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Gefährliche Bilder oder Wie man einen Bösewicht an der Rückkehr hindert

von

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Ein spannendes Beobachtungsobjekt

Der Himmel hatte sich bereits unangenehm zugezogen, dunkle Wolken bauschten sich am Horizont auf und verkündeten ein herannahendes Unwetter. Trotzdem hielt ich meine Stellung auf dem Fenstersims und spähte neugierig in das Zimmer, welches wegen der aufkommenden Dunkelheit nun von drei angenehmen Lichterketten erhellt wurde. Dieses Zimmer faszinierte mich schon seit längerer Zeit. Nicht etwa weil ich ein Faible für die Einrichtungsgegenstände der Menschen besaß, sondern wegen dem Mädchen, das dort wohnte. Inzwischen wusste ich fast alles über sie: Wann sie aufstand, wann sie zu Bett ging. Wann sie das Haus über den Vormittag verließ und wann sie Mittags wieder nach Hause kam. Ich konnte ihre Freundinnen an den Gesichtern erkennen und ich wusste, wann das Mädchen an zwei Tagen in der Woche länger schlief als gewöhnlich. Aber vor allem wusste ich, wann es zeichnete. Der große Block, die vielen verschiedenen bunten Stifte, der magische Würfel, mit dem sie die gemalten Dinge auslöschen konnte und viele andere Utensilien, die ich nicht benennen konnte, lagen zwar den ganzen Tag über immer griffbereit auf einem Korbstuhl, aber genutzt wurden sie erst, wenn die Arbeit des Tages getan war und Entspannung angesagt war. Jedenfalls glaubte ich, dass das Mädchen sich beim Malen entspannte, denn da feuerte sie den Block nicht einfach mit einem Wutschrei in die Ecke, wie wenn sie im Nachmittag stundenlang über irgendwelchen Heften und Büchern hockte und mit verkniffenem Gesicht darin herumkrakelte. Doch am spannensten fand ich, dass auf dem Papier immer und ohne Ausnahme nur Katzen entstanden. Katzen mit kurzem oder buschigem Fell. Kleine Katzen, große Katzen, Katzen im Sprung, schlafende Katzen, Katzen, die das Sofa als Kratzbaum verwendeten. Manchmal auch mehrere, ganze Rudel. Mit den bunten Stiften zauberte das Mädchen ihnen die schönsten Felle, die geheimnisvollsten Augen und die prächtigsten Halsbänder. Immer, wenn ich ihm beim Zeichnen zusah, nahm ich meine Umgebung kaum noch wahr, so fasziniert war ich von dieser Kunst, lebende Wesen für immer auf ein Blatt Papier zu bannen. Hätte eines der Bilder irgendwo an einer Mauer oder so gelehnt, ich hätte es angefaucht, so lebensecht wirkten die Tiere. Heute war eine Siamkatze dran. Während sie leuchtend blaue Augen verpasst bekam und ich daran denken musste, dass das Bild mich an Cassandra vom Schrottplatz erinnerte, schweiften meine Gedanken kurz ab. Der Schrottplatz ... die anderen Katzen ... meine Freundinnen ... Als ich die Augen aufschlug und das Zimmer finster vorfand, wurde mir klar, dass ich kurz eingenickt war. Hoppla. Ich schüttelte unwillig meinen Kopf um die Gedanken zu ordnen. Dann gähnte ich ausgiebig, streckte mich, dass es in meinen Wirbeln knackte und wollte mich gerade zum Gehen wenden. Doch es regnete! Mist! Ich hatte doch die dunklen Wolken vorhin ganz deutlich gesehen, ich hätte mich wirklich früher auf den Weg machen sollen, anstatt ganz vernarrt in diese toten Bilder hier sitzen zu bleiben. Ich hatte wirklich keine Lust, jetzt den ganzen Weg nach Hause zu laufen. Schon gar nicht bei Regen. Außerdem war es längst Nacht, die Familie würde schon abgeschlossen haben. Zwar fand man in dem älteren Fachwerkhaus, in dem ich mein Katzendasein genoss immer irgendwelche Schlupfwinkel nach drinnen, doch nach denen jetzt auch noch zu suchen und dann noch in der Dunkelheit ... danach stand mir nun wirklich nicht der Sinn. Am Besten würde ich einfach bis morgen früh warten und dann bei Licht nach Hause laufen, um den kleinen Teller Thunfisch zu frühstücken. Vielleicht wartete wegen des nächtlichen Fernbleibens auch eine Schüssel Sahne auf mich. Doch nach längerem Nachdenken war das unwahrscheinlich, meine Familie war daran gewöhnt, dass ich längere Zeit fortblieb. Sie hatten aufgehört, sich Sorgen zu machen und vertrauten auf meinen guten Spürsinn, der mich immer wieder nach Hause brachte. Ich gähnte noch einmal, sprang geschickt von der Fensterbank und kniff die Augen zusammen, um einen geeigneten Schlafplatz ausfindig zu machen. Und siehe da, die Ecke neben der Haustür, die von Blumentöpfen zugestellt war, schien mir gerade richtig. Windgeschützt, regenfest und nicht sofort zu entdecken, sollten hier irgendwelche unsäglichen Straßenköter des Nachts herumstreunen. Ich schlängelte mich unter den süß duftenden Blüten hindurch und rollte mich auf dem trockenen Pflaster zusammen. Nun ja, nicht ganz so komfortabel wie das dicke Sofakissen zuhause vor dem Kamin, aber für die paar Stunden bis zum Sonnenaufgang würde es genügen. Mein Kopf sank auf die Pfoten und ich war gerade dabei, wegzudämmern, als ich aufschreckte. Da hing doch ein scheußliches Gelächter in der Luft ... ich spitze die Ohren. Ja! Eindeutig! Da lachte jemand dreckig, als hätte er irgendwelche dunklen Gedanken, die er bald zu verwirklichen gedachte. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Irgendwoher kannte ich dieses Gelächter ... hmm ... aber weil ich trotz des kleinen Nickerchens immer noch müde war, schlief ich über diesem Gedanken ein.
 

"Guten Morgen Kleine! Hab mir doch gedacht, dass ich dich hier finde." Rum Tum Tugger stupste mich mit der Nase an und setze sich neben mir auf den eisigen Plattenweg. Ich blinzelte, gähnte und sah mich um. Oh. Heller als gewollt. Eigentlich war der Plan gewesen, früher aufzustehen. Der Thunfischteller war jetzt sicherlich auch schon weg, weil meine Familie wegen dem späten Vormittag sicher dachte, ich hätte schon woanders etwas zu Fressen gefunden. Mist. Ich knurrte unwillig und schüttelte mich.

"Schlechte Laune?" Mein Weckdienst fuhr sich mit einer Pfote durch das buschige Fell und grinste mich spöttisch an.

"Nee, nur Hunger." Ich betrachtete deprimiert den feinen Nieselregen, der immer noch auf die Stadt herabging. Tugger hatte es mit seiner Löwenmähne ja einfach, da kam ja kaum ein Tröpfchen Wasser durch, doch mein kurzes Fell ... ich würde innerhalb weniger Sekunden wie ein nasser Putzlappen aussehen. Halleluja.

"Ich sollte dich suchen und aufwecken gehen. Du bist doch wach oder?" Na bitte. Ich hatte mir doch gedacht, dass Rum Tum Tugger persönlich nicht aus reiner Zuneigung zu mir durch den Regen marschierte. Dazu war er zum einen zu faul und zum anderen zu stolz. Und die Zuneigung fehlte wahrscheinlich auch noch vollkommen. Wunderbarer morgen.

"Himmel, auf so miesepetrige Stimmung war ich nun wirklich nicht vorbereitet. Deine Laune sieht man ja schon gar nicht mehr, so tief unten ist die.", bemerkte mein Begleiter spitz, huschte zwischen den Blumentöpfen hindurch auf die Straße und guckte nach rechts und links. Jetzt ließ er mich auch noch allein sitzen. Ich war echt zu bemitleiden.

"Kommst du jetzt oder ja?", tönte es ungeduldigt von der Straße. Oh. Immerhin ein Lichtblick, er wollte mit mir zurücklaufen. Aber wohl auch eher nur, um sich keinen Ärger mit den anderen Katern einzuhandeln. Ich schüttelte mich noch einmal und wagte mich hinaus in den Regen. Dann trabten wir eilig die Straße am Greenwich Park hinunter.

"Was du an diesem Menschenmädchen findest weiß ich ja auch nicht. Ich finde die sind alle zum totlangweilen." Mein Begleiter gähnte demonstrativ "Aber ist ja deine Sache. Aber meiner Meinung nach hättest du dir ruhig jemanden suchen können, der nicht hunderte von Meilen vom Schrottplatz entfernt wohnt."

Aha. Aber mich der schlechten Laune beschuldigen, was?

Ich murmelte nur irgendwas unverständliches. Ich hatte keine Lust, meine Faszination an diesem Mädchen zu rechtfertigen. Dazu war es zu früh. Der Regen ließ nicht nach und als wir am Schrottplaz ankamen, hatte ich das Gefühl, einmal quer durch die Themse geschwommen zu sein. Auch der Treffpunkt der Cats wirkte aufgrund des Wetters wie ausgestorben. Doch das täuschte. Auch hier gab es viele Fleckchen, die vor dem Regen schützten. Sobald wir das hohe Tor passiert hatten, glaubte ich, Getuschel zu hören. Wahrscheinlich Etcetera und Electra, die zu spät gekommen waren um mitzukriegen, dass Tugger mich lediglich finden und wecken sollte. Egal. Ich gönnte ihnen das bisschen Eifersucht. Immerhin wurde ich äußerst selten um mein Hab und Gut beneidet, dafür stand immer Victoria bereit, die mit ihrer reichen Familie in der Park Lane wunderbar angeben konnte. Und obwohl mein Auftritt hier lässig und ein bisschen gleichgültig wirken sollte, konnte ich es nicht verhindern, dass ich versuchte, in Tuggers Gegenwart zu bleiben. Ich folgte ihm leichtfüßig auf den rostenden Herd und von dort aus in eine dunkelblaue Blechtonne, auf deren Boden er sich nun zusammenrollte und anfing, sein Fell zu putzen. Ich stand noch kurz etwas unschlüssig herum, bevor ich mich - von Tugger vollkommen unbeachtet - auf das kalte Metall legte. So verblieben wir fürs erste, lauschten dem Regen und warteten ab, was der Tag noch so bringen würde. Manno. Eigentlich hatte ich nach Hause ins Warme und Trockene gewollt ... hm ... soviel dazu. Ich ließ meinen Kopf wieder auf meine feuchten Pfoten sinken, doch ich hatte genug geschlafen und war hellwach. Die Langeweile hing wie ein dickes graues Tuch über dem Schrottplatz. Jedenfalls kam mir das so vor. Ich dämmerte gerade vor Langeweile weg, als Bombalurinas Stimme schrill über den Schrottplatz gellte: "Macavity!!!"



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