallen zu lassen. Es musste daran liegen, dass sie der einzige Mensch war, vor dem er sich nicht verstecken brauchte. Ihr musste er nicht vormachen, dass es ihm gut ging oder dass er sich über ihre Anwesenheit freute, denn letzteres tat er tatsächlich und ersteres hätte sie ihm ohnehin nicht abgenommen.
 

„Habt ihr schon einen Hochzeitstermin?“, fragte sie und unterbrach damit den Frieden, den er bis eben noch gespürt hatte. Es wäre ihm lieber gewesen, sie hätte dieses Thema niemals angeschnitten. So erinnerte sie ihn nämlich daran, dass das hier falsch war, dass er kein Recht dazu hatte, mit ihr an diesem Tisch zu sitzen und ihre Gegenwart zu genießen, denn Zuhause wartete jemand auf ihn. Nur leider war es die falsche Person.
 

Seufzend fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar. „Willst du das wirklich wissen?“
 

„Natürlich“, erwiderte sie. „Ich muss doch wissen, wann ich meine Glückwunschschreiben verschicke.“ Bei diesen Worten sah sie ihm das erste Mal, seit sie das Café betreten hatten, in die Augen. Ihr Blick war stur und entschlossen, doch er konnte den Schmerz sehen, den sie in ihrem Inneren vergraben und vor der Welt (vor ihm) verstecken wollte. Mit einem Mal fühlte er sich wie der größte Mistkerl, den es je gegeben hatte.
 

„Im Sommer“, verkündete er resigniert. „Es wird... ein ziemlich eindrucksvolles Spektakel.“

Sie nickte mit undurchschaubarer Miene. „Eine Hochzeit zwischen Reinblütern wird sicherlich ein großes Medienereignis und gerade in diesen Zeiten muss sie eine wunderbare Abwechslung bieten.“

„Vermutlich.“
 

Schweigen.

Dann: „Du siehst unglücklich aus, Draco.“

Er genehmigte sich einen weiteren Schluck Kaffee. „Ich habe kein Glück erwartet, als ich mich auf diese Hochzeit eingelassen habe.“

Das Mitgefühl, das daraufhin auf Hermiones Gesicht erschien, hatte er ebenfalls nicht erwartet.
 

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Sie trafen sich danach immer wieder und das, ohne sich vorher zu verabreden. Mal standen sie plötzlich gemeinsam auf einer Brücke, ein andermal liefen sie gleichzeitig durch denselben Park... es war gerade so, als würde sie eine unsichtbare Macht dazu zwingen, sich immer wiederzusehen und schließlich gaben sie ihr nach.
 

Sie endeten im Bett eines Hotelzimmer.
 

Draco hielt sie irgendwann nur noch fest in seinen Armen und zeichnete mit seinen Fingern unsichtbare Zeichen auf ihre nackte Haut. „Tut er dir immer noch weh?“

„Manchmal“, flüsterte sie, während sie sich an ihn schmiegte. „Aber es ist nicht mehr so schlimm wie früher. Ich glaube, er kann sich inzwischen besser kontrollieren.“

„Es gefällt mir nicht, dass du mit ihm zusammen bist.“

„Mir gefällt es auch nicht, dass du bald heiraten wirst.“

„Zumindest versucht Pansy nicht, mich umzubringen.“
 

Sie stemmte sich mit ihrem Arm nach oben, damit sie auf ihn herunterblicken konnte. „Ronald würde mich niemals ernsthaft verletzen.“

Er schnaubte. „Ich werde nie verstehen, warum du mit ihm zusammen bist. Du hättest jeden haben können.“

„Vielleicht hätte ich das“, sagte sie. „Aber der Einzige, den ich haben wollte, hatte sich für Pansy Parkinson entschieden.“

Er lächelte leicht. „Du hättest Single bleiben können.“

Sie erwiderte sein Lächeln, sagte jedoch nichts mehr und er genoss den Frieden zwischen ihnen zu sehr, um das Thema weiter zu vertiefen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Ich wünschte manchmal, wir könnten einfach verschwinden“, sagte er, als sie sich das nächste Mal über den Weg liefen. „Wir könnten alles hinter uns lassen und ein neues Leben beginnen. Es wäre so einfach.“

Leider war sie noch nie ein Träumer gewesen: „Glaubst du wirklich, du könntest das deiner Mutter antun?“

„Nein, vermutlich nicht“, erwiderte er seufzend und schritt neben ihr weiter durch den Park, den er eigentlich nur schnell hatte durchqueren wollen. Manchmal war es wirklich unheimlich, wie sich seine und Hermiones Wege kreuzten.
 

Als sie an einem Spielplatz vorbeikamen, hielten sie für einen Moment inne und beobachteten die Kinder, die fröhlich auf den verschiedenen Geräten herumtobten. Er fragte sich, ob er auch Kinder haben würde und wenn ja, ob er lange genug leben würde, um sie aufwachsen zu sehen.
 

„Dieser Krieg... ich glaube nicht, dass ich ihn überleben werde.“ Als er sich zu ihr umwandte, sah sie ihn abwartend an, so als ahnte sie, was folgen würde. „Aber falls ich es doch schaffen sollte“, fuhr er mit einem leichten Beben in der Stimme fort, „und wir beide heil aus der Sache herauskommen, dann werde ich einen Weg finden, damit wir zusammen sein können.“

Ihre Augen leuchteten, als sie antworte: „Versprich nichts, was du nicht halten kannst.“
 

„Das habe ich nicht vor.“

Denn solange es auch nur den Hauch einer Hoffnung dafür gab, eines Tages mit ihr sein ganzes Leben teilen zu können, war es für ihn Grund genug, weiterzuatmen.
 

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Als hätte dieses Versprechen einen unsichtbaren Zauber gebrochen, liefen sie sich danach nicht mehr über den Weg. Egal, wie oft Draco versuchte, ziellos durch die Straßen zu ziehen, egal, wie oft er sich umsah, er konnte Hermione nirgends mehr finden. Dies hätte ihn vermutlich in einen Zustand tiefster Resignation versetzt, wären nicht seine Mutter und Pansy gewesen, für die er stark bleiben musste.
 

Also lebte er von Tag zu Tag, vertrat seinen Vater im Ministerium, lächelte, wenn von seiner bevorstehenden Hochzeit die Rede war, nahm an zahllosen Kämpfen gegen den Orden des Phönix teil und dachte vor allen Dingen nicht an Hermione.
 

Und dann, eines Tages, kam ein Brief für ihn. Es gab keine Namen, keinen Absender, nichts, doch er wusste auch so, von wem er war.
 


 

Wir sehen uns im Frieden.
 

Ein Abschied und ein Versprechen zugleich.

Offenbar hatte sie genauso wie er gemerkt, dass ihre zufälligen Begegnungen der Vergangenheit angehörten und sich zu verabreden, wäre zu riskant. Zum einen für Hermione, die nach wie vor von Ronald abhängig war (auch wenn er das nie verstehen würde) und zum anderen für ihn selbst. Harrys Bruder oder nicht, der Dunkle Lord würde es kaum gutheißen, wenn einer seiner Todesser sich mit dem Feind abgab.

Deshalb würden sie sich während des Krieges nicht wiedersehen.
 

Doch wenn er je enden sollte...

Wenn es wieder Frieden geben sollte...
 

//Frieden ist eine Illusion.//
 

Deshalb heiratete er. Deshalb blieb er bei seiner Familie. Denn auch, wenn er die Liebe gefunden hatte, so waren es die Menschen, bei und mit denen er aufgewachsen war, die im Krieg in erster Linie seine Loyalität verdienten.

Doch ab dem Augenblick, in dem er von Hermiones Schwangerschaft erfuhr, änderte sich alles, denn mit einem Mal gab es die Möglichkeit, dass seine Familie größer war, als er ursprünglich geahnt hatte. Und auch, wenn er Hermione den Frieden versprochen hatte, würde er ihr den Krieg geben, wenn es sein Kind war, das in ihrem Körper heranwuchs.
 

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Wo hatte ihn dieser Entschluss hingebracht? In die Kerker von Hogwarts, mit nichts, außer die Aussicht auf seinen nahenden Tode. Anstatt die zu beschützen, die er liebte, würde er allen nur Kummer und Trauer bereiten. Er hatte versagt.
 

Trotzdem konnte er seine Entscheidung nicht bereuen.
 

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Lilys Apartment, Gegenwart
 

Bis auf das Knistern des Kaminfeuers herrschte Stille. Was gut war, denn Harry brauchte dringend etwas Zeit um Hermiones Geschichte zu überdenken. Er musste zugeben, dass er überrascht war. Nicht darüber, dass es sich bei Draco um den Vater des ungeborenen Kindes handelte – das hatte er von Anfang an vermutet – sondern über dieses alberne Versprechen, dass sein Bruder ihr gegeben hatte.

Sobald der Krieg endete, wollte er also einen Weg finden um mit ihr gemeinsam bis ans Ende aller Tage glücklich zu werden? Eine sehr romantische Vorstellung, die durchaus zu ihm passte, aber in der jegliche Vernunft verloren gegangen war.
 

Andererseits konnte er ihn verstehen. In Kriegszeiten war jeder Funken Hoffnung willkommen und wenn die Aussicht auf ein Happy End Draco und Hermione dabei half, weiterzuleben, gab es nichts, was Harry dagegen hätte sagen können.

//Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass das wirklich passieren wird.//

Draco liebte seine Familie mehr als alles Andere. Er würde nie etwas tun, was sie entehren oder ihr Probleme bereiten würde.

//Wenn Hermione sein Kind zur Welt bringt, ist sie auch Teil der Familie.//

Was die ganze Situation verkomplizierte. Davon abgesehen, dass Lucius nicht sonderlich begeistert sein würde – von Pansy wollte er gar nicht erst anfangen – so würde Ronald sicher auch ein Wörtchen mitzureden haben.
 

Ronald... Draco... was sahen die beiden nur in Hermione?

Harry könnte verstehen, wenn jemand wie Felice in eine Dreiecksbeziehung verstrickt wäre. Sie war schön, intelligent und hatte ein einnehmendes Wesen. Hermione... war ebenfalls intelligent und nicht unbedingt hässlich, aber sie gehörte nicht zu dem Typ Mensch, den er in einer solchen Konstellation vermuten würde.
 

Das Öffnen der Haustür riss ihn aus seinen Gedanken und als er aufblickte, konnte er Lily erkennen, die ihn offensichtlich verdutzt ansah. „Du bist noch hier?“
 

Es war kein Ärger in ihrer Stimme, nur ehrliche, beinahe erfreute Überraschung, die ihn zum Schmunzeln brachte. „Ich brauchte einen Ort zum Nachdenken und da war es mir lieber, wenn ich es fernab von Empathen tue. Ich hoffe, es stört dich nicht.“
 

„Nein...“, erwiderte sie langsam. „Natürlich nicht.“
 

Harry schenkte ihr dafür ein strahlendes, ehrliches Lächeln, ehe er sich wieder in aller Ruhe zurücklehnte und in seine Gedankenwelt zurückkehrte.
 

Nachdem Hermione ihre Geschichte beendet hatte, hatten sie beschlossen, dass es nur recht und billig wäre, sie an Dracos Befreiung teilhaben zu lassen. Nun, genaugenommen war es Harry gewesen, der es beschlossen hatte. Lily hätte sie lieber aus der ganzen Sache herausgehalten.

War es Eifersucht, die ihm einen leichten Stich versetzte, wenn er daran dachte, wie sehr sich seine Mutter um dieses Mädchen sorgte, während sie für ihn in den letzten Jahren wahrscheinlich kaum einen Gedanken übrig gehabt hatte?

Ja, natürlich war es das und es ärgerte ihn ungemein.
 

//Es ist natürlich.//

Es ist schwach.

//Aber es zeigt, dass du dazu fähig bist, auch jene zu lieben, die dich bis aufs Äußerste verletzt haben.//
 

Nicht darüber nachdenken.
 

Momentan sollte er sich vollkommen darauf konzentrieren, Draco aus seinem Schlamassel rauszuholen und wie es aussah hatte er dafür bereits alles Nötige in die Wege geleitet.

Hermione und Lily hatten die Wohnung vor einiger Zeit verlassen und waren losgezogen, um erste Vorkehrungen zu treffen. Dabei wollten sie Harry aus den Details heraushalten, da es für seine momentane Neutralität in diesem Konflikt unabdingbar war, dass nichts in Dracos Befreiung auch nur in kleinster Weise auf ihn hinweisen könnte. Es ärgerte ihn insgeheim, zum Nichtstun verurteilt zu sein, doch er vertraute auf Lunas Vision. Lily würde in der Lage sein, ihn zu retten.
 

Apropos, die Frau war auffallend still geworden. Neugierig blickte er auf. Seine Mutter saß ihm inzwischen gegenüber – Beine übereinandergeschlagen, während ihre Hände auf ihren Oberschenkeln ruhten – und sah ihn abwartend an.

Er reagierte mit einer gehobenen Augenbraue. „Ja?“
 

Falls sie sich über seinen zugegebenermaßen arroganten Tonfall ärgerte, ließ sie es sich nicht anmerken: „Willst du gar nicht wissen, ob alles gut gelaufen ist?“
 

„Nun, ich gehe davon aus. Ansonsten wärst du kaum jetzt schon zurückgekommen, oder?“
 

Sie runzelte die Stirn, ließ das Thema jedoch fallen. „Bist du zu einem Ergebnis gekommen?“, fragte sie stattdessen.
 

Diesmal war er es, der verdutzt war. „Ich kann mich nicht daran erinnern nach einem gesucht zu haben.“
 

„Du hast nachgedacht“, erinnerte sie ihn. „Und wolltest nicht, dass Felice etwas davon mitbekommt. Das bedeutet, du wolltest dir über irgendetwas klar werden.“
 

Den Scharfsinn hatte er ganz offenbar von ihr geerbt. Das hieß jedoch nicht, dass sie ein Recht auf eine Antwort hatte. „Was lässt dich glauben, dass ich meine Gedanken gerade mit dir teilen sollte?“
 

Überraschenderweise erschien nun ein Lächeln auf ihrem Gesicht. „Du bist immer noch hier“, stellte sie das Offensichtliche fest. „Dafür wird es einen Grund geben.“
 

//Netter Versuch.//

„Vielleicht möchte ich einfach nur etwas Zeit mit meiner leiblichen Mutter verbringen“, konterte er spitz. „Immerhin hatte ich in den letzten Jahren kaum Gelegenheit dazu.“
 

Ihr Lächeln gefror. „Soweit ich es mitbekommen habe, hast du dir ja einen guten Ersatz besorgt.“
 

Er wollte ihr eine weitere, kühle Antwort entgegenschleudern, aber etwas in ihrem Gesicht brachte ihn zum Verstummen. Konnte das wahr sein? Empfand er jetzt wirklich Schuldgefühle?! Er hatte jedes Recht darauf, wütend auf sie zu sein, sie fertig zu machen, auf ihren Gefühlen herumzutrampeln und sie noch tiefer in ihre Verzweiflung zu stürzen. Er war hier das Opfer.

//Aber wenn du so weitermachst, wirst du zum Täter.//

Oh, wie sehr er seine innere Stimme manchmal hasste. Vor allem, wenn sie Recht hatte.
 

„Ich habe über das nachgedacht, was Hermione uns erzählt hat“, begann er deswegen resigniert. Lily, die wohl wie er mit einer weiteren, bösen Bemerkung gerechnet hatte, blinzelte mehrmals, ehe sie sich sichtlich entspannte. „Diese Treffen mit Draco... alle ungeplant und scheinbar zufällig, kommen mir etwas verdächtig vor. Ein oder zweimal, okay. Aber so wie sie es erzählt hat, muss es häufiger gewesen sein und definitiv zu oft, um es als Zufall abzutun.“
 

„Du glaubst also, es steckt mehr dahinter.“
 

„Ich glaube es nicht“, stellte er klar. „Ich weiß es. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das Schicksal oder die Zeit dafür verantwortlich ist.“
 

„Wäre es die Zeit, müsstest du es doch eigentlich wissen“, warf Lily ein.
 

„Stimmt, aber ich kann nicht glauben, dass das Schicksal dahinterstecken soll.“ Zwar war diese Dreiecksgeschichte sicherlich vollkommen nach seinem Geschmack, aber Ginevra hatte ihn einen Blick auf Dracos Schicksalsfaden werfen lassen. Deshalb wusste er, dass sein Bruder dazu bestimmt war, mit Pansy an seiner Seite die Familie Malfoy weiterzuführen und einen angesehenen Posten im Ministerium zu bekommen. Was übrigens der Grund dafür gewesen war, dass er sich nicht in seine Hochzeitspläne eingemischt hatte.
 

Aber was sollte die Zeit damit bezwecken, Draco und Hermione zusammenzubringen? Zwar wollte sie dem Schicksal immer einen Strich durch die Rechnung machen, doch dabei mischte sie sich selten in Einzelschicksale ein. Es waren die großen Ereignisse, in denen sie ihre Finger im Spiel hatte und nur die Schlüsselfiguren, die, die später in die Geschichtsbücher eingehen sollten – oder jene, die diese Menschen prägend beeinflussten – wurden von ihr angeleitet.

Inwiefern passten die Beiden also in diese Schublade?
 

Und da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: „Das Kind.“
 

„Wie bitte?“
 

„Hermiones und Dracos Kind“, spezifizierte Harry seine Aussage und sah seiner Mutter direkt in die Augen. „Das alles diente nur dazu, dass es geboren werden kann. Deshalb haben ihre Treffen auch so plötzlich aufgehört. Das Schicksal hätte sie niemals so einfach abklingen lassen, sondern dafür gesorgt, dass sich ihre Beziehung noch mehr vertieft. Es hätte beobachten wollen, wie sie verrückt vor Liebe werden. Der Zeit dagegen ging es nur darum, dass das Kind gezeugt wird und hat sich danach nicht mehr weiter darum gekümmert. Was immer dem Kleinen auch bevorsteht, es muss eine große Zukunft sein.“
 

Selbstverständlich konnte er sich nicht sicher sein, aber er würde bestimmt bald die Möglichkeit bekommen, Ginevra dazu zu befragen.
 

„Eine große Zukunft also“, wiederholte Lily nachdenklich. „Es scheint manchmal unglaublich, dass so etwas bereits vor der Geburt bestimmt wird.“
 

„Genauso unglaublich wie der Gedanke, dass wir alle nur Spielfiguren höherer Mächte sind, die nichts weiter tun, als ihre Langeweile zu vertreiben“, stimmte Harry ihr zu. „Und doch ist es die Wahrheit.“

Mit einer schwungvollen Bewegung richtete er sich auf und streckte sich leicht. „Ich sollte gehen. Du hast in den nächsten Tagen viel zu tun.“

Als er sie diesmal ansah, ließ er seinen Blick besonders sanft werden. „Ich danke dir, dass du Draco helfen willst. Ich weiß, dass du es nicht für mich tust, aber es beruhigt mich trotzdem sehr. Ich hätte mich ungern auf Verhandlungen mit Ronald Weasley eingelassen.“
 

Sie runzelte die Stirn. „Verhandlungen?“
 

„Nicht so wichtig“, meinte er abwinkend. „Grüß Draco von mir.“

Und ohne ihr die Zeit auf eine weitere Erwiderung zu geben, ging er auf die Wohnungstür zu und disapparierte, sobald er den Raum verlassen hatte.

Er hatte hier getan was er konnte.

Jetzt lag es an ihr.
 

Allerdings konnte er nicht wissen, dass an einem anderen Ort bereits eine andere Macht dabei war, die Schicksalsfäden zu verändern.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Neville Longbottom war jemand, der niemals den Glauben an den Menschen verlor.

Egal, wie schlimm der Ruf des jeweiligen Individuums war, egal, wie sehr diese Person ihm weh getan hatte (oder noch schlimmer: Anderen weh getan hatte), er hörte nicht auf, an das Gute in ihr zu appellieren. In dieser Hinsicht war er genauso wie Albus Dumbledore und nicht wenige verlachten ihn deswegen.

Doch es störte ihn nicht, was die Anderen über ihn dachten. Er hatte seine Meinung und war entschlossen, ihr bis zum Zeitpunkt seines Todes zu folgen. Insgeheim war er nämlich davon überzeugt, dass es diese Fähigkeit des Vergebens war, die weiße Magier von schwarzen unterschied und deshalb wollte er nicht aufhören, diesem Prinzip zu folgen.
 

Aus diesem Grund fiel es ihm schwer, Ronalds Pläne hinsichtlich Draco Malfoy einfach so hinzunehmen. Sein ehemaliger Klassenkamerad war ein Todesser – ja. Aber er war jung. Vielleicht war er dazu gezwungen worden, sich dem Dunklen Orden anzuschließen. Darüber hinaus gab es keinen Grund, ihn hinzurichten. Er war besiegt und gefangen. Sie konnten ihn auch einfach in seiner Zelle lassen und gut damit.
 

Überhaupt war er inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass zwischen den beiden ein persönlicher, tiefgehender Zwist herrschen musste, was die wahre Ursache dafür war, dass alles außer Kontrolle geraten war.
 

In seinen Augen war das inakzeptabel. Hier ging es nicht nur um kleine Kabbeleien, wie es sie in der Schule gegeben hatte. Sie waren in einem Krieg, jede Handlung konnte und würde von der Gegenseite als ein erneuter, direkter Angriff gewertet werden und darüber hinaus stand dieses Mal ein Leben auf den Spiel.
 

Selbstverständlich war dieses einzelne Leben nichts im Vergleich zu den vielen Verlusten, die es in den letzten Kämpfen gegeben hatte. Außerdem konnte ein kleiner Teil von ihm die Intention hinter einer öffentlichen Hinrichtung nachvollziehen. Es ging um ein Statement. Noch waren sie nicht geschlagen. Noch konnten sie kämpfen und siegen, immerhin hatten sie auch diesen einzelnen Todesser besiegen können.
 

Wäre es jemand anderes gewesen – Bellatrix Lestrange zum Beispiel – hätte er sich wahrscheinlich nicht einmal so viele Gedanken darüber gemacht. Stattdessen hätte er sich darauf konzentriert, seine eigenen Fähigkeiten zu verbessern, damit er sich das nächste Mal nicht wie ein Schwächling vorkommen würde, wenn er wieder einem ernsthaften Gegner gegenüberstand.
 

Doch Draco war nicht irgendjemand. Er war Harrys Bruder und deshalb konnte Neville nicht einfach tatenlos zusehen, wie man ihn viel zu früh in die ewigen Jagdgründe beförderte. Das war er seinem besten Freund schuldig, auch wenn er in letzter Zeit immer mehr das Gefühl bekam, dass ihre Freundschaft nur noch für ihn eine wirklich wichtige Rolle spielte.

//Ich sollte nicht so vorschnell sein. Er hat sicher viel zu tun.//
 

Nur was sollte er zu tun haben? Wo war er? Warum war er nicht bei ihnen? Warum kämpfte er nicht an ihrer Seite? Und warum war er nicht einmal auf der Gegenseite? War ihm das alles am Ende etwa egal? Hatte er beschlossen, sich aus der ganzen Sache herauszuhalten und stillschweigend abzuwarten, wie das Ganze ausgehen würde?

//Nein, wenn er keine Seite wählt, dann nur, weil es überall Menschen gibt, die er nicht bekämpfen will.//

Neville hoffte, dass auch er einer dieser Menschen war.
 

Missmutig wanderte er durch Hogwarts, wobei er an mehreren Ordensmitgliedern vorbeilief, die ihn entweder freundlich grüßten oder ignorierten, wenn sie es zu eilig hatten oder beschäftigt waren. Momentan war ihm das vollkommen Recht. Es gab nur eine Person, mit der er jetzt sprechen wollte und die musste er erst finden.

Er bog um die nächste Ecke und blieb erschrocken stehen. Das da vorne... die kurzen, verstrubbelten, schwarzen Haare... war das...?

Er schüttelte mit dem Kopf. Nein, natürlich war das nicht Harry. Die Statur stimmte nicht, außerdem war die Person viel älter. Es war also nur der Vater. James.
 

Neville seufzte. Er musste damit aufhören, nach jemandem Ausschau zu halten, der ohnehin niemals hier auftauchen würde, ansonsten würde er früher oder später wahnsinnig werden.
 

Als hätte er ihn gehört, drehte der Mann sich zu ihm um und lächelte freundlich. „Hallo, Neville. Heute ganz allein unterwegs?“
 

Er erwiderte sein Lächeln, denn er mochte James. Er war meistens gut gelaunt und immer für einen Spaß zu haben, besonders wenn Sirius Black in der Nähe und seine Frau nirgends zu sehen war. Das unterschied ihn sehr vom ernsten, gewissenhaften Wesen seines Sohnes. Manchmal fragte Neville sich, ob Harry ihm ähnlicher gewesen wäre, wäre er nicht bei der Familie Malfoy aufgewachsen.
 

„Sieht wohl ganz so aus“, erwiderte er mit aufgesetzter guter Laune. „Ich kann mich ja nicht immer von Ronald oder Hermione verfolgen lassen. Außerdem suche ich nach Albus.“
 

Nach längerem Überlegen war er zu dem Schluss gekommen, dass Albus Dumbledore der Einzige in ganz Hogwarts war, der in der Lage wäre, Draco zu retten. Die Leute hörten auf ihn und vertrauten ihm. So war es immer schon gewesen. Wenn Albus etwas sagte, schwiegen alle anderen und wenn er etwas für richtig hielt, stimmte man ihm früher oder später zu. Er würde alle überzeugen können, dass das, was Ronald tat, irrsinnig war. Ganz sicher.
 

//Ach ja? Und warum hat er es dann noch nicht getan?//
 

Er verdrängte diesen Gedanken und wandte seine Aufmerksamkeit stattdessen wieder James zu, dessen Miene sich seltsamerweise verfinstert hatte. „Albus ist auf dem Astronomieturm. Er beobachtet dort die Vögel“, fügte er beinahe verächtlich hinzu.
 

Neville blinzelte überrascht. Es kam nicht oft vor, dass jemand so von Albus sprach. Ob etwas zwischen den Beiden vorgefallen war? „Ähm... na ja, es soll entspannend sein, Vögel zu beobachten. Und inspirierend...“
 

„Spar es dir. Er ist nicht mehr das, was er früher einmal war. Er hat sich dafür entschieden, sich aus allem herauszuhalten und seinen Ruhestand zu genießen.“ James schüttelte mit dem Kopf. „Er hätte sich keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können.“
 

„Er... ist alt geworden. Da kann man es ihm nicht verübeln, wenn er eine kleine Ruhepause...“
 

„Du hast Recht“, unterbrach James ihn. „Albus ist alt. Zu alt. Das Einzige, was er noch tut, ist auf den Tod zu warten. Was immer du also von ihm willst, du kannst es gleich vergessen. Von ihm bekommst du keine Hilfe.“
 

„Das kannst du gar nicht wissen!“, widersprach er automatisch. „Ich bin sicher, er wird auf mich hören und dafür sorgen...“
 

„Warum muss es eigentlich er sein, der dafür sorgt, dass alles so läuft, wie du es dir vorstellst?“, pfefferte der Mann ihm entgegen. Neville verstummte verdutzt. Was...?
 

„Du bist der Auserwählte“, fuhr James sofort fort, während er wild mit seinen Händen gestikulierte. „Du bist der Junge, der lebt. Du bist die Hoffnung dieser Menschen. Du solltest derjenige sein, der die Fäden in der Hand hält, der über Leben und Tod entscheidet und vor allen Dingen derjenige, der an der Spitze des Ordens steht. Doch stattdessen hast du das alles Ronald überlassen.“

Mit einem Mal ließ er seine Hände wieder ruhig an seiner Seite herabhängen, während er Neville mit einem durchdringenden, enttäuschten Blick betrachtete. „Sag mir... warum hast du das getan?“
 

Warum er das getan hatte?

Das war doch sonnenklar: Weil er ein Schwächling – //eine Enttäuschung//, flüsterten seine Gedanken – war, weil er niemals so gut sein konnte wie Ronald. Er hatte keine Ahnung von Strategien oder wie man einen Kampf plante, geschweige denn wie man Verbündete um sich scharrte oder Mitstreiter motivierte. Er wusste nicht, wie man großartige Reden hielt und wann es angemessen war, jemanden für etwas zu bestrafen oder nicht. Er war kein Anführer und: „Es will mich doch ohnehin niemand haben.“
 

Der Orden hatte sich für Ronald entschieden. Sie wollten ihm folgen. Nicht Neville. Die meisten waren aufgewacht und hatten verstanden, dass er nicht das war, was sie sich von ihm erhofft hatten.

Und die, die nichts mit dem Weasley am Hut haben wollten, hatten sich dem Dunklen Lord angeschlossen.
 

James schien zu wissen, was ihm durch denn Kopf schoss, denn er schüttelte mit dem Kopf. „Wenn dich wirklich alle aufgegeben haben, warum ist dann Harry nicht hier? Warum ist er nicht an Ronalds Seite und hilft ihm dabei, alldem ein Ende zu bereiten? Gut, vielleicht kann er ihn einfach nicht leiden und möchte deshalb nicht mit ihm zusammenarbeiten. Aber in diesem Fall könnte er auf der Seite unserer Feinde sein. Warum also zeigt er sich auch dort nicht offen? Warum hält er sich aus allem heraus?“
 

„Keine Ahnung, vielleicht möchte er nichts mit dem Krieg zu tun haben? Ich meine... er müsste auf jeder Seite gegen einen Teil seiner Familie kämpfen. Das würde keiner...“
 

Der Mann ließ ihn gar nicht erst ausreden: „Hör auf, Ausreden zu erfinden. Du weißt genau, warum er nicht hier ist.“
 

//Weil ich ihn wie alle anderen enttäuscht habe//, dachte er, aber er wollte sich vor James nicht diese Blöße geben und entgegnete deshalb stur: „Nein, weiß ich nicht. Und nun entschuldige mich bitte, ich habe noch etwas zu erledigen.“
 

Er wollte nun umdrehen und dramatisch davonstampfen. Mit etwas Glück würde sein Umhang wehen, so wie er es bei Professor Snape immer tat. Das wäre eindrucksvoll und es würde den Älteren davon abhalten, ihm noch etwas hinterher zu rufen.

Offenbar hatte er jedoch kein Glück und so hörte er die Worte, auf die letztendlich das ganze Gespräch – sein ganzes Leben – hinausgelaufen war: „Er wartet auf dich, Neville. Wir alle warten auf dich.“
 

Als Antwort beschleunigte er seine Schritte und lief weiter, ohne darauf zu achten, wohin ihn seine Beine eigentlich trugen oder die Menschen wahrzunehmen, an denen er vorbei hastete.

Erst, als er stehenblieb, wurde ihm wirklich bewusst, wohin er gegangen war: In die Kerker. Zu Draco.
 

Sein erster Impuls war, wieder kehrt zu machen und ans andere Ende des Schlosses zu verschwinden. Er hatte ganz sicher nicht das Bedürfnis, den Gefangenen zu sehen oder gar mit ihm zu sprechen. Dadurch würde er sich nur noch schlechter fühlen, weil er dann wirklich anfangen musste zu glauben, dass es sich nicht um einen bösen Traum handelte. Dass Draco wirklich hier unten war und sterben würde, wenn sie nichts dagegen unternahmen. Sobald er ihn sah, würde er die Verantwortung nicht mehr auf Andere abschieben können. Er würde nicht mehr behaupten können, dass er es nicht gewusst hatte. Oder dass er sich nicht sicher gewesen wäre.
 

Würde er Draco sehen, würde es bedeuten hinzusehen und spätestens ab diesem Zeitpunkt würde er nicht mehr mit sich leben können, wenn er ihn sterben ließ. //Dann wäre ich nämlich nicht besser als ein Todesser.//

Aber war er das nicht sowieso automatisch, wenn er weiterhin wegsah?
 

Er haderte immer noch mit sich selbst, als er auf einmal eine einsame Gestalt bemerkte, die reglos vor der verheißungsvollen Zelle stand. Sie trug ein hübsches Kleid, unter dem sich deutlich ihr gewölbter Bauch hervorhob und das wahrscheinlich um einiges bequemer als eine Hose sein musste. Stirnrunzelnd näherte er sich ihr.

Eigentlich müsste hier unten ein Ordensmitglied sein, das zusätzlich zu den zig Schutz- und Antiausbruchszaubern ein Auge auf Draco haben sollte. Er bezweifelte, dass ausgerechnet sie dazu eingeteilt worden war. Ronald hätte es nie zugelassen. Trotzdem konnte er niemanden ausmachen, weshalb er beschloss, sich zu ihr zu gesellen.
 

„Hermione“, begrüßte er sie leise, während er sich neben sie stellte.
 

Kurz glaubte er, sie hätte ihn nicht gehört, da sie in keinster Weise auf seinen Ansprechversuch reagierte, doch als er seinen Mund abermals öffnete, konnte er ein sanftes „Neville“ vernehmen. Nicht, dass sie auch nur im mindesten daran dachte, sich ihm zuzuwenden. Stattdessen starrte sie mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck die Wand an, von der er wusste, dass man von dieser Seite aus durch sie hindurchsehen und den Gefangenen beobachten konnte, ohne dass dieser überhaupt ahnte, dass er gesehen werden konnte. Eine praktische, magische Erfindung, welche die Überwachung um einiges vereinfachte.
 

Er zögerte noch einen letzten Moment, ehe er sich ebenfalls der Wand zuwandte. Das Innere der Zelle war dunkel und er brauchte etwas, bis er Draco fand. Sobald er ihn jedoch entdeckte, ging ihm sofort ein Gedanke durch den Kopf: „Er sieht... besser aus, als ich erwartet habe.“
 

„Achja?“, kommentierte Hermione. „Was hast du denn erwartet? Dass er in Ketten liegt und aus tausend Wunden blutet?“
 

Um ehrlich zu sein: Ja. Zumindest hätte er es Ronald zugetraut, den Malfoy in einen solchen Zustand zu versetzen. Warum eigentlich? Weshalb hassten sie sich so sehr?
 

Er drehte sich wieder zu seiner Freundin um und flüsterte: „Was ist er für dich? Was bedeutet er dir, dass Ronald ihn so sehr hasst?“
 

Sie schwieg solange, dass er überzeugt war, keine Antwort zu erhalten. Doch schließlich sagte sie genau das, worauf er die ganze Zeit gewartet hatte: „Er ist der Vater meines Kindes.“ Diesmal war sie es, die sich zu ihm umdrehte. Ihre Wangen waren trocken, ihre Augen ausdruckslos, aber er war sich sicher, dass in ihrem Inneren tausend Tränen darauf warteten, an die Oberfläche zu kommen. „Und er ist mein Mann.“
 

Ihr... Mann?!

Glücklicherweise war sie bereit, seine unausgesprochene Frage zu beantworten: „Ich weiß, dass er mit Pansy verheiratet ist“, erklärte sie mit einem traurigen Lächeln. „Und ich weiß, dass seine Familie mich selbst in Zeiten des Friedens niemals akzeptiert hätte. Aber er liebt mich, Neville, und manchmal braucht man nicht mehr als das, um zu wissen, dass man in diesem Leben zusammengehört.“

Er musste nicht nachfragen, ob sie ihn auch liebte.
 

Langsam wandte er sich wieder zu Draco um. „Tja... jetzt weiß ich wenigstens, warum Ronald ihn so hasst.“

Es war nachvollziehbarer. Jeder würde den Mann hassen, der es geschafft hatte, das Herz der geliebten Person zu gewinnen.
 

„Du hast nicht einmal den Hauch einer Ahnung, warum er ihn hasst“, murmelte Hermione mit ausdrucksloser Miene. „Nicht, wenn du glaubst, dass es nur wegen mir ist, denn das stimmt nicht. Wäre ich der Grund, hätte er ihn einfach in dem Wald getötet und es wie eine einfache Kriegshandlung aussehen lassen. Er hätte ihn wahrscheinlich davor gefoltert, ihn leiden lassen und es dann beendet, damit er sich sicher sein konnte, dass Draco nicht mehr da ist, um sich zwischen ihn und mich zu stellen. Aber er hat es nicht getan.“
 

„Weil er eine öffentliche Hinrichtung vorzieht“, flüsterte Neville. „Und es damit auf eine unpersönliche Ebene bringt. Anstatt ihn selbst zu vernichten, sorgt er dafür, dass die ganze weiße Seite die Verantwortung dafür übernimmt.“

Womit es nicht mehr wie eine persönliche Tat aussah und gleichzeitig konnte er den Malfoy dabei als Kriegsmittel verwenden. Gut durchdacht, wobei ihm der Sinn dahinter nicht ganz klar war.
 

Die Schwangere dagegen hatte ihn längst durchschaut: „Ich glaube, er will ihn gar nicht umbringen, zumindest nicht so. Wenn er ihn tot sehen wollte, hätte er ihm schon längst ein Ende bereitet.“
 

„Aber was bezweckt er dann damit?“
 

„Ist das nicht Offensichtlich?“, stellte sie die Gegenfrage und bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. „Ronald will Harry dazu zwingen, aus seiner passiven Rolle auszusteigen und sich in die Geschehnisse der Gegenwart einzumischen. Er will, dass er endlich seine Entscheidung trifft.“
 

„Was für eine Entscheidung?“
 

Hermione streckte ihre Hand aus und ließ sie für einen Augenblick auf unsichtbaren Wand verweilen, die sie von Dracos Zelle trennte. „Seine Wahl, Neville. Die Wahl darüber, wer diesen albernen Krieg gewinnen soll.“ Sie sah noch ein letztes Mal mit beinahe sehnsuchtsvoller Miene zu dem Vater ihres Kindes, ehe sie sich zu ihm umwandte. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Ronald ihn hierher lockt. Er wird ihn dazu bringen, sich für ihn zu entscheiden und das geht einfach nicht.“
 

Harry. Warum ging es eigentlich letztendlich immer nur um Harry?

Doch er stellte eine andere Frage: „Warum geht es nicht? Wäre es nicht gut, wenn er endlich auf unsere Seite kommen würde?“
 

„Wenn es deine Seite wäre ja. Aber wenn er sich dazu entschließen sollte, Ronald zu unterstützen, läuft es mir kalt den Rücken herunter, sobald ich an unsere Zukunft denke.“ Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und setzte sich dann langsam in Bewegung. „Wenn du mich jetzt entschuldigst, Fred und George haben mich darum gebeten, mir eine ihrer neusten Kreationen anzusehen. Hoffentlich ist es diesmal etwas, das sich nicht bewegt.“
 

Er sah ihr hinterher, während sie langsam zu den Treppen schlenderte und drehte sich erst wieder um, als sie aus seinem Blickfeld verschwunden war.
 

Wenn er sich dazu entschließen sollte, Ronald zu unterstützen, läuft es mir kalt den Rücken herunter, sobald ich an unsere Zukunft denke.
 

Und was war mit ihm selbst? Wollte er, dass Harry mit dem Rothaarigen zusammenarbeitete?

Vielleicht würde alles dadurch besser werden. Wenn Ronald Harry unbedingt auf seiner Seite haben wollte, würde er sicher auf ihn hören, oder? Vielleicht würde er dadurch ruhiger werden, klarer denken und endlich die richtigen Entscheidungen treffen.

Vielleicht würden sie dann diesen Krieg gewinnen. Hermione zumindest schien daran zu glauben.
 

//Trotzdem gefällt mir der Gedanke nicht.//
 

Schweigend betrachtete er Draco, der inzwischen unruhig hin und her lief. Würde seine Anwesenheit Harry wirklich hierher locken? Und würde es wirklich ausreichen, um ihn dazu zu bringen, die weiße Seite zu unterstützen? Wäre das überhaupt richtig? Wäre es nicht... eine Art Erpressung?
 

//Es ist Erpressung. Kein Wunder, dass Hermione verhindern möchte, dass er hierherkommt.//
 

Doch wie sollten sie das verhindern? Harry liebte seinen Bruder. Er würde ihn niemals sterben lassen, wenn er glaubte, dass er es irgendwie aufhalten könnte. Er würde versuchen ihn zu retten. Und das bedeutete, dass sie Draco zuerst würden retten müssen.

Nur wie?
 

Er erinnerte sich daran, was James zu ihm gesagt hatte: Er war der Auserwählte. Er war derjenige, auf den die Leute wirklich setzten, aber da er sich in eine passive Rolle begeben hatte, hatten sich alle Ronald zugewandt. Das durfte so nicht weitergehen. Er musste damit aufhören, die Verantwortung immer nur an Andere abzugeben und anfangen endlich selbst zu handeln.

Seine erste Mission: Draco hier rausholen. Er, Hermione und James konnten unmöglich die Einzigen sein, die etwas gegen seine geplante Hinrichtung auszusetzen hatten. Wenn er genug Leute hinter sich scharren konnte, würde er sich Ronald und seinen Befürwortern in den Weg stellen können.
 

Vielleicht würde er dann das erste Mal das Gefühl haben, Harry nicht mehr zu enttäuschen.
 

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Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ich jetzt sowohl auf Twitter, als auch auf Tumblr zu finden bin, wo ich meinen Bearbeitungsstand, sowie Inspirationsquellen und überaus „tiefsinniges“ Geplappere posten werde.

Wenn ihr mir folgen wollt, könnt ihr das gerne tun, indem ihr auf meinem Profil/Steckbrief auf FF.de und/oder Animexx vorbeischaut, wo ich momentan die Links zu meinen Seiten reingestellt habe.
 

Ich wünsche euch allen eine friedliche Adventszeit.

Liebe Grüße, Ria



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  kaya17
2012-12-17T21:46:28+00:00 17.12.2012 22:46
Ein tolles Kapitel^^ ich bin gespannt wer letztendlich, derjenige sein wird der Draco rettet. Das wird richtig spanend. Aus Ron werde ich auch noch nicht so richtig schlau

spannend^^
Von:  devillady
2012-12-16T20:05:14+00:00 16.12.2012 21:05
wow...hi ^^

es hat zwar lange gedauert war aber ein super kapi
bin sehr froh das es weiter geht *gg*

Lg devi
Von:  Schizo_Squalo
2012-12-14T21:01:12+00:00 14.12.2012 22:01
Du meine Güte, na endlich.

ich hatte schon gedacht das Nevill es nie schafft seinen kopf aus dem hintern zu ziehen.

Jetzt wirds spannend kanns kaum erwarten
Von:  mathi
2012-12-14T15:57:29+00:00 14.12.2012 16:57
hallo,
das kapitel war wirklich gut
endlich passiert mal was 'positives'. selbst wenn es nur vorbereitungen waren, so keimt hoffnung auf. dass selbst neville damit einsteigt, find ich noch besser!
ich bin auf jeden fall gespannt wie es denn weiter gehen wird
bis denn
mathi
Von:  mimaja56
2012-12-14T08:15:01+00:00 14.12.2012 09:15


vielen Dank für das neue Kapitel. Jeder Satz beweist dass es sich gelohnt hat so lange darauf zu warten.
Die Thematik wird immer schwieriger um Harry, Draco, Nev und Co. dadurch kann ich durchaus nachvollziehen, dass dir die Ausarbeitung der Kapitel sehr viel abverlangt.
Du schreibst hier ja nicht einfach eine flache Unterhaltungsgeschichte, dass hier ist mehr.
Geschichten dieser Art, auf deutsch gibt es nicht viele. - und dafür noch mal ein extra Danke.

Sollte es bei Neville also endlich KLICK machen, sollte er wirklich erkennen dass wirklich ER gebraucht wird um den Umbruch zu schaffen. Den Umbruch der nicht nur Leid und Trauer bringt. Das er nicht Ron braucht. Es wäre wünschenswert das der stille, in sich gekehrte Mensch auf die Worte von James und Hermine hören würde. Und sich den wirklich wichtigen und richtigen Personen zuwendet und deren Hilfe annimmt.

Dir noch einmal vielen Dank liebe Ria
und eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins Neue Jahr.

bis bald

mimaja
Von:  peili23
2012-12-13T21:33:07+00:00 13.12.2012 22:33
schön das es weitergeht.. die ff hatte mir wirklich gefehlt. überlege die ganze zeit was an dracos und hermiones kind so wichtig ist...eine mira ein ta..ein lord..

auf jeden fall super kapitel
Von:  Amy-Lee
2012-12-13T19:17:46+00:00 13.12.2012 20:17
Hi, schön das du wieder da bist.
Es war ein Tolles Kapitel.
Neville will also handeln und die Hinrichtung von Draco verhintern das ist gut,
ich meine wer ist denn der Auserwählte Er oder Ron?
Da sollte er endlich mal was tun und
nicht an Ron abtretten man sieht doch zu was das geführt hat,
dieser Weasley ist schlimm und
hat die Pasive haltung von Neville ausgenutzt um selbst das Zepter in der Hand zu haben, jetzt muß "der Junge der Lebt" Leute um sich scharren damit er Ron entmachten kann.
Hermine hat recht es wäre gar nicht gut wenn Harry sich für Ron entscheiden würde,
aber das wird so oder so nicht passieren da die zwei sich nicht besonders Grün sind.
Ich freue mich schon auf´s nächste Kapitel.
Bye


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