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Abschied eines Waldgeistes.

Mido auf Reisen!
von

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Unverständnis

Ich wusste nicht, was sie mit einer Herzensangelegenheit verband. Nur noch weniger konnte ich mir vorstellen, wie gerade ich ihr helfen sollte, mit sich im Reinen zu sein. Ich war ein Junge und vor allem aber war ich nicht der Gefühlvollste. Warum fragte sie niemand anderen? Fado, meine Schwester, beispielsweise. Sie verstanden sich doch sonst so gut. Oder machten sie mir das nur vor, damit ich mich nicht sorgte? Nein, das konnte nicht sein, denn wie sollten sie überhaupt wissen, dass ich mich tatsächlich um ein anderes Wesen außer mich sorgte? Das war vollkommen abwegig. So in meine Gedanken versunken nickte ich nur zustimmend und folgte ihr wortlos.

Zumindest, bis wir uns von unserem eigentlichen Treffpunkt weg bewegten.

Ich schob die Hände in die Hosentaschen.

„Wohin willst du eigentlich mit mir?“, fragte ich sie ruhig und betrachtete ihre Rückseite. Sie blickte über die Schulter zu mir und sah mich etwas besorgt an. Eine Antwort bekam ich allerdings nicht, sodass ich die Augen verdrehte. Sicherlich irgendein Mädchenmist, den sie privat mit mir besprechen musste, weil es ihr peinlich war. Salia war eigentlich der beste Freund, den ich je hatte. Das Problem war nur: Sie war ein Mädchen.

Und dementsprechend gab es Themen, die ich zu vermeiden wusste und ich hoffte, es war ihr in den Jahren aufgefallen. Anscheinend nicht, denn sie führte mich geradewegs in die verlorenen Wälder hinaus, was mir doch etwas seltsam vorkam. Ich fand nicht alleine heraus, und das wusste sie. Zwar verfügte ich über einen ausreichenden Orientierungssinn dafür, aber wenn ich das Gefühl hatte, mich zu verlaufen, wurde mir schwarz vor Augen – Eine Schwäche, gegen die ich nichts machen konnte.

Es war so düster, dass ich die Hand vor Augen nicht erkannte.

Erst jetzt fiel mir ein, dass ich ja eigentlich jemanden hatte, der mir den Weg leuchten konnte, falls ich Salia denn aus den Augen verlor – Es kam nicht dazu. Sie packte meine Hand. Zittrig hielt sie sie in ihrer kühl schwitzenden Hand, geradezu lächerlich schwächlich. „Salia, was hast du?“, fragte ich sie sachte und blieb stehen, hielt sie davon ab, weiter zu gehen.

„Vertrau mir einfach.“

Ihre Stimme glich einem Flüstern und meine Sorge um sie wuchs immer weiter.

„Ist etwas passiert? Geht es dir nicht gut?“, fragte ich mit leiser Stimme, denn ich fühlte mich unwohl dabei, die Stille des Waldes zu brechen, in dem man nur noch das Zirpen der Zikaden vernehmen konnte.

„Ich... Will das nicht hier mit dir bereden.“

Ich konnte nur erahnen, dass sie sich mit der anderen Hand durch das Gesicht fuhr und verstohlen einige Tränen wegwischte. Ich konnte sie nicht weinen sehen. So folgte ich ihr schweigsam in den tiefen Wald. Der Wind pfiff durch die Blätter und die Wetterlage verschlechterte sich stetig seit heute Morgen. Es begann, zu nieseln. Man konnte es als einen dieser unheilschwangeren Momente bezeichnen, dem man die Gefahr absehen konnte. Oder einen Schicksalsschlag. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus und ich schluckte schwer. Je näher wir dem Tempel kamen, desto mehr zog sich meine Kehle zu und ich konnte nur noch schwer atmen. Mir wurde es eng in der Brust.

Dann, plötzlich, blieb sie stehen.

„Hier können wir sprechen, glaube ich.“, sagte sie.

Hier, in der Lichtung, war es stiller, allerdings bekam man auch den Regen eher ins Gesicht. Es war zum Glück nicht viel Regen, aber sie sah ziemlich fertig aus, sodass das bisschen Wasser vielleicht schon genügen konnte, um sie krank zu machen. Ich würde darauf achten, dass wir nicht zu lange hier blieben, denn ich konnte nicht zulassen, dass ihre Gesundheit Schaden nahm.

„Dann fang mal an.“, meinte ich und löste meine Hand von ihrer. Die Hände verschwanden, wie so oft, in den Hosentaschen. Erwartungsvoll blickte ich sie an und zog die Brauen hoch. Sie biss sich auf den Lippen herum und druckste, spielte mit ihren Händen und brauchte etwas, um ihre Sprache wiederzufinden.

„Mido, ich...“

„... Was?“

Das, was danach kam, sollte mir die Kehle zuschnüren.
 

Die Enge in meiner Brust nahm zu, als ich ihre Stimme nur noch erahnen konnte, denn jedes Wort mehr, das sie sagte, machte mich ohnmächtiger und matter. Dennoch war es nur eine einfache Bitte und auch, wenn ich mir nichts sehnlicher gewünscht hatte, als dass sie jemals diese Worte aussprach, so machten sie mich in diesem Moment nur noch krank. Über ihre zittrigen Lippen kamen nur leise Geräusche. Ich konnte sie nur mit Mühe zu einem Satz zusammenfügen, als ich ihr in die betrübten blauen Augen starrte und die Wassertropfen – Obgleich vom Regen oder der Tränen – Über ihre blassen Wangen rollen sah. Erst dann konnte ich den Worten, die über ihre zartblauen Lippen kamen, Sinn verleihen.
 

„Bitte, Mido, verlass unser Dorf und den Wald.“
 

Ungläubig betrachtete ich sie.

Es sah nicht aus, als würde sie es wollen.

Was wollte sie mir schon sagen? Ich war das Oberhaupt unseres Stammes! Ich hatte das Sagen! Warum wollte sie mich vertreiben? Wollte sie mich nicht mehr um sich haben? Und die Anderen? Ging ich ihnen auf die Nerven? Ich konnte nicht vermeiden, dass ich sie verletzt ansah. War es schon länger so? Es waren all diese Fragen, die ich ihr stellen wollte, aber es nicht konnte. Es schnürte sich mir die Kehle zu und ich schloss die Augen einen Moment, nur, um tief einzuatmen, um Worte zu finden, um mit ihr zu reden.

Ich hörte sie schluchzen.

Natürlich – Erst rammte sie mir das Messer in den Rücken und jetzt tat es ihr unsagbar Leid. Hatte sie jemand voraus geschickt? Hatten sie hinter meinem Rücken darüber abgestimmt, ob es besser wäre, wenn ich ginge? Ob sie lange daran gearbeitet hätten, wie sie mich loswürden? Vermutlich wollten sie mir nicht einmal Böses. Sie konnten mich nur nicht mehr ertragen und darum musste ich weg. Und Salia sollte es mir schonend beibringen.
 

„Mido?“
 

Ihre Stimme war gebrochen.

Als ich ihre Hände auf meinen Schultern spürte, fühlte ich, wie der Boden unter mir nachgab.



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