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Katzenregen

KaRe
von

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Katzenregen

Hallo!
 

Da bin ich wieder nachlanger Zeit und müsste eigentlich Psychologie büffeln, aber irgendwie hatte ich mehr Lust zu schreiben.

Wie schon in der Kurzbeschreibung erwähnt, ist das hier kein weiterer Sequel zu "Was hast du mir angetan?", da es dort aber sehr lange nicht mehr weiterging, wollte ich unbedingt diese Story hier fertig bekommen. Wie mir die Idee dazu kam, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, ich glaube, ich habe mir irgendeinen traurigen Film angesehen.

Jetzt fragen sich sicher alle: Warum schreibst du 'nen One-Shot?! Schreib lieber an der anderen Ff weiter! Ò.ó

Das hat allerdings auch einen mehr oder weniger guten Grund. Ich habe leider am Freitag, also gestern, meinen USB-Stick in der eurobahn verloren, auf dem drei neue Storys/das neue, fast fertige Kapitel drauf waren. Falls also jemand einen weiß-grünen Stick von Kingston in der eurobahn zw. Bünde und Bodenburg gefunden hat, bitte mich kontaktieren! T.T Ansonsten muss ich das alles noch einmal schreiben. a) habe ich da nicht wirklich Lust zu und b) kriege ich es bestimmt nicht mehr so gut hin, wie ich es schon geschrieben hatte. *kleine Perfektionistin*

Und nun wünsche ich euch viel Spaß mit dem One-Shot. Rechtschreibfehler dürft ihr behalten, da die Story leider vom Beta-Leser noch nicht wieder da war und eventuelle Ungereimtheiten bitte ich zu entschuldigen, aber ich wollte die Ff so schnell wie möglich hochladen, bevor ihr auch noch etwas passiert.
 


 

Katzenregen
 

Müde öffnete er die Augen einen klitzekleinen Spalt. Neben dem Gewitter, welches schon die ganze Nacht tobte, ertönte seit einigen Augenblicken das schrille Klingeln seines Handys. Das kam also dabei heraus, wenn man zu faul war, sein Telefon ins Arbeitszimmer zu bringen, bevor man zu Bett ging. Wie spät war es überhaupt? Er versuchte etwas auf dem Display zu erkennen. Es schien drei Uhr Morgens zu sein. In etwa. Vergeblich versuchte den Namen zulesen. Seine Sicht war noch zu verschwommen. Ihm würde wohl nichts anderes übrig bleiben, als den Anruf entgegen zunehmen. Genervt drückte er den Grünenhörer und hielt sich das schwarze Mobilteil an das Ohr.

„Ja?“

„Hallo Kai, hier ist Ray.“

Völlig frustriert ließ er seinen Kopf in das Kissen fallen. Ausgerechnet er...

„Was willst du?“

„Kann ich... vielleicht bei dir übernachten?“

„Du hast sie doch nicht mehr alle! Lass mich schlafen!“

Wütend wollte er auflegen, als er panisches Gestammel aus dem Hörer wahrnahm.

„Nein! Bitte leg nicht auf! Ich stehe unten vor deiner Haustür! Bitte lass mich rein!“

„Nenn mir einen guten Grund, warum ich aufstehen und dir die Tür aufmachen sollte. Du hast seit einem halben Jahr nicht mehr mit mir geredet.“

„Bitte, ich weiß nicht, wo ich sonst hingehen soll.“

„Geh nach Hause zu den anderen in eure WG.“

„Das kann ich nicht. Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit...“

„Vielleicht solltest du etwas freundlicher zu deinen Mitmenschen sein und sie nicht wie Gegenstände auswechseln.“

„Kai, bitte, es ist kalt hier draußen. Lass uns nicht diskutieren.“

Leicht angesäuert seufzte der Graublauhaarige, während er sich aufrichtete. Das Ganze passte ihm überhaupt nicht, aber er konnte den anderen auch nicht dort vor seiner Tür stehen lassen.

„Also gut. Ich komme runter.“

Er legte auf und zog sich seinen Morgenmantel über. Ein Blitz erhellte kurz das Dämmerlicht der Nachttischlampe und rauer Wind peitschte den Regen an die Fenster des Schlafzimmers. Gemächlich machte er sich auf den Weg ins Foyer. Nur den Flur entlang und die Treppe herunter. Schade, dass der Weg nicht länger war. Noch einmal blitzte es, als er langsam die schwere Eichentür öffnete. Eigentlich wollte er wütend sein. Den Schwarzhaarigen kaum eines Blickes würdigen. Nachdem dieser schlussgemacht hatte, war er endgültig in die Villa der Hiwatari Familie gezogen. Seit sein Großvater gestorben war, hatte er sie nur am Wochenende bewohnt. Das Haus lag einfach zu weit vom Stadtzentrum entfernt und war für einen einzelnen Menschen eigentlich viel zu groß. Doch plötzlich blickte er in diese verzweifelten Katzenaugen und sah den wie Espenlaub zitternden, bis auf die Knochen durchnässten Körper.

„Du siehst ja furchtbar aus.“

„Ich fühle mich auch furchtbar.“

„Wie bist du überhaupt her gekommen?“

Der Chinese hustete und wischte sich durch das nasse Gesicht.

„Ich bin gelaufen.“

„Was!? Das Dojo liegt doch in einem völlig anderen Stadtteil.“

„Ich weiß, ich habe drei Stunden gebraucht...“

„Komm erst einmal rein. Du holst dir noch den Tod.“

Er trat zur Seite und ließ den anderen ins Haus kommen. Wasser tropfte auf den Marmorfußboden, was ihn zur sicheren Stolperfalle werden ließ. Vorsichtig berührte er den anderen am Arm, bevor er ihm die triefende Stoffjacke auszog und ihn in seinen Morgenmantel einwickelte.

„Und wie geht es dir sonst so?“

„Es ist alles sehr schwierig geworden...“

„Du weißt, dass ich für dich da gewesen wäre.“

Verlegen sah der Schwarzhaarige zur Seite. Ein Hauch von Reue lag in seinem Blick. Er hatte in letzter Zeit so vieles falsch gemacht, dass er gar nicht wusste, bei wem er sich zuerst entschuldigen sollte. Also schwieg er. Auch wenn dies eine unangenehme Stille auf den Plan rief.

„Ray!“

„Ich hatte Angst, dass du nur wegen dem Baby bei mir bleiben würdest.“

„Das ist doch Unsinn.“

„Wir hatten uns doch schon seit Wochen auseinander gelebt. Nenn mir nur eine Sache die wir gemeinsam haben.“

„Nur weil wir einige unterschiedliche Interessen haben, heißt das doch nicht, dass wir nicht zusammen sein können.“

„Du sollst mir etwas nennen, das wir gemeinsam haben.“

Er hustete wieder und zog den Samtmantel weiter zu. Lächelnd strich der Russe ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht, welche ihm auf der Wange klebte. Seine elfenbeinfarbene Hand legte sich auf den gewölbten Bauch des Kleineren.

„Also eine Sache ist wohl unübersehbar, die wir gemeinsam haben.“

„Mir wäre es lieber, wenn diese eine Sache nicht passiert wäre.“

„Hör auf, solch einen Schwachsinn von dir zu geben. Komm mit in die Küche, du brauchst einen heißen Tee und trockene Klamotten.“

Missmutig ließ der Chinese sich führen und auf einen Barhocker an der Anrichte setzen. Ihm war dies alles so unangenehm, aber er hatte keinen Ausweg gewusst. Wie erbärmlich war es doch, dass er nun bei dem Mann Zuflucht suchte, von dem er sich vor sechs Monaten getrennt hatte. Damals schien es das Richtige zu sein. Doch jetzt... Traurig schaute er in die dampfende Tasse mit Kamillentee, während er darauf wartete, dass der Graublauhaarige zurück kam, um ihm trockene Kleidung zu bringen. Was sollte er jetzt nur tun? Um ehrlich sein, war er völlig verzweifelt. Wo sollte er hin? Wovon sollten er und sein ungeborenes Kind leben? Hinter ihm erschallten Schritte. Ein quietschendes Geräusch. Ein kurzes Fluchen über den rutschigen Boden in der Eingangshalle. Er brachte nichts als Ärger... Laut platschte es, als eine Träne von seiner Wange in den Tee tropfte. Er schluchzte, während er das Gesicht in den Händen vergrub und die Ellenbogen auf der Holzplatte aufstützte. Der andere kam näher. Plötzlich stand der Russe hinter ihm. So nahe, dass er dessen Wärme im Rücken spüren konnte. Er sagte nichts. Wieso sagt er nichts? Warum setzte er das Nervenbündel nicht einfach vor die Tür und ging wieder ins Bett? Eine Hand legte sich auf seine rechte Schulter. Die andere strich ihm beruhigend über den Kopf, nach dem sie ein Handtuch um seine Haare gewickelt hatte. Der warme Oberkörper lehnte sich an seinen Rücken.

„Was ist passiert, dass du so fertig bist?“

„Ich sagte doch, es gab Streit...“

„Was für Streit?“

Ray schluchzte und schwieg erneut. Das konnte er einfach nicht über die Lippen bringen. Schließlich wollte er es selbst nicht wahrhaben. Vorsichtig wurde er in den Arm genommen und versteckte sein verheultes Gesicht an der von weißem Baumwollstoff bedeckten Brust.

„Nun sag schon, was dich so aus der Bahn geworfen hat. Du warst doch bisher immer so selbstbewusst. Was haben diese Kindsköpfe gesagt oder getan?“

„Ich weiß es nicht genau. Irgendwo hoffe ich immer noch, dass ich gleich aufwache und alles nur ein Traum war. Es ist alles einfach so an mir vorbei gezogen. Wie ein schlechter Film. Ich war einkaufen. Sie waren schon seit ein paar Tagen sehr verschwiegen. Ich hatte angenommen aus Sorge. Doch als ich zurück kam, fand ich im Dojo zuerst niemanden vor. Während ich sie suchte, fiel ich fast vom Glauben ab, als ich sah, dass die Wiege, der Wickeltisch und der Laufstall verschwunden waren. Am Ende fand ich sie in der Trainingshalle. Keiner traute sich mir in die Augen zu sehen. Sie sagten, dass sie sich alles noch einmal überlegt hätten und es nicht wollen würden, wenn ich und mein Baby weiterhin im Dojo wohnen. Es wäre ihnen zu umständlich. Also haben sie alles wieder abgebaut und in eine Abstellkammer gestellt, ich könne es mir holen, wenn ich eine Wohnung gefunden hätte, wo ich der einzige Mensch bin, den ‚der Schreihals’ nachts wach hält...“

„Und dann bist du einfach weggelaufen...?“

Er nickte und versuchte sich die Tränen wegzuwischen. Ihm war so elend wie noch nie zuvor. Jeder einzelne Muskel in seinem Körper schien zu schmerzen. Eine quälende Übelkeit übermannte ihn und ihm war eiskalt. Zu allem Überfluss meldete sich nun auch das kleine Wesen in seinem Bauch. Es schien aus Unmut, oder vielleicht vor Kälte, zu strampeln. Ein anklagendes Gequengel. Das alles wurde ihm zuviel. Seine ganze Situation war ihm über den hübschen Kopf gewachsen. Diese Last schien ihn zu erdrücken. Ganz langsam. Wie ein Gewicht, das immer schwerer wurde. Seine Arme und Beine kribbelten vor Erschöpfung und mit einem Mal war ihm so furchtbar schwindelig, dass er beinahe vom Hocker gefallen wäre, hätten ihn nicht zwei sichere Arme gepackt und festgehalten. Bedächtig rutschte er von dem Lederpolster. Seine Hände krallten sich in das T-Shirt des größeren. Ein besorgter Blick traf seine müden Augen, als er aufsah und in einem entschuldigenden Tonfall zu sprechen begann.

„Kann ich mich irgendwo kurz hinlegen? Es geht mir gerade überhaupt nicht gut.“

„Komm, wir gehen ins Schlafzimmer.“

Am liebsten hätte Kai den anderen getragen, doch er wusste, dass dieser solche Gesten nicht mochte. Der Jüngere war schon immer darauf fixiert gewesen für andere keine Last zu sein. So jemanden von heute auf morgen vor die Tür zu setzen war eine bodenlose Frechheit. Und er musste endlich aus diesen nassen Sachen heraus. Die feingliedrigen Finger waren schon ganz klamm und man merkte deutlich, wie der schmale Körper zitterte. Ohne gestützt zu werden, wäre er wohl einfach umgefallen, bis er nun auf einem Hocker im Schlafzimmer saß und aus den immer noch tropfnassen Stoffen geschält wurde.

„Hast du denn gar kein Schamgefühl?“

„Da gibt es nichts, was ich nicht schon einmal gesehen hätte und du hast wirklich keinen Grund dich zu schämen. Die Jogginghose gehört dir, sie lag immer noch bei mir Schrank.“

„Ahja, die Schwarze. Ich hatte sie schon gesucht.“

Er ließ sich wirklich nicht gerne betüddeln, doch es war auch angenehm, wieder soviel Aufmerksamkeit zu bekommen und so liebevoll berührt zu werden. Die Haare trocken gedrückt zu bekommen, damit sie nicht verfilzten, was beim Rubbeln unweigerlich der Fall war. Der Schwarzhaarige betrachtete das T-Shirt, welches er trug. Wann hatte er zuletzt ein T-Shirt seines Ex-Freundes getragen? Es war zu lange her, um sich von allein bewusst zu werden, wie sehr er dies vermisst hatte. Von hinten schlangen sich wieder diese beiden Arme um ihn, als seine Haare einigermaßen trocken waren. Einer oberhalb und einer unterhalb der Wölbung, in welcher sich der süße kleine Störenfried befand und nun scheinbar wieder friedlich schlummerte.

„Wann ist es eigentlich soweit?“

„In drei Wochen.“

Ein Schnauben schallte durch den Raum.

„Man sollte diesen Kindergarten in einen Sack stecken und drauf schlagen. Es würde nie den Verkehrten treffen. Wie kann man jemanden, der hochschwanger ist, nur vor die Tür setzen und das auch noch bei diesem Sauwetter?“

„Verurteile sie nicht. Ich hätte nicht so egoistisch sein dürfen, in dem ich einfach, ohne zu fragen, dort geblieben bin. Am besten ich gehe zurück nach China, da habe ich Verwandte, die mich unterstützen können.“

„Einen Teufel wirst du tun! Wenn ich dich daran erinnern darf, dann ist es auch mein Kind.“

„Du musst dich zu nichts verpflichtet fühlen. Ich habe mich selbst in diese Situation gebracht und ich kann es verstehen, wenn du nach allem, was ich getan habe nichts mehr von mir wissen willst. Du musst unglaublich verletzt gewesen sein, als ich dich aus meinem Leben verbannt habe. Alles was passiert ist, habe ich mir selbst zuzuschreiben, weil ich so egoistisch war und mit allem allein fertig werden wollte.“

Er seufzte und sah auf dem Teppichboden. Morgen würde er damit beginnen seine Angelegenheiten in Japan zu regeln und endgültig auswandern. Er hatte das Abenteuer gesucht. Fremde Länder und Kulturen. Beyblader, mit denen er sich messen konnte. All das hatte er gefunden, doch nun schien die Reise vorbei zu sein und er musste nach Hause zurückkehren. Sanft wurde ihm über die Wange gestrichen und ein Paar blassroter Lippen berührte flüchtig sein linkes Ohr, als es etwas hinein flüsterte.

„Geht es wieder? Ich würde dir gern etwas zeigen.“

„Wenn es nicht zu lange dauert. Ich bin Hunde müde...“

„Nein, es ist gleich nebenan.“

Verschreckt zuckte der Schwarzhaarige zusammen, als ihm plötzlich die Augen verbunden wurden.

„Was soll das?! Nimm mir das wieder ab.“

„Es ist eine Überraschung. Also bitte nimm den Schal erst ab, wenn ich es dir sage.“

Langsam zog der Graublauhaarige ihn an beiden Händen hoch und führte ihn zu der Tür, die in sein Arbeitszimmer führte. Warum ein Durchgang vom Arbeits- ins Schlafzimmer bestand, war ihm nie klar gewesen. Aber er verstand viele Dinge in der Villa der Hiwataris nicht. Plötzlich wurde er festgehalten. Vermutlich standen sie mitten im Raum. Durch ein leises Klicken und die Lichtstrahlen auf der Haut merkte er, dass das Licht angeschaltet worden war.

„Du kannst ihn jetzt abnehmen.“

Vorsichtig schob er den weißen Stoff nach oben und nahm die Augenbinde ab. Ein paar Mal musste er blinzeln, bis er sich an das Licht gewöhnt hatte. Danach blinzelte er vor erstaunen. Mehrmals drehte er sich um. Sah in alle Richtungen. Schloss die Augen, rieb sich darüber, öffnete sie wieder und konnte es immer noch nicht fassen. Das dunkle Arbeitszimmer war verschwunden. Stattdessen stand er mitten in einem komplett eingerichteten Kinderzimmer. Wiege, Wickeltisch, Kommoden, ein Sessel... Alles war vorhanden. Auf den Kommoden standen Stofftiere, im Sessel lag ein Stillkissen, in einer Ecke stand ein tragbarer Kindersitz. Zu Tränen gerührt, hielt er sich die Hand vor den Mund und war schlichtweg sprachlos.

„Ich hatte gehofft, dass du irgendwann wieder zur Vernunft kommen würdest und wollte vorbereitet sein.“

„Das... Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll.“

Der Russe lächelte. Es machte ihn glücklich, das Leuchten in den eben noch so verzweifelten Augen zu sehen. Die glitzernden Bernsteine verloren vor Freude ein paar Tränen und richteten sich auf den Bauch, auf welchen schützend die zarten Hände lagen.

„Anscheinend liebt uns doch jemand.“

„Ich habe euch immer geliebt, egal was du mir an den Kopf geworfen hast.“

Er kam herüber und nahm den Kleineren fest in den Arm. Seine linke Hand schob sich unter die sanfte Berührung des anderen und zum ersten Mal konnte er spüren, wie sich das junge Leben regte. Fasziniert kniete er sich hin und hielt sein Ohr an die immer noch kühle, von Stoff bedeckte Haut. Eigentlich konnte er es nicht wissen, doch er glaubte fest daran, dass er den Herzschlag des Kindes hörte. Sanft streichelte seine Hand über die Rundung, während er mit dem Fötus redete.

„Hallo mein Kleiner. Ich bin dein Papa.“

Leicht zuckte er zusammen, als er einen Tritt an seinem Wangenknochen spürte.

„Au!“

Schmerzlich verzog der Schwarzhaarige das Gesicht und sah den anderen wehleidig, nein vorwurfsvoll, an. Er trat einen Schritt zur Seite, setze sich in den Sessel und streichelte beruhigend über seinen Bauch. Doch die kleinen Dellen verschwanden nicht, sie wurden eher noch deutlicher.

„Großartig, jetzt werde ich die ganze Nacht nicht schlafen können.“

„Entschuldige.“

„Nein, ist schon gut. Das ist in letzter Zeit ständig so. Außerdem muss es nicht unbedingt deine Schuld sein.“

Seufzend massierte Ray sich mit den Fingerkuppen die Schläfen. Er wurde noch wahnsinnig, wenn er nicht bald wieder durchschlafen konnte. Manchmal fuhr er mitten im Schlaf japsent hoch, weil ihm ein gewisser jemand gegen das Zwergfell getreten hatte. Und nun sollte das noch drei Wochen so gehen? Drei endloslange Wochen? Eindeutig wurde ihm klar, dass er keine Lust mehr hatte, aber leider blieb ihm keine Wahl mehr.

„Komm, wir sollten ins Bett gehen. Vielleicht beruhigt es sich wieder, wenn du dich hinlegst.“

„Wenn es doch nur so einfach wäre...“

Schwerfällig stand er auf und ging hinüber ins Schlafzimmer. Er legte sich wieder auf die linke Seite des Bettes. Seine Seite. Zumindest war sie das einmal an jedem Wochenende, wenn sie ihre Zeit hier in der Villa verbracht hatten, gewesen. Zärtlich wurde ihm die Decke hochgezogen und ein Arm schlang sich um seine Brust. Dabei entfloh ihm ein kleiner Schmerzenslaut.

„Sei bitte vorsichtig. Ich bin dort in letzter Zeit sehr empfindlich.“

„Du hast Brüste...“

„Das sind die Hormone. Sie werden wieder verschwinden, wenn ich aufhöre zu stillen.“

„Du kannst stillen?!“

„Können wir das bitte ein anderes Mal besprechen? Ich bin gerade nicht in der Stimmung dafür.“

„Verzeihung.“

Zufrieden kuschelte er sich an die Wärmequelle in seinem Rücken, während er von draußen noch immer das Rauschen des Regens wahrnahm. Das Gewitter hatte sich etwas beruhigt, jedoch goss es immer noch wie aus Eimern.

„Weißt du was es wird?“

„Ja...“

Er lächelte schelmisch. Deutlich hatte man die Ungeduld in dieser Frage gehört.

„Möchtest du es wissen?“

„Wenn du es mir sagen willst.“

„Ein Mädchen. Ich wusste schon die ganz Zeit, dass es ein Mädchen wird, noch bevor der Arzt es mir gesagt hat.“

„Woher?“

„Intuition.“

Bestimmt nahm er Kais Hand und legte sie auf seinen Bauch. Die Kleine schien sich wieder beruhigt zu haben und zu schlafen. Der Graublauhaarige rutschte noch einwenig dichter heran, als würde er seinen Besitzanspruch geltend machen wollen.

„Versprich mir, dass ihr mich nie wieder verlasst. Noch einmal werde ich so etwas nicht stillschweigend hinnehmen.“

„Was? Wie stellst du dir das vor? Ich werde mir gleich morgen eine Wohnung suchen.“

„Und ich möchte, dass du hier einziehst.“

„Das ist ein sehr großer Schritt. Ich weiß nicht, ob ich schon dafür bereit bin.“

„Du solltest dich lieber fragen, ob du überhaupt eine Wahl hast.“

Das fatale dieser Situation war, dass der Russe Recht hatte. Wo sollte er schon hin? Ihm blieb nur diese Möglichkeit oder ein Hotel. In wenigen Tagen eine Wohnung zu finden, war so gut wie unmöglich. Hier hatten er und seine Tochter alles was sie brauchten. Der andere hatte eindeutig bewiesen, dass er ihn zurück und auch das Kind haben wollte. Aber einfach so nach sechs Monaten Trennung zusammenzuziehen klang völlig absurd. Welcher Mensch tat so etwas? Das konnte nicht gut gehen.

„Mein Entschluss steht fest. Ich suche mir eine Wohnung.“

„Undankbares Miststück!“

Wütend drehte er sich um und starrte die Wand an. Wie ein verliebter Trottel hatte er sich benommen. Und nichts hatte sich geändert. Er hätte sich eine Affäre zulegen sollen, um über den Schwarzhaarigen hinweg zu kommen. Doch was hatte er stattdessen getan? Alles darangesetzt diesen feigen Hund zurückzugewinnen. Scheinbar konnte er nichts außer weglaufen, wenn es kompliziert wurde. Diese Nacht war wohl nur eine Notlösung, nichts bindendes.

„Kai, bitte versuch mich zu verstehen.“

„Oh, ich verstehe sehr gut. Aber du verstehst dich anscheinend selbst nicht!“

„Das ist nicht wahr!“

Zornig fuhr er hoch und sah hinunter in die trotzigen bernsteinfarbenen Augen seines Gegenübers.

„Du weißt doch überhaupt nicht was du willst und merkst nicht einmal, wie du dir dein ganzes Leben kaputt machst! Du wirst schwanger und jagst deinen Partner davon, um dich nicht damit auseinander zu setzen! Deine Freunde werfen dich raus und dein erster Gedanke ist es, das Land zu verlassen, um einem klärenden Gespräch aus dem Weg zu gehen! Ich biete dir zum wiederholten Male meine Hilfe an und wieder läufst du weg, weil es eventuell Probleme geben könnte! Was ist also mit dir los?!“

Der Chinese schluchzte und vergrub seinen Kopf im Kissen.

„Hör auf... Warum sagst du so etwas? Lass mich in Ruhe...“

„Genau das ist doch das Problem! Du willst immer nur in Ruhe gelassen werden und hast nicht den Mut, etwas Neues zu versuchen!“

„Hör auf!“

Hin und her gerissen von verschiedensten Emotionen, saß der Kleinere nun aufrecht im Bett und hatte ihm eine Ohrfeige verpasst. Es war erstaunlich, dass er bei dieser beinahen Dunkelheit so gut getroffen hatte. Das matte Licht der Nachttischlampe beleuchtete nun nach diesem Ausbruch sein verheultes Gesicht, in dem nichts außer Schmerz und Trauer zu lesen war.

„Warum hasst ihr mich alle so?! Was habe ich falsch gemacht, dass ihr mir so wehtut?!“

„Wir hassen dich nicht.“

„Aber warum sagst du dann so abscheuliche Dinge zu mir?!“

„Weil es die Wahrheit ist und der wirst du nun einmal ins Auge blicken müssen. Denk nach und überlege gut, bevor du mir eine Antwort gibst: Hast du jemals jemanden in deinem Leben so nahe an dich heran gelassen, dass ihr euch bedingungslos vertrauen konntet? Oder bist du vorher immer weggelaufen?“

Ray schwieg. Eine ganze Weile sagte er keinen Ton mehr. Er hatte schon Luft geholt, für eine bissige Antwort, doch dann waren die Worte auch zu seinem Verstand durchgedrungen. Es war keine beleidigte Stille. Stattdessen dachte er ernsthaft über diese Frage nach. War er wirklich nur auf Reisen gegangen, um andere Länder kennen zu lernen? Oder war es nicht viel mehr so, dass er nie lange genug an einem Ort bleiben wollte, um eine feste Bindung zu jemandem aufzubauen? Wenn er ganz ehrlich war, so hatte er sogar darüber nachgedacht, seine Tochter zur Adoption freizugeben. Insgeheim weil er der emotionalen Verantwortung nicht gewachsen war? Es war ein Schock gewesen, als er bemerkt hatte, dass er schwanger war. Hatte er sich überhaupt schon einmal darüber gefreut in den letzten Monaten? Nein. Er hatte es als Tatsache hingenommen. Eine Familie zu haben, schien so unvorstellbar für ihn. Dabei war es das gar nicht. Und plötzlich erinnerte er sich an einen Betreuer von der BBA, der eine zeitlang auf ihn achtgegeben hatte, als er gerade erst in Japan angekommen war. Dieser hatte ihm geraten eine Therapie zu machen. Angeblich hätte man es ihm angesehen, dass er den Tod seiner Eltern wohl noch immer nicht verwunden hatte und deshalb niemanden zu nah an sich heran ließ. Damals war er ungehalten geworden und hatte den Mann in mittleren Jahren weggescheucht. Er brauchte keine Therapie... Und heute saß er wieder jemandem gegenüber, der ihm in etwas anderer Form dasselbe noch einmal sagte. Wieder hatte er aufbrausend reagiert, aber diesmal war etwas anders. Um des Kindes willen, konnte er nicht einfach aufstehen und gehen. Er war in die Enge getrieben und gezwungen sich Gedanken zu machen. Zum ersten Mal dachte er wirklich darüber nach, wie sein Leben verlaufen war und hatte endlich eine Antwort auf die vor schier einer Ewigkeit gestellte Frage.

„Vielleicht hast du recht... Aber was soll ich jetzt tun? Wie kann ich das ändern?!“

Verzweifelt sah er den Älteren an. Die Tränen begannen ob dieser Erkenntnis wieder zu fließen. Er war ein kaputter Mensch. Nur wie reparierte man eine fehlerhafte Seele, die schon so sehr an ihr Schicksal gewöhnt war, dass sie Angst hatte es zu ändern? Fest wurde er in die Arme genommen und der Größere strich ihm die Tränen aus dem Gesicht.

„Was hast du getan...?“

„Ich kenne eine gute Therapeutin. Du solltest einmal mit ihr reden. Sie hat mir vor ein paar Jahren sehr geholfen. Ich weiß genau, wie du dich fühlst, denn trotz dass ich noch meinen Vater habe, ging es mir damals genauso wie dir.“

„Und was tun wir jetzt?“

Er kam sich vor wie ein kleines Kind. Ein verängstigtes kleines Kind. Nun wusste er, dass er ein Problem hatte und eine Therapie brauchte. Aber wie sollte es zwischen ihnen weitergehen?

„Es wird wohl trotz einer Therapie noch eine Menge Zeit brauchen, bis du bereit bist eine normale Beziehung mit mir zu führen. Aber ich möchte weiterhin, dass du bei mir einziehst. Dieses Haus ist groß genug, um sich aus dem Weg zu gehen. Du kannst dein eigenes Schlafzimmer haben, aber wenn du Hilfe brauchst, bin ich dennoch immer in Reichweite.“

Erleichtert seufzte der Schwarzhaarige auf. Es war beruhigend jeglichen Freiraum zu haben und trotzdem immer jemanden in der Nähe zu wissen. Kai musste ihn wirklich sehr lieben, wenn er dies alles für ihn tat.

„Danke, vielen Dank für alles. Ich werde dir das nie angemessen vergelten können.“

„Arbeite an dir und unserer Beziehung, mehr will ich nicht. Fühlst du dich jetzt besser?“

„Ja. Ein kleines bisschen.“

„Dann schlaf. Ich werde mich morgen um alles kümmern.“

Er nickte und legte sich wieder hin. Ein wenig distanziert. Vorhin war es schön gewesen, im Arm gehalten zu werden, doch nun brauchte er wieder etwas Freiraum. Es reichte ihm, wenn der andere neben ihm lag. Für tägliche und vor allem ständige Zärtlichkeiten war er im Moment noch nicht bereit. Vor einem halben Jahr war es das gleiche gewesen. Er hatte sich in dieser Beziehung eingesperrt gefühlt und konnte diese Nähe nicht mehr ertragen. Doch das würde er ändern. Mit der Hilfe dieser Therapeutin würde er es ganz sicher ändern und dann würde er in die Zukunft blicken und entscheiden, was er tun wollte. Allerdings würde er den Graublauhaarigen nie mehr aus seinem Leben verbannen. Dieser hatte soviel für ihn und ihre gemeinsame Tochter getan... Er liebte den scheinbar unnahbaren Russen dafür, auch wenn er es nicht in dem Ausmaß zeigen konnte, wie es sich gebührte.
 

Beinahe vier Wochen später strahlte die Sonne an einem wunderschönen Tag heiß vom Himmel. Es war gerade einmal halb elf und die meisten Menschen gingen ihrer Arbeit nach. Das musste für sie sehr deprimierend sein, an diesem herrlichen Tag im Büro oder in einem kleinen schlecht klimatisierten Laden eingesperrt zu sein. Der Graublauhaarige klopfte fröhlich an die große weiße Tür, welche eine von vielen in dem hellen Gang mit Linoleumfußboden war. Er wartete nicht auf ein ‚Herein.’, da er wusste, dass er erwartet wurde. Zumindest hoffte er das. Er trat ein und blickte in ein paar müder, aber glücklicher Augen.

„Guten Morgen.“

Lächelnd ging er hinüber zum Bett und setzte sich auf die Kante der Matratze. Sachte wurde ihm eine Wange hingehalten, auf welcher er einen Kuss platzierte. Schließlich überreichte er die Blumen, die er mitgebracht hatte.

„Hier. Die sind für dich.“

„Danke, sie sind wunderschön.“

„Hast du gut geschlafen?“

„Es geht. Ich bin immer noch völlig erschöpft.“

Euphorisch drückte er den Schwarzhaarigen an sich und wollte ihn am liebsten nie wieder loslassen. Niemals hätte er geglaubt einmal so glücklich zu sein, als wolle er die ganze Welt umarmen.

„Ich kann es immer noch nicht fassen.“

„Freu dich. Ich werde mit jedem Muskel, den ich bewege, daran erinnert. Mir tut alles weh.“

Lächelnd strich der Russe ihm über die Wange, als es plötzlich erneut klopfte. Er antwortete der Person und einen Moment später schob eine junge Krankenschwester eine Krankenhauswiege in den Raum.

„Guten Morgen. Ich hoffe, Sie haben beide gut geschlafen nach diesem anstrengenden Tag.“

Eine verdrießliche Miene erschien auf Rays Gesicht, als er dies hörte.

„Tse. Er hat doch nur daneben gesessen.“

Die weißgewandete Frau lachte auf, während sie das quengelnde Kind aus der Wiege nahm und zu seinen Eltern brachte. Vorsichtig übergab sie es dem Schwarzhaarigen, welcher lächelnd die Decke aus dem kleinen Gesicht schob.

„Kommen sie schon alleine zurecht, oder soll ich ihnen wieder beim Stillen helfen? Am Anfang ist es meist etwas umständlich.“

„Könnten Sie mir noch einmal zeigen, wie ich den Kopf halten muss?“

„Natürlich.“

Sie nahm das, nun schreiende, Baby wieder an sich, während der Chinese seine linke Oberkörperhälfte freimachte und das Stillkissen auf den Schoß gelegt bekam. Dann platzierte sie das kleine Bündel richtig und kaum, dass die Lippen die Brustwarze berührten, hörte das Weinen auf. Stattdessen erklang das leise Nuckeln des Säuglings.

„Ich muss sagen, wir haben da wirklich ein wunderhübsches Mädchen.“

Ein böser Blick traf den Russen für diesen Kommentar, welchen er mit einem Grinsen erwiderte.

„Hör auf damit. Selbst der Arzt war sich zu Hundertprozent sicher, dass es ein Mädchen wird. Jeder Mensch kann sich einmal irren.“

Wie gesagt, war Irren menschlich. Was jedoch trotzdem nichts daran änderte, dass das junge Paar an diesem Morgen um 3:14 Uhr aus allen Wolken gefallen war, als die Hebamme im Kreissaal plötzlich sagte: „Herzlichen Glückwunsch. Es ist ein Junge.“ Der Jüngere war so erschüttert gewesen, dass er noch nicht einmal im Stande gewesen war, seinen Sohn festzuhalten. Wobei dies wohl auch teilweise an der Erschöpfung lag. Er hatte acht Stunden in den Wehen gelegen und selbst am Ende war es noch ein unglaublicher Kampf gewesen, bis der Kleine endlich auf der Welt war. Nur kurze Zeit später hatte er das winzige Häufchen Mensch das erste Mal gestillt. Wie man ihn in dieses Zimmer gebracht hatte, hatte er nur noch am Rande mitbekommen, da er sofort weggedämmert war, nachdem alle abschließenden Untersuchungen durchgeführt waren. Geweckt wurde er erst durch das Klopfen seines Freundes, welcher nun dicht hinter ihm saß und über seine Schulter auf ihr gemeinsames Kind blickte.

„Wie gut, dass ich mir schon über ein paar Jungennamen gedankengemacht hatte.“

Lächelnd strich er mit dem Zeigefinger über das kleine Köpfchen, auf welchem bereits spärlich grauschwarzes Haar zu sehen war. Sein Finger wanderte weiter zu einem der leicht spitzen Ohren, was dem Kleinen einen missgestimmten Laut entlockte.

„Lass das. Du siehst doch, dass er es nicht mag.“

„Aber er ist doch so perfekt.“

„Ja, das ist er...“

Der Kleine stemmte seine winzigen Füßchen gegen die Brust des Chinesen und gurrte ein wenig, um anzuzeigen, dass er keinen Hunger mehr hatte. Er setzte das Baby ab und wischte ihm ein paar Milchtropfen weg, die auf seinem Kinn gelandet waren. Müde aber zufrieden öffnete der Säugling seine rubinroten Katzenaugen, während er genüsslich gähnte.

„Ich lasse ihnen ihren Sohn hier, wenn sie Hilfe brauchen, dann klingeln sie einfach.“

Die Schwester nickte ihnen noch einmal freundlich zu und verließ dann das Zimmer, während die frischgebackenen Eltern immer noch völlig fasziniert auf ihr Kind starrten.

„Gefällt dir der Name überhaupt, den ich ausgesucht habe?“

„Natürlich. Er passt sehr gut zu ihm.“

Ray hob das Kind an und rieb ihre Nasen aneinander, was es zum Giggeln brachte.

„Oder mein kleiner Go Hiwatari? Dir gefällt dein Name doch auch.“

„Du meinst Go Kon.“

„Nein, ich meine Hiwatari. Ich möchte, dass er deinen Nachnamen trägt.“

„Bist du dir da auch sicher?“

„Ja, und ich bin überzeugt, dass er seinen Namen mit Stolz tragen wird.“

Eine Weile sahen sie das winzige Baby an, welches friedlich vor sich hin döste und scheinbar von nichts gestört werden konnte. Nicht von den Geräuschen um es herum. Nicht von den Händen seiner Eltern, die es immer wieder ehrfürchtig berührten. Auch nicht von den ständigen Versuchen der Erwachsenen es zu einer Regung zu animieren. Man sah ihm nur einen Gesichtsausdruck an, der zu sagen schien: ‚Lasst mich in Ruhe. Was findet ihr so interessant an mir?’ Lächelnd drückte der Graublauhaarige den Jüngeren an sich und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

„Danke.“

„Wofür?“

„Dass du mir einen so wundervollen Sohn geschenkt hast.“

Verlegen sah der Schwarzhaarige auf das kleine Wesen, welches in seinem Schoß lag und wickelte sich eine Haarsträhne um den linken Zeigefinger. Er nahm Go schließlich hoch und sah ihm noch einmal tief in die, nun neugierig geöffneten, Augen.

„Dazu gehören immer zwei. Und außerdem hat er mehr von dir.“

„Äußerlich ja, aber ich glaube sein Charakter wird eher nach dir schlagen. Die Schwestern sind ganz begeistert von ihm.“

„Von dir sind sie auch sehr begeistert.“

Angesäuert warf er dem Russen einen bösen Blick zu, welcher nur zurück grinste. Er hatte die Schwestern am Abend zuvor flüstern und kichern hören, auch wenn diese dummen Gänse meinten, dass er durch seine Schmerzen zu sehr abgelenkt war. Es hatte ihn rasend vor Eifersucht gemacht von diesen jungen Mädchen zu hören, wie gut aussehend und begehrenswert sein Freund doch war. Dass sie ihn nicht von der Bettkante schubsen würden... Sanft wurde ihm ein Kuss auf die Lippen gehaucht und eine warme Hand strich über seine kühle linke Wange.

„Ich hoffe, du weißt, dass ich mich niemals auf eines dieser Plappermäuler einlassen würde.“

„Es stört mich trotzdem, dieses Gerede zu hören.“

„Bist du etwa so eifersüchtig?“

„Ja... vielleicht... Aber bilde dir bloß nichts darauf ein! Das heißt nicht, dass ich schon wieder bereit bin mit dir zu schlafen!“

„Nun, zum einen hast du keinen Grund eifersüchtig zu sein, zum anderen brauchst du nicht so zu schreien und schlussendlich scheinst du wohl nicht zugehört zu haben, als dein Arzt dir gesagt hat, wann du wieder Sex haben darfst. Hast du es etwa so nötig?“

„Kai! Nicht vor dem Kleinen. Und ja, ich habe meine Ohren bei dieser Zahl auf Durchzug gestellt...“

Es war ihm so verdammt peinlich, dass seine Hormone ihn immer wieder verrieten. Am schlimmsten war es im fünften Monat gewesen. Er hatte an kaum etwas anderes als an Sex denken können und ohne Partner war dies sehr schwer zu überstehen gewesen. Aber jetzt nach der Geburt immer noch mindestens sechs Wochen warten zu müssen machte ihn fast wahnsinnig. Er wusste nicht wohin mit all diesen Gefühlen. Und er wusste nicht, wie es jetzt weitergehen sollte... Traurig sah er auf ihr kleines Wunder hinab, welches sich die Faust in den Mund steckte und daran nuckelte.

„Was haben wir uns nur dabei gedacht...“

„Was meinst du?“

„Sieh uns doch an. Wir haben beide nie eine richtige Familie gehabt und nun das hier. Könnte es denn schlechtere Eltern geben als uns?“

Der Russe schwieg. Diese Frage hatte er sich selbst schon zu oft gestellt und kannte nie eine Antwort darauf. Aber er wusste, dass sie beide dieses Kind über alles auf der Welt liebten. War es nicht das was zählte?

„Ich weiß, dass wir nicht gerade prädestiniert dafür sind, aber wenn ich es schaffe mit 20 Jahren eine Firma zu leiten, dann schaffen wir es auch zu zweit ein Kind großzuziehen. So unmöglich kann es nicht sein, wie es klingt. Auch wenn wir noch sehr jung sind.“

Seufzend lehnte der Schwarzhaarige sich an ihn. Sein Gesicht verbarg er in der Halsbeuge des anderen. Er hatte schon mit seiner Therapeutin über dieses Thema gesprochen. Die Ärztin hatte ihn ein wenig beruhigt, aber ganz war seine Unsicherheit im Bezug auf seinen Sohn noch nicht verschwunden. Er wollte ja daran glauben, dass alles gut werden würde, aber da war diese gemeine kleine Stimme in seinem Kopf, die ihm sagte, dass das nicht gut gehen konnte. Dennoch wollte er einen Schritt wagen, zu dem sie ihm geraten hatte.

„Wenn du möchtest, kannst du ab heute wieder bei mir schlafen. Es ist ja eigentlich auch dein Schlafzimmer.“

„Bist du dir sicher?“

„Ja, Dr. Matsuki sagte, wir sollten es zumindest versuchen. Jetzt wo Go da ist. Außerdem darfst du auch gerne etwas von den schlaflosen Nächten haben.“

„Hat sie sonst noch etwas gesagt?“

Verlegen spielte Ray mit dem Hemdkragen des anderen. Er wusste, dass dieser den nächsten ärztlichen Rat nicht akzeptieren würde, aber es war auch ihm selbst ein Bedürfnis diese Sache zur Sprache zu bringen.

„Sie hat mir geraten, dass wir deinen Vater anrufen sollten, um ihm zu erzählen, dass er Großvater geworden ist.“

„Niemals. Sie hat mich damals nicht dazu gebracht, wieder mit ihm zu sprechen und das wird sie heute auch nicht.“

„Kai, er sollte es nicht aus der Zeitung erfahren. Immerhin ist er dein Vater.“

Angesäuert stand der Graublauhaarige auf, ging zum Fenster und starrte hinaus. Die Hände in den Hosentaschen und pure Ablehnung in seiner Haltung.

„Ich habe 17 Jahre nicht mit ihm geredet. Wo war er als ich ihn am nötigsten gebraucht hätte? Alles woran er denkt ist seine Arbeit. Ich war und bin ihm nie wichtig genug, als dass er mich auch nur eines Blickes würdigen würde.“

„Wenn du möchtest, rufe ich ihn an, aber er sollte es schon von uns erfahren.“

Mürrisch sah er den Chinesen an und warf ihm sein Handy zu. Es passte ihm überhaupt nicht, doch was sollte er tun? Etwa einen Streit vom Zaun brechen während ihr Sohn gerade dabei war einzuschlafen?

„Aber erwarte nicht, dass er dir zuhört.“

„Das werden wir sehen.“

Der Schwarzhaarige zog die Schublade des Nachtischchens auf und nahm seinen Taschenkalender heraus, in dem er bereits die Telefonnummer des Forschungsinstituts aufgeschrieben hatte, in dem sein Schwiegervater in spe arbeitete. Nachdem er mit einem kribbeln im Magen gewählt hatte, dauerte es nur einen Augenblick, bis sich am anderen Ende der Leitung eine Frauenstimme meldete.

„BBA Forschungszentrum, Yumi Ayanabe, was kann ich für sie tun?“

„Kon, Guten Tag. Könnten sie mich bitte zu Dr. Hiwatari durchstellen?“

Die Frau brauchte einen Moment, bis sie reagierte. Vermutlich hatte sie bei dem Nachnamen des Anrufers gestutzt.

„Einen Moment bitte, ich suche die Durchwahl heraus und verbinde sie dann.“

Doch scheinbar hatte sie den Hörer nicht richtig auf die Gabel gelegt, denn statt einer unterhaltsamen Wartemelodie, konnte er nun dem Gespräch der beiden Sekretärinnen lauschen.

“Haruka, suchst du bitte die Durchwahl von Dr. Hiwatari heraus?“

„Ja, sofort. Wer ist denn am Telefon?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube es ist Ray Kon.“

„Was?! Warum ruft, der denn hier an?“

„Vielleicht will er Geld. Schließlich hat er sich von Kai Hiwatari getrennt.“

„Nein, das glaube ich nicht. So einer ist er nicht und außerdem stand in den Internetnews der Vogue, dass die beiden wieder zusammen wären.“

„Das hält doch nicht lange, sie machen das bestimmt nur wegen des Kindes. Hast du die Nummer endlich?“

„Ja, einen Moment. Vielleicht hat er das Kind bekommen und ruft deshalb an.“

„Warum sollte er das tun? Er kennt Dr. Hiwatari doch gar nicht. Da sollte sich lieber sein Sohn melden.“

„Du weißt doch, dass die beiden kein gutes Verhältnis zu einander haben. Die interne Durchwahl ist 351.“

„Danke.“

Es raschelte und einen Moment später war Fräulein Ayanabes Stimme wieder klar und deutlich zu hören. Der Neko-Jin hätte beinahe laut losgelacht. Wenn sie nur wüsste... Vermutlich wäre die gute Frau vor Scham im Boden versunken.

„Herr Kon, ich verbinde sie jetzt.“

„Vielen Dank.“

Es tutete abermals und nach mehrmaligem Klingeln wurde erneut der Hörer abgenommen. Jedoch klang die Männerstimme nicht einmal halb so freundlich, wie die Frau Ayanabes.

„Hiwatari?“

„Guten Tag, hier ist Ray Kon. Ich nehme an, Sie wissen wer ich bin?“

„Ja, das ist mir bewusst und wenn Sie Geld wollen, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass Sie sich damit gefälligst an meinen Sohn zu wenden haben. Er hat sich diese Suppe eingebrockt, also soll er sie auch allein wieder auslöffeln.“

„Ich kann verstehen, dass Sie glauben, ich würde Sie um Geld bitten wollen, aber dem ist ganz bestimmt nicht so. Ich wollte ihnen nur mitteilen, dass Sie heute Morgen um 3:14 Uhr Großvater geworden sind.“

Für einige Augenblicke war es still am anderen Ende der Leitung. Eine schiere Unendlichkeit.

„Herr Hiwatari?“

„Was...? Entschuldigung. Ist das alles, weshalb Sie anrufen?“

Die Stimme des Wissenschaftlers klang nicht mehr gereizt und genervt, sondern verwundert.

„Ja. Ich dachte mir, Sie sollten es persönlich von uns erfahren. Schließlich sind Sie Kais Vater. Wir haben einen Sohn bekommen und ihn Go genannt. Wenn es Ihnen nicht allzu viele Umstände macht, könnten Sie uns ja einmal besuchen kommen. Ich werde nächste Woche Freitag aus dem Krankenhaus entlassen, würde Ihnen dann der darauf folgende Sonntag passen?“

„Nun, ich weiß nicht...“

„Bitte lehnen Sie nicht ab, ich möchte, dass mein Sohn seinen Großvater kennen lernt.“

„Also schön, ich werde kommen, aber...“

„Gut, dann sehen wir uns um 15 Uhr. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Das Wetter ist heute einfach traumhaft. Auf Wiederhören.“

„Ja... Auf Wiederhören...“

Lächelnd legte er auf und hielt seinem Freund grinsend dessen Handy entgegen. Dieser nahm es mit einem mahnenden Blick entgegen.

„Erwarte nicht zu viel, nur weil er heute ‚ja’ gesagt hat, heißt das noch lange nicht, dass er auch wirklich erscheint.“

„Ich glaube, dass er zu seinem Wort steht. Und nun nimm bitte den Kleinen, ich möchte mich etwas frisch machen.“

Selbstsicher gab er ihren Sohn an den Russen weiter. Dieser schüttelte nur kurz den Kopf, bevor er das schlafende Baby in seine Wiege legte, während Ray im Badezimmer verschwand.
 

Einige Stunden später, nachdem sie versucht hatten, noch einmal einwenig Schlaf zu finden, klopfte es plötzlich an der Tür. Verwundert blickten sie auf das helle Holz, bis Kai sich erhob und nachsah, wer das Geräusch verursacht haben könnte. Sie erwarteten niemanden, da doch bisher kaum eine Menschenseele wusste, dass Go bereits geboren war. Die offizielle Pressemeldung würde erst am morgigen Tag herausgegeben werden. Fragend blickte der Chinese auf den Rücken des Russen, welcher gerade die Tür geöffnet hatte und nun die Sicht auf die davor stehenden Personen verdeckte, jedoch erkannte er die Stimme, welche als erste sprach, sofort.

“Hallo. Ähm... Mr. Dickenson hat uns angerufen und uns alles erzählt. Und... naja, wir wollten fragen, wie es Ray geht und uns... entschuldigen.“

Mit einer gehobenen Augenbraue blickte er zu seinem Freund. Der Besuch missfiel ihm deutlich, allerdings war es die Entscheidung des Schwarzhaarigen, ob die kleine Gruppe bleiben durfte. Eine zweite Stimme meldete sich nun zu Wort.

„Dürfen wir reinkommen?“

„Lass sie rein, Kai.“

Mit einem strengen Blick auf die drei nun eintretenden Personen, trat er beiseite. Die drei anderen Teammitglieder machten den Eindruck von getretenen Hunden. Ihre Tat schien sie ehrlich zu bedrücken. Tyson hielt einen Blumenstrauß in der Hand und streckte ihn dem Neko-Jin entgegen.

„Es tut uns wirklich sehr Leid. Wir hätten dich nicht einfach vor die Tür setzen dürfen, aber diese Situation war so neu für uns und wir sind damit irgendwie nicht klargekommen.“

Er nahm die Blumen entgegen und lächelte die Drei traurig an.

„Ich kann nachvollziehen, warum ihr es getan habt und wie ihr euch fühlt.“

„Dann verzeihst du uns?“

Kenny, der bisher noch gar nichts gesagt hatte schaute ihn nun mit hoffungsvollen Augen an.

„Dass ich euch verzeihe habe ich nicht gesagt, ich kann lediglich eure Beweggründe nachvollziehen. Bis ich euch verziehen habe, wird es noch etwas dauern. Ihr habt nicht nur mein Vertrauen enttäuscht, sondern auch das Leben meines Kindes in Gefahr gebracht.“

Und eben dieses Kind meldete sich nun wieder zu Wort. Es gefiel ihm nicht, wie die Erwachsenen miteinander redeten. Seufzend nahm Kai den süßen kleinen Quälgeist aus seiner Wiege und versuchte ihn zu beruhigen.

„Ich denke, wir sollten unsere Streitigkeiten für eine Weile beiseite legen, sonst wird der Knirps keine Ruhe geben.“

„Kannst du ihn mir geben und eine Vase für die Blumen holen?“

Mit dem Strauß wedelnd lächelte der Chinese ihn an und freute sich bereits darauf, seinen Sohn wieder im Arm halten zu können. Er tauschte das Baby gegen die Blumen und murmelte noch etwas wie „Es scheint dir ja Spaß zu machen, mich herum zu kommandieren“, bevor er verschwand. Indes blickten die drei Besucher erstaunt auf das Bündel in den Armen ihres Teamkollegen.

„Er sieht genauso aus wie Kai. Das ist irgendwie beängstigend.“

Tyson nahm sein Cappi ab und kaute auf dem Riemen herum, durch den es in der Größe verstellbar war. In seinem Kopf machten sich schon Bilder eines diabolischen Duos aus Vater und Sohn breit, die ihn bis aufs Äußerste triezen würden.

„Nun übertreib mal nicht. Er hat auch einiges von Ray.“

Kenny rückte seine Brille zurecht und sah den Blauhaarigen mahnend von der Seite an. Währenddessen schaute Max weiterhin auf das Baby und berührte es, einem inneren Drang folgend, vorsichtig an der Wange. Neugierig drehte es die Augen in die Richtung, aus welcher die Berührung kam und begann ein wenig zu zappeln.

„Wie heißt er eigentlich?“

Der Blonde sah kurz auf und blickte danach sofort wieder auf den Kleinen, welcher nun versuchte nach dem Finger zu greifen, der ihn an der Wange streichelte.

„Wir haben ihn Go genannt. Kai hat den Namen ausgesucht.“

Die Drei nickten. Es war schon merkwürdig, dass Go einen einsilbigen Namen bekommen hatte, wo doch seine Eltern auch so kurze Namen hatten. Aber dennoch passte er zu dem Säugling. In diesem Moment öffnete sich die Tür wieder und der Russe kam zurück. Er sandte einen eisigen Blick zu dem Blonden, als er bemerkte, wie nach dieser seinem wertvollsten Schatz gekommen war. Hastig zog Max seine Hand zurück, jedoch hatte er dabei mehr an reflexartigen Selbstschutz, als daran gedacht, dass Go nun herzzerreißend weinte, weil man ihm sein Spielzeug entwendet hatte. Der Neko-Jin schaukelte ihn umgehend und versuchte ihn mit geflüsterten Worten zu beruhigen, allerdings wollte es ihm nicht so recht gelingen.

„Ich glaube, es ist besser, wenn ihr geht.“

Mit einem recht arroganten Blick betrachtete er das Trio und vor allem den Amerikaner, welcher kaum merklich versuchte vor ihm zurückzuweichen.

„Du weißt, dass es nicht seine Schuld ist. Also setz dich lieber dort drüben in die Ecke, wenn du dich nicht unter Kontrolle hast.“

Ein verächtlicher Laut war noch zwischen dem Babygeschrei zu hören, bevor der Graublauhaarige den größtmöglichen Abstand zwischen sich und seine Freunde brachte. Ray war indes kurz vor dem Verzweifeln, weil er seinen Sohn einfach nicht zur Ruhe bringen konnte, bis ihm eine Idee kam.

„Max? Möchtest du ihn halten?“

Völlig schockiert sah der Blonde ihn an, während Tyson und Kenny einen kurzen Seitenblick zu bereits erwähnter Ecke warfen, in der Furcht, dass sich ein Berserker aus ihr herauslösen könnte.

„Ich weiß nicht ob...“

„Mach dir keine Sorgen, du wirst ihn schon nicht fallen lassen. Denk nur daran, dass du seinen Kopf stützt.“

Kaum hatte der Schwarzhaarige dies gesagt, fand das zeternde Kind sich auch schon in den Armen des anderen wieder. Zwar hielt er es noch einige Augeblicke fest, bis er sicher war, dass es gut gehalten wurde, allerdings betrachtete er sofort mit Zufriedenheit, wie es sich langsam beruhigte und wieder nach den Fingern, des für ihn doch so interessanten Fremden tastete.

„Woher hast du das gewusst?“

Erstaunt sah Kenny ihn an, während er sich über das Baby beugte.

„Ich wusste es nicht, es war eher eine Intuition.“

„Es wundert mich nicht, dass du eine weibliche Intuition entwickelt hast, Kumpel.“

Schelmisch grinste Tyson den Chinesen an, welcher nur mahnend den Zeigefinger hob.

„Pass auf, was du sagst. Ich habe noch dutzende von Gewürzen, mit denen ich dir das morgendliche Erwachen versüßen kann.“

Allgemeines Gekicher brach daraufhin aus. Sie alle erinnerten sich nur zu gut an einen ihrer ersten Kämpfe, den sie beinahe wegen Nichtantretens verloren hatten, weil der Blauhaarige nicht wachzubekommen gewesen war. Sogar Kai entlockte es ein Schmunzeln. Die Stimmung war von da an wesentlich lockerer geworden und so gingen sie nicht, bis nicht jeder der Drei den kleinen Go einmal auf dem Arm gehalten hatte.
 

Die eine Woche im Krankenhaus verging wie im Fluge und auch die ersten beiden Nächte zuhause waren zwar lang, jedoch schnell vorbei. Einwenig übermüdet setzte Ray am Sonntagnachmittag das Teewasser auf, während sein Sohn in seinem Tragesitz auf dem breiten Holztisch stand und vor sich hin döste. Es wäre zu gefährlich gewesen, ihn direkt neben sich auf der schmalen Anrichte zu platzieren. Mittlerweile war es war bereits 15 Uhr und etwas sorgenvoll sah er aus der Terrassentür, vor welcher sein Freund stand und in den Garten blickte. Als er gerade das Wasser in die Kanne goss, kam der Graublauhaarige wieder herein und sah auf die Uhr, die mittlerweile Viertel nach drei anzeigte.

„Ich habe dir doch gesagt, dass er nicht kommen wird.“

„So spät ist es nun auch wieder nicht. Vielleicht verspätet er sich einfach nur.“

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht.“

Missmutig nahm er ihren Sprössling aus seinem Sitz und bettete ihn auf seinem Arm. Er würde ihn niemals im Stich lassen, egal was auch passieren mochte. Nie. Einige Augenblicke stand er so da und sah Go einfach nur an. Bis er auf einmal von der Türglocke gestört wurde. Ungläubig schaute er hoch, als er auch schon den Schwarzhaarigen mit einem triumphierenden Grinsen zur Tür eilen sah. Wesentlich langsamer folgte er. Die Eingangshalle gerade in dem Moment betretend, als dieser die Tür öffnete. Er wagte seinen Augen kaum zu trauen, als er tatsächlich seinen Vater dort vorfand, welcher ein wenig verloren in dem großen Eichenholzrahmen der Zweiflügligen wirkte.

„Es freut mich so sehr, dass Sie kommen konnten.“

„Ähm... Ja, natürlich.“

„Bitte kommen Sie doch herein. Der Tee ist gleich fertig.“

Lächelnd zog der Neko-Jin ihn leicht an einem Arm ins Haus, während der Russe immer noch fassungslos auf halbem Weg zwischen der Küchen- und der Eingangstür stand. Er erwachte erst aus seiner Starre, als ihm mit einem „Geht doch schon mal ins Wohnzimmer“ auf den Arm geklopft wurde. Doch als sie allein waren, rührten sich die beiden Männer eine Weile nicht vom Fleck und schwiegen sich an. Es schien, als ob sie sich nichts zu sagen hätten, obwohl eigentlich tausende von Worten unausgesprochen zwischen ihnen lagen. Schließlich war es der Ältere, der auf seinen Sohn zu ging und zunächst einfach nur seinen Enkel betrachtete.

„Er ist dir wirklich sehr ähnlich.“

„Ja, das ist er.“

„Und... deiner... Mutter.“

Kai sah hoch. In das Gesicht des Mannes, dem bisher alles gleichgültig gewesen war. Zumindest schien es so. Denn was er sah, waren Tränen. Tränen in alten müden Augen. Dies konnte er nicht begreifen. Es war ihm zu hoch. Warum war dieser Mann kurz davor zu weinen? Bisher hatte es ihn doch nicht gekümmert, was mit seiner Familie geschah.

„Ich sollte wieder gehen. Für mich ist kein Platz mehr in diesem Haus.“

„Wenn du das tust, wird Ray mir den Kopf abreißen.“

Der Braunhaarige wandte sich ab und schaute zur Küchentür.

„Wie kann ihm etwas, das im Grunde nichts mit ihm zu tun hat, so wichtig sein?“

„So, ist er eben. Immer auf das Wohl anderer bedacht, aber selten auf sein eigenes. Er ist wirklich etwas ganz besonderes, ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen.“

„Ja, das kann ich verstehen. Besondere Menschen gibt es nicht häufig, aber meist verlassen sie einen viel zu früh wieder.“

Sein Vater verstand ihn? Mit so etwas völlig abwegigem hätte er niemals gerechnet. Dass sie überhaupt irgendetwas gemeinsam haben könnten... Sich nicht so sehr unterschieden und abstießen wie Tag und Nacht.

„Vielleicht solltest du wirklich bleiben. Komm.“

Er ging voraus ins Wohnzimmer und hörte zögerliche Schritte hinter sich, die im ersten Moment leiser zu werden schienen. Doch schließlich setzte der Ältere sich ihm gegenüber auf das andere Sofa an dem kleinen Tisch, auf welchem er Go auf sein Babyfell bettete. Der Kleine quietschte sofort vergnügt, als sich seine Umgebung in die kuschelige Unterlage änderte.

„Sie wäre sehr stolz auf dich.“

„Wer?“

„Deine Mutter... Es ist zu schade, dass sie niemals ihren Enkel sehen wird.“

„Und was ist mit dir?“

Er wusste selbst nicht, warum er diese Frage stellte. Eigentlich konnte es ihm doch egal sein, was dieser für ihn Fremde von ihm hielt. Doch wieder sah er Wasser in dessen Augen glänzen. Als er antwortete.

„Ich könnte nicht stolzer sein. Du hast das geschafft, was ich niemals konnte...“

„Für meinen Sohn da sein?“

Die Frage kam kalt und bitter. Doch er konnte sie nicht zurückhalten. Am liebsten wäre er gegangen. Dieses Gespräch führte doch zu nichts. Es riss nur alte Wunden wieder auf. Bei ihnen beiden.

„Ja. Als deine Mutter damals starb, hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich wusste nicht wohin mit mir. Dort war nur noch Trauer und Schmerz. Also stürzte ich mich in meine Arbeit, um nicht mehr daran denken zu müssen. Genauso wie mein Vater es tat, als meine Mutter starb. Ich kannte es nicht anders und hatte nicht die Kraft, es besser zu machen. So habe ich nicht nur meine Frau vergessen, sondern auch dich. Weil ich zu schwach war, um dir ein guter Vater zu sein, auch wenn ich dich immer geliebt habe.“

Diese Worte zu hören machten den Jüngeren rasend. Nun saß dieser Mann hier und versuchte sich für 17 vergeudete Jahre zu rechtfertigen. Scheinbar nur um des lieben Friedens willen. Was wusste er denn schon von seinem Sohn. Nichts. Er war doch nie da. Ihm war doch alles egal. Und nun sprach er auch noch von Liebe. Wie erbärmlich.

„Wenn ich dir wirklich so viel bedeute, dann weißt du doch bestimmt auch wann mein Geburtstag ist, den du 17 Jahre lang ignoriert hast!“

„Diese Frage ist etwas albern findest du nicht?“

Wehleidig blickte er aus dem Fenster, hinaus in den friedlichen und sonnigen Garten. Ein herrlicher Sonntag. Am Horizont sah man jedoch Wolken aufziehen.

„Für mich ist sie das nicht!“

„Es ist der 9. Januar. Wusstest du, dass dies der Tag war, an dem deine Mutter und ich ein Paar wurden? Sie war die Tochter eines russischen Geschäftsfreundes meines Vaters und liebte Schnee über alles. Wir machten im Garten eine Schneeballschlacht, vor diesem Fenster. Damals waren wir 19. Jung, verspielt und hinterher völlig durchnässt. Ich lieh ihr einen meiner Pullover, weil sie natürlich keinen zweiten dabei hatte. Er war ihr fiel zu groß und rutschte ihr von der linken Schulter. Wir saßen hier vor dem Kamin und tranken Kakao mit Amaretto und einem Klecks Sahne oben drauf. Sie wollte sich bei mir bedanken, weil ich ihr wohl meinen wärmsten Pullover gegeben hatte. Also küsste sie mich. Ich habe ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr gestrichen und gefragt, ob sie es wirklich nur aus Dankbarkeit getan hatte. Sie ist rot geworden und hat geschwiegen. Mehr musste ich nicht wissen, um sie in meine Arme zu ziehen und ihr zu sagen, dass es ihr nicht peinlich sein muss, weil ich nichts dagegen hätte, wenn sie mich noch mal küssen würde. Dieser Tag war so albern romantisch, dass wir ihn von da an jedes Jahr mit einem Geschenk feierten. Nur Kleinigkeiten. Einen Blumenstrauß für sie, etwas Besonderes zum Abendessen für mich. Aber 1988 um 9:46 Uhr hatte sie eindeutig den Vogel abgeschossen. Sie hätte mir an diesem Tag kein schöneres Geschenk machen können. Meine süße Jekaterina... Sie sah immer noch wunderschön aus, obwohl sie dich gerade geboren hatte und eigentlich völlig erschöpft hätte sein müssen.“

Perplex sah der Sohn seinen Vater an. Oder der Vater den Großvater. Wie auch immer. Mit einer so ehrlichen und detaillierten Antwort hatte er nicht gerechnet. Darum war er mehr als dankbar, als kurz darauf die Tür aufging und ein strahlender Neko-Jin mit einer Teekanne herein kam, welche er zunächst ihrem Gast anbot. Er selbst war von da an recht still. Gedanken verloren nahm er Go einen Keks weg, welchen dieser irgendwie von seinem Teller stibitzt hatte und sich gerade in den, definitiv noch nicht dafür geeigneten, Mund stecken wollte. Wenn er nicht schlief, hatte er nur Flausen im Kopf. Doch Gott sei Dank schlief er die meiste Zeit des Tages, wie es sich für einen Säugling gehörte. Tysons Gegenwart während der Schwangerschaft schien wohl ein sehr schlechter Einfluss gewesen zu sein. Als daraufhin quengelnde Babylaute an sein Ohr drangen, gab er seinem Sohn ein Stofftier, worauf dieser, nun zufrieden, herum kaute. Sein eigener Blick lag dabei auf dem Garten. Erste Tropfen fielen vom Himmel und es dauerte nur noch wenige Minuten, bis der Wind mit lautem Brausen den Regen eines kräftigen Gewitters an die Fenster peitschte. Es ließ ihn mehr und mehr in eine Art Trance verfallen, bis er eine Hand auf seiner Schulter wahrnahm und zu deren Besitzer schaute.

„Alles in Ordnung? Du wirkst so abwesend.“

Besorgte Katzenaugen sahen in seine Rubine, doch er lächelte nur gezwungen und strich dem andern über die Wange. Kurz blinzelnd, als im Hintergrund ein greller Blitz den Himmel erhellte und bald darauf ein scheppernder Donner durch die Luft jagte.

„Es ist nichts. Mach dir keine Gedanken.“

Mit deutlichem Unwohlsein nickte der Chinese und sah aus dem Fenster.

„Das Gewitter wird wohl noch eine Weile anhalten.“

„Ich sollte mich wohl trotzdem langsam auf den Weg machen. Go muss sicherlich bald ins Bett.“

„Sie glauben doch wohl nicht, dass ich Sie bei diesem Unwetter vor dir Tür jage. Wenn Sie möchten, können Sie auch hier übernachten, es macht uns keine Umstände. Im Wetterbericht hieß es, dass das Gewitter wohl noch bis in die Nacht hinein dauern wird.“

Trotzig setzte sich der Schwarzhaarige etwas gerader hin. Der Nachmittag war nicht so verlaufen wie er es sich gedacht hatte. Sein Partner saß nur da und starrte Löcher in die Luft und dessen Vater war auch nicht besonders entgegenkommend, was die Interaktion mit seinem Enkel betraf.

„Schatz, ich erinnere dich wirklich nur ungern daran, aber das hier ist immer noch mein Haus und du solltest mich vielleicht vorher fragen, bevor du hier Gäste einquartierst.“

„Solange ich mich um das Wohlbefinden meiner Familie kümmere und damit auch den Haushalt schmeiße, regiere ich über dieses Haus wie ich will.“

Ray lächelte liebenswürdig, während er dem Graublauhaarigen über den Unterarm strich. Er wusste, dass er sich gerade auf sehr dünnem Eis bewegte. Die kühle Aura und der alles gefrierende Blick des anderen sagten dabei alles. Doch er wusste auch, dass er im Moment sehr weit gehen konnte. Der Bonus eines gemeinsamen Kindes und des daraus resultierenden ‚schlechten Gewissens‘ des Partners, wegen den Entbehrungen von Schwangerschaft und Geburt, zahlten sich aus.

„Also gut, mach doch was du willst. Ich bringe Go ins Bett. Er scheint müde zu werden.“

Dass dies nur eine verdammt schlechte Ausrede für ‚Ich bin beleidigt und ziehe mich jetzt zurück‘ war, ließ sich jedoch nicht leugnen. Aber trotzdem hielt er auf halbem Weg zur Tür inne, als der Kleine zu zappeln begann, da er natürlich im Entferntesten ans Schlafen, sondern viel mehr an die momentane Aufmerksamkeit, die man ihm schenkte, dachte. Langsam drehte der Halbrusse sich wieder um. Seinen Blick hatte er dabei zunächst auf seinen Sohn gerichtet und streichelte ihm liebkosend über die Brust. Danach sah er ein wenig resignierend seinem Vater in die Augen.

„Möchtest du ihn halten?“

Völlig überrascht von eben jener Frage schreckte dieser zunächst irritiert auf, bevor er verblüfft zu einer Antwort ansetze.

„Ja. Sehr gerne.“

Zögerlich schritt der Graublauhaarige auf ihn zu und bettete den Säugling behutsam in die Arme des älteren Mannes.

„Sei vorsichtig, du musst seinen Kopf stützen.“

Dieser lächelte nur, während er seinen Enkel so sicher im Arm wiegte, als hätte er nie etwas anderes getan. Sein Sohn setzte sich nur neben ihn und beobachtet ihn mit warnenden Blicken. Bereit Go sofort wieder an sich zu nehmen.

„Es ist zwar schon eine Weile her, aber ich glaube, ich weiß noch wie das geht.“

Man hätte es nicht für möglich halten können, doch dem Kleinen schien es sehr zugefallen, was sein Großvater mit ihm tat. Er kreischte vergnügt und wedelte mit den Armen. Es war deutlich zusehen, dass der ältere Mann wusste, was er tat.

„Ich hoffe doch, dass Sie uns häufiger besuchen werden. Go wird das ansonsten sicher vermissen.“

„Nun, ich weiß nicht recht…“

Unsicher blickte er zu Kai, welcher sich darauf verlegt hatte, stur aus dem Fenster in der gegenüber liegenden Wand zu blicken. Mit nichts war zu erahnen was er dachte. Jedoch musste dieser den Blick gespürt haben und antwortete, ohne sich irgendjemandem zu zuwenden.

„Meinetwegen. Wenn es den Kleinen glücklich macht.“

Ray lächelte und begann damit das Kaffeegeschirr zusammen zu räumen. Er musste stark an sich halten, um nicht lauthals loszulachen, als er den Blick seines Freundes auf sich spürte, welcher wohl überlegte, ob es zu auffällig war, wenn er ihm nun seine Hilfe anbot.

„Würdest du bitte das Tablett in die Küche bringen? Es ist doch ziemlich schwer.“

Stumm nickte der Graublauhaarige und seine Mundwinkel zuckten kurz zu einem Lächeln nach oben, als er sich über das Tablett beugte und auf die Wange geküsst wurde. Er wartete noch bis der anderer den Raum verlassen hatte, bevor er sich wieder seinem Schwiegervater in spe zuwandte. Gemäß dem Fall, dass sie irgendwann heiraten würden. Das Paar hatte noch nicht darüber gesprochen. Im Moment waren andere Dinge wichtiger.

„Möchten Sie sich vielleicht das Kinderzimmer ansehen? Sie werden den Raum nicht wieder erkennen.“

„Sicher. Ich frage mich schon die ganze Zeit, was ihr wohl daraus gemacht habt.“

Er stand auf und gab dem Neko-Jin den Säugling auf den Arm. Es war ihm unangenehm das Kind durch das Haus zu tragen. Und es erschien hm auch nicht richtig. Als sie jedoch gerade das Foyer betraten hielt er den anderen noch einen Moment auf.

„Ach, Ray. Bitte hör doch auf mich zu siezen. Mein Name ist Denny.“

Unbeholfen lächelte er, während der Jüngere über das ganze Gesicht zu stahlen begann.

„Danke, dass du mir das anbietest.“

Der Wissenschaftler lächelte nun etwas sicherer und nahm ihn in den Arm.

„Es ist wirklich schön zu sehen, dass mein Sohn jemanden wie dich kennen gelernt hat.“

Der Chinese wurde ein wenig rot, während er verlegen seinen Weg zum früheren Arbeitszimmer fortsetzte. Ein laut des positiven Erstaunens drang an sein Ohr, nachdem sie eingetreten waren. Mit einem Lächeln auf den Lippen beobachtete er, wie der Ältere sich im Zimmer umsah.

„Kai hat es ganz allein eingerichtet. Es ist wunderschön geworden, oder?“

„Ja, das ist es.“

Während der Schwarzhaarige seinen Sohn in die Wiege legte, welcher nun doch müde zu sein schien, viel ihm auf, dass Denny schon seit geraumer Zeit auf ein Foto sah, welches auf der Kommode neben der Tür stand. Es zeigte das Paar vor etwa einem Jahr, kurz vor der damaligen Weltmeisterschaft. Sie saßen gemeinsam auf der Holzterrasse, welche um das Kinomiya Dojo herum führte. Wer genau hinsah, konnte sehen, dass Kai einem Arm um den Neko-Jin gelegt hatte. Die kaum zu erkennenden Finger auf dessen Taille belegten dies.

„Er hat kein Foto von seiner Mutter, nicht wahr?“

„Nein. Sein Großvater scheint alles weggeworfen zu haben.“

„Stört es euch, wenn ich das Foto mitnehme? Ihr seht darauf so zufrieden aus.“

„Nein, das ist kein Problem.“

Er nickte und drehte den Rahmen herum, um ihn zu öffnen. Als der das Bild heraus genommen hatte, zog er sein Portemonnaie hervor. Jedoch verstaute er es nicht darin, sondern nahm ein anderes Foto heraus, welches er in den Rahmen legte. Danach stellte er das rechteckige Utensil wieder auf seinen Platz.

„Vielleicht passt dies hier sogar besser in dieses Zimmer.“

Verwundert kam Ray nun herüber, nach dem er bisher an der Wiege gestanden hatte. Ihm verschlug es beinahe den Atem, als er das Bild betrachtete. Es zeigte einen kleinen Jungen mit einem Eis in der Hand, welcher auf dem Schoß einer jungen Frau saß, die darauf achtete, dass er sich nicht zu sehr mit der milchigen Köstlichkeit beschmierte. Wenn man den Hintergrund und den Stuhl, sowie den angeschnittenen Cafétisch betrachtete, so lag die Vermutung nahe, dass es hier in diesem Garten aufgenommen wurde. Kai und seine Mutter…

„Hast du das all die Jahre mit dir herum getragen?“

„Ja. Es wurde kurz vor ihrem Tod aufgenommen. Der Film war nie in diesem Haus, sondern in meinem Büro, deshalb konnte mein Vater ihn nicht mit allen anderen Andenken an sie zerstören.“

„Dann hast du die beiden also nie wirklich vergessen.“

„Wie könnte ich? Sie sind meine Familie, auch wenn es seit Jekaterinas Tod nicht mehr den Anschein gemacht hat. Ich wünschte, ich wäre eher zur Besinnung gekommen…“

Der Jüngere legte ihm die Hand auf die Schulter und sah auf das Bild.

„Es ist nie zu spät, um zur Einsicht zu kommen.“

Denny sah den jungen Mann, der doch so feminin wirkte, traurig an.

„Ihr hattet bis vor kurzem auch Probleme, nicht wahr? Ich habe am Rande davon gehört. Darf ich dich bitten, mir davon zu erzählen?“

„Ja… Leider hatten wir welche. Oder vielleicht auch immer noch, aber es ist schon besser geworden. Die Sache ist die… Ich kann mit zu viel Nähe nicht besonders gut umgehen, auch wenn ich mir das nie eingestehen wollte. Zwar suche ich immer den Kontakt zu anderen, aber wenn ich ihn habe überfällt mich manchmal aus heiterem Himmel Panik und ich kann diese Nähe dann nicht mehr ertragen und laufe weg. Ich bin Kai so unendlich dankbar, dass er sich davon nicht hat abschrecken lassen und trotzdem um mich gekämpft hat. Alleine hätte ich es mit Go niemals geschafft. Wahrscheinlich hätte ich ihn weggegeben…“

Ray wischte sich über die Augen. Es machte ihn traurig, dass sie nicht einfach eine normale Familie sein konnten. Noch immer lagen seine psychischen Probleme wie ein Schatten über ihrem Glück und würden es wohl auch noch eine Weile tun. Er hoffte tagtäglich, dass sein amibivalentes Bindungsverhalten nicht auch auf Go abfärben würde. Vorsichtig, um ihn nicht zu verschrecken, wurde er in den Arm genommen. Er verkrampfte sich kurz, schaffte es jedoch sich wieder zu entspannen, auch wenn ihm bewusst war, dass er den anderen eventuell in einer Kurzschlussreaktion wegstoßen könnte.

„Ist schon in Ordnung. Ich bin mir sicher, dass ihr…“

Eine kurze Pause entstand. Doch dann sprach er mit sicherer Stimme weiter.

„…dass wir das schaffen werden.“

„Danke.“

Es machte ihn glücklich, wie sein Schwiegervater in Spe diese Worte gewählt hatte. Zeigte es doch nur allzu deutlich, dass er ein Teil dieser Familie sein wollte.
 

Noch einmal hob er die Hand und wank, während die Gestalt im Hof zu dem dunklen Auto ging, welches seit dem vorherigen Nachmittag dort gestanden hatte.

„Warst du heute schon im Kinderzimmer?“

„Ja.“

„Hast du es gesehen?“

Der Griff um seine Taille festigte sich, worauf er seinen Kopf auf die Schulter des Graublauhaarigen legte.

„Ja.“

„Und was sagst du dazu?“

Kai seufzte, fasste ihn nun mit beiden Händen an der Taille und küsste ihn, nachdem er den Kleineren zu sich gedreht hatte, womit sie sich nun direkt ins Gesicht sahen. Währenddessen fuhr das Auto bereits durch das große Eingangstor.

„Er kann häufiger vorbeikommen. Nicht nur wegen Go.“
 


 

So, ich hoffe, es hat euch gefallen. Der Name von Kais Mutter hat nichts damit zu tun, dass ich auch Katharina heiße. :D

Allerdings hat er etwas mit meinem Nickname zu tun, denn Kai ist eine schwedische Koseform für Katharina und ich fand die Verbindung zwischen den beiden Namen sehr schön, daher auch mein Nick.

Falls das Ende etwas holprig war, tut es mir Leid, aber wie gesagt, wollte ich die Ff nun sehr schnell beenden.

Es wäre schön, wenn ihr mir einen Kommentar da lasst, aber Bestechungskekse nehme ich natürlich auch gerne. :3
 

LG

Kairelle



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  MiniCupcake
2013-02-22T19:51:57+00:00 22.02.2013 20:51
Gomen ! Ich habe die Gabe süße, schöne, tolle usweitere ;3 kompliemente ! FF´s immer recht spät zu finden ;) Oh Gott musste ich bei den letzten Seiten heuln :( so schön traurig und dann das Ende ist ja auch niedlich :3 Und dann der kleine Go :) Einfach Toll !!

mfg MiniCupcake :>
Von:  Kouichi-chan
2011-12-15T18:30:33+00:00 15.12.2011 19:30
wie? nur ein Kommentar?
Was ist das denn?
Sowas kann ich ja gar nicht abhaben.
Es gibt so wenige gute Geschichten hier auf Mexx - besonders zu so Mainstream-Themen wie Beyblade, Naruto oder One Piece - aber diese hier gehört auf jeden Fall dazu!
Und natürlich gehört sie auch auf meine Favoritenseite :D
Omg das war wirklich zuckersüß.

Darf ich mir Go ausleihen? :D Der ist ja sowas von Zucker!
Von:  Jackie20
2011-07-24T09:43:23+00:00 24.07.2011 11:43
eine süße kleine geschichte
ich hab an einigen stellen richtig mit gelitten
schon das es ein happy end gegenen hat
freu mich drauf wenn mal wieder was neues kommt
bye


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